Mannheim: HILARY HAHN/HR S.O.- PAAVO JÄRVI 06.06.2014
Mit hochkarätigen Gästen beschloss Pro Arte die diesjährige Konzertsaison im Rosengarten und hatte Hilary Hahn eine der weltbesten Solistinnen ihres Fachs sowie das HR – Sinfonieorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi zu Gast.
Die amerikanische Geigerin mit deutschen Wurzeln brachte das „Violinkonzert“ von Johannes Brahms zur Aufführung. Nach dem groß angelegten, lyrisch-symphonischen Gebilde des Allegro non troppo des ruhigen Hauptthemas, prägt Hilary Hahn in schwierigen Doppelgriffen bereits die Reprisen der gefühlvollen Moll-Passagen und schwingt in lichtvolle Sphären empor. Virtuos, fraulich, weich umhüllt die begnadete Solistin die Kadenzen. Transparent, kunstvoll gleich einem ziselierten Liniengewebe erprobt Hahn den Spannungsbogen des Adagio, dass der Kantilene nie der Atem ausgeht. Stets kontrolliert und dennoch geleitet von so viel Gefühl des farbenreichen Tons wirkt diese berauschende Lesart der Solovioline. Die Melodien verklingen und kehren wieder, über die sanften Akkorde der tiefen Streicher und Bläser hinweg, verliert sich der wunderbar variable Gesang im schwelgerischen Aufstieg der Violine. In mannigfaltiger Beleuchtung lässt Hilary Hahn im Allegro giocoso das prachtvolle Rondo in eigenwilligen Phrasierungen erblühen und setzt dennoch pulsierende Akzente. Für mich persönlich die wohl beste Wiedergabe des D-Dur-Konzerts der letzten Jahrzehnte. Großen Anteil am trefflichen Gelingen hatte natürlich auch die ungewöhnlich subtile Begleitung von Paavo Järvi mit seinem herrlichen Klangapparat. Straff, leise aufblühend, betörend weltversunken ließ der Dirigent dieses ausgezeichnete Orchester aufspielen. Während der zehnminütigen Begeisterung verteilte die Gefeierte ihren Rosenstrauß an diverse Orchestermitglieder um sodann dem Publikum die ersehnte Zugabe zu gewähren und zwar die hinreißend interpretierte „Es-dur Partita“ von J. S. Bach.
Die Wiener Philharmoniker lehnten einst die „Symphonie Nr. 3“ von Anton Bruckner wegen Unspielbarkeit ab, somit entschloss sich der Komponist zu grundlegenden Umarbeitungen und deshalb existieren drei Fassungen dieses Werkes. Paavo Järvi präsentierte nun die dritte
Version von 1889 in geradezu atemberaubender Interpretation. In dunklem Gewoge der Streicher, den mächtigen Holzbläsern und Trompeten im Hintergrund eröffnet sich das gewaltige Hauptthema des ersten Satzes. Der versierte Dirigent lässt das Orchester in kraftvoll formierter Steigerung zum mächtigen Fortissimo-Höhepunkt erblühen. In stimmungsvollem Wechselgesang zelebriert Järvi mit dem prächtig musizierenden und bestens disponierten Instrumentarium die Umkehrungen des Triolenmotives, schwingt sich in die pastoralen Empfindungen der naturalistischen Stimmungen und leitet zum dritten choralartigen Thema, einer fürwahr frommen Danksagung an den Schöpfer. In dynamischen Schwankungen serviert Järvi jene gewaltigen Schmerz- und Freudeausbrüche des Adagio von ekstatischem Charakter, verschärft zudem die Kontraste des leidenschaftlichen Verlaufs im kurzen, kaum vernehmbaren Atemholen der Generalpausen.
Friedvolle Stimmungen werden durch die klagenden Rufe der Bläser jäh zerrissen, die Bratschen stimmen die hellere Welt an, zarte Ausklänge erloschener Motive formieren sich in leisen Streicherharmonien. In erregender Rhythmik erhebt sich das kurze Scherzo in seiner drastischen Wirkung mit den wirbelnd kreisenden Geigen zum beherrschend auftrumpfenden Gesamtklang des Orchesters im lebensfrohen Ausklang. Beim krönenden Finale dem Allegro bündelt Bruckner nochmals die Themen Leid und Freud und führt sie zum befreiend, lichten, strahlend gipfelnden Klangdom. Paavo Järvi setzt wieder in stilvollem Engagement jene thematischen Motive virtuos in Szene, lässt die Pauken grollen, die Holzbläser artikuliert figurieren, die Streicher vollendet zelebrieren, setzt mit den Blechbläsern mächtige Kontraste und mündet schließlich den Gesamtklangkörper in die hymnische Finalsteigerung. Eine bewegend vollendete Wiedergabe dieses strukturellen Klanggeflechtes in wahrhaft meisterlicher Interpretation wurde frenetisch gefeiert. Völlig unüblich nach einer so kolossalen Symphonie verabschiedeten sich die Gäste mit himmlisch entrückten Sphärenklängen, dem „Valse triste“ von Jean Sibelius.
Gerhard Hoffmann