Dresden / Semperoper: 5. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 19.2.2014
Es gibt immer wieder Überraschungen in den Kammerabenden der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Im 5. Kammerabend war es neben den Ausführenden, dem Dresdner StreichTrio ein Werk von Wilhelm Berger (1861 ‑ 1911), das allgemeine Beachtung und Zustimmung fand. Berger, ein hierzulande kaum mehr bekannter deutscher Komponist, Pianist und Dirigent, Vorgänger von Max Reger als Dirigent der bekannten Meininger Hofkapelle, wurde noch lange über seinen frühen Tod hinaus sehr geachtet und später, wie so viele gute Komponisten der „2. Reihe“ vergessen.
Erfreulicherweise werden jetzt immer mehr vergessene, aber durchaus hörenswerte Werke von Komponisten der „2. Reihe“ wieder aufgeführt und rücken damit nach langer Zeit wieder in den Blickpunkt der musikalischen Öffentlichkeit. Zweifellos sind sie nicht mit denen der „1. Reihe“ wie Bach, Beethoven, Mozart usw. unmittelbar zu vergleichen, aber ihre Werke sind interessant, im besten Sinne unterhaltsam und verdienen durchaus, hin und wieder aufgeführt zu werden und die Konzertprogramme zu bereichern. Man kann nicht immer nur die berühmtesten Meister und ihre Kompositionen hören, auch wenn sie noch so gut sind und ihresgleichen suchen. Das würde zu Einseitigkeit und Abstumpfung führen. Nach einem, für den Hörer bisher unbekannten Werk (es muss nicht immer die Moderne sein!) lernt man auch seine Lieblingskomponisten wieder neu zu hören und noch mehr zu schätzen.
Bergers „Streichtrio g-Moll“ (op. 69) erinnerte an das meisterhafte satztechnische Können und den Klangsinn eines Johannes Brahms, ließ aber auch eine geschickte kontrapunktische Verarbeitung erkennen und hin und wieder auch dissonante Harmonien, die bereits auf Max Reger hinweisen. Das alles war geschickt und harmonisch miteinander verquickt, wobei auch der sehr guten Interpretation durch das, 1995 gegründete, Dresdner StreichTrio eine nicht unbedeutende Rolle zukam. Die drei Herren Jörg Fassmann, Violine (Kammervirtuos) und Sebstian Herberg, Viola (Kammervirtuos und Solobratscher), beide Sächsische Staatskapelle Dresden), und Michael Pfaender (Solocellist) vom mdr Sinfonieorchester Leipzig spielen in „Originalbesetzung“ und sind perfekt aufeinander eingespielt. Ihr Markenzeichen sind Exaktheit, große Musikalität, Klangsinn und ein gemeinsames Werkverständnis.
Sie spielten Bergers interessantes Streichtrio mit seiner schönen Melodik, über die schon der Hauch der Moderne weht, sehr „flüssig“, niveauvoll, ansprechend und mit ihrem unverwechselbaren Klang. Der Primarius spielt auf einer Geige unserer Zeit, einem Nachbau nach altem Vorbild und versteht es, sie entsprechend zu spielen, so dass sie unter seinen Händen den Charme und die Klangschönheit einer alten Meistergeige erreicht.
Neu für die Dresdner war auch das „Streichtrio“ (1944) des englischen Opern-, Kirchen- und Instrumentalkomponisten Lennox Berkely (1903-1989), dessen kompositorisches Schaffen stark geprägt ist von seiner Lehrerin Nadja Boulanger in Paris sowie seinen Zeitgenossen M. Ravel, F. Poulenc und J. Francaix und vermutlich auch seiner Freunde und Bekannten I. Stravinsky, D. Milhaud, A. Honegger, A. Roussel, die er in Paris kennenlernte, sowie von seinem Freund Benjamin Britten, mit dem er gemeinsam die 1937 entstandene Orchestersuite „Mont Juic“ schrieb. (Berkeleys op. 9 und zugleich Brittens op. 12).
Der französische Einfluss ist in Berkeleys Musik unverkennbar und kam durch die drei Interpreten mit ihren interpretatorischen Qualitäten sehr schön zur Geltung. Sie spielten den 1. Satz mit seinen technischen Raffinessen, wie Glissando abwärts, den getragenen 2. Satz mit seiner inneren Ruhe und den 3. Satz mit seinen erkennbaren Kantilenen, alles mit großem Können, exakt und homogen.
Sehr zur Freude des Publikums bildete das „Streichtrio G‑Dur“, das erste der drei Streichtrios (op. 9), die L. v. Beethoven 1796 ‑ 98 in Wien komponierte, und die wesentlich leichter anzuhören als auszuführen sind, den krönenden Abschluss. Hier kamen die Qualitäten des Trios noch einmal voll zur Geltung, was das Publikum mit viel Applaus honorierte und wiederum vom Streichtrio im Strauss-Jahr mit einer ebenfalls selten zu hörenden Komposition von Richard Strauss erfreut wurde, dem „Thema mit Variationen“ über das bayrische Volkslied „Mei Dirndl is haub auf mi“, einem fröhlichen Thema mit ebenso fröhlichen Variationen. Mit diesem kleinen Werk, das Strauss zur Gaudi geschrieben hat, wurde auch die Erinnerung an die kammermusikalischen Qualitäten dieses Großmeisters der Oper wieder einmal wachgerufen.
Es gibt wesentlich weniger Streichtrios als Streichquartette und demzufolge auch weniger Kompositionen für dieses Genre. Möglicherweise bedingt eins das andere. Umso mehr ist es deshalb zu schätzen, dass sich diese drei Orchestermusiker diesem Gebiet und den wenig aufgeführten Werken widmen.
Ingrid Gerk