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WIEN / Akademietheater: DAS GEISTERHAUS

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Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Akademietheater des Burgtheaters: 
DAS GEISTERHAUS nach Isabel Allende
Uraufführung der Bühnenfassung von Antú Romero Nunes und Florian Hirsch
Premiere: 30. Jänner 2014  

Die immer wieder, immer öfter und eigentlich sehr lästige Frage, warum so viel Prosa – vor allem berühmte Romane – auf die Bühne gebracht wird, lässt sich am „Geisterhaus“ der Isabel Allende auch nicht befriedigend beantworten. Nicht im positiven Sinn. Im negativen Sinn hat sich wieder einmal erwiesen, dass sich Erzählendes ganz selten dazu eignet, in Bühnenhaftes umgesetzt zu werden, da die Gesetze der Genres so verschieden sind, dass auch ambitionierten Bearbeitern und Regisseuren die „Übersetzung“ nicht gelingt.

„Das Geisterhaus“ von 1982 ist nicht nur der erste Roman der Allende, sondern sicher auch einer ihrer berühmtesten (nicht zuletzt dank der super-besetzten Verfilmung) und wohl auch einer ihrer besten. Es ist ein Buch, das auf vielen Ebenen lebt und funktioniert. Es ist ein kompakter Familienroman über drei Generationen, er führt in eine Welt, in der Magisches und Übersinnliches den Alltag durchwebt, aber man bekommt auch die Geschichte Chiles und mehr noch, einen Querschnitt durch dessen Gesellschaftspanorama geboten, von den reichen Großgrundbesitzern bis zu den armen Bauern, von den Idealisten bis zu den Folterern.

Zudem ist der Roman ein „Riegel“ – die Verfilmung von Bille August aus dem Jahre 1993 dauerte zweieinhalb Stunden, derzeit muss man dreieinhalb Stunden im Akademietheater ausharren, um die Dramatisierung von Antú Romero Nunes, sehr junger – gerade dreißigjähriger – deutscher Regisseur mit chilenischen Wurzeln, auf Bühnenbrettern zu erleben. Wobei es sehr gut ist, wenn man den Roman kennt oder zumindest den Film gesehen hat und sich noch erinnert: Denn viel Verwirrendes geschieht auf der Bühne, und von der Bewältigung der Vorlage kann nicht die Rede sein.

Antú Romero Nunes nervt als Bearbeiter und Regisseur. Er hat das Werk auf zwei Männer und sechs Frauen verteilt, wobei die beiden Männer die junge und die alte Ausgabe des (negativen) „Helden“ Esteban Trueba darstellen, aber der jüngere Darsteller auch noch gelegentlich als Estebans unehelicher Sohn erscheint. Die sechs Frauen spielen mit Ausnahme der Hauptdarstellerin Clara, der Gattin Estebans, so viele Rollen und dies auch noch so „durcheinander“, dass es immer wieder echte geistige Lücken im Geschehen gibt – wer ist nun wer und wo zum Teufel befindet man sich?

Gewiss, als schöner, tragischer, realistischer Bilderbogen wie im Kino ist die Theaterfassung natürlich a priori nicht gedacht. Zu Beginn deklamieren die sechs Damen frontal ins Publikum 20 Minuten lang den Beginn des Romans. Da wirbeln zahllose Figuren herum, die in der Prosa ein farbiges Entrée ins Geschehen bilden, hier aber vor allem deshalb unnötig sind, weil sie später gar nicht mehr vorkommen.

Dann gibt es, weil Hauptfigur Clara kurzzeitig beschließt, nichts zu sprechen (sie macht es auch später wieder, es gehört zu ihren Gewohnheiten), Pantomime. Clara ist irgendetwas zwischen Hexe und Zauberin mit der schönen Fähigkeit der Telekinese, und damit die Dinge auch auf der Bühne „schweben“ (was bekanntlich viel schwerer ist als im Kino), bedient man sich gänzlich schwarz gekleideter Helfer, die hier im Hintergrund Menschen und Dinge heben und senken. Um die Wahrheit zu sagen – es wirkt einfach dumm.

