Wiener Staatsoper: 30.01.2014– RUSALKA
Krassimira Stoyanova, Günther Groissböck. Foto: Barbara Zeininger
Endlich ist das Versäumnis behoben - die Wiener Staatsoper hat wieder eine Rusalka im Repertoir und zwar eine szenisch akzeptable und musikalisch hervorragende Produktion.
Der Stil des Leading – Teams Sven-Eric Bechtolf mit Rolf und Marianne Glittenberg ist in Wien ja bereits hinlänglich bekannt und so erlebt man keine besonderen Überraschungen. Dankenswerterweise wird die Geschichte kaum verfälscht, die kontroversiellen Regieeinfälle halten sich in erträglichem Rahmen. Dass die Befriedigung von latentem Voyeurismus durch ein kopulierendes Paar in die Handlung aufgenommen werden muß oder warum die Waldelfen zu menschenfressenden Monstern mutieren und den Küchenjungen auffressen haben wir – so wie viele andere Besucher auch – nicht begriffen. Das Bühnenbild wirkt im ersten und im dritten Akt karg und kühl; der Palast im zweiten Akt ist sehr praktikabel gestaltet und ermöglicht eine schlüssige und gekonnt umgesetzte Personenführung. Nicht verstehen können wir die Aufforderung des Regisseurs, während der Vorstellung den Verstand auszuschalten – so gelesen im Bechtolf–Interview im Programmheft. Gerade seine nicht interpretierende Inszenierung erlaubt es ja sehr gut, dieses vielschichtige „lyrische Märchen“ mit der eigenen Fantasie – unterstützt von der unglaublich ausdrucksstarken Musik von Antonin Dvorak – für sich selbst zu gestalten und zu genießen.
Dass der musikalische Genuss uneingeschränkt möglich ist, verdanken wir in dieser Serie dem unglaublich einfühlsam agierenden Staatsopernorchester, das unter der Leitung des kompetenten und engagierten tschechischen Kapellmeisters Jiri Belohlavek zeigt, wie sehr uns Österreichern die herrliche Musik des gemeinsamen Kulturraumes im Blut liegt.
Dass man bei der Beschreibung dieses Abends die Bezeichnung Sternstunde verwenden kann, liegt auch am Staatsopernchor (Chorleitung Martin Schebesta) und an den herausragenden Interpreten der Hauptrollen.
Krassimira Styanova spielt und singt die unglückliche Wassernixe auf allerhöchstem Niveau. Ihre Stimme klingt dank perfekter Technik in jeder Situation absolut authentisch – teils mit edlem Vibrato, teils mit klarer Linie bis in dramatische Höhen ohne jede Schärfe. Sehnsüchte, Liebe und Verzweiflung werden gefühlvoll und ausdrucksstark sowohl im zarten Piano als auch in dramatischer Aufwallung gestaltet.
Auf Augenhöhe mit Rusalka agiert auch Günther Groissböck, von dem man ja aufgrund seiner weltweiten Wagner –Präsenz einen mächtigen Wassermann erwarten durfte, obwohl er nicht als „schwarzer Bass“ zu bezeichnen ist. Der sensible Ausdruck und die lyrische Wärme seiner großen Stimme überraschte uns allerdings aufs Angenehmste, haben wir ihn ja zum letzten Mal vor über zehn Jahren als Don Fernando im Fidelio erlebt. Den Unterschied nennt man – so meinen wir – eine großartige Entwicklung und erklärt seine tolle internationale Karriere.
Michael Schade hat mit dem Prinzen eine zu seiner Stimmentwicklung gut passende Partie erarbeitet, die ihm mit seinem hellen Tenor sehr gut gelingt – man merkt allerdings noch deutlich, dass die Rolle nicht leicht ist.
Etwas ratlos macht uns derzeit die stimmliche Entwicklung von Janina Baechle. Wie schon als Brangäne bei einigen Vorstellungen in dieser Saison ist ihre stimmliche Präsenz sehr eingeschrenkt. Als Hexe Jezibaba ist sie zwar darstellerisch sehr ausdrucksvoll, kann die Gefühle aber – trotz richtigem Gesang – stimmlich nicht (wie sonst von ihr gewohnt) ausdrücken. Es wirkt an manchen Stellen so, als wäre ihr das Haus zu groß. Wir hoffen, dass sich diese Irritation – wie auch beim „Tristan“ in der dritten Vorstellung – auflöst.
Ein Quell der Freude war Monika Bohinec als fremde Fürstin. Elegant in Erscheinung, Auftreten und Gesang ist es nicht verwunderlich, dass sie – als Gegenentwurf zur verliebten Rusalka die Aufmerksamkeit und den männlichen Jagdinstinkt des Prinzen erweckt. Besonders erfreulich, dass ein Ensemblemitglied mit schönem, tragfähigem, technisch gut geführtem Mezzo diese interessante Figur so souverän bewältigt.
Das „komische Paar“ – Gabriel Bermudez als Heger und Stephanie Houtzeel als Küchenjunge sind gesanglich fast schon als Luxusbesetzung zu bezeichnen; die darstelleriche Interpretation und die Kostüme gehören allerdings zu den Details der Regie, die wir trotz eingeschaltetem Verstand nicht nachvollziehen können.
Die drei Elfen sind bei Valentina Nafornita, Lena Belkina und Ilseyar Khaykullova in besten Kehlen und erhalten von uns den Ehrentitel „Moldautöchter“. Besonders zu Beginn aber auch bei den Orchesterpassagen merkt man, dass Antonin Dvorak Richard Wagner gut gekannt hat – was ja bekanntlich kein Fehler ist.
Nun bleibt zu hoffen, dass sich diese wunderbare „tschechische Undine“ längerfristig im Repertoir der Wiener Staatsoper bleibt – sie ist unserem kulturellen Selbstverständnis sicher viel näher als mancher italienischer/französischer Quotenhit.
Anmerkung in eigener Sache:
Mit Erstaunen haben wir festgestellt, dass im Merker –Forum unsere gemeinsame Berichterstattung thematisiert wird. Natürlich sind auch wir nicht immer einer Meinung, deshalb geht es bei unserer ca. 40 minütigen Heimreise nach Niederösterreich fast immer sehr lebhaft zu. Zu Hause angekommen haben wir meistens einen Kompromiss gefunden, der zur Basis des Berichtes wird. Gelingt dies nicht, wird angemerkt, dass es sich um eine Einzelmeinung handelt. Es gibt bei uns keinen „Fraktionszwang“ sondern nur partnerschaftliches Teamwork. Leser, die es interessiert seien somit informiert, bei den anderen entschuldigen wir uns für die Belästigung mit Privatkram.
Maria und Johann Jahnas