Savonlinna: Samson et Dalila – 11.7.2013
Global Arts in Savonlinna
Nicht die Binsenweisheit ist gemeint, dass Kunst globaler Natur sei, sondern der Einfluss einer Agentur gleichen Namens auf die Opernfestspiele von Savonlinna. Gegen diese weltweit häufig praktizierte Verknüpfung wäre im Prinzip nichts einzuwenden, wenn sie nicht zu einem Verlust an künstlerischer Qualität führte. Am Beispiel der diesjährigen „Samson et Dalila“-Neuproduktion scheint nach dem Motto verfahren zu sein: „Willst du meine Dalila haben, musst du auch meinen Boten (JAMES PRICE) und alten Hebräer (STEFAN SZKAFAROWSKY) engagieren“, zwei unnötige US-Importe der Global Arts-Agentur, die mit einiger Phantasie auch durch andere Künstler hätten ersetzt werden können, wenngleich konstatiert werden muss, dass sich die beiden einzigen finnischen Sänger im Ensemble (JUUSO HEMMINKI und MATTI TURUNEN) nicht gerade „mit Ruhm bekleckerten“. So war es einzig THOMAS HALL als Abimélech vorbehalten, mit kraftvollem heldischen Bariton die Agentur würdig zu vertreten.
Und die Dalila? MILIJANA NIKOLIC ist eine schöne Frau, deren Stimme leider nicht mit ihrem Aussehen mithalten konnte. In der Mittellage von durchaus angenehmem Timbre, wurde die Tiefe brustig heruntergedrückt und die Höhenlage metallisch-hart erkämpft, nicht zum Klang der übrigen Stimme passend. Zudem dunkelte die attraktive Serbin ihr Material stark ab, ihm so die Obertöne raubend, so dass es relativ kleinvolumig klang. Dies ganz im Gegensatz zum Samson FRANCO FARINAs, der sich in den 20 Jahren, seit ich ihn zuerst/zuletzt als Traviata-Alfredo in Hamburg hörte, kontinuierlich zu einem dramatischen Tenor entwickelte, der sogar Tristan und Tannhäuser in seinem Repertoire hat. Er hatte keinerlei Probleme mit der schwierigen Partie und wagte sich sogar in von seinen Kollegen gemiedene piano-Gefilde. YALUN ZHANG als Oberpriester des Dagon ließ einen klangmächtigen Bariton hören, und man kann sich danach gut vorstellen, dass er an seinem Kölner Stammhaus Rollen wie Wagners Holländer singt.
JAQUES DELACÔTE ist ein erfahrener Theater-Kapellmeister. Warum er im ersten Teil des 1. Akts einem übertriebenen fortissimo huldigte und erst danach zu für die Ohren angenehmeren Graden fand, scheint mir im Bühnenbild begründet zu sein, das HANK IRWIN KITTEL für diese Produktion entwickelt hatte, ein Kinosaal mit vier Sitzreihen, damit die Bühne der Burg Olavinlinna mit ihrer geringen Tiefe noch weiter einengend, so dass sich das, was man üblicherweise als Personenführung bezeichnet, auf einen schmalen Teil der Bühne beschränkte. Dieses kastenförmige Bühnenbild war zudem derart überakustisch, dass der gewohnt hervorragende Chor (Einstudierung: MATTI HYÖKKI) wie der Mannenchor in Wagners „Götterdämmerung“ klang, für empfindlichere Ohren durchaus nicht zum Vorteil. Diese „Samson und Dalila“-Produktion war in Zusammenarbeit mit den Domfestspielen von Erfurt entstanden, und der Erfurter Intendant GUY MONTAVON zeichnete für die Regie verantwortlich. Der Schweizer hatte einst bei Götz Friedrich in Hamburg studiert, und wie dieser liebt er es offenbar, sein Konzept im wie üblich üppig ausgefallen Programmbuch zu verdeutlichen. Hätte ich davon doch etwas mehr auf der Bühne gesehen! Den Chor bis auf den Schluss auf die Kinobänke zu verbannen, enthob den Regisseur der Aufgabe, mit ihm zu arbeiten. Und die Solisten waren reichlich herkömmlich geführt, so dass es sich trefflich in diese Inszenierung einspringen lässt. Eine Dalila im Jayne-Mansfield-Outfit bzw. als Partisanin, dazu ein seine Bewacher meuchelnder Samson, der am Schluss mit einer Handgranate die Philister tötet, machen noch keine Modernisierung aus. Schade! Die Chance, den Opernfestspielen von Savonlinna eine burggerechte Produktion hinzuzufügen, wurde vertan. Dem Publikum dieser zweiten Aufführung hat es gefallen. Gewohntes Trampeln mit den Füssen erweckte den Eindruck, einer großartigen Vorstellung beigewohnt zu haben. Hoffentlich hat Global Arts für die kommenden Vorstellungen noch einige Asse im Ärmel!!!
Sune Manninen