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SALZBURG/ Festspiele: EVGENY KISSIN mit Beethoven im Großen Festspielhaus

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Foto: Klaus Billand

SALZBURG/Festspiele: Evgeny Kissin im Großen Festspielhaus am 6. August 2019

Gestern Abend begeisterte der russische Star-Pianist Evgeny Kissin das Salzburger Festspielpublikum im voll besetzten Großen Festspielhaus mit seiner schien unglaublichen Kunst am Flügel. Er spielte ein Beethoven-Programm mit der Sonate Mr. 8 c-Moll op. 13, – „Grande Sonate Pathétique“; 15 Variationen mit einer Fuge Es-Dur op. 35 – „Eroica-Variationen“; Sonate Nr. 17 d-Moll op. 31/2 – „Der Sturm”; Sonate Nr. 21 C-Dur op. 53 – „Waldstein-Sonate“. Kissin, den ich schon in den späten 1990er Jahren im Teatro Colón in Buenos Aires und 2018 in Salzburg erlebte, überzeugte einmal mehr mit seiner äußerst facettenreichen Beherrschung des Instruments und spielte das ganze Konzert mit einigen Zugaben auswendig. Es war ein Solistenkonzert der Sonderklasse!

 

Klaus Billand


WIEN/ Museumsquartier: Wim Vandekeybus (6.8.2019) und nasa4nasa (7.8.2019) – mit gar nicht unwichtigen sozialen Aspekten

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Wim Vandekeybus: UltimaVez (BE) – Go Figure Out Yourself4  © Danny Willems

ImPulsTanz: Wim Vandekeybus (6.8.2019) und nasa4nasa (7.8.2019) – mit gar nicht unwichtigen sozialen Aspekten

‚Social‘ ist in den Affichen von ImPulsTanz unten angeschrieben – und solch ein Aspekt in dieser zur Zeit hier gepflegten Vernetzungskultur ist nicht der uninteressanteste Ansatzpunkt. Die Besucher dieser sommerlichen Veranstaltungsreihe tauchen in eine durchaus eigene Welt ein. Es ist ein überwiegend jugendliches, offenes, ein suchendes, eher unkritisches Publikum, welches sich auch individuell zu behaupten versucht. Die nach Wien eingeladenen kleinen Ensembles oder Einzelgänger der europäischen Performance-, Tanzszene können nicht so leicht eine Antwort geben. Impulsive Körpersprache, heutige Tanzmanierismen, die diversen Zuckungen, am Boden kriechen und auch so manch ausgestoßenes Geschrei können expressive Bilder ergeben, wiederholen sich allerdings doch häufig, wirken austauschbar. Wie ein trivial untermalender Sound des öfteren dazu. 

‚Social‘ im besten Sinn ist „Go Figure Out Yourself“ gewesen. Der arrivierte, durch Jahre stets nach Wien geholte Belgier Wim Vandekeybus hat für fünf Mitglieder seiner Ultima Vez-Kompanie ein Animationsspiel arangiert. In den Hofstallungen des Wiener Museumsquartier wird zwischen dem herumstehenden, -wandernden Publikum teils impulsiv, teils amüsant gestikuliert, werden überhitzte Machtspiele vorgeführt, werden ständig die Position gewechselt, wird viel palavert, wird so mancher der Zuseher umgarnt. ‚Maybe it´s a cabaret of questions with no answers‘ – maybe, vielleicht, vielleicht so oder so – ist als Motto diesen Turbulenzen vorangestellt. Und Antworten ….? Es mangelt nicht an Nonsens, doch die unverkrampft dargelegten Anprangerungen wie alle Kommunikations-Actions werden spielfreudig und phantasievoll präsentiert.

‚Social‘ nun ziemlich anders – überhöhendes zwischenmenschliches Verstehen wird durch zwar einfache, doch sensibel umgesetzte esoterische Bewegungsabläufe gesucht. „Suash“ steht über dieser Performance im Museum moderner Kunst: Zwei elegante junge Ägypterinnen, als nasa4nasa deklariert, ganz und gar keine Belly Dancers, schlanke Figuren in roten Trikots, durchmessen schreitend oder in harmonischem Gleichklang figurierend völlig gefasst, ruhig atmend, total konzentriert den Raum. Mit ihren synchronen Abläufen demonstrieren sie reinste Homogenität, um schließlich am Boden ruhend in seelischer Verschmelzung zueinander zu finden. Nach 26 Minuten ist schon alles wieder vorbei – doch diese stimmige Harmonie wird vom Betrachter mit positiver Resonanz aufgenommen und wirkt nach.

 

Meinhard Rüdenauer

ATHEN/ Athens & Epidauros Festival, Kleines Theater des antiken Epidauros: DIE DANAIDEN von Andreas Kalvos

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Natasha Tryantafylli. Copyright: Evi Fylaktou

 

Athens & Epidauros Festival, Kleines Theater des antiken Epidauros

Die Danaiden

Besuchte Vorstellung am 3. August 2019

Romantisierte Antike

Andreas Kalvos wurde 1792 auf der Insel Zakynthos geboren, die zu dieser Zeit unter venezianischer Herrschaft stand. Er war ein Poet und Gelehrter, der philhellenischen Kreisen nahestand. Kalvos lebte in Italien, in Grossbritannien, in der Schweiz und auf der von den Briten regierten Insel Korfu. Im Jahr 1818 verfasste er ‚Le Danaidi“, eine neoklassische Tragoedie in italienischer Sprache. Er griff dabei auf den Danaiden-Mythos zurueck, die Geschichte von den 50 Toechtern des Danaos, welche die 50 Soehne des Aigyptos heiraten und diese auf Geheiss des Vaters noch in der Hochzeitsnacht ermorden mussten. Danaos fuerchtete, von einem der Soehne seines Bruders getoetet zu werden. Seine aelteste Tochter Hypermestra verweigerte sich dem Ansinnen und verhalf ihrem Gatten Lynkeus zur Flucht.

Andreas Kalvos reduziert in seinem Drama die Geschichte auf die drei Figuren Danaos, Hypermestra und Lynkeus sowie den Chor und konzentriert sich, was der Text offenlegt, stark auf den Gefuehlshaushalt der Familienitglieder. Was dabei herauskommt, gleicht formal erwartungsgemaess der attischen Tragoedie, ist aber aufgrund der poetischen Sozialisierung des Autors zugleich auch ein romantisches Ruehrstueck. Es ist wirklich auffaellig, wie oft an diesem Abend von Gefuehlen die Rede ist. Man koennte vielleicht auch sagen, dass das Stueck „Le Danaidi“ ein wenig an eine romantische italienische Oper erinnert.

Die Regisseurin Natasha Triantafylli versucht der etwas schwerfaellig daherkommenden Handlung durch Musik, Gebaerden und symbolische Bilder Leben einzuhauchen. Sie gibt dem Stueck mit der Musik von Monika und dem Gesang der Sopranistin Artemis Bogri eine opernhafte Struktur. Bogri, die ihre Sache sehr gut macht, singt den Text in italienischer Originalsprache und verkoerpert gleichsam den Chor. Das macht durchaus Sinn, wenngleich die Musik etwas weniger musicalhaft klingen koennte. Die drei Akteure auf der Buehne – Lazaros Georgakopoulos, Lena Papaligoura und Aris Balis – werden in ein Korsett von streng festgelegten Gebaerden gezwaengt, was dem neoklassischen Gestus entsprechen mag, aber nicht zu einer glaubhaften Menschendarstellung beitraegt. Manchmal scheinen sich, bildlich gesprochen, die Figuren nur um sich selbst zu drehen. Die Personenfuehrung von Triantafylli macht aus Kalvos‘ Tragoedie eine Art Puppentheater. Die verspielten Kostueme, die Ioanna Tsami beisteuert, befoerdern diesen Eindruck. Das Buehnenbild von Eva Manidaki vermag immerhin mit einer langen Tuchbahn, die Buehnenhinter- und -vordergrund verbindet, einen starken Akzent zu setzen: Wir erblicken gleichsam den Stoff, aus dem das Verhaengnis erwaechst, das Requisit der Braut Hypermestra. Der Abend bietet eine interessante Begegnung mit einem wichtigen griechischen Autor und Intellektuellen des fruehen 19. Jahrhunderts, er laesst aber ein aufregendes Theatererlebnis vermissen.

