Ab 12. Juli 2013 in den österreichischen Kinos
DAS GLÜCK DER GROSSEN DINGE
What Maisie Knew / USA / 2012
Regie: Scott McGehee, David Siegel
Mit: Julianne Moore, Steve Coogan, Alexander Skarsgard, Joanna Vanderham, Onata Aprile u.a.
Seine Eltern kann man sich nicht aussuchen, und Maisie hat es schlechtweg miserabel getroffen. Das Kind zweier gewissenloser Egoisten, die nach der Trennung den Kampf um die Sechsjährige einzig aus Prestigegründen kämpfen, mit dem Ziel, den anderen zu verletzen, wobei die Gemeinheiten durch die Luft fliegen. Wenn sie Maisie – die schließlich nach einem grotesken Gerichtsbeschluss alle zehn Tage von einem zum anderen wandern soll – dann haben, dann wissen sie nichts mit ihr anzufangen.
Eigentlich kann keiner von ihnen das Kind brauchen: Mama Susanna ist ein (spürbar abgewrackter) Popstar, der es auf der Tournee noch einmal wissen will, Papa Beale ein undurchsichtiger Geschäftsmann, dauernd am Handy, dauernd auf Reisen. Die Geschichte spielt in New York, der Vater ist Engländer und pascht auch bald dorthin ab, ohne sich groß umzusehen…
Angesichts dieser Vorgaben käme man nicht auf die Idee, dass dieser Geschichte ein Roman des britischen Meistererzählers Henry James zugrunde liegt: Tatsächlich stammt „What Maisie Knew“ aus dem Jahr 1897, und es erinnert an der total in die Gegenwart verlegten Sache wenig daran – es sei denn das herzzerreißende Porträt des Kindes als Opfer, das den ganzen Film lang herumgeschoben wird. Bis es am Ende dann endlich „nein“ sagt.
Der Streifen der im Duo arbeitenden Regisseure Scott McGehee & David Siegel bekam viel Lob, aber man versteht nicht gänzlich, warum. Sicher, die beiden sind geschickt darin, ihre Figuren zu charakterisieren, aber sie können die Einförmigkeit der Geschichte nicht aufbrechen. Der Papa (Steve Coogan, sehr britisch, sprühend oberflächlich) lässt sich mit dem Kindermädchen ein (die Schottin Joanna Vanderham ist ein sehr sympathischer Typ, der an Diane Kruger erinnert), die sich als liebenswerte Reserve-Mutter herausstellt. Und Susanna, die eigentlich die Heldin der Geschichte ist (Julianne Moore zeigt in ihrem Aussehen, dass sie 50 plus ist, eine hektische „Künstlerin“, zerrissen zwischen ihren gnadenlosen Egoismus und der zweifellos vorhandenen Liebe zur Tochter, die doch immer an zweiter Stelle kommt), heiratet aus Trotz einen jungen Kellner (Alexander Skarsgard, sympathischer Sohn des großen Stellan Skarsgard, vom Typ her ganz der schlaksige junge karrierefremde Alternative von heute), der zusammen mit Margo zu den „Ersatzeltern“ der Kleinen wird.
Dass die „echten“ Eltern am Ende weg sind (Maisie, von Susanna bei früherer Gelegenheit regelrecht schutzlos „ausgesetzt“, weigert sich, zu ihr zurückzukehren), befriedigt zwar das Gerechtigkeitsgefühl, ist aber natürlich doch ein Kitsch-Ende, das ein wenig als solches zelebriert wird.
Der Film, der im ewigen Herumgeschubse des Kindes inhaltlich zwar tragisch, dramaturgisch aber schrecklich einförmig ist, lebt von Maisie: Die siebenjährige Onata Aprile ist der Glücksfall, ein schmales Kind, das mit seinen großen Augen und fragendem Gesichtsausdruck permanent präsent ist und schreckliche Behandlung mit ergreifender Geduld akzeptiert. Sie ist zauberhaft in ihrer Zerbrechlichkeit, aber nur, weil sie keine Sekunde lang spekuliert das „süße kleine Mädchen“ ist, funktioniert dieses so verdammt tragische Geschichte.
Renate Wagner