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WIEN / Staatsoper: TOSCA

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WIEN / Staatsoper: 
TOSCA  von Giacomo Puccini
567. Aufführung in dieser Inszenierung
17. Jänner 2014

Bedenkt man, welchen Rang der Waliser Bryn Terfel unter den Baritonen unserer Zeit einnimmt, nämlich einen in der allerersten Reihe, dann hätte man erwarten können, dass das Stehplatzpublikum das Haus stürmt (auf den Sitzplätzen ist eine „Tosca“ ja wohl so automatisch ausverkauft wie eine „Aida“ oder eine „Zauberflöte“ oder eine „Boheme“). Nichts davon, die meisten blieben weg. Nun, man kann ihnen nur ins Stammbuch schreiben: Sie haben etwas versäumt.

Besonders viel Terfel haben wir in Wien ja nicht gesehen, ein paar Mal Figaro, Leporello und Giovanni, öfter die Hoffmann-Bösewichte und Falstaff – und seit sieben Jahren überhaupt nichts mehr. Sein Holländer und Sachs, sein Wotan und Wanderer sind an Wien vorübergegangen. Immerhin gab es nun seinen ersten Scarpia am Haus, und das war eine Wohltat.

Endlich ein Sänger in dieser Rolle, bei dem man nicht die geringsten Abstriche machen muss, weder an Stimmpotenz noch an darstellerischer Überzeugungskraft. Dieser Scarpia hat die Kraft, dort zu donnern, wo Puccini es vorgesehen hat, und pure, brutale „Power“ ist hier einfach ein Zeichen für den Charakter. Darüber hinaus artikuliert Terfel schon mit seiner Stimme, alle Lautstärken und Farben von vollsaftig bis fahl ausspielen, die Rolle perfekt. Und wie er sie spielt? Das ist einer dieser bösen Sadisten, denen jeder schon einmal im Leben begegnet ist, die ihre Macht mit bösem Genuss ausspielen, die wirklich gefährlich sind – man traut ihm den kalt-lüsternen, brutalen Vergewaltiger jede Minute zu – und die immer noch eine Gemeinheit hier und dort in petto haben. Ausgefeilt bis ins Detail, eine großartige Leistung, im goldenen Buch der Scarpias steht er hoch oben. Terfel hatte auch die Disziplin bis zum Ende der Vorstellung auf seinen Soloapplaus zu warten, wenn andere sich diesen schon nach dem zweiten Akt holen und dann gemütlich im Sole oder beim Plachutta sitzen… Dem Opernfreund bleibt nur die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

Martina Serafin war auch die Tosca am Ende der vorigen Saison, damals mit Alagna, und sie gefiel diesmal besser, weil sie gelernt hat, „leichter“ zu singen und nicht so heftig auf die Stimme zu drücken. Wenn sie es allerdings tut, gerät vieles ins Wanken, und man wundert sich, dass sie schon bei der Turandot angelangt ist, wenn man doch den Eindruck hat, dass die dramatischen Ausbrüche der Tosca sie bereits an den Rand ihrer Möglichkeiten bringen. Der Schwachpunkt lag aber nicht im Gesang, sondern im Spiel – das ist, zugegeben, eine sehr schöne Frau, die in den prächtigen Gewändern prächtige Figur macht, und sie spielt auch brav, was die Rolle verlangt. Aber einen Künstler macht das aus, was er an persönlichem Mehrwert und an eigener Unverwechselbarkeit gibt, und da findet man nicht genug.

Auch Massimo Giordano kennt man in seiner Rolle, hat aber auch das Gefühl, dass er seit seinem Wiener Rollendebut als  Cavaradossi 2010 nicht viel weiter gekommen ist. Nach wie vor der ambitionierte, aber letztlich doch etwas hölzerne junge Mann, der sich spürbar bemüht und darstellerisch wenig erreicht. Die Stimme kann, was sie soll, bringt die Höhen, versucht, fehlende Sinnlichkeit mit Schluchzern zu erzeugen, ist aber nicht der Puccini-Tenor, der über die nötige schöne Sinnlichkeit der Stimme und des Vortrags verfügte. Die Arien sang er defensiv, vor allem die zweite, und wenn der Dirigent nicht totale Pausen danach eingelegt hätte (an sich nicht vorgesehen, darum wird oft nicht geklatscht, wenn kein Fachmann die Sekunde zum Einsetzen des Applauses findet) – dann hätte es vielleicht keine freundliche Zustimmung gegeben. Immerhin, am Ende wurden alle bejubelt, und Giordano dankte mit „winke winke“ ins Publikum…

Wenn der Mesner Alfred Šramek heißt, dann watzt er unveränderlich ambitioniert durch den ersten Akt, während Janusz Monarcha als Angelotti nicht wie jemand wirkte, der wirklich um sein Leben fürchtet… Hingegen zeigte Benedikt Kobel als Spoletta, dass man auch mit hübschem Gesicht ein böser Scherge sein kann – und dass auch die Bösewichte sich fürchten, wenn sie es mit einem Terfel als Scarpia zu tun haben, was Kobel  detailreich ausspielte (Hans Peter Kammerer bekam als Sciarrone weniger ab). Walter Fink sorgte als Schließer für die dunklen Töne des letzten Aktes, ein Kind der Operschule für die hellen.

Paolo Carignani ist italienisches Repertoire, wie es sein soll (wir reden von Repertoire, nicht von ausgefeilten Premieren-Interpretationen), da werden Bühne und Orchester zusammengehalten und die nötigen Stimmungen gezaubert (und die gibt es bei Puccini reichlich). Am Ende wirkten alle zufrieden.

Renate Wagner

 

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