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ERFURT/Theater: 5. SINFONIEKONZERT (Brahms, Bartok) – Samuel Baechli, Ralph Neubert

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 5. Sinfoniekonzert, am 28.02.2014, Theater Erfurt

 Johannes Brahms Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15
Béla Bartók Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta
Johannes Brahms: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 Maestoso, Adagio, Rondo. Allegro non troppo

Neubert, Ralph 15
Ralph Neubert. Foto: Theater Erfurt

 ”Ich schreibe dieser Tage den ersten Satz des Concertes ins Reine. Auch male ich an einem sanften Portrait von Dir, das dann Adagio werden soll.”

 Der Maler des sanften Porträts ist damals, im Dezember 1856, gerade 23 Jahre alt, die Porträtierte 37. Es ist die rührende und geheimnisvolle Geschichte von Johannes Brahms und Clara Schumann.

 Brahms zog ins idyllische Detmold, unterrichtete dort Klavier, leitete einen Mädchenchor – und zog sich zurück, um mit gerade mal 23 Jahren eine Großtat zu vollbringen: sein erstes Klavierkonzert.

 Der Entstehungsweg von Brahms erstem Klavierkonzert ist lang und voller Sackgassen. Über kein anderes Werk zerbricht sich der Komponist so sehr den Kopf, verwirft Pläne für eine Sonate mit zwei Klavieren, versucht sich daran, alles als Sinfonie umzuformen – und macht schließlich ein Klavierkonzert daraus.

 Anton Bruckner zeigt sich begeistert von der überdimensionalen 90-Takte-Introduktion des Orchesters und meint zu recht: “dös is a Sinfoniethema”. Mit dem Virtuosen-Konzert seiner Zeit jedenfalls bricht Brahms gewaltig.

 Und im zweiten Satz „geheimniste“ er mit einer rätselhaften Überschrift eine Huldigung an Robert Schumann hinein, der mit seinem berühmten Aufsatz “Neue Bahnen” schon 1853 Brahms‘ Talent und seine Bedeutung beschrieben und vorausgesagt hatte.

 Robert Schumann schreibt: “Dazu kam ein ganz geniales Spiel, das aus dem Klavier ein Orchester von wehklagenden und lautjubelnden Stimmen machte. Es waren Sonaten, mehr verschleierte Symphonien, – Lieder, deren Poesie man, ohne die Worte zu kennen, verstehen würde, obwohl eine tiefe Gesangsmelodie sich durch alle hindurch zieht. Und dann schien es, als vereinigte er, als Strom dahin brausend, alle wie zu einem Wasserfall, über die hinunterstürzenden Wogen den friedlichen Regenbogen tragend und am Ufer von Schmetterlingen umspielt und von Nachtigallenstimmen begleitet.”

 So schwer wie sich Brahms mit diesem Klavierkonzert in der Entstehung tat, so schwer tat sich dann auch sein Publikum damit, nicht mehr als ein Achtungserfolg zur Uraufführung. Die Berühmtheit dieses Konzertes wächst schließlich mit der Berühmtheit seines Schöpfers.

 Ralph Neubert, der Pianist des Abends, bemüht sich mit seinem Spiel in diese Brahms-Welt einzutauchen.

 Ralph Neubert machte eine schnelle musikalische Entwicklung. 1989 als Erster Preisträger beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ ausgezeichnet, begann er 1991 ein Klavierstudium an der Hochschule für Musik in Hannover bei Prof. Karlheinz Kämmerling. Von 2000 bis 2002 erhielt er außerdem eine Gesangsausbildung an der Hochschule für Musik in München. Eine rege Konzerttätigkeit führte Ralph Neubert bisher unter anderem durch Deutschland, nach Österreich und Japan. Seit der Spielzeit 2009/2010 ist er als Studienleiter am Theater Erfurt engagiert

