Bay. Staatsoper – „LA CLEMENZA DI TITO“ (die Güte/Gnade des Titus) – 23.02.14 – Rundum gelungen und super gesungen!
Das Bühenbild im 1.Akt mit Servilia, Annio, Sesto und Vitellia, in der Mitte Titos verhängtes Auftritts-Portal © W.Hösl
Das Glück, dass die 5. Aufführung musikalisch weit besser gelang als die Premiere, hatte ich schon bei der Prem.-Serie von Hoffmann. Nun wieder dasselbe beim Tito.
Zunächst einmal große Freude über diese exzellent gelungene Inszenierung von Jan Bosse. Eigentlich hielt ich Mozarts Tito-Oper immer für einen Langweiler, was die im Militärambiente spielende Züricher Inszenierung von Jonathan Miller nur verstärkte (nur die durch Dialoge ersetzten Secco-Rezitative fand ich dort sehr begrüßenswert). Bosse hat mit einigen kleinen Humorspritzen im 1. Akt dagegengehalten. Das Bühnenbild von Stéphane Laimé macht ungeheuer Eindruck: Die Säulen sowie die mittlere und obere Balkonkante werden in gleicher Höhe und in gleichem Aussehen in den Bühnenraum übernommen. Eine halbrunde Treppe ergibt den Spielplatz für die Sänger, wobei jene mit Stöckelschuhen etwas Vorsicht walten lassen müssen, dass sie nicht straucheln. Auch Vitellia in ihrem Riesen-Reifrock ist gefährdet, weil sie ihre Füße unter diesem Monstrum nicht sehen kann, also auch nicht, wohin sie tritt. – Das Bühnenbild des 2. Aktes zeigt die Überreste des „Kapitols“ nach dem Brand. Zum Finale erscheint im Bühnenhintergrund wieder der Säulenbogen vom Anfang – Hoffnung (!). – Die Kostüme von Victoria Behr entsprechen zunächst der Barockoper – Vitellia und Servilia mit Reifrock und Turmfrisur, Annio in einem bestickten Anzug mit offenem, rosa Langhaar. Der bedauernswerte Sesto wurde in einen schwarzen Anzug mit zu kurzer Hose gesteckt, eine seltsam gewellte Frisur ziert sein Haupt, ein Menjou-Bärtchen seine Oberlippe. Tito erscheint – sozusagen als Lichtgestalt – von Anfang bis Ende in einem weiß leuchtenden langen Gewand mit Überwurf-Mantel.
Tito + Sesto im 2. Akt © W.Hösl
Sesto ist die umfangreichste Rolle in dieser Oper und psychisch am meisten gebeutelt. Für die kleine Tara Erraught ist die 1. Kostümierung ein bisschen kritisch, die im 2. Akt, als alle „demaskiert“ erscheinen, weitaus attraktiver. Diese kleine Irin singt und spielt zum Steinerweichen hinreißend. Erraughts Stimme hat sich wunderschön entwickelt, das eine zeitlang aufgetretene schnelle Vibrato hat sich wieder beruhigt, die Höhen blühen wie immer herrlich und ihr weicher Mezzo ist auch zu kraftvollen Ausbrüchen fähig. Dass sie die Tiefen nicht wie die Kasarova, die oft als Vergleich herangezogen wurde, aus den tiefsten Tiefen des Unterleibs hochholt, sondern in den melodischen Fluss einbindet, ist durchaus positiv zu bewerten. (Wie schön wird der bevorstehende Rosenkavalier in Glyndebourne werden – und vorher die Münchner Cenerentola…). Während ihrer großen Arie „Parto“ herrschte gespannte Stille im Auditorium und danach ging ein Bravosturm auf die Sängerin nieder, der größte während dieser Aufführung überhaupt. – Sestos Freund Annio war Angela Brower mit klarem Sopran. In dieser Oper sind alle weiblichen Personen als Soprane deklariert. Da war es höchst interessant, die beiden, Erraught und Brower, im Duett zu erleben und die klanglichen Unterschiede dieser beiden jungen Stimmen zu registrieren. Auch Hanna-Elisabeth Müllers frühlingsfrischer Sopran in der Partie der Servilia trug zum musikalischen Genuss bei. Dann war da noch die dramatische Furie Vitellia, die all die Seelenpein Sestos und Titos verschuldet und von Kristine Opolais hinreißend verkörpert und gesungen wurde, viel besser als bei der Premiere. – Tobi Spence/Tito waren bei der Premiere einige Töne verrutscht, was ein paar Rezensenten auf eine frühere Erkrankung des Sängers zurückführen wollten. In dieser Aufführung sang auch er vortrefflich. Sein lyrischer Tenor mit Kern klang in allen Lagen sehr gut und besonders schwierige Stellen wusste Spence trickreich zu meistern. Publio, sowas wie ein Haushofmeister Titos, wurde von Tareq Nazmi mit seinem Edelbass und sehr agilem Spiel verkörpert. Hübsch das in den Seitenlogen platzierte „Volk“, das später auch die Treppen bevölkert und als Chor beeindruckt, ganz besonders im Finale.
Damit wären wir bei Maestro Kirill Petrenko, der nach der Premiere, entgegen sonstigen Gewohnheiten, von der Presse wenig belobigt wurde. Dabei gefiel mir sein Mozart bei dieser Aufführung ganz ausgezeichnet; kraftvoll zupackend wenn’s dramatisch wurde, samtig und sensibel in der Sängerhege. Aus dem hochgestellten Orchester löst sich der Klarinettist mal als Begleiter Sestos, mal als solcher Vitellias – großer Erfolg auch für ihn (Andreas Schablas). Die Secco-Rezitative wurden überwiegend mit Cembalo + Cello begleitet.
Zum Schluss ein rundum begeistertes, lange jubelndes Publikum. Und auch ich durfte erkennen, dass der Tito, solcherart dargeboten, kein Langweiler ist.
D. Zweipfennig
Tito bei STAATSOPER.TV /
http://www.bayerische.staatsoper.de/866–~Staatsoper~bso_aktuell~aktuelles.html