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LINZ/ Neues Musiktheater: DIE WALKÜRE

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Linz:  DIE WALKÜRE 6.4.2014

Unbenannt
Gerd Grochowski mit den Wunschesmädchen in Walhall. Foto-Copyright: Karl Forster

– Gleich vorweg, ich habe das Linzer Rheingold im Vorjahr versäumt, sodass sich meine Eindrücke – ohne Rückgriffe auf den Vorabend – auf den ersten Abend der Tetralogie beschränken müssen. Regisseur Uwe Eric Laufenberg verortet die Handlung in den  aufwendigen Bühnenbildern von Gisbert Jäkel und den historisierenden Kostümen von Antje Sternberg im zweiten Weltkrieg. Schon zu Beginn verfolgt eine uniformierte Soldateska, Hundings Mannen, den flüchtigen Wölfling Siegmund. Dieser versteckt sich in einer Spelunke mit Bar und der obligaten Weltesche in der Mitte. Er trifft dort auf eine bieder gekleidete Sieglinde, begleitet von zwei möglichen weiblichen Hausangestellten. Oder sind es etwa Wotans spähende Raben, Hugin und Munin, in Menschengestalt? Dieser Schluss drängt sich einem förmlich als Analogie zum christlichen Mythos des eingeborenen Sohnes Jesus Christus geradezu auf.

Das heilige Gastrecht darf selbst ein so roher Geselle wie Hunding nicht brechen und so fordert er den noch waffenlosen Siegmund zum Kampf auf Leben und Tod für den nächsten Tag, wobei die Szene bereits von  Brünnhilde und den frische Leichen witternden Walküren beobachtet wird.  

Das Geschwisterpaar erkennt einander und dabei hat es sich. Eine prüde unterdrückte Erotik mag sich in der Fantasie des Publikums auf der Flucht der beiden zu einer derart entfesselten Hingabe gesteigert haben, die letztlich zur (natürlichen) Zeugung von Siegfried, also in der Pause zwischen den beiden ersten Akten, führte.

In einem riesigen Zelt trifft der große Feldherr Wotan mit seinen Stabsoffizieren  zusammen, um den Weltherrschaftsplan zu besprechen. Auch Brünnhilde nimmt als stumme Zeugin an der Beratung teil, bis Vater Wotan ihr den Befehl erteilt, Siegmund den Sieg im bevorstehenden Zweikampf mit Hunding zu Teil werden zu lassen.

Aber Fricka, ein Spiegelbild der griechischen Göttin Hera, ergreift als Hüterin der Ehe Partei für Hunding, der ihren Schutz erflehte. Ehebruch und Inzest ist für die stärkste Frau und Göttin einfach zufiel und sie erteilt ihrem experimentierfreudigen Gatten Wotan unmissverständlich die Order, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf!“ (Christian Morgenstern, Die unmögliche Tatsache).

Wotan widerruft also in einer minutiösen Auseinandersetzung mit Brünnhilde, die eine geduldige Zuhörerin ist, seinen Befehl, Siegmund den Sieg zu weisen.

Die Szene verändert sich, indem die Tafel um 90 Grad gedreht wird und die Walküren sowie die gefallenen Helden während der Todesverkündung Siegmund als Vision der Wunschmädchen mit ihren Gespielen erscheinen. Die blassen Gestalten könnten dem Roman Polanskis Meisterwerk „Tanz der Vampire“ oder Filmen ähnlichen Genres entsprungen sein.

Dann erfolgt eine regelrechte tour de force, in der Siegmund, Sieglinde, Hunding und seine Mannen, die Walküren und Wotan involviert sind. Sieglinde wird von Hundings Mannen geschändet, während Siegmund, sein Leben verhauchend, noch die Kraft hat, seinem Vater Wälse-Wotan, der das Hinschlachten Siegmunds zuließ, die Hand zum Abschied zu reichen. Auch Sieglinde umarmt den geliebten Brudergatten noch einmal und wird dann eilends von Brünnhilde, die noch rasch Nothungs Trümmer einsammeln konnte, mit sich fortgerissen.

