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WIEN/ Staatsoper: RUSALKA / 2. Vorstellung

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STAATSOPER WIEN – RUSALKA (Premiere 26. Jänner 2014) Besuchte Aufführung 30. Jänner 2014

Ein Fest für Dvorak

 Rusalka - Jan 2014_MG-1560 small by ahaunold@gmx.at
Krassimira Stoyanova. Foto: DI.Dr. Andreas Haunold

Selten waren die Premierenkritiken so einheitlich wie bei dieser Rusalka in der Wiener Staatsoper. Musikalisch top, szenisch flop – auf diesen einfach Nenner konnten die vorliegenden Rezensionen gebracht werden. Wieder einmal, leider! Und für die erste Reprise des an diesem Haus sträflich vernachlässigtem Werk von Antonín Dvořák (die einzige Inszenierung aus dem Jahr 1987 wurde gerade 23 Mal gespielt, zuletzt vor 22 Jahren!) ist diesem Urteil nichts Neues hinzuzufügen. Sven-Erich Bechtolf blieb es wieder vorbehalten eine pseudo-psychologische Deutung zu wagen, es war die neunte Regiearbeit des gebürtigen Hanseaten, gefühlte acht zu viel! Wenn Programmheft und Einführungsvortrag es dem Besucher nahelegen, dass man erst zu Hause über die Aussage und den Inhalt reflektieren soll, dann verstehe ich die Aufgabe des heutigen Musiktheaters nicht mehr. Eigentlich erwarte ich mir nach den 3 ½ Stunden (die Neuinszenierung öffnete alle Striche und war damit eigentlich eine Erstaufführung an der Staatsoper in voller Länge), dass ich die Story verstanden habe und mich an Musik und Gesang im weitesten Sinn erfreut habe.

 So aber ging ich brav in mich und dachte bei der Nachhausefahrt über das Gesehene nach. Die (recht simple) Handlung der Wassernixe mit ihrer tragischen Liebe zu einem Prinzen, der nach dem finalen Kuss stirbt, während sie selbst als Irrlicht keine Erlösung findet, ist jedem Opernbesucher bekannt. Aber was sah ich: Einen Betonplattenbau, keinen See, tote Vögel, an deren Stelle zwei Akte später scharfe Messer lagen, einen lüsternen Wassermann, sich erotisch gebende Elfen (oder waren es doch Nixen wie im Libretto nachzulesen?), Schnee in der Landschaft, kühle oder soll man sagen coole Lichtregie (Jürgen Hoffmann). Einiges war meinem Blick verwehrt trotz einer 70-Euro-Karte auf Galerie Mitte: Nämlich die Handlung hinter Fensterscheiben mit Eisblumen im ersten Stock des Abrisshauses aus Akt 1 und 3 (Bühnenbild Rolf Glittenberg, seine Frau Marianne sorgte für die durchaus gefälligen Kostüme). Kann man dafür sein Geld zurückverlangen? Oder wäre es nicht die Aufgabe der Regie solches auch zu berücksichtigen, immerhin – üblicherweise vergleiche ich nie mit der alten Währung – entsprechen diese 70 Euro 1.000 Schilling.

 Ok, die Entstehungszeit des Werkes trifft genau die Zeit von Freuds Traumdeutung. Also war alles nur ein Traum? Der Wassermann Rusalkas Vater, der sie als Kind vergewaltigte, ist die Hexe Jezibaba vielleicht die Mutter, die ihre Tochter weg haben möchte? Der unfreiwillig komische Pantomimentanz im zweiten Akt eine schmerzvolle Hochzeitsnacht mit der sexuellen Verweigerung der traumatisierten Rusalka? Irgendwann war ich es dann satt mir darüber den Kopf zu zerbrechen und der Küchenpsychologie Bechtolfs auf die Spur kommen zu wollen.

 Denn es gab eigentlich vorwiegend Grund zum Jubeln nach dieser Aufführung, was das Publikum aber nur in sehr dosiertem Maße auch machte: Neun Minuten bei der zweiten Vorstellung der Premierenserie schien mir etwas dürftig, denn was die Ohren zu hören bekamen an diesem Abend war schlicht und einfach sensationell. In erster Linie zeichnete dafür Jíri Belohlávek verantwortlich, der das Wiener Staatsopernorchester zu einer wahren Meisterleistung inspirierte. Wie er den Melodienreichtum und die geniale Orchestrierung Dvořáks perfekt zum Klingen brachte, stets eine ausgewogene Mischung zwischen Graben und Bühne herstellte, immer im richtigen Tempo unterwegs war, die dramatischen Ausbrüche ansatzlos heranwuchsen, das hatte man schon lange nicht so schön gehört. Manchmal konnte man glauben, dass ein feines Kammerorchester am Werke ist, dann wieder klang es wie eine Wagner-Instrumentierung (wie überhaupt der Vorjahresregent in so manchen Passagen durchkam). Belohlávek hatte aber auch ein Ensemble zur Hand, das keine Wünsche offen ließ. Allen voran Krassimira Stoyanova, die das Vorurteil bestätigte, dass slawische Stimmen einen eigenen Klang haben und der ihre passte zu 100 % zur Wassernixe, sei es in wunderbar lyrischen Passagen mit sauberer Pianokultur oder beim dramatischen Impetus, der ohne Tremolo auskommt. Auch darstellerisch gelang es ihr den Besucher von der ersten Minute an zu fesseln, der Blick durchs Opernglas verstärkte den Eindruck noch. Die Nummer 2 des Abends (auch nach der Lautstärke des Publikumsbeifalles) war Günther Groissböck als Wassermann. Der großgewachsene Niederösterreicher ließ seinen sonoren, wunderschönen Bass fließen, dass es eine Freude war. Chapeau für diese gesanglich wunderbare Rollengestaltung, in szenischer Hinsicht schien er eher ein Riff Raff der Rocky Horror Picture Show, aber das war nicht seine Schuld.

 Positiv überraschte mich Michael Schade, von dem ich den Prinzen nicht in dieser Qualität erwartet hätte. Ein wenig eindimensional klang er vielleicht (angesichts der Tessitura aber auch wieder verständlich) und auch der Schmelz der Stimme könnte noch mehr durchschimmern. Und ob das darstellerische Manko der Regie oder dem Sänger zuzuschreiben war, konnte man schwer erkennen. Monika Bohinec setzte ihren Mezzo als Fremde Fürstin in der richtigen Art und Weise ein, sie spielte mit dem Prinzen und ließ ihr Timbre voll zur Geltung kommen, auch Janina Baechles Jezibaba enttäuschte nicht, im Gegenteil, wie Baechle maliziös ans Werk ging, das hatte schon was.

 Und auch die kleineren Partien bargen nur positive Überraschungen, etwa eine perfekt besetzte Stephanie Houtzeel als Küchenjunge (der am Ende massakriert und von den Elfen verspeist wird, warum weiß keiner) und ein sowohl stimmlich als auch körperlich präsenter Gabriel Bermúdez als Heger, an dessen fitnessstudio-gestählten Mukis sogar ich mich nicht satt sehen konnte, worauf es aber mehr ankam, war, dass auch sein Bariton dieselbe Virilität hatte. Ebenso überzeugend und perfekt klingend die Elfen Valentina Nafornita, Lena Belkina und Ilseyar Khayrullova sowie der Jäger Mihail Dogotari.

 Für die Folgeaufführungen ist es also klar: Es genügt ein Platz mit Sichtbehinderung, aber nochmals hören muss man diese wunderbare Musik auf alle Fälle nochmals!

Ernst Kopica

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