Am Schluss gibt es wohlwollenden Beifall des Publikums fuer alle Beteiligten.

Ingo Starz (Athen)

GARS/ Kamp/Burgruine: FIDELIO

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Paul Gay (Rocco), Magdalena Renwart (Leonore) und Wilfried Zelinka (Pizarro). Foto: Claudia Prieler

GARS / Burgruine: Ludwig van Beethovens FIDELIO in der Regie von Stephan Bruckmeier

  1. August 2019 (Premiere 18.7.2019)

Etwas zu viel „Action“ auf Kosten der Musik, aber trotzdem gelungen

Von Manfred A. Schmid

Zu Beginn erlebt man das Jubelpaar Leonore und Florestan bei der rührseligen Feier seiner Goldenen Hochzeit, inklusive Weihrauch, Priester, Dankgebet und musikalischen Einsprengseln aus Beethovens C-Dur-Messe. Diese Rahmenhandlung hätte sich Regisseur Stephan Bruckmeier sparen können. Sie trägt nichts Erhellendes zum Verständnis der Oper bei. Würde er – in anderer Konstellation – etwa den Grafen Almaviva und seine Gräfin an den Beginn von Mozarts Nozze di Figaro stellen, oder gar das Titelpaar aus Romeo et Juliette so präsentieren, dann böte das allerdings einigen Raum für Interpretationen. So aber bleibt das Ganze nur ein Gag ohne jedwede Nachhaltigkeit. Ziemlich ärgerlich ist zudem, dass die Ouvertüre durch das rege, personalintensive Treiben auf der Bühne in den Hintergrund gedrängt wird, was im Übrigen leider auch auf die traditionsgemäß eingeschobene Leonoren-Ouvertüre vor dem 3. Akt zutrifft. Alle Aufmerksamkeit wird so abgelenkt, der musikalische Fluss empfindlich beeinträchtigt. Warum diese – in letzter Zeit immer öfter grassierende – Unsitte vom Intendanten und musikalischen Leiter der Aufführung nicht unterbunden wird, bleibt rätselhaft. Statt die wunderbaren Musik Beethovens in den Mittelpunkt zu stellen und ihr alle Achtung zuteilwerden zu lassen, werden vom Chor der freigelassenen Gefangenen und ihrer Angehörigen unablässig Parolen wie „Freiheit“, „Recht auf Freiheit und Würde“ und „Liebe“ vorgeführt, indem sie auf der Bühne die Gitterstäbe der Kerker zu Buchstaben umformen und zu Wörtern zusammenfügen.

Johannes Wildner, der unermüdliche, kommunikative Dirigent und Spiritus Rector der Oper Burg Gars, weiß das eigentlich besser. Im Pressetext zur Premiere am 18. Juli schreibt er: „Im Opernhaus des Waldviertels zeigen wir Fidelio in der endgültigen Fassung von 1814 – so, wie Beethoven die Oper erdacht und komponiert hat. In Österreich ist das Stück durch seine legendäre Aufführung zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955 zum Symbol für Unabhängigkeit und Freiheit geworden. Die Inhalte Freiheitssehnsucht und Humanität sind heute ungebrochen gültig und wichtig. Beethoven bringt es auf den Punkt!“ So ist es. Und wie bringt Beethoven all dies „auf den Punkt“? In seiner Musik natürlich. Da ist alles drin. Da sollte man – unabgelenkt und unverstellt – hineinhören dürfen. Diese Chance hat man – zumindest was die beiden so kostbaren Ouvertüren betrifft – in Gars diesmal leider nicht.

Davon abgesehen ist Bruckmeiers Regiearbeit sehr präzise. Er konzentriert sich auf eine durchwegs stimmige Personenführung. Auch die Gegebenheiten des einzigartigen Spielorts – mit Bühneninstallationen von Asim Dzimo – werden gut genützt. Sehr gelungen ist die Verlagerung der Kerkerzelle Florestans in die Nähe des Orchesterraumes. Aufgrund der räumlichen Verhältnisse findet sich das Garser Opernorchester nämlich schräg gegenüber der rechten Bühnenecke positioniert. Dadurch ist der Zusammenklang der Stimmen auf der Bühne mit dem Orchester naturgemäß nicht immer ganz unproblematisch. In den Szenen mit Florestan aber, ob allein, mit Rocco oder mit Leonore – den musikalisch wichtigsten Passagen der Oper – ist durch die Nähe der Sänger zu den Instrumentalmuskern eine optimale Amalgamierung des Zusammenklangs gewährleistet. Chapeau!

Gespielt und gesungen – ohne elektronische Verstärker – wird geradezu perfekt. Die zum Einsatz kommende Alternativbesetzung in den beiden Hauptpartien weiß zu begeistern. Magdalena Renwart ist eine intensive Leonore, Algidas Drevinskas gibt einen erschütternden Florestan, der trotz des drohenden Endes seinen Idealen treu bleibt. Seine Auftrittsarie „Gott welch dunkel hier“ klingt zunächst zwar noch etwas belegt, spätestens aber im grandiosen Duett „O namenlose Freude“ mit seiner wieder gefundenen Frau tönt der Jubel ungetrübt. Paul Gay als Rocco ist nicht – wie üblich – der hemdsärmelig-pragmatische, gemütliche Kerkermeister, sondern wirkt eher wie ein gewiefter Facility-Manager, der auf Profit großen Wert legt und gekonnt agiert. Wenn er, bevor er das Grab für Florestan zu schaufeln beginnt, sich in die Hände spuckt, passt das daher auch nicht unbedingt zu seiner Persönlichkeit, wird vom Publikum aber schmunzelnd zur Kenntnis genommen. Ungemein gewinnend und entzückend ist die Marzelline von Caroline Wenborn. Stimmlich große Klasse, darstellerisch einfach hinreißend, was auch für den beherzten jungen Bariton Ian Spinettis Jaquino gilt, der mit seinem Mienenspiel für komische Akzente sorgt

Der Don Pizarro von Wilfried Zelinka ist ein zum Fürchten böser, gefährlicher Schurke, der am Ende zusammenbricht und wie ein Häuflein Elend auf dem Boden kauert. Yasushi Hirano verkörpert den edelmutigen, souveränen Abgesandten vom Königshof, der nach dem Rechten schaut. Der Regieeinfall, dass er bei seinem Erscheinen minutenlang allein auf der Bühne steht, das Publikum mustert und darauf warten muss, bis sich alle übrigen Personen allmählich hinzugesellen, wirkt einigermaßen befremdlich. Der Empfang eines Ministers sieht wohl anders aus, zumal er ja zuvor mit imponierender Trompetenfanfare vom Turm aus angekündigt worden war.

So gibt es bei dieser Produktion musikalisch also Vieles zu bewundern, neben den Sängerinnen und Sängern vor allem auch das vorwiegend aus jungen Kräften bestehende Orchester sowie den beherzten Chor (Einstudierung Roger Diaz Cajamarca). Die Regie klappt im Großen und Ganzen gut, beeinträchtigt jedoch in wichtigen Momenten die Musik. Zuerst die Musik, dann die Handlung. Das gilt für Beethovens einzige Oper, ein einziges Hohelied auf Freiheit und Gattenliebe, in ganz besonderer Weise. Man muss dabei aber auch nicht übertreiben, indem man an die Oper als Abgesang noch ein Stück aus seinem Schaffen hinzunimmt. Ob es wirklich nötig ist, noch Beethovens „Ode an die Freude“ hinzuzufügen? – Unbedingt nötig wohl nicht. Aber – das Publikum hat sich erhoben und singt begeistert mit – nehmen wir es als ein glühendes Bekenntnis zu Europa und zu seinen humanistischen Werten in Zeiten, die gar nicht so glänzend sind.

Manfred A. Schmid

  1. 8. 2019

 

SALZBURG/ Festspiele: Zur Radioübertragung von MÉDÉE am 10.8. um 19,30 h

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SALZBURG/ Festspiele: MÉDÉE  – und Gedanken dazu! (Ö1 am 10.8. um 10,30 h)

Aus Anlaß der  Ö1-Radioübertragung (10.8.) der Première von Cherubinis “Médée” vom 30. Juli 2019 habe ich mich noch einmal mit dieser Produktion auseinandergesetzt.

Faszinierend. Fast allen Kritiken der Médée-Produktion der Salzburger Festspiele eignete der Hinweis, Spielvogt Simon Stone habe die Handlung aus der Antike in die Gegenwart versetzt. Ich las auch von »Stones Médée«. Nirgends jedoch die Forderung nach der Aufführung von Cherubinis Oper…
Denn angekündigt, versprochen und verkauft worden war Luigi Cherubinis Médée auf ein Libretto von François-Benoît Hoffman. Nicht »Stones Médée«. Etikettenschwindel.

»Médée«, 1. Akt: Rosa Feola (Dircé) erhofft sich Amors Beistand, während im Hintergrund eines von Simon Stones Filmchen abläuft. © Salzburger Festspiele/Thomas Aurin
»Médée«, 1. Akt: Rosa Feola (Dircé) erhofft sich Amors Beistand, während im Hintergrund eines von Simon Stones Filmchen abläuft.. Foto: Salzburger Festspiele/ Thomas Aurin

http://www.dermerker.com/index.cfm?objectid=4AC88D70-B8F0-11E9-BB84005056A611EB

Thomas Prochazka /www.dermerker.com

 

 

SALZBURG/ Festspiele/ Haus für Mozart: ALCINA. Premiere

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Alastair Miles, Phippe Jaroussky, Kristina Hammarström. Foto: Salzburger Festspiele/ Matthias Horn

 

Salzburg/ Haus für Mozart: IHREM ZAUBER ERLIEGEN ALLE :  CECILIA BARTOLI ALS HÄNDEL’S „ ALCINA“ „(8.8.2019)

Diesmal bekommt die Handlung von  Georg Friedrich Händel“s 1735  in London uraufgeführter Oper „Alceste“ geradezu auto – biographische Dimensionen. Cecilia Bartoli – diese Erfolgs-Diva für Barock-Musik – spielt die Titelrolle mit solcher grandioser, traumwandlerischen Intensität, dass man versteht, dass die Insel „Elysium der Lebenden“ voll Gefangener bzw. Verwandelter ist. Denn immer dann wenn die Zauberin  Alcina ihrer Liebhaber überdrüssig ist, werden sie in Tiere oder Pflanzen verwandelt – in jedem Fall vergessen sie ihr bisheriges Liebesleben und gehören – zumindest in der grandiosen Inszenierung von  Daniele Michieletto (Bühne Paolo Fantin) – in ein Zwischenreich der Geister, die – erschöpft von der Sinnenlust  – an  barocke Astronauten erinnern. Es geht also um Liebe und daraus abgeleiteter Besitzansprüche, um Eifersucht und Vergessen. Und die Handlung der von Ariost  in „Orlando furioso“ vorgegebenen Handlung ist mehr als kompliziert. Dauer der 3aktigen Oper: fast viereinhalb Stunden. Das verweist auf Wagner-Format. Deshalb ganz entscheidend, ob die  musikalischen Spannungen gehalten werden. Gianluca Capuana mit den Musiciens du Prince-Monaco und dem Salzburger Bachchor bringt jedenfalls die nötige Steigerung der Intensität zu Stande. Großartig.


Sandrine Piau, Kristina Hammerström, Philippe Jaroussky, Cecilia Bartoli. Foto: Salzburger Festspiele/Matthias Horn

Der aktuelle „Anlassfall“ für Alcina ist der junge Ritter Ruggiero, der von dem französischen Counter-Tenor  Philipp Jaroussky sehr „fesch“ und locker dargestellt wird.. In vokaler Hinsicht gehört  er in die Spitzen-Kategorie seines Faches. Kompliziert wird die Sache durch das Auftauchen der Verlobten Bradamante, die sich zugleich in männlicher Verkleidung als  ihr eigener Bruder ausgibt. Sie versucht den von Alcina ausgelösten Vergessen-Schwund  ihres Verlobten zu bekämpfen und wird von der schwedischen Mezzo-Sopranistin Kristina Hammarström sehr innig, sehr empathisch dargestellt. Weitere Solisten: Alstair Miles als opulenter Erzieher Melisso, Sandrine Piau als Sopran-Schwester der Zauberin, Morgana. Den Vogel der Publikums-Gunst schoss – wie schon bei der letzten Wiener Alcina-Premiere – der kleine Oberto ab, der seinen Vater sucht. Diesmal begeisterte der Wiener Sängerknabe Sheen Park das Publikum, das immer wieder in Ekstase geriet. Wobei klar war, dass Cecilia Bartoli mit dieser Rolle eine „Traum-Partie“ gefunden hat – ganz besonders in der „Sehnsuchts-Arie“! Sie kann ihre Technik ihrer nicht grossen aber tragfähigen Stimme ausspielen, ihre Bühnen-Präsenz zeigen und liefert Belcanto-Phrasen in einer Weise, die tatsächlich einmalig sind. Cecilia Bartoli – sie ist ein Fels in der Brandung der Operngeschichte, die Übernahme der Pfingst-Festspiele ist jedes Mal ein Höhepunkt des Saltburger Sommers. Fast immer stimmt die Besetzung und gefällt die phantasiereiche Regie.

Ohne Krisen, ohne  Skandale und ohne„“social media“ geht sie ihren Weg. Hoffentlich noch lange!

Peter Dusek

INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: MEROPE von Riccardo Broschi

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Szenenbild aus „Merope“
Szene mit Trasimede (Vivica Genaux), Merope (Anna Bonitatibus) und Dienerin (Foto: Rupert Larl)

Opernausgrabung bei den „Innsbrucker Festwochen der Alten Musik“:

„Merope“ von Riccardo Broschi (Vorstellung: 9. 8. 2019)

Mit einer besonderen Opernrarität warteten heuer die „Innsbrucker Festwochen der Alten Musik“ auf: „Merope“ von Riccardo Broschi. Die Uraufführung dieses Werks fand im Jahr 1732 in Turin statt. Merope war in der griechischen Mythologie die Frau des messenischen Königs Kresphontes, der von ihrem Schwager Polyphontes getötet wurde. Nachdem er auch ihre älteren Söhne ermordet hatte, forderte er Meropes Hand. Sie erbat sich eine zehnjährige Bedenkzeit, damit ihr jüngster Sohn alt genug ist, um die Ermordung des Königs und seiner Söhne zu rächen.

Mehr als zwanzig Komponisten vertonten im 18. Jahrhundert diesen Stoff, einige auch noch im 19. Jahrhundert. Riccardo Broschi (um 1698 – 1756) schrieb die Rolle des Epitides, dem Sohn Meropes, für seinen berühmten Bruder Carlo, den Kastraten Farinelli.

Die Handlung der Oper Merope, deren Libretto Apostolo Zeno schrieb, in Kurzfassung: Nachdem die zehn Jahre Wartezeit fast verstrichen sind, rückt die geplante Hochzeit näher. Meropes Sohn Epitide kehrt heimlich zurück und bietet Polifonte an – ohne seine wahre Identität zu lüften – den monströsen Eber, der das Land Messenien in Atem hält, zu besiegen. Als Lohn bietet ihm Polifonte die gefangene Prinzessin Argia, mit der sich Epitide verlobt hatte, zur Frau an. – Polifonte quält Merope, indem er behauptet, ihr Sohn wäre getötet worden, obwohl Epitide den Eber besiegte. Da Merope ihren Sohn nicht erkennt, glaubt sie das Gerücht, dass er von Cleon ermordet wurde und will diesen töten lassen. Polifonte nützt die Situation, dass Cleon in Wahrheit Epitide ist, zu weiteren Machenschaften aus und befiehlt, Anassandro, den einzigen Zeugen des Königsmordes, durch Bogenschützen töten zu lassen. Trasimede, der Vorsitzende des Rats von Messenien, rettet jedoch Anassandro. Nach weiteren Verleumdungen und Verstrickungen stürzt Merope in eine tiefe Depression und will Selbstmord begehen, glaubt sie doch, die Ermordung ihres eigenen Sohnes befohlen zu haben. – Polifonte plant inzwischen Meropes Hinrichtung, doch im letzten Moment werden seine Machenschaften aufgedeckt und Polifonte wird gefangen genommen. Epitide kann endlich den rechtmäßigen Thron besteigen.     

Der belgischen Regisseurin Sigrid T’Hooft gelang eine packende Inszenierung der fünfeinhalb Stunden (mit 2 Pausen) dauernden Vorstellung. Sie war auch für die kreative Choreographie der Ballettszenen verantwortlich. Ob es allerdings eine gute Idee war, die lange Barockoper noch mit Ballettmusik anderer Komponisten (Jean-Marie Leclair und Carlo Alessio Rasetti) anzureichern, ist diskussionswürdig. Die Orchestrierung dieser Ballettmusik nahm Alessandro de Marchi, der Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik und Dirigent der Vorstellung, selbst vor.

Szenenbild aus „Merope“
Tanz-Szene. Foto: Rupert Larl

Für die optisch exquisite Ausstattung dieser Produktion zeichnete Stephan Dietrich verantwortlich, der pompöse Bühnenbilder schuf und farbenprächtige Barockkostüme entwarf.  

In der Titelrolle als Merope brillierte die italienische Mezzosopranistin Anna Bonitatibus. Mit ihrer wandlungsvollen Stimme und ihrer Darstellungskraft gab sie der Königin von Messenien das richtige Profil. Die zweite Hauptrolle der Oper, Polifonte, musste aufgrund der Erkrankung von Jeffrey Francis ersetzt werden. Die Partie des Tyrannen von Messenien übernahm der italienische Tenor Carlo Allemano, der aus dem Orchestergraben sang, während die szenische Gestaltung auf der Bühne der Schauspieler Daniele Berardi übernahm. Bemerkenswert war, dass Carlo Allemano seine Partie nicht nur mit kräftiger, volltönender Stimme sang, sondern dabei auch gestenreich agierte. 

Bildergebnis für innsbruck merope
Der am Schluss triumphierende Epitide (Foto: Rupert Larl)

Der australische Countertenor David Hansen als Epitide, Sohn Meropes, zeichnete sich  gleichfalls stimmlich wie darstellerisch aus und wurde nach jeder Arie vom Publikum bejubelt. Wie schon erwähnt, hatte diese Rolle seinerzeit der Komponist für seinen Bruder, dem berühmten Kastraten Farinelli, geschrieben.

Insgesamt waren drei Countertenöre im Einsatz. Der aus Florenz stammende Filippo Mineccia spielte die Rolle des Anassandro, Polifontes Vertrauten, und der auch in Wien bekannte Sänger Hagen Matzeit gab Licisco, den Botschafter von Ätolien. Beide konnten ebenfalls stimmlich überzeugen.

Mit starker Ausdruckskraft – sowohl stimmlich wie darstellerisch – agierte die aus Alaska stammende Mezzosopranistin Vivica Genaux in der Rolle des Trasimede, des Vorsitzenden des Messenien-Rats. Gleichfalls eindrucksvoll sang und spielte die aus Rom gebürtige Sopranistin Arianna Vendittelli, die im Jahr 2015 den Publikumspreis beim Cesti-Wettbewerb in Innsbruck gewann, ihre Rolle als Prinzessin Argia.

Das Innsbrucker Festwochenorchester Corpo Barocco gab unter der temperamentvollen und dennoch einfühlsamen Leitung von Alessandro De Marchi die überaus melodisch klingende Partitur des Komponisten in allen Feinheiten wieder. Zur Freude des Publikums, das am Ende der 5 ½ Stunden dauernden Vorstellung, alle Mitwirkenden mit berauschendem Applaus belohnte, unter den sich auch viele „Bravi“-Rufe mengten. Eine Ausgrabung, die möglicherweise zu einer Wiederbelebung führen könnte!

Udo Pacolt

 

SALZBURG/ Festspiele: IDOMENEO

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Nicole Chevalier, Ying Fang und Paula Murrihy. Foto: Salzburger Festspiele/ Ruth Walz

SALZBURG/Festspiele: IDOMENEO am 9. August 2019

Peter Sellars kommt in die Jahre…

Gestern Abend gab es also eine weitere Aufführung von Mozarts „Idomeneo“ in der Felsenreitschule. Es wurde offenbar, nicht zuletzt durch signifikante Buhrufe am Schluss, dass die Idee des mittlerweile auch schon als Altmeister zu bezeichnenden Regisseurs Peter Sellars, den Idomeneo auf die fortschreitende Zerstörung der Umwelt und insbesondere den Klimawandel, aus welchen Gründen auch immer er fortschreitet, abzustellen, in er von ihm gewählten szenischen und dramaturgischen Form nicht verfing und schon gar nicht überzeugte. Zu sehr ist Sellars inszenatorische Ästhetik in einem „Schön“ und „Appetitlich“-Inszenieren fixiert, als dass der Umweltfokus seines „Idomeneo“ optisch offenbar würde. Erst recht, wenn man die eindringlichen und einschlägig bekannten sowie Tagesschaugerecht bebilderten Appelle von sage und schreibe zehn bekannten und weniger bekannten Umweltaktivisten gleich zu Beginn des Programmheftes gelesen hat. Sie sind noch vor der Besetzung und also noch vor dem Inhalt zu finden – darunter Luisa Neubauer, ein offener Brief von FridaysForFuture, deren Sprecherin sie in Deutschland ist, und natürlich Greta Thunberg, die nach schweizerischen und deutschen Medien offenbar auf der Klimakonferenz „Smile for Future“ in der Schweiz gestern Journalisten aus dem Saal hat werfen lassen, sie dann nach etwa zehn Minuten aber wieder herein durften. Es gab offenbar ernste Meinungsverschiedenheiten unter den Aktivisten. Fängt die Revolution bereits jetzt an, ihre Kinder zu fressen, noch bevor Thunberg ihre Segelyacht in die USA bestiegen hat?! Es wäre etwas früh. Jedenfalls sehen die von Sellars und seinem Bühnenbildner George Tsypin, der immerhin den berühmten ossetischen „Ring des Nibelungen“ von Valery Gergiev in St. Petersburg eindrucksvoll bebildert und dort wie hier eine Vorliebe für transparente gläserne Gebilde an den Tag legte, gezeigten mittelgroßen bis riesigen kugelförmigen Plastikgebilde nicht wie Müll sondern eher wie die bei Südwind an der südafrikanischen Küste bei Kleinmond zusammen mit den dort üblichen Riesenalgen antreibenden Schaumblasen aus. Oder wie kunstvoll von Swarovski bzw. in Murano geblasene Glasarbeiten, die noch der Bemalung harren. Die beiden größten lassen auch eine mögliche optische Vaterschaft des futuristischen Kunsthauses Graz vermuten, immerhin nicht so weit weg wie Südafrika…

Das sieht ja ganz nett aus, auch das spätere Ziehen an die Decke der Felsenreitschule, wohl weil es doch am Ende hinderlich war. Aber es war ohne Programmheftstudium ganz und gar nicht eingängig. Der Müll unserer Tage sieht anders, schlimmer aus! Und der im Meer treibende zumal! Wer mal in eine Hafenbucht in Buenos Aires oder Lagos geschaut hat, weiß das. So fies, aber damit viel intensiver in der gewünschten Zusage, darf es bei Sellars wegen seines oben angedeuteten ästhetischen Anspruchs aber nicht sein. Auch der Müll muss noch ansprechend aussehen. Wenn man aber neben dem Klimawandel auch den Umweltschutz zum Thema macht, an dem man die allgemeine Zerstörung des Lebensraumes schildern will, dann muss man, wenn man realistisch sein will – und das dokumentiert Sellars mit zwei Maschinengewehr-bewaffneten Sicherheitsbeamten, die bei jeder noch so geringen Bewegung Ilias die Waffen auf ihren Kopf richten –  beim Thema Müll so richtig in die Sche… fassen. Und mit dem offensichtlichen Verzicht darauf verliert sein Regiekonzept an Klarheit und Überzeugungskraft.

Stattdessen werden Wellenbewegungen durch modische, blau leuchtende, aus dem Boden aufsteigende Röhren stilisiert. Wenn sie bei Idomeneos „Ankunft“ am Strand rot blinken, wirken sie wie die Einweisungsfeuer am Kopf der Landebahnen an Großflughäfen. Bei Sellars Bühnenbildern spielen meist aus Glas bestehende Röhren offenbar immer eine große Rolle. So sahen wir es auch schon in seinem Titus 2018. Vor vielen Jahre erlebte ich an der Finnischen Nationaloper Helsinki einmal die Oper „L’amour de loin“ der bekannten finnischen Komponistin Kaija Saariaho. Auch hier gab es bühnehohe leuchtende Säulen über einem See, die damals großen Eindruck machten und dramaturgisch sinnvoll erschienen. Im Salzburger „Idomeneo“ wimmelt es nun aber nur so von Glassäulen, von denen einige recht umfangreich sind und sogar mit dem Plastik-Müll zum Schnürboden hochgezogen werden. Damoklesschwerter der heutigen Zivilisation? Die Sinnhaftigkeit dieser großen Säulen, die vielleicht rituelle Stelen sein sollen, erschloss sich mir zumindest allenfalls in der Szene des Gran Sacerdote, den Idomeneo um Gnade bittet, der aber flieht, als man ihm den Plastikmüll vor die Füße legt… Issachah Savage, den ich im Mai in Bordeaux als guten Siegmund hörte, ließ als Sacerdote einen anbrechenden Tenor erklingen.

Hier, und gerade auch bei den verwüstenden Stürmen und Umweltkatastropen, die den „Idomeneo“ auch charakterisieren, wäre nun wirklich einmal der intensive Einsatz von Video und Filmtechnik auf der dafür so dankbaren riesigen Galerien-Wand der Felsenreitschule angebracht gewesen, die Sellars und Tsypin total verschenken – bis auf ein paar rote Ampeln, wenn Elektra ihre finale Arie singt. Sie sollten sich einmal in Savonlinna umsehen, wie man das macht. Stattdessen muss der herrlich facettenreich singende und sowohl im Piano wie gerade auch in den dramatischsten Momenten beeindruckende musicAeterna Choir of Perm Opera, von Vitaly Polonsky einstudiert und dem Samoaner Lemi Ponifasio perfekt choreografiert, die Gewitter- und Katastrophenszenen bewerkstelligen.

Und damit kommen wir zur musikalischen Seite, und damit dem erfreulicheren Teil. Offenbar wurde, was das Sängerensemble angeht, auf eine vornehmlich lyrische Interpretation gesetzt. Die irische Mezzosopranistin Paula Murrihy singt einen wundervollen Idamante, klangschön, wenn nötig mit dem erforderlichen Aplomb, aber auch im Piano beeindruckend. Darstellerisch meistert sie ihr emotionales Spannungsfeld zwischen Ilia und Elektra, übrigens schon von der ersten Szene an, bestens. Die aus Ningbo in China stammende Sopranisten Ying Fang, die in Shanghai an der New Yorker Juilliard School studierte und auch am bekannten Lindemann Young Artist Development Program der Met teilnahm, ließ einen perfekt geführten glockenreinen sowie fast vibratofreien Sopran erklingen, in jedem Moment ein nahezu perfekter Vortrag. Darstellerich gab sie mit ihrer sanften Zurückhaltung einen klaren Gegenpol zur Rivalin Elektra. Die US-Amerikanerin Nicole Chevalier setzt ihren dramatischen Sopran gekonnt zur Darstellung der schwierigen Situation der einerseits liebenden, andererseits aber auch abgrundtief hassenden Atridentochter ein. Ihre finale Arie bis zum tödlichen Umfallen war vielleicht der Höhepunkt des Abends. Eine großartige Rolleninterpretation!

Leider stand diesem begnadeten Trio der Damen kein männlicher Gegenpol gegenüber. Denn der Idomeneo, immerhin die Titelpartie des Stücks, wenngleich Idamante die wichtigere Rolle spielt, erwies sich mit dem US-amerikanischen Tenor Russel Thomas als unterbesetzt, wenn nicht sogar fehlbesetzt. Zu keinem Zeitpunkt kann sein Tenor Klangfarbe entfalten, die Resonanz ist viel zu gering und schon zu Beginn hatte der Sänger hörbare Probleme mit den Höhen. Im übrigens belanglos choreografierten aber so wichtigen Quartett im 2. Teil war Thomas neben den drei Damen kaum zu hören. Wie erfreulich dagegen die Stimme von Jonathan Lemalu, einem in Neuseeland geborenen Samoaner, der vom rechten Seitenbalkon Nettuno hörenswerten Respekt verschuf. Der Südafrikaner Levy Sekgapane ergänzte das also weitgehend gute bis exzellente Ensemble mit einem etwas kleinen Tenor ansprechend.

Teodeor Currentzis hatte die musikalischen Leitung und beeindruckte gleich von Beginn an mit seinem exakten Schlag, dem intensiven Blickkontakt mit einzelnen Musikern oder Gruppen des Freiburger Barockorchesters. Dieses gab sein wohl Allerbestes, was Currentzis auch in der Lage war herauszuholen. Und es passte zur lyrischen Schwerpunktsetzung des Sängerensembles. Ich habe den „Idomeneo“ auch schon dramatischer gehört, aber das können die alten Instrumente des Barockorchesters naturgemäß auch nicht leisten. Es war dennoch musikalisch erstklassig.


Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

Ein große Verwunderung am Schluss. Alle Akteure, bis hinunter zu den Statisten, versammelten sich nach der abschließenden Ballettmusik KV 367 in einer langen Reihe und nahmen den Applaus in dieser Formation bis auf die Ausnahme, die acht Protagonisten allein vortreten zu lassen, entgegen. Wo waren die „Einzelvorhänge“!? Insbesondere die drei Damen hätten sich diese verdient gehabt. Bei allem Verständnis für eine hier möglicherweise überpostulierte Teamarbeit, bei der es keine Bevorzugten geben soll, halte ich das für völlig unakzeptabel. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass auch in Theatern mit großer Bühne und fehlendem Vorhang die Protagonisten nicht einzeln zum Applaus vortraten. Und ich gehe öfters in die Oper. Was war denn der Grund? Ich würde es gern wissen, habe aber einen Verdacht…

Klaus Billand aus Bayreuth

 


ATHEN/ Athens & Epidauros Festival, Antikes Theater von Epidauros: DER GEFESSELTE PROMETHEUS von Aischylos

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Kathryn Hunter. Foto: Marilena Stafylidou

Athens & Epidauros Festival, Antikes Theater von Epidauros: DER GEFESSELTE PROMETHEUS von Aischylos

Besuchte Vorstellung am 9. August 2019

Mensch und Gott

Das Athens & Epidauros Festival 2019 geht mit einer Inszenierung von Aischylos‘ Tragoedie „Der gefesselte Prometheus“ zu Ende. Das Stadttheater Patras zeichnet sich fuer diese Produktion verantwortlich, welche wegen der Besetzung der Hauptrolle einige Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die britische Schauspielerin Kathryn Hunter, Tochter griechischer Immigranten, konnte fuer die anspruchsvolle Rolle gewonnen werden. Sie ist es denn auch, die dem Abend eine besondere Note verleiht. Obschon klein und zierlich, entfaltet Hunter mit Stimme, Gesten und Mimik grosse Wirkung. Indem sie in die Maennerrolle schluepft, gewinnt Hunter dem Titelhelden ungemein menschliche, man moechte sagen allgemein-menschliche Facetten ab, betont eindringlich Leiden, Empathie und Zerrissenheit der Figur. Hunters ’sprechender‘ Koerper ist das energetische Zentrum der Auffuehrung.

Stavros Tsakiris kann neben Kathryn Hunter noch einen zweiten Joker vorweisen: den bildenden Kuenstler Kostas Varotsos, der einen bildstarken, symbolischen Buehnenraum entworfen hat. Die Buehne zeigt im Zentrum einen roten Pfahl, der einem Stachel gleicht, dahinter eine Tribuene, die an die Sitzreihen des antiken Theaterauditoriums erinnert, und im Vordergrund grossformatige, auf dem Boden ausgebreitete Buecher. Es sind im Verlauf der Auffuehrung diese Buecher, die in den Haenden des Chors markante visuelle Akzente setzen. Sie koennen gleich Vogelschwingen in Bewegung versetzt werden, die Bilder Ihrer Seiten lassen sich als Kommentare des Geschehens lesen. Die Chormitglieder treten zu Beginn aus dem Auditorium auf und bespielen die erwaehnte Tribuene: Sie werden so als Spiegelfiguren des Publikums gekennzeichnet. Leider erschoepft sich die Personenfuehrung von Tsakiris in der Schaffung von wenig aufregenden Tableaus, so dass es umso mehr Hunter und Varotsos zukommt, den Abend vorantreiben und dem Geschehen Tiefe zu verleihen. Gelungen ist das Lichtdesign von Sakis Birbilis, das wirkungsvoll die Bilderwelt des Kuenstlers ergaenzt.

Der Regisseur hat die Dramenhandlung um einen Erzaehler ergaenzt, der zusammen mit den Buechern auf das Moment der Ueberlieferung, der Literaturwerdung verweist. Es ist eine interessante Idee, die ihn Nikitas Tsakiroglou eine eindrueckliche Erzaehlerfigur findet. Daneben bietet die gesamte Besetzung gute Leistungen: Dimitris Piatas als Hephaistos, Peggy Trikalioti als Io, Gerasimos Gennatas als Oceanos, Alexandros Bourdoumis als Kratos, Iliana Mavromati/Antigone Fryda/Kostas Nikouli als Hermes und Periklis Vasilopoulos als Koryphaeus. Stavros Tsakiris gelingt kein grosser Wurf mit seiner Inszenierung, mit Kathryn Hunter als Prometheus und Kostas Varotsos‘ Buehnendesign vermag er aber Momente von grosser Eindringlichkeit auf die wunderbare Buehne des antiken Theaters von Epidauros zu setzen.

Das Publikum spendet anhaltenden Beifall und viele Bravorufe fuer Kathryn Hunter.

Ingo Starz (Athen)

NEUHAUS am Klausenbach/ Jopera Jennersdorf/ Schloss Tabor: MARTHA von Friedrich von Flotow

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NEUHAUS/ Klausenbach/ „Jopera Jennerdorf“: MARTHA von Friedrich von Flotow auf Schloß Tabor – Sommerlicher Genuß 10/8/2019

Alljährlich finden im südlichen Dreiländereck des Raabtals in einer beeindruckenden Naturkulisse des Schlosses Tabors Sommerfestspiele statt. Trotz der Freilichtaufführung in guter Akustik.

Zum zweiten Mal führt Frau KS Brigitte Fassbaender in Jennersdorf Regie. Ihr gelingt eine kurzatmige, humorvolle und leicht ironische Regie der Singoper. Zwar siedelt sie die Handlung im 20 Jahrhundert an, belässt es aber den Flotowschen Handlungsstrang, sehr gelungen auch die iIoniserung des Adels – in Karo gekleidet von Frau Lienbacher.

Fixer Bestandteil ist das Orchester aus Brandenburg, die Junge Philharmonie, das mit sichtbarer Begeisterung bei der Sache war und durch den designierten GMD des Badischen Staatstheaters Prof. Fritzsch sich auch sehr gut einstudiert und disponiert zeigte. Was bei dieser durchkomponierten Spieloper mit dem jungen Klangkörper sicher zu würdigen ist.

Alternierend wurde die Serie von der stv. GMD Aachens Frau Yang betreut.

Ebenso ein alljährlicher Pluspunkt ist der Philharmonia Chor. In dieser Oper gibt es ja für den Chor reichlich Gelegenheit sich zu präsentieren und zu glänzen und der Wiener Chor nützt dies auch.

Die Damen sind mit der jugendlich klingenden Renate Pitschneider, der Gattin des Indendanten und Sarah Laulan besetzt. Beide überzeugen im Spiel und vor allem Frau Laulan meistert die nicht einfachen tieferen Töne der Nancy mit Bravour und einer überraschend wandelbaren Stimme.

Die Lacher auf seiner Seite hat auch der Wiener Bassbariton Andreas Jankowitsch, der auch stimmlich überzeugt. Das gilt auch für den jungen Tiroler Bass Andreas Mattersberger, der als Plumkett, wie auch schon in Graz dieses Jahr überzeugen konnte. Sicherlich eine Stimme die immer wieder aufhorchen wird lassen.

Auch mit dem Tenor des Abends Ibrahim Yesilay, obwohl nicht auf der Höhe seiner Kraft, galt es eine charakteristische Stimme zu entdecken, die auch in den Höhen sicher und ausdrucksstark ohne zu forcieren bei den Gefühlsausbrüchen wirkte.

Rundherum ein gelungener Abend, bei dem Schloss Tabor und der Mond gelungener Rahmen war und die profunde musikalische Leistung das Publikum zum langanhaltenden Applaus veranlasste.

Rudolf Smolej

JENNERSDORF/ Festivalsommer/ Schloss Tabor in Neuhaus: MARTHA

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Foto: Jennersdorfer Festivalsommer

Schloss Tabor: Friedrich von Flotows MARTHA im Rahmen des Jennersdorf Festivalsommers

  1. August 2019 (Premiere 1. August)

Flotows „Deutsche Spieloper“ als fein inszenierte, unbeschwerte Sommerunterhaltung

Von Manfred A. Schmid

In einem romantisch entlegenen Winkel im südburgenländischen Dreiländereck, auf Schloss Tabor in Neuhaus am Klausenbach, findet alljährlich im August, in einem einzigartig intimen, geradezu zauberhaften Ambiente, ein dem breiten Publikum noch weitgehend unbekanntes Sommerfestival statt. Im Mittelpunkt steht jeweils eine liebevoll gehegte Neuproduktion – heuer Friedrich von Flotows romantisch-komische Oper Martha. Nachdem im Vorjahr Rossinis  Barbier von Sevilla als unverhoffter Ausritt in die Abgründe des Regietheaters das treue Publikum ziemlich überrascht und verschreckt hatte, wurde diesmal schon im Vorfeld Entwarnung gegeben: Mit Brigitte Fassbaender konnte vom erfolgsverwöhnten Festivalchef Dietmar Kerschbaum eine Regisseurin gewonnen werden, unter derer kundiger Leitung einfach nichts schief gehen sollte. Und so ist es denn auch. Die leichtfüßige, gutgelaunte Inszenierung der legendären Sängerin und langjährigen Innsbrucker Intendantin bietet Deutsche Spieloper pur und garantiert Unterhaltung vom Feinsten.

Dass das bei derartigen Unternehmungen nicht immer automatisch der Fall sein muss, sondern viel Gespür und Einfühlungsvermögen erfordert, zeigte sich im Frühjahr dieses Jahres anlässlich der Neuinszenierung der Oper am Landestheater Graz, die – mit der gewagten Verlegung der Handlung in eine psychiatrische Anstalt (!) – alles andere als gelungen war. Die Volksoper Wien agierte da erfolgreicher, hielt sich dort Flotows Martha nach der Premiere 2003 immerhin bis 2006 im Repertoire, während für Graz wohl das Zitat „Martha, Martha, du entschwandest“ zur self fulfilling prophecy geworden ist. Daraus ergibt sich: Die Deutsche Spieloper eignet sich nicht für das Regietheater. Entweder man nimmt das Werk, so wie es ist, ernst und vertraut auf die Kraft der Musik und der leisen Komik, oder man lasse besser die Hände davon.

Eine wesentliche Grundlage eines Bühnenerfolgs an diesem landschaftlich wie architektonisch äußerst reizvollen Spielort ist die Wertschätzung der vorgegebenen Kulisse, die der Innenhof von Schloss Tabor bietet. Da braucht es dann nur noch wenig, um die Handlung atmosphärisch festzumachen: Die Theke eines Pubs, ein paar Tische und Stühle, einen offenen Kamin und einen abgezirkelten Raum, der als Bauernstube und Schlafzimmer dient. Auf dem Dach (Bühnenbild von Julia Scheeler) weht stolz die britische Fahne. Und wenn dann noch die drei Aristokraten, die im Zentrum stehen, großkariert in Kostümen von Anna-Sophie Lienbacher auftreten – bei einem von ihnen setzt sich das Karomuster sogar auf dessen Glatze weiter fort -, dann weiß man, wo man gelandet ist.

Die Personenführung durch Brigitte Fassbaender funktioniert famos. Die Szene, wenn sich die Landmädchen den Bauern auf dem Marktplatz als zukünftige Dienstmägde präsentieren, auf den Tisch kletternd ihre Fähigkeiten anpreisen, („Ich kann nähen, ich kann mähen, ich kann säen…“) und dann „abgeschleppt“ werden, ist einfach köstlich und jeder political correctness abhold. Die beiden „höher gestellten“ Damen, die sich verkleidet unter das Volk mischen, um sich leichtsinnig im Scherz ebenfalls als Mägde zu verdingen, werden mit viel Spielfreude und feinen Stimmen von Renate Pitscheider und Sarah Laulan verkörpert. Das berühmte Auftrittslied der Lady Harriet Durham, das aus dem englischen Volksliedgut entlehnte Lied von der „Letzten Rose“, wird von Pitscheider anmutig dargeboten, schlicht und berührend, wie es sich gehört, und nicht der Versuchung nachgebend, die liedhafte, sehnsuchtsvolle Melodie etwa gar zur großen Arie hochstilisieren zu wollen. Sarah Laulan als Nancy, Harriet Vertraute, steuert zum bunten Treiben mit ihrem resoluten Auftreten und ihrer erotischen Ausstrahlung eine sinnliche Qualität bei.

Die beiden Bauern, denen von den beiden Damen zunächst übel mitgespielt wird, bis es zum unvermeidlichen Happyend kommt, sind ebenfalls ansprechend besetzt. Ibrahim Yesilay, Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein, verfügt über eine einschmeichelnde Tenorstimme und ist ein rasch entflammter, schmachtender und alsbald tief gekränkter Lyonel.  Der Bariton Andreas Mattersberger, als reicher Pächter Plumkett Lyonels Leidensgenosse, nimmt das Ränkespiel weniger ernst als sein aufgebrachter Freund. Andreas Jankowitsch ist mit seiner reichen Bühnenerfahrung ein urkomischer Lord Tristan Mickleford und liefert das Porträt eines kauzigen englischen Landedelmannes. In weiteren Rollen machen Marc Kugel als Richter sowie Yuhyun Jeon, Eakterina Protsenko und Tabea Mitterbauer als Mägde auf sich aufmerksam.

Das durchwegs aus jugendlichen Musikerinnen und Musikern bestehende Orchester, die seit Jahren auf Schoss Tabor eingesetzte Junge Philharmonie Brandenburg unter der erfahrenen Leitung von Georg Fritsch, geht wie gewohnt mit Frische und Elan ans Werk und sorgt – sekundiert vom Philharmonia Chor Wien – für eine schwungvolle Gestaltung der eingängigen, melodienreichen Musik. Fazit: Schloss Tabor ist kein Ort für Experimente, die anderswo durchaus ihre Berechtigung haben mögen. Der Jennersdorfer Festivalsommer ist und bleibt vielmehr ein Hort unterhaltsamer Opernaufführungen auf einem ansprechenden Niveau – und als solcher ein Geheimtipp für Opernliebhaber, auch wenn im nächsten Jahr zur Abwechslung mit Lehárs Die lustige Witwe eine Operette auf dem Spielplan stehen wird.

Manfred A. Schmid

SALZBURG/Festspiele: JUGEND OHNE GOTT von Ödön von Horvath

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Damir Avdic, Lukas Turtur, Laurenz Laufenberg. Foto: Arno Declair/Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele: Ö.v.Horvath – JUGEND OHNE GOTT

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Premiere: 28. Juli 2019

Besuchte Vorstellung: 11. August 2019

Im Grunde ist es schon seit längerer Zeit ein Ärgernis, dass das Schauspielprogramm im Rahmen der Festspiele mit Ausnahme des „Jedermann“ ausschließlich aus Koproduktionen mit deutschen Bühnen besteht. Diese Tatsache sollte eigentlich Gegenstand eines eigenen Artikels sein, jedoch wäre ein solcher ohne genaue Kenntnis der Kostenaufteilung zwischen den Festspielen und den jeweiligen Bühnen unseiös.

In einer Koproduktion mit der Schaubühne Berlin steht heuer neben anderem der dramatisierte Roman „Jugend ohne Gott“ am Spielplan. Für die Dramatisierung zeichnen Thomas Ostermeier, der derzeitige Intendant der Schaubühne und Florian Borchmeyer verantwortlich, wobei es zunächst wieder einmal die Frage zu stellen gilt, welchen Sinn ein derartiges Unterfangen hat. Gibt es nicht genug Theaterstücke, mit denen man sich auseinandersetzen kann?  Es zeigt sich nämlich immer wieder, dass es problematisch ist, die oft verschiedenen Ebenen eines Romans so miteinander zu verknüpfen, dass die gesamte Aussage des Werkes den Zuschauer erreicht.

Der Roman von Ödön von Horvath erschien 1937 und er beschäftigt sich mit dem Konflikt eines Lehrers mit einigen seiner Schüler vor dem Hintergrund der damals bereits vorherschenden Rassenideologie der Nationalsozialisten. Als er bei der Rückgabe einer Klassenarbeit, die voll von rassistischen Elementen war, einem Schüler gegenüber die Ansicht vertritt, dass Afrikaner die gleichen Menschen seien wie Weisse, verlangen die Schüler seine Ablöse, was der Schuldirektor jedoch ablehnt. Im Rahmen des in den Tagen darauf stattfindenden Wehrsportübungslagers kommt es zu zahlreichen unliebsamen Vorfällen, die letztendlich in der Ermordung eines Schülers gipfeln. Im darauffolgenden Verfahren entzieht sich der tatsächliche Täter der Verurteilung durch Selbstmord und der Lehrer wandert in eine Missionsschule nach Afrika aus.

Bei diesem Roman ist eine Dramatisierung noch schwieriger, da es eine Ich-Erzählung aus Sicht des Lehrers ist. Dies führt dazu, dass der Lehrer immer wieder aus der Handlung treten muss, um das zu erzählen, was man nicht zeigen kann.

Nach langer Zeit gibt es mit diesem Stück wieder einmal eine gelungene Schauspielproduktion in Salzburg. Die Inszenierung, ebenfalls von Thomas Ostermeier ist authentisch, d.h. das Stück wird „vom Blatt“ gespielt. Es wird weder zeitlich noch örtlich etwas verlegt –das ist auch nicht nötig, denn es spielt ja in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus –und die Personenführung war überzeugend, wobei man den Schauspielern die heute oft üblichen Verrenkungen ersparte. Auch die Videoeinspielungen, die mir oft fürchterlich auf die Nerven gehen, sind nicht nur dezent sondern auch logisch. Sie zeigen meist die oben erwähnten Ebenen des Romanes, die sich nicht gleichzeitig dramatisieren lassen. Lediglich die manchmal auf den Hintergrund projezierten einschlägigen Wochenschauausschnitte waren entbehrlich. Das Bühnenbild (Jan Pappelbaum) wird hinten von einem Wald begrenzt, die Vorderbühne war leer und wurden die nötigen Versatzstücke hereingeschoben. Die hiefür notwendigen Bäume wurden übrigens in Berlin-Grunewald gefällt und nach Salzburg transportiert. Wie das wohl mit dem Klimawandel in Einklang zu bringen ist??? Die Kostüme von Angelika Götz entsprachen der Zeit.

Die zentrale Rolle des Lehrers wurde von Jörg Hartmann – einer breiteren Öffentlichkeit als Dortmunder Tatort-Kommissar und als fieser Stasi-Offizier aus der DDR-Vergangenheitsbewältigungsserie „Weissensee“ bekannt – gespielt und er hat mich eigentlich enttäuscht. Da fehlten Ecken und Kanten und vieles wirkte ziemlich beiläufig. Gut hingegen die drei handlungsrelevanten Schüler in Person von Laurenz Laufenberg (Z), Moritz Gottwald (T) und Damir Avdic (N), die auch in zahlreichen anderen Rollen auftreten mussten. Sie zeigten gute Bühnenpäsenz und waren auch sprachlich durchaus eindrucksvoll. Alina Stiegler als Eva (und anderen Rollen) wirkte stellenweise etwas überdreht und geriet, wenn sie laut artikulieren sollte, sofort ins Schreien. Sehr persönlichkeisstark und auch stimmlich auftrumpfend Lukas Turtur als Feldwebel. Er, Bernardo Arias Porras und Veronika Bachfischer mussten ebenfalls in mehreren Rollen auftreten.

Es war dies die letzte Vorstellung der Serie und wurde vom  Publikum mit lauten Jubel aufgenommen.

Heinrich Schramm-Schiessl

Film: STREIK

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Filmstart: 15. August 2019
STREIK
En guerre / Frankreich / 2018
Regie: Stéphane Brizé
Mit: Vincent Lindon u.a.

Man liest immer wieder solche Meldungen, wenn sie auch selten über einen Einspalter im Wirtschaftsteil hinaus gehen: Irgendeine mittelgroße Fabrik, die immerhin Hunderte, ja Tausende Menschen im Umkreis ernährt, wird von ihren Betreibern als nicht lukrativ genug betrachtet und zugesperrt. So funktioniert der Kapitalismus.

Und die Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren und in ihrer Region keine Chance haben, einen neuen zu finden? Dergleichen wird von den Anzugträgern in den Chefetagen kaum bedacht – soll sich der Staat darum kümmern… Nicht zum ersten Mal, nicht zum letzten Mal wollen Betroffene kämpfen. Nicht zum ersten Mal, nicht zum letzten Mal sind sie chancenlos.

„Streik“ von Regisseur Stéphane Brizé erzählt die Geschichte eines Protests, und es ist sicherlich in Frankreich, wo die „Gelbwesten“ ja auch aus wirtschaftlichen Gründen auf die Straße gehen, der Film der Stunde. Ob der hier gezeigte Fall, der eine Autofabrik im südfranzösischen Agen betrifft, Fiktion ist, weiß man nicht, er wirkt jedenfalls nicht zuletzt deshalb so unter die Haut gehend echt, weil der Regisseur großteils mit Laien besetzt hat, die den Eindruck erwecken, als spielten sie sich selbst (ein paar Gewerkschaftsfunktionäre taten das angeblich auch). „Der Wert des Menschen“ hat Brizés viel beachteter Vorgängerfilm geheißen, und darum geht es auch: Wert und Würde des Menschen stehen zur Diskussion.

Diskussion ist aber auch das Kernwort dafür, wie der Regisseur seine Geschichte angeht. Man sollte, müsste, könnte, um ein breiteres Kinopublikum zu fesseln, eine solche Geschichte an Einzelschicksalen aufziehen. Menschen, die hier arbeiten. Die jahrelang auf Lohnerhöhungen verzichtet haben, nur um die Arbeitsplätze zu sichern, als die Deutschen ihre französische Fabrik kauften (hier werden auch Ressentiments gegen „die Deutschen“ sehr stark). Und die plötzlich, entgegen allen Versprechungen, auf der Straße stehen sollen – obwohl, was immer wieder empört betont wird, der Mutterkonzern Milliardengewinne einfährt. Aber das Autozubehör, das hier in Frankreich hergestellt wird, kann man in Osteuropa oder Asien viel billiger produzieren. Brutalo-Kapitalismus gegen Einzelschicksale am Rande des Abgrunds.

Interessanterweise – und das macht den Film so „arthaus“, macht ihn so sehr zu einer Art Dokumentation, wie man sie auf „arte“ sehen könnte – verweigert der Regisseur die Einzelschicksale. Nur ein einziger Mann tritt hervor: der

Gewerkschafter Laurent Amédéo. Vincent Lindon hat wieder einmal eine seiner großen Rollen gefunden, man glaubt ihm alles, Wut, Empörung, Kampfgeist, Entschlossenheit, bis zum Ende zu kämpfen. Nur – er und alle anderen sitzen am kürzeren Ast, wie immer. Die französischen Arbeiter mögen „ihr“ Gelände noch so sehr besetzen und ihre Wut Fäuste schwingend skandieren, die Bosse wissen, dass sie diesen Aufruhr nur aussitzen müssen.

Und während am „Verhandlungstisch“ mit den ausweichenden französischen Chef gestritten und gestritten und gestritten wird, was nirgendwohin führt (für eine Fabrik, die man ohnedies zusperren wird, muss man keine Konzessionen machen), funktionieren andere Mechanismen: Nicht alle der Arbeiter, denen man Abfindungen zusagt, mit denen sie sich zumindest eine Weile über Wasser halten können, wollen den Streik bis zu einem bitteren Ende durchhalten, das sie nicht absehen können…

So ist das ein Film, in dem viel und im Kreis geredet wird und eine hektische Kamera hektisch schreiende Menschen einfängt. Und anstatt dass man nun die wahre Anteilnahme empfände (man tut es ja, man wird nur müde), gerät man selbst achselzuckend in die Sinnlosigkeit dieser Geschichte, die so punktgenau heutige Missstände aufzeigt.

Ja, wahrscheinlich wollte der Regisseur genau das zeigen. Und wir gehen fälschlich davon aus, dass es im Kino Sieger geben muss, mit denen man mit gebangt hat und mit denen man sich mitfreut. Aber im wirklichen Leben ist das nicht so…

Renate Wagner

Film: ONCE UPON A TIME IN … HOLLYWOOD

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Filmstart: 15. August 2019
ONCE UPON A TIME IN … HOLLYWOOD
USA / 2019
Drehbuch und Regie: Quentin Tarantino
Mit: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino u.a.

„Once upon a time“ bedeutet so viel wie unser „Es war einmal“, und so beginnen Märchen. Nur dass uns Quentin Tarantino, wenn es denn ein Märchen sein soll, das er in seinem neunten Spielfilm über Hollywood von einst erzählt, dieses zwar satirisch und überbordend anspielungsreich, aber auch ziemlich – zäh angelegt hat. Trotz Starbesetzung, die natürlich funktioniert. Aber die drei Stunden, die man durch das Patchwork von Szenen steigt, die „damals“, in diesem Fall 1969, in Hollywood spielen, ziehen sich.

Einerseits geht es um Atmosphäre, und in einer Welt ohne Internet und Handys war es gewissermaßen gemütlicher. Man fuhr in den Riesenschlitten durch Los Angeles und betrachtete abgerissene Hippie-Girls am Straßenrand. Man saß in Lokalen und drosch leeres Stroh (tut man das nicht noch immer?). Wenn man nicht arbeitete, wusste man nichts mit sich anzufangen. Alltagsszenen. War es wirklich so fad, damals in Hollywood?

Eine stringente Geschichte erzählt sich solcherart nicht, also hat der Film zwei Haupt-„Helden“, wenn man sie als solche bezeichnen kann (denn auch in ihrem Fall hat die Dramaturgie Löcher, sie sind auch nur punktuell da). Hauptfigur „Rick Dalton“ (so heißt ein Western-Darsteller damals) vermag schon vermitteln, wie hart sich der Beruf für jemanden in einer Welt anfühlt, wo man nur so viel wert ist wie sein letzter Erfolg: Leonardo DiCaprio, der längst aufgehört hat, ein hübscher junger Mann zu sein, bietet die Verbissenheit und Verkrampftheit eines „Stars“, der – wie jeder und er am besten weiß – eigentlich schon zu den „Has been“ gehört und der ununterbrochen kämpfen muss, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren. Sei es mit Fernsehserien. Sei es, verdammt noch mal, mit verachteten Italo-Western, die man in Europa drehen muss. In einer köstlichen Szene gleich zu Beginn macht Al Pacino (in abenteuerlicher Maske) als schmieriger Agent Marvin Schwarz klar, dass die Möglichkeiten beschränkt sind…

Es ist kein „Buddy“-Film, aber dennoch würde dieses Handlungs-Minimum um Rick Dalton noch weniger funktionieren, wenn Tarantino ihm nicht einen Begleiter gegeben hätte. Und Brad Pitt als Cliff Booth ist fast die interessantere Figur. Er ist nicht nur Daltons Stuntman, er ist sein Bodyguard, Chauffeur, Mann für alles – und er wird nicht vor Neid auf den Mann zerrissen, der im Gegensatz zu ihm „berühmt“ ist. Nein, ihm gefällt seine gelassene „Rolle“ am Rande, er ist entspannt, weil der Druck auf ihn gering ist, er kann lachen und sogar trösten und meist die Achseln zucken. Wenn man ihm auch nachsagt – was er kommentarlos hinnimmt – er habe einst seine Frau umgebracht und sei damit davon gekommen, was soll’s? In einer unglaublich komischen Szene legt Bruce Lee (Mike Moh) sich mit ihm an – da er aber seine kämpferischen Fähigkeiten nur simuliert, Cliff hingegen echt zuschlägt, bleibt der Action-Held im richtigen Leben auf dem Boden. (Und die Kinder von Bruce Lee haben sich schon lautstark über die Darstellung ihres Vaters in Tarantinos Film beschwert…)

Es gibt viele, nicht immer zusammenhängende Szenen und Episoden (Rick dreht eine brutale Filmszene mit einer Achtjährigen – schaurig cool als Partnerin: Julia Butters, Cliff besucht einen alten Kollegen, der in den Händen der Hippies ist und sich nicht an ihn erinnert), außer den beiden Helden tritt kaum jemand