Der Walkürenritt findet dann im dritten Akt in einer Reithalle statt und die im Libretto nirgends aufscheinende 10. Walküre, reitet um den vom späteren Feuerzauber noch nicht entfachten Kreis und wirft Leichenteile auf den Boden, während die übrigen acht Walküren sich an den Leichen noch einmal einen nekrophilen Kick gönnen. Die zehnte Walküre verschwindet dann samt Pferd knapp vor dem Auftritt von Brünnhilde und damit ist die Zahl 9 wieder gewahrt. 

Als Walkürenfelsen dient dann ein Denkmal, das mehr der barbusigen französischen Marianne als unserer Brünnhilde gleicht. Dieses im Inneren hohle Denkmal besitzt eine Türe, durch die Brünnhilde dann ihrem komatösen Schlaf entgegen schreitet. Loges Feuerzauber mündet schließlich in die Videoprojektion (Falke Sternberg) eines Großstadtbrandes (Dresden?) und endet letztlich auf dem New Yorker Broadway.

Am Pult des Bruckner-Orchesters stand an diesem Abend Daniel Linton-France, der in bester Kapellmeistertradition für einen musikalisch möglichst gediegenen Abend sorgte. Experimentelle Ausrutscher sind nicht seine Sache und so hörte man einen lupenreinen, vielleicht da und dort etwas biederen Wagner-Sound, in den sich gelegentlich auch einige Bläserpatzer mischten. Das fällt aber bei einem Life-Erlebnis nicht so sehr ins Gewicht, war doch das Ergebnis einiger Maßen befriedigend.

Michael Bedjai ist mit dem Siegmund ein respektabler Einstieg ins Wagnerfach gelungen. Weiter sollte er darin aber derzeit nicht vorstoßen. Seine beiden Wälse-Rufe gehörten für mein Dafürhalten zu den gesanglichen Höchstleistungen an diesem Abend.

Ihm zur Seite stand eine zu großen Emotionen fähige Sieglinde von Britt-Tone Müllertz. Mit ihrem voluminösen Sopran gelangen ihre sowohl die dramatischen Verzweiflungsausbrüche, als auch die zarten lyrischen Passagen mit Anmut.

Dominik Nekel beeindruckte als gewalttätiger und zügelloser Hunding mit profundem Bariton und eindringlichem Spiel.

Gerd Grochowski stattete den zwischen Liebe und Pflicht aufgeriebenen  Göttervater Wotan mit großer Stimme und ausgezeichneter Artikulation aus. Karen Robertson verfügte als Fricka über ein stellenweise ausuferndes Vibrato in der Stimme, das aber ihre Empörung ob des Ehebruchs und des Inzests noch eindringlicher und nachvollziehbarer machte.

Bei Elena Nebera als Brünnhilde war ich mir nicht sicher, ob sie immer wusste, was sie sang. Sie verfügt zwar über eine hervorragende Höhe bei den Hojotoho-Rufen und auch über eine respektable Tiefe, in der Mitte wird es aber stellenweise etwas verquollen und eng. Darstellerisch aber wirkte sie äußerst viril und gefühlvoll. 

Das Walkürenoktett bestehend aus Christa Ratzenböck/Gerhilde, Mari Moriya/Helmwige, Gotho Griesmeier/Ortlinde, Valentina Kutzarowa/Waltraute, Bernadett Fodor/Schwertleite , Kathryn Handsaker/Sigrune, Vaida Ragynské/Grimgerde  und Inna Sawchenko/Roßweiße, gaben gesanglich und darstellerisch ihr Bestes.

Begeisterter Applaus belohnte alle Mitwirkenden nach fünf Stunden Aufführungsdauer und es blieb noch ausreichend Zeit den Zug nach Wien zu erreichen.                                                                  

Harald Lacina

 

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