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MÜNCHEN / Philharmonie am Gasteig: LUCIA DI LAMMERMOOR

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MÜNCHEN / Philharmonie am Gasteig:
LUCIA DI LAMMERMOOR von Gaeatano Donizetti
Konzertante Aufführung am 10. Juli 2013 
Anzusehen per Livestream
http://www.sonostream.tv/performances/diana-damrau-and-joseph-calleja-in-donizettis-lucia-di-lammermoor/

„Dabei sein ist alles“, aber auch der leidenschaftlichste Opernfreund kann weder körperlich noch finanziell überall hinreisen, wo sich Wichtiges begibt. Die technischen Medien leisten allerdings für unseresgleichen Ungeheuerliches – man kann im Kino in der Met live dabei sein (mit optischen und akustischen Künsten, die das Original manchmal spektakulär übertreffen, wenn man denn so äußerlich sein will), und mehr und mehr spielen Institutionen wie „Sonostream“ eine Rolle, die nicht nur Live-Übertragungen bieten, sondern auch noch die Nachhaltigkeit, dergleichen über das Ereignis hinaus noch eine zeitlang ansehen zu können, wenn man am originalen Abend nicht dabei war. Oder – wenn es da nicht geklappt hat.

Die konzertante Aufführung der „Lucia di Lammermoor“ aus der Philharmonie im Gasteig München konnte zwar nur von einem Teil des Publikums (je nach technischer Ausstattung) empfangen werden, aber nun ist sie für alle da,in hervorragender Qualität am Computer, jeder der Akte extra, wodurch die Datenmenge nicht zu schwer wird und das Ergebnis so verlustlos zu genießen ist, wie es eben „nicht live“ nur möglich sein kann.

Diana Damrau und die Lucia di Lammermoor – sie ist ja nun doch Deutschlands gegenwärtiges Koloraturenwunder. Sie hat die Rolle 2008 an der Met gesungen (ein paar Kurz- und Kürzestszenchen daraus gibt es auf YouTube, auf DVD ist diese Produktion leider nie herausgekommen). Als sie als Lucia im Juni 2012 in der Wiener Staatsoper angesetzt war, war sie im sechsten Monat schwanger und krank, sang von drei angesetzten Vorstellungen eine einzige (quasi als ihre eigene Einspringerin), eine erstaunliche Leistung, aber sicher nicht diejenige, die sie sich vorgestellt hat.

Wenn sie nun in München in den Konzertsaal ging, wird es von diesem Ereignis eine CD geben – dergleichen in drei Live-Aufführungen vor Publikum aufzuzeichnen, ist die perfekte Umwegrentabilität: Zweifellos überträgt sich die prickelnde Atmosphäre eines korrespondierenden Publikums im Konzertsaal auf die Leistung und auf die Aufnahme, und da die Besetzung ziemlich ideal ausfiel, hat man wohl kaum Schwierigkeiten, dieser „Lucia“ ihren Status unter den Tonträgern dieser Oper prophezeien. (Und große Vergleiche gibt es da ja wahrlich genug.)

Diana Damrau ging es wohl nicht nur darum, sich dem deutschen Publikum – also ihren Landsleuten – in dieser Rolle vorzustellen, sondern sich als „die“ Lucia unserer Tage zu etablieren. Das Wunder Gruberova existiert nach wie vor, aber selbst sie wird einräumen, dass die Ablöse vollzogen werden muss und dies kaum überzeugender geschehen kann als durch die um ein Vierteljahrhundert jüngere Kollegin. Wobei die Damrau kein Problem hat, im schwarzen Abendkleid mit blonden Löckchen hereinzuschweben – und so vollendet „Lucia“ zu sein, als hätte man sie in alle erdenklichen historischen Kostüme gesteckt. Sie ist eine Gestalterin von Format, die sich selbst darstellerisch voll einbringt, aber die CD wird zeigen, dass sie alles durch ihre Stimme allein machen kann.

Wobei dazu noch die evidente, spürbare Lust kommt, zu demonstrieren, was sie kann – die Stimme noch und noch herauszufordern, noch einen Spitzenton einzulegen, wo andere (man erinnert sich an die Netrebko hier) eher einen streichen, die Triller, Koloraturen, halsbrecherischen Läufe, die sie ihrem hellen, klaren, dabei nie scharfen Sopran abgewinnt, schlechtweg – mit einem triumphierenden Lächeln, wenn sie denn alle gelungen sind – selbst zu genießen. Und das natürlich für den Genuss des Publikums zu tun. Die Wahnsinnsarie, hier wieder einmal von der Glasharmonika begleitet, wie es im Original der Fall war, demonstriert die ultimative Freude an der „geläufigen Gurgel“, für die sich große Komponisten solch Halsbrecherisches ausgedacht haben.

 
An der „Met“ – und in München

Von der ersten Aufführung der Serie las man, dass Joseph Calleja „abgebrochen“ hatte und nach Lucias Wahnsinnsszene nicht wieder kam: Die aufgezeichnete Aufführung bietet auch den Tenor „ganz“ (es war ja wirklich freundlich von Donizetti, dass er, wenn die Dame schon mit dem Wahnsinn so ungeheuerlich brillieren darf, dem Herrn wenigstens die Schlussarie beließ – und eine besonders schöne noch dazu). Calleja ist sicher nicht die ansehnlichste Erscheinung in einer Welt der Kaufmanns und Villazons, aber er hat eine wirklich prachtvolle, geschmeidige, sinnliche, hervorragend geführte und für das italienische Repertoire perfekt geeignete Stimme. Er und die Damrau waren Partner, zwischen denen die Ströme der gleichwertigen künstlerischen Partnerschaft flossen – auch sehr wichtig.

Neben Ludovic Tézier, der einen exzellent markigen Bruder gab, und dem wackeren Asiaten David Lee als Kurzzeit-Bräutigam wird sich das Interesse auch ganz unkünstlerisch auf den vergleichsweise „jungen“ Raimondo gerichtet haben, ist der gut aussehende, schönstimmige Bassbariton Nicholas Testé doch Gatte der Diva und Vater ihrer beiden Söhne – dergleichen mag „ernsthafte“ Opernfreunde nicht interessieren, aber man kann es doch wahrnehmen…

Jesús López-Cobos: ein souveräner Herr am Pult. Das Münchner Opernorchester und der Philharmonische Chor: tadellos. Wenn man eine solche Aufführung kostenlos in die eigenen vier Wände holen kann, sollte man es tun. Noch bis Ende des Monats möglich.

Renate Wagner

http://www.sonostream.tv/performances/diana-damrau-and-joseph-calleja-in-donizettis-lucia-di-lammermoor/

 

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