Dresden / Semperoper: 4. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN–11.7.2013
David Akham
Nicht nur für Richard Wagner und Giuseppe Verdi ist dieses Jahr ein Jubiläumsjahr. Die Sächsische Staatskapelle Dresden gedachte in ihrem „4. Aufführungsabend“ auch des 100. Geburtstages des polnische Komponisten Witold Lutosławski, der mit seiner „Musiquefunèbre à la mémoire de Béla Bartók (Trauermusik zum Gedenken an Béla Bartók)“ seines, von ihm verehrten und bewunderten, ungarischen Kollegen gedachte.
Nur von Streichern ausgeführt, waren die vier, mit „Prolog – Metamorphosen – Apogäum – Epilog“ bezeichneten Teile der „Musiquefunèbre“von einem traurigen, verhaltenen Grundtenor getragen. Trotz Zwölftonreihe (aber keine serielle Musik wie Schönberg, sondern eher an Barók erinnernd), die aus den Intervallen des Tritonus und der kleinen Sekunde gebaut ist, den Klangsymbolen von Trauer, Schmerz und Unheil, überwog in dem 14minütigen Stück, das die Musiker mit der ihnen eigenen Genauigkeit und viel Feinfühligkeit aufführten, das Erinnern musikliebender Menschen an einen bedeutenden Komponisten. Leise gezupfte Kontrabässe, in die die Violinen, Violen und Violoncelli einstimmten, und das solistische Cello, mit dem der „Prolog“ begann und der „Epilog“ leise, aber lange noch hörbar ausklang – der Epilog stellt faktisch die Umkehrung des „Prologs“ dar –prägten den Charakter des Stückes.
In Carl Philipp Emanuel Bachs „Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo G Dur“ (Wq 169) hatte Andreas Kißling, Soloflötist der Sächsischen Staatskapelle Dresden Gelegenheit, sein solistisches Können zu zeigen. Mit edlem Instrumentenklang und technischer Perfektion spielte er das Konzert mit großer Leichtigkeit und verhaltenem Ausdruck. Seine Kollegen begleiteten ihn sehr stilvoll. Die feinen Streicher sind eine der besonderen Stärken der Kapelle. Sie kamen bei diesem Werk dem sensiblen Klangbild der empfindsamen Zeit sehr entgegen. Besonders liebevoll wurde der mittlere, langsame Satz (Largo) ausmusiziert. Trotz des getragenen Tempos blieb die innere Spannung von Anfang bis Ende erhalten. Die schnelleren Ecksätze (Allegro di molto und Presto) verlangten einige Virtuosität und Meisterschaft auf dem Soloinstrument. Zum Abschluss bekam Kißling drei Sonnenblumen, die bewusst oder zufällig symbolisch die Liebe des Publikums zum Ausdruck brachten, das ihn herzlich feierte.
Der 29jährige David Afkham, neu ernannter Chefdirigent des spanischen Nationalorchesters, leitete mit sparsamer, aber gezielter Gestik das Orchester. Bei Franz Schuberts „Symphonie Nr. 4 c Moll (D 417), der „Tragischen Symphonie“, die Schubert mit nur 19 Jahren schrieb und der er nachträglich selbst diesen Titel gab, spürten die Musiker unter seiner Leitung der sensiblen Mentalität des Werkes in Homogenität und Klangschönheit nach, mit einfühlsamen Bläsern, Oboe(n), Fagott(e), Hörner, Flöte und Trompeten. Schubert hat seine Symphonie nie selbst gehört. Sie wurde erst 2 Jahrzehnte nach seinem Tod in Leipzig aufgeführt. Wirklich tragisch ist sie nicht, was seinerzeit nicht nur Antonin Dvorák und Robert Schumann monierten, aber wunderschön, besonders, wenn sie mit so viel Feingefühl gespielt wird. Da spielt der Titel keine Rolle.
Ingrid Gerk