25. Opernfestival „Rossini in Wildbad“: „LE CHALET“ von Adolphe Adam (Vorstellung: 19. 7. 2013)
Die Oper „Le Chalet“ von Adolphe Adam wurde beim Festival „Rossini in Wildbad“ in einer komödiantischen Inszenierung aufgeführt (Foto: Patrick Pfeiffer)
Das 25. Festival „Rossini in Wildbad“ präsentierte heuer unter anderem eine Opernrarität des französischen Komponisten Adolphe Adam (1803 – 1856): „Le Chalet“ („Die Alphütte“). Dieser Einakter, der 1834 an der Opéra Comique in Paris uraufgeführt wurde, war seinerzeit mit sagenhaften 1400 Aufführungen in Paris einen Riesenerfolg, wurde aber seit einem halben Jahrhundert nicht mehr gespielt. Das Libretto verfassten Eugène Scribe und Mélesville nach Goethes Lustspiel „Jery und Bätely“ aus dem Jahr 1780.
Die Handlung spielt in einer Berghütte im Kanton Appenzell. Ihr Inhalt in Kurzfassung: Der junge Bauer Daniel jubelt über das Heiratsversprechen, das ihm seine geliebte Betly in einem Brief zusagte, obwohl sie bisher alle seine Anträge abgewiesen hat. Voller Glück lädt Daniel das ganze Dorf zu seiner Hochzeit ein. Zwischen dieser Anfangsszene und der Hochzeitsfeier am Schluss gilt es, einen alten Vertrauten (Betlys Bruder Max) zu enttarnen, der unerkannt heimkehrt und mit seinen Soldaten viel Unruhe in die Berghütte bringt.
Regisseur Nicola Berloffa inszenierte den Einakter sehr realistisch und mit guter Personenführung, die dem komödiantischen Charakter des Stücks voll entsprach. In einem Interview, das im Programmheft abgedruckt ist, erzählt er, dass er sich mit Dokumenten aus der Entstehungszeit der Oper von Adam beschäftigte: „Ich wollte immer im Blick behalten, dass ‚Le Chalet‘ nach seiner Premiere eine sehr populäre Oper war und besonders wegen seiner komischen und doppeldeutigen Art geschätzt wurde. Neben der kultivierten und raffinierten Musik von Adam wollte ich den eher skizzenhaften und komischen Text ausstellen.“
Die Bühnengestaltung oblag Caroline Stauch, die mit einem kleinen Tisch und zwei Stühlen ihr Auslangen fand. Ein Beweis für die Richtigkeit des oft gehörten Spruchs „Weniger ist oft mehr!“ Die Kostümentwürfe – bäuerlich einfach für die beiden Hauptpersonen, elegant für die Damen und Herren der Hochzeitsgesellschaft, grüne Uniformen für die Soldaten – stammten von Claudia Möbius. Dass allerdings die Sennerinnen in der Alphütte in eleganter Abendrobe auftraten, konnte man bestenfalls als komischen Effekt (oder als Sparmaßnahme?) betrachten. Für die deutschen und französischen Übertitel, die gut lesbar waren (keine Selbstverständlichkeit in Opernhäusern!), war Reto Müller, der wissenschaftliche Berater der Festspiele, zuständig.
Den in Betly verliebten jungen Bauern Daniel stellte der franco-armenische Tenor Artavazd Sargsyan dar, der anfangs stimmlich zurückhaltend wirkte, aber im Laufe der Vorstellung immer sicherer wurde. Sehr einfühlsam sang er die Romanze „Adieu, vous que j’ai tant chérie!“. Obwohl schauspielerisch gut, wurde er vom italienischen Bariton Marco Filippo Romano, der den Schweizer Soldaten Max darstellte, an die Wand gespielt. Wie er singend über die Bühne „marschierte“, war komödiantisch einfach großartig (Choreographie: Matteo Graziano). Eindrucksvoll auch seine Arie „Arrêtons-nous ici“. Seine Schwester Betly, die sich solange gegen eine Heirat wehrt, bis sich Daniel aus Verzweiflung den Soldaten anschließen will, stellte die italienische Sopranistin Diana Mian dar, die gleichfalls stimmlich wie schauspielerisch überzeugte. Ihr Duett mit Daniel „Prêt à quitter ceux que l’on aime“ zählte zu den Höhepunkten der Oper.
Der aus Polen stammende Camerata Bach Chor (Leitung: Ania Michalak-Potkowski) war in vielen Szenen im Einsatz, sang stimmkräftig und agierte dank guter Choreographie sowohl als Hochzeitsgesellschaft wie auch als Soldateska eindrucksvoll.
Das tschechische Orchester Virtuosi Brunensis (Leitung: Karel Mitáš), von Federico Longo temperamentvoll geleitet, erhielt schon nach der glänzend gespielten Ouvertüre verdienten Szenenapplaus. Die einfallsreiche, folkloristisch inspirierte Partitur des Komponisten, die bereits bei der Pariser Premiere Adams Lehrer Boieldieu mit Lob überschüttet hatte (er schrieb damals auf eine Schieferplatte: „Ich wünschte, dass diese Musik von mir wäre.“), kam auch in Bad Wildbad exzellent zur Geltung.
Das begeisterte Publikum, das auch mit Szenenapplaus nicht geizte, belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall.
Udo Pacolt, Wien