 Zielstrebig arbeitet Neubert die Dominanz des Klaviers heraus. Das Klavier bildet den nicht integrierten Part, vor allem in der Kadenz, noch an das Virtuosen-Konzert erinnernd. Dennoch sind Pianist und Orchester bemüht Technik und Ausdruck zu einer harmonierenden Einheit zu fügen. Schon im kraftvoll hereinbrechenden Kopfsatz, mit seinen Soloabschnitten, zeigt sich Ralph Neubert ebenbürtig gewachsen. Allerdings sein hart pointierter Anschlag mit der linken Hand wirkt überzogen. Diese formale Energie ist auch dann im 2. Satz ein kleines Problem. In der melancholischen Klangwelt des frühen Brahms bewegt sich vieles im Leisen. In dieser begrenzten Sphäre abermals stark dynamisch zu differenzieren – das gelingt Ralph Neubert nicht immer. Bei den elegisch, lyrischen Tönen wirkt Neubert eher nüchtern, als schwärmerisch sehnsuchtsvoll. Technisch perfekt, aber mit gebremstem Gefühl, vermittelt Neubert vielleicht hier seine Interpretation des Werkes, genauer gesagt des 2. Satzes.

 Dann im Finale, angelegt zwischen Rondoform und Sonatensatz, spielt Ralph Neubert, vor allem nach der Kadenz, einen triumphalen Schluss mit gut ausgespielten Bravour-Passagen. Ganz dem symphonischen Gestus angepasst, kommt auch hier wieder seine formale Kraft zum Tragen.

 Dirigent Samuel Bächli und Solist Ralph Neubert bilden eine interagierende Einheit. Der lang anhaltende Applaus des Erfurter Publikums beweist das Verstehen.

 Nach der Pause folgt: Béla Bartók Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta

 Die “Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta” von Béla Bartók entsteht 1936 als Auftragskomposition: Paul Sacher, seit langem vom historischen Rang des Komponisten Bartók überzeugt, bittet ihn im Sommer 1936 brieflich um die Komposition eines nicht zu schweren Werkes für sein Kammerorchester.

 Dieses Werk soll neben anderen Auftragskompositionen in einem Jubiläumskonzert des Basler Kammerorchesters uraufgeführt werden. Bartók kündigt einen Monat später auch seinem Verleger die neue Arbeit an. Wieder einen Monat später meldet er, das Stück sei bis auf wenige Seiten fertig und dauere etwa 24 Minuten. Beendet wird es, laut Partitureintrag, am 7. September 1936 in Budapest. Die Uraufführung wird zum Sensationserfolg.

 Wie bei Bartók nicht anders zu erwarten, ist die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ sicherlich keine leichte Kost. Sie gehört zu den Werken, von denen ich nicht weiß, ob sie sich ohne das Mitlesen der Noten und einiger Erläuterungen erschließen können. Man findet in ihr sicherlich keine Zugeständnisse an irgendeine Breitenwirkung. Sie hat jedoch auch ihre unmittelbar ansprechenden Stellen, am stärksten vielleicht in den faszinierenden Klangsphären des 3. Satzes. Man fühlt sich jedoch reich belohnt, wenn man sich ein gutes Stück in Bartóks Kompromisslosigkeit vorwagt. Die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ gehört sicherlich zu den Werken, die man niemals erschöpfend kennen lernen kann, sondern aus der sich immer wieder etwas Neues heraushören lässt.

 Der Dirigent des Abends Samuel Bächli und das Erfurter Orchester machen dieses facettenreiche Stück eindrucksvoll hörbar. Das Zusammenspiel zwischen Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta entwickelt völlig neue faszinierende Klangfarben. Besonders die jazzigen, aber auch die an ungarische Folklore erinnernden Parts werden eindrucksvoll herausgespielt und lassen die Ohren höher schlagen.

 Ärgerlich nur, dass nach der Pause und während des Konzerts einige Hörer das Erfurter Theater verlassen. Diejenigen, die bleiben, zeigen sich verhalten entzückt.

 Thomas Janda

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