Dann kommt man, vor glatten grauen Wänden, die sich gelegentlich öffnen und zu würfelförmigen Gebilden drehen (Bühne: Florian Lösche), halbwegs zur Sache, sprich zur Geschichte. Man lernt den skrupellosen Esteban Trueba kennen, der ein reicher Großgrundbesitzer wird mit der schlechten Gewohnheit, alles zu schwängern, was ihm an Weiblichkeit vor die Füße kommt. Und man vernimmt – Clara ist auch höchst hellsichtig, was sie prophezeit, trifft hundertprozentig ein – die Nachricht, dass Clara Esteban anstelle ihrer verstorbenen Schwester heiraten wird. Und so geschieht es auch. Die Familiensaga beginnt.

Sie ist mit jeder Menge Figuren zu bestücken – Estebans vertrocknete Schwester, die Clara lesbisch liebt; Tochter Blanca, die sich vom Bauernsohn schwängern lässt; der uneheliche Sohn Esteban, der vom Vater weggewiesen wird; die Prostituierte Transito Soto, der Esteban Geld für ein eigenes Hurenhaus gibt und der diesen Gefallen ein halbes Jahrhundert später einfordert; zwei weitere Söhne, die nicht des Vaters Zustimmung finden; schließlich die Enkelin Alba, schon wieder ein Bastard, was durch die erzwungene Ehe von Blanca mit einem gekauften französischen Aristokraten verborgen werden soll. Das alles in seltsamen, absichtsvoll schrägen Szenen, die schon grotesk wirken, weil alle Damen alles spielen, ob Männlein, ob Weiblein, und das in oft alberner „Verkleidung“ (Kostüme: Annabelle Witt). Dazu macht Sergio Pinto Musik. Mühselig. Grotesk. Eine Parodie?

Nach 140 Minuten wird man endlich in die Pause entlassen  – da darf man sonst meist schon nach Hause. Aber nun folgt ja der dezidiert politische Teil – Esteban, der in die Politik ging, hasst natürlich Allende und dessen Kommunismus, unterstützt den Putsch der Militärjunta, bis ihm klar wird, dass er auch nicht mehr zu den Privilegierten gehört. Nun hat man die Folter- und Gefängnisszenen, die auch unter die Haut gehen, wenn man die Elektroschocks nicht mitansehen muss (reicht ja, wenn man Alba ihre eigene Scheiße ins Gesicht schmiert – und das tut ausgerechnet Esteban, Papas unehelicher Sohn)…

Befriedigt es, dass Esteban Trueba auch am eigenen Leib (eben am Schicksal der Enkelin) erleben muss, was Hunderttausende Chilenen damals erlitten und was seinesgleichen nicht so schlimm fand, solange es sie nicht selbst traf? Ja, im Roman ist das packend. Auf der Bühne stellenweise nicht mehr als hilflos. Und in den Szenen um Allende Politkitsch von der allerdicksten Sorte.

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Sicher, da ist August Diehl, und er hat die schillernde, negative Ausstrahlung des rücksichtslosen Machtmenschen, der nur angesichts seiner irrlichternden Frau unsicher wird: Caroline Peters macht das ordentlich, aber man hätte sich andere Schauspielerinnen vorstellen können, die in dieser Rolle überzeugender gewesen wären. So fragil und abgehoben, wie man es sich vorstellt, ist sie nun doch wieder nicht. Dörte Lyssewski hat ihre Minuten als lesbische Schwägerin, muss dann noch den französischen Grafen geben und ist überbesetzt und unterfordert an diesem Abend, eine Verschwendung.

Die anderen Damen – Sabine Haupt im fettem Körperbody als sterbende Mutter Estebans oder mit langen Haaren und Bart als dessen Gutmenschen-Hippie-Sohn; Adina Vetter am überzeugendsten als zielbewusste Nutte; Aenne Schwarz u.a. als Sartre zitierende Möchtegern-Intellektuelle und Jasna Fritzi Bauer in kindlicher Zartheit als gefolterte Enkelin. Und alle noch in vielen Rollen mehr, bis, wie gesagt, zur Unübersichtlichkeit. Nur der alte Esteban in Gestalt des weißhaarigen Ignaz Kirchner darf unverkennbar Er selbst sein.

Der Abend ist eine schwere Last, an der man dreieinhalb, aber gefühlte hundert Stunden lustlos trägt. Ohne Gewinn daraus zu ziehen.

Renate Wagner

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