Ausgrabung einer Kinderoper in Düsseldorf: „Die Prinzessin auf der Erbse“ von Ernst Toch (Vorstellung: 24. 1. 2014)
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Die Inszenierung der Toch-Oper „Die Prinzessin auf der Erbse“ in Düsseldorf bot bunte, zirkushafte Szenen (Foto: Hans Jörg Michel)
In der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf wurde im Vorjahr eine Miniaturoper des nur wenig bekannten österreichischen Komponisten Ernst Toch ausgegraben: „Die Prinzessin auf der Erbse“. Die humorvoll-satirische Märchenoper erlebte im Jahr 1927 in Baden-Baden ihre Uraufführung, geriet danach aber in Vergessenheit.
Der 1887 in Wien geborene Ernst Toch studierte Medizin und war als Musiker Autodidakt. Im Jahr 1909 gewann er den Mozart-Preis der Stadt Frankfurt und war, wie der Reclam-Opernführer schreibt, „vornehmlich ein Komponist kleiner Formen“. 1912 wurde er Dozent an der Mannheimer Musikhochschule, 1921 promovierte er an der Universität Heidelberg. 1927 schrieb er für die Deutschen Kammermusiktage Baden-Baden die Miniaturoper „Die Prinzessin auf der Erbse“ und zog 1929 nach Berlin, wo er die in Königsberg uraufgeführte Oper „Der Fächer“ komponierte. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP emigrierte er 1934 in die Vereinigten Staaten, wo er in New York und Los Angeles als Professor für Komposition und Musiktheorie unterrichtete. Er schrieb elf Werke für die Filmproduktions-Firma Paramount, dreimal wurde seine Musik für den Oscar nominiert. Zu seinen berühmtesten Filmkompositionen zählt das Halleluja aus „Der Glöckner von Notre Dame“. 1957 wurde Toch mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, 1960 erhielt er einen Grammy-Award. Im Jahr 1962 entstanden die Opern „The Last Tale“ und „Scheherazade“.
Am 1. 10. 1964 starb Ernst Toch in Santa Monica.
Die Handlung der Oper, deren Libretto Benno Elkan nach dem Märchen von Hans Christian Andersen verfasste, in aller Kürze: Seit Tagen versuchen der König und die Königin in einem Wettbewerb unter zahlreichen Prinzessinnen die richtige Frau für ihren Sohn auszuwählen. Nur einer wird nicht nach seiner Meinung gefragt: der Prinz. Als ein junges Mädchen am Hof erscheint und behauptet, königlichen Geblüts zu sein, verliebt sich der Prinz Hals über Kopf in die angebliche Prinzessin. Doch seine Mutter ist skeptisch und veranlasst mit Hilfe der Amme die „Erbsenprobe“. Unter einem riesigen Berg von Matratzen wird eine kleine Erbse versteckt – eine wirkliche Prinzessin müsste diese sofort spüren und nicht schlafen können. Am Morgen jammert sie, dass sie „schrecklich schlecht“ geschlafen habe. Wer eine Erbse durch zwanzig Matratzen spüre, muss eine Prinzessin sein! Also wird sie sich auch als würdige Gattin für den Prinzen erweisen.
Svenja Tiedt inszenierte die Märchenoper mit viel Schwung, phantasievollen Szenen und subtilem Humor. Bei der Vorbereitung für das Nachtlager der Prinzessin „zauberten“ Clowns eine Matratze aus dem Orchestergraben, agierten sogar auf dem 1. Rang mitten im Publikum und warfen zum Gaudium der Kinder die Kissen von oben auf die Bühne. Für die Gestaltung der Bühne, die ein märchenhaftes Schloss aufwies, und für die zauberhaft bunten Kostüme zeichnete Tatjana Ivschina verantwortlich. Für die kreative Choreographie der flotten, zirkushaften Szenen sorgte Amelie Jalowy.
International besetzt war auch das stimmlich ausgewogene Sängerensemble. Den König sang der kasachische Bassbariton Oleg Bryak mit sonorer Stimme, die Königin wurde von der amerikanischen Sopranistin Lisa Griffith dargestellt. Mit quirligem Spiel gestaltete die junge rumänische Sopranistin Luiza Fatyol die Titelrolle. Sie sang und spielte die fremde Prinzessin nicht nur beeindruckend, sondern auch mit Augenzwinkern. Ein wenig zu schüchtern wirkte hingegen der Schweizer Tenor Cornel Frey als Prinz.
Humorvoll agierten – ohne in Klamauk zu verfallen – der deutsche Bassbariton Martin Busen als Kanzler, der rumänische Tenor Paul Stefan Onaga als Minister und die griechisch-amerikanische Sopranistin Jessica Stavros als Amme. Als Erzähler konnte Thorsten-Kai Botenbender recht schnell die Herzen der Kinder erobern. Als „Bindeglied“ von der Bühne zum Publikum hatte er eine tragende Rolle inne, die er hervorragend ausfüllte.
Unter der Leitung von Christoph Stöcker spielte das „altstadtherbstorchester“ sehr ambitioniert die zwar wenig melodische, aber illustrativ wirkende Musik von Ernst Toch, die auch mit Zwölftonelementen durchsetzt war. Das Publikum im Alter von sechs Jahren aufwärts spendete am Schluss allen Mitwirkenden lang anhaltenden Beifall. Für die zukünftige Entwicklung der „Kunstform Oper“ ist es ein gutes Zeichen, dass immer mehr Kinder- und Jugendopern auf dem Spielplan der Opernhäuser stehen, die – wie beispielsweise in Düsseldorf – vom Publikum gut angenommen werden und sehr gut besucht sind.
Udo Pacolt