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Athens & Epidauros Festival / Greek National Opera, Odeion des Herodes Attikus
La Traviata
Besuchte Vorstellung am 30. Juli 2019
Die Griechische Nationaloper bringt im Rahmen des Athens & Epidauros Festival erstmals Verdis Oper „La Traviata“ ins Odeion des Herodes Attikus. Das ist kein ganz einfaches Unterfangen, wenn man sich die Intimitaet wesentlicher Szenen der Oper vor Augen haelt. Dass der Abend zum Erfolg wird, verdankt sich dem grossartigen Gesang von Lisette Oropesa. Die amerikanische Sopranistin ist den Anforderungen der Partie in eindrucksvoller Weise gewachsen. Sie kann im ersten Akt mit sicheren Spitzentoenen und Koloraturen punkten und ueberwaltigt nachfolgend mit dem farbenreichen Ton ihrer Stimme und grossartigen gestalterischen Faehigkeiten. Oropesas imposante Interpretation der Titelrolle wird zu Recht mit Ovationen gefeiert.
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Neben der Sopranistin wirken Saimir Pirgu als Alfredo Dimitri Platanias als Giorgio Germont etwas blass. Sicher verfuegen beide ueber interessantes Stimmmaterial, in Punkto Stimmfarben und Gestaltung (Legato!) koennen sie aber mit Oropesa nicht mithalten. Platanias‘ Gesang geraet wie so oft zu einfoermig, waehrend man bei Pirgu den lyrischen Schmelz vermisst. Die Nebenrollen sind gut besetzt mit Chrysanthi Spitadi als Flora, Lydia Vafiadi als Annina, Yannis Kalyvas als Gastone, Haris Andrianos als Douphol, Nikos Kotenidis als Obigny und Dimitris Kassioumis als Grenvil. Der erweiterte, von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor singt ordentlich. Das Orchester koennte wohl eine bessere Figur machen, wenn Lukas Karytinos am Pult mehr Akzente setzen wuerde. Der Maetro bringt den Abend leider nur akkurat ueber die Runden. Die Griechische Nationaloper braucht in der Tat mehr Dirigenten, die auch Impulse setzen, sprich als Interpreten agieren.
Die Interpretation, welche der Regisseur, Choreograf und Buehnenbildner Konstantinos Rigos anbietet, ist simpel gestrickt. Er konstatiert nach der Lektuere des Librettos einen darin als Hauptthema formulierten Drang zu hemmungslosem Vergnuegen und setzt „La Traviata“ folgerichtig als grosse Show in Szene. Man erblickt verschiedene verschiebbare Raumelemente auf der grossen Buehne, sieht eine Ausstattung, die zwischen gestern und heute schwankt. Diese kunterbunt gemixte Show fuehrt im ersten wie im zweiten Akt zu effektvollen Tableaus, die mit mehr Tanz als noetig aufgepeppt werden und durch die raumfuellenden Kostueme von Ioanna Tsami gepraegt sind. Von einer wirklichen Personenfuehrung kann nicht die Rede sein, wenn man davon absieht, dass Rigos die Saenger gerne auf die Tische steigen laesst. Die intimen Szenen des zweiten und dritten Akts leider unter dieser effekthascherischen Regie, welche die Psychologie der Figuren nicht zu ergruenden vermag. Dass Rigos, der immerhin Ballettdirektor an der Nationaloper ist, den Tanzszenen wenig Originalitaet einhauchen kann, schwaecht seine Inszenierung zusaetzlich. Der einzige Moment, der wirklich ueberrascht, ereignet sich am Ende, wenn das Bett mit der toten Violetta gleichsam ‚gen Himmel faehrt. Man moechte meinen, dass eine solche Apotheose fuer Lisette Oropesa etwas zu frueh kommt.
Das Publikum im ausverkauften Halbrund des Odeions ist begeistert, am meisten ueber Oropesas Leistung.
Ingo Starz (Athen)