Ab 9. Mai 2014 in den österreichischen Kinos
EIN SCHLOSS IN ITALIEN
Un château en Italie / Frankreich / 2013
Drehbuch und Regie: Valeria Bruni Tedeschi
Mit: Valeria Bruni Tedeschi, Louis Garrel, Marisa Borini, Filippo Timi u.a.
Man kennt die mittlerweile 50jährige Valeria Bruni Tedeschi, eine „französisch-italienische“ Mischung, die ihre Zweisprachigkeit auch in ihre Arbeit einbringt, als gewissermaßen eisern entschlossene Filmemacherin. Anfangs „nur“ Schauspielerin, begann sie 2003 auch als Autorin und Regisseurin zu arbeiten, und in jedem ihrer bislang drei Filmen erzählt sie entschlossen von – sich.
Von ihrer Familie, von ihren Liebschaften, von ihren Problemen als Schauspielerin, ihren seelisch-religiösen Turbulenzen, von ihren Sehnsüchten des „um-jeden-Preis- -Mutter-Werdens“ – kurz, privat bis zum Exzess. Die Frau, die sie auf der Leinwand spielt, ist sie selbst. Einzige Gnade, die sie in diesem allzu intimen Film (bis zum unverstellten Blick auf ihre Genitalien – es gibt offenbar keine Schmerz- und Schamgrenze mehr) gewährt: Schwester Carla Bruni und Schwager Sarkozy kommen nicht vor…
Wenn hier wieder einmal die Geschichte der „armen Reichen“ durchgespielt wird, braucht keine Häme walten: Diese Louise Rossi Levi, die Valeria Bruni Tedeschi sich da auf den Leib schreibt (mit der Vorgabe, sie sei 43), ist schon eine arme Haut. Gleich zu Beginn erleben wir sie im Kloster – eine Suchende, die hier Ruhe finden will. Sie hat’s mit der Kirche, und viel später wird sie nicht begreifen, dass eine alte Nonne nicht versteht, was künstliche Befruchtung ist und dass dies keine Sünde sein sollte (wenn man schließlich unverheiratet ist…).
Louise möchte ihre Gesetze lieber selbst machen. Und wenn sie etwas mehr Distanz in die Geschichte gelegt hätte, wenn Valeria Bruni Tedeschi ihrer Louise kritischer zusähe, wäre sie wohl eine Studie sturer, ja dümmlicher Unbelehrbarkeit. Aber so ist es leider nicht gemeint. Kurz, dermaßen eins zu eins, wie man es erlebt, werden viele Zuschauer zweifellos das Gefühl nicht los: Louise, Du nervst. Man würde sich im Leben nicht mit ihr ins Kaffeehaus setzen wollen, weil sie einen in ihrer blindwütigen Egomanie totreden würde. Warum soll man ihr im Kino zwei Stunden widmen?
Die Frage wird unzureichend beantwortet. Durch die Jahreszeiten wandernd, breitet Valeria Bruni Tedeschi eine Überfülle von Motiven aus. Erstens sie selbst und ein Liebhaber, der sich in ihr Leben drängt (Louis Garrel, ihr echter Liebhaber), aber nicht Kindesvater sein will und meist schlecht gelaunt wirkt. Zweitens sie und die Mama (die echte Mama, Marisa Borini, einst bekannte Pianistin, darum darf sie auch immer wieder klavierspielen), die aus finanziellen Gründen das Familienschloss in Italien verkaufen will und damit recht nüchtern umgeht, während die Kinder in Sentimentalität versinken.
(Man redet in der Familie mal Französisch, wenn man in Paris ist, mal Italienisch, wenn man im Schloss ist, und irgendwie zwischendurch mal dies, mal das – in der Originalfassung ist das, wenn man sich in beiden Sprachen halbwegs umtut, ganz reizvoll, auch gibt es in einigen Kinos deutsche Untertitel.)
Drittens sie und der aidskranke Bruder (Filippo Timi, nicht ihr echter Bruder, der ist schon „in echt“ an Aids gestorben), der dahinwelkt, während beispielsweise die nüchterne Mutter nicht bereit ist, der Realität dieser Krankheit in die Augen zu sehen.
Es gibt immer wieder Erinnerungen an die Kindheit („My heart belongs to Daddy“ erklingt unaufhörlich), wobei die Mama keine besonders gute Meinung von dem von der Tochter angebeteten toten Papa hat, das Patchwork-Drehbuch widmet lange Passagen der letztlich vergeblichen künstlichen Befruchtung, dann lässt sie den Kinobesucher gänzlich im Unklaren, wie das mit dem Breughel ist – das Stück aus Familienbesitz wird nämlich um 2,6 Millionen Pfund (!), nicht schlecht!, versteigert, da steht Louise auf und erklärt, sie habe es sich überlegt, sie will es eigentlich nicht verkaufen…
Am Ende, der Bruder ist tot, beim Begräbnis redet der Priester pathetischen Schwachsinn, und es werden zwar die Bäume im Schlosspark gefällt, was ein schönes poetisches Bild ist, aber was jetzt mit dem Schloss eigentlich geschieht, weiß man nicht (und wie das mit dem Breughel weiterging, auch nicht). Kein Wunder, dass die Familie bei den Einheimischen nur kopfschüttelnd als „tutti pazzi“ (lauter Verrückte) bezeichnet wird. Und Louise ist die Fahnenträgerin: Man braucht wirklich Geduld und Nerven für dieses Frauenzimmer…
Renate Wagner