Ab 28. Februar 2014 in den österreichischen Kinos
PHILOMENA
USA, GB / 2013
Regie: Stephen Frears
Mit: Judi Dench, Steve Coogan, Sophie Kennedy u.a.
Es wirkt wie ein typischer Stephen Frears-Film, der in seinen besten Arbeiten immer die Schicksale ganz normaler Menschen eingefangen hat. So wie von Philomena, einer Unterschichtsfrau aus London. Nur ihr Schicksal war ungewöhnlich, und Stephen Frears ist „nur“ der Regisseur.
Entdeckt hat die Geschichte der britische Komiker Steve Coogan, den man vor allem aus vielen schlechten amerikanischen Filmen kennt. Aber offenbar hat ein Zeitungsartikel über ein Frauenschicksal ihn in seiner eigenen irisch-katholischen Abstammung so weit aufgerüttelt, dass er das Drehbuch zu „Philomena“ schrieb…
Es geht um eine Geschichte, die so schmerzlich ist, dass man sie einfach nicht glauben will – und doch weiß, dass sie wahr ist. Junge Frauen in Irland, die Schande auf sich geladen hatten und uneheliche Kinder bekamen, verschwanden mit diesen Kindern hinter Klostermauern und mussten ihre Schuld hart „abarbeiten“ – und die Kinder, die sie innig liebten und für die sie alles taten und kaum sehen durften, verschwanden…
Nicht wider den Willen der Mütter zur Adoption frei gegeben, sondern, wie sich später herausstellt, schlicht und einfach „verkauft“. Für große Summen an das Kloster landeten die Kinder in Amerika, und den Müttern, die später nachforschten wie Philomena, erzählte man am besten, alle Unterlagen seien leider, leider bei einem Brand verloren gegangen, man könne absolut nichts mehr über den Verbleib des einstigen Schützlinge sagen…
Man muss sich dergleichen in seinem vollen emotionalen Ausmaß vorstellen, und wenn auch Philomena ein anderes Leben mit Mann und Kindern gefunden hat, so ist doch der verlorene Sohn eine lebenslange Wunde in ihrer Seele. Judi Dench spielt sie, und wie die einfache Frau nach außen hin unsentimental, aber innerlich völlig zerrissen mit dieser Tragödie umgeht, ist erneut eine ihrer ganz großen, eigentlich atemberaubenden Leistungen. Steve Coogan verkörpert jenen gerade arbeitslosen Schreiber, der sich einer Illustrierten für eine „Human Interest“-Story verpflichtet hat und sich dafür mit der Unterschicht-Britin in ein Flugzeug nach Amerika setzt.
Ja, sie finden den Sohn, ja, es ist eine Tragödie, aber sie besteht nicht nur darin, dass Mutter und Sohn sich nicht mehr begegnen – sondern darin, dass die Nonnen es verhindert haben, indem sie nicht nur Philomena, sondern auch Anthony gezielt belogen haben, als dieser nach seiner Mutter suchte. Die katholische Kirche hat viel Missbrauchs-Unrecht aufzuarbeiten, aber Leben wie das von Philomena (und sie war kein Einzelfall) sind nicht weniger zerstört worden.
Das Drehbuch, das Steve Coogan nach dem 2009 erschienenen Tatsachenbericht des Journalisten Martin Sixsmith schrieb, setzt nicht auf triefende Emotion, sondern letztlich auf sachliche (und bei aller Ruhe des Erzählens: brutale) Darstellung des Sachverhalts. Dabei bietet er sich selbst in der Rolle des Journalisten und Judi Dench als „Opfer“ die Möglichkeit, in ganz „normalen“ Dialogen dennoch die brisante Problematik für den Zuschauer differenziert und auch dialektisch aufzubereiten – denn die schlichte, vom Katholizismus geradezu imprägnierte Frau ist nicht einmal imstande, den Nonnen ihre Schuld vorzuwerfen, während ihm als Außenstehenden die Ungeheuerlichkeit des Geschehens (wie es auch der Zuschauer empfindet) voll bewusst ist …
Ein bemerkenswerter Film. Und ein „Oscar“ für die Hauptdarstellerin wäre auch fällig…
Renate Wagner