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FRANKFURT/ Opernhaus: LIEDERABEND FRANZ-JOSEF SELIG

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Frankfurt: LIEDERABEND FRANZ-JOSEF SELIG am  06.05.2014

Unbenannt
Franz-Josef Selig. Foto: Wolfgang Runkel

Eine Sternstunde des Liedgesangs – schenkte der Bassist Franz-Josef Selig den Zuhörern in der Oper Frankfurt. Meine Vorfreude diesen großartigen Opernsänger als Liedgestalter zu erleben, beflügelte meine Erwartungen sehr, doch wurden sie zudem noch auf das Höchste übertroffen.  Im Wechselspiel erklangen zunächst Vertonungen von Franz Schubert und Hugo Wolf und zwar meist Balladen von schwermütigem Charakter.

Im kaum hörbaren Piano, auf schier endlosem Atem eröffnete der vielseitige Sänger das Schubert-Programm mit „Auf der Donau“, schaurig schön erklang „Der Tod und das Mädchen“ und voll Todessehnsucht folgte „An den Tod“. Selig verfügt über einen in allen Registern ausgewogenen, abgerundeten Bass, so herrlich variabel im Klang, samtweich und wunderschön im Timbre, beredet in der Artikulation, dass man meint, einem vorzüglichen Erzähler zu lauschen. Somit erhielten die Lieder „Totengräbers Heimweh“ sowie „Der Wanderer“ stilistisch dramatische Prägungen von besonderem Reiz. Selbstredend die einzigartige, deklamatorische Linie des Vortrags, stets nah am Text, man verstand jedes gesungene Wort. In allen Facetten wurde der exzellente Künstler der stets mitschwingenden Todesdämonie der Balladen „Gruppe aus dem Tartarus“ oder „Prometheus“ gerecht. Hintergründig, individuell in der Gestaltung erklang „Grenzen der Menschheit“.

In beeindruckender Kontrolle des Organs, in asketisch anmutend klarem Ton, mit schier unerschöpflichem Atem phrasiert Selig die Bögen der Wolf-Melodik und schenkte den Michelangelo-Gedichten „Wohl denk ich oft“, „Fühlt meine Seele“ den melancholischen, sinnlichen Unterton sowie „Alles endet was entsteht“  die resignierende Hinterfragung. In sensibel atmosphärischer Zeichnung erzählt Selig in „Harfenspieler I-III“ bewegend von Kummer, Pein, Einsamkeit und der philosophischen Schlussfolgerung denn alle Schuld rächt sich auf Erden.

In unerhörter Subtilität, im innigen Einklang des Zusammenwirkens, buchstäblich im gemeinsamen Atmen begleitete Gerold Huber akribisch die vokalen Vorträge. Mit Sinn für wohldosierten Pathos, mit schwelgerischen Aufschwüngen beschwört Huber die üppige Farbpracht Schuberts und feilte  kontrolliert die formalen Strukturen der Anschlagsvaleurs der Wolf-Partituren.

 Zum krönenden Finale dieser Sternstunde dringt Franz-Josef Selig tiefgründig in die russische Seele vor, erfasst die Charakteren der „Lieder und Tänze des Todes“ von Modest Mussorgski in beispielloser Interpretation. Mit Nachdruck bestimmend, ja herrisch fordert er

O schweig…Du bist mein beim „Ständchen“, wild, trunken, melancholisch, sinnend und kämpferisch gerät „Der Feldherr“. Boris Godunow lässt grüßen! Ein Recital voll bewegender, trauriger Texte, voll Schwermut, Hoffen, Bangen und Tod wurde vom Publikum andächtig  aufgenommen und nach kurzer Stille, entlud sich die gebührende Begeisterung.

Herr Selig bedankte sich fast entschuldigend des fast traurigen Programms wegen, mit Schuberts „Wanderers Nachtlied I“.

Gerhard Hoffmann

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