Savonlinna: Lohengrin (12.7.2013)
Den beiden diesjährigen Jubilaren Richard Wagner und Giuseppe Verdi huldigten die Opernfestspiele von Savonlinna durch die Reprisen zweier Produktionen, wie sie hätten nicht unterschiedlicher sein können: ”Lohengrin” in einer Inszenierung ROMAN HOVENBITZERs à la sog. Regietheater und „Macbeth“ in der Erfolgsproduktion RALF LÅNGBACKAs aus dem Jahre 1993, ein Musterbeispiel für hervorragend gemachtes traditionelles Theater.
Musikalisch fiel „Lohengrin“ gegenüber dem Premierenjahr 2011 ab. Dies lag weniger am scheidenden Künstlerischen Leiter Savonlinnas, dem Dirigenten JARI HÄMÄLÄINEN, der vor zwei Jahren in einer Vorstellung für seinen Kollegen Philippe Auguin eingesprungen und dem nun die ganze Serie anvertraut worden war. Mir gefiel sehr die großbogige Anlage des Werks, vom wunderschön ausgesungenen Vorspiel bis hin zum dramatischen Schluss. Balanceprobleme (zeitweise Überbetonung des schweren Blechs) mögen von anderen Sitzplätzen weniger bedeutsam gewesen sein, doch waren trotz klarer Zeichengebung Wackelkontakte mit dem ansonsten gewohnt fantastischen Chor (Einstudierung: MATTI HYÖKKI) nicht zu überhören. Das latente Auseinanderklaffen im hinreichend bekannten Brautgemach-Chor mag in der weiten Positionierung der Sänger begründet gewesen sein; umso unverständlicher das Schwimmfest gegen Ende des 1. Aktes, für das wie der Gong für einen fast k.o. geschlagenen Boxer der Schlussakkord die Rettung war.
Kirsten Chambers, mehr eine Augen- denn eine Ohrenweide. Foto: Global arts
Wie schon bei „Samson et Dalila“ die Rolle der Dalila scheint auch die Interpretin der Elsa mehr nach optischen Gesichtspunkten ausgewählt worden zu sein. KIRSTEN CHAMBERS war denn auch mehr eine Augen- denn eine Ohrenweide: eine schöne junge Frau, optisch ein Traum von Elsa, leider gesegnet mit einer reichlich anonym timbrierten Stimme ohne besonderen Wiedererkennungwert, für deren überflüssigen Import wieder einmal die US-Agentur Global Arts verantwortlich zeichnete. Auch ihr Schwanenritter BRYAN REGISTER verfügt über kein besonders individuelles Material, fühlte sich im forte hörbar wohler als in den im 1. Akt nur gesäuselten piano-Passagen und schwächelte ausgerechnet in der Gralserzählung und im Abschied vom Schwan. Lag es an der ungünstigen Positionierung oder an grundsätzlichen technischen Problemen? Während THOMAS HALL (Telramund) mit metallischem Material mühelos alle Schwierigkeiten seiner Partie bewältigte und trotzdem durch Einheitsforte (den Zuhörer) ermüdete, wies die Interpretation Ortruds durch TUIJA KNIHTILÄ viele Nuancen auf, von bewusst eingesetzen „hässlichen“ Tönen bis hin zu bravouröser Höhenattacke. Lediglich der Schluss mit „Fahr heim, du teurer Helde“ brachte auch sie an ihrer vokalen Grenzen.
Diese scheint MIKA KARES (König Heinrich) nicht zu kennen. Hatte ich bei seinen ersten Savonlinna-Auftritten vor fünf Jahren noch eine gewisse Resonanzarmut in den Extremlagen bemängelt, war spätestens bei seinem gloriosen Carlo-Filippo an der Finnischen Nationaloper im Oktober des vergangenen Jahres erfreut zu konstatieren, welch immensen Qualitätssprung der junge Finne hinter sich gebracht hat. Schöner und besser kann man König Heinrich heute nicht hören! Eine Prachtstimme, mühelos in der Bewältigung der für viele Bassisten unbequem hoch notierten Partie. Es wird interessant sein, die weitere Entwicklung von Mika Kares zu verfolgen. Dagegen verfügte der Heerrufer von MATIAS TOSI über einen zwar angenehmen, aber auch einige Grade zu leichtgewichtigen Bariton. Das Publikum honorierte die Leistungen aller Mitwirkenden mit dem traditionellen „Savonlinna roar“ – wäre es nicht so, hätte mich dies an den Zuhörern zweifeln lassen….
Sune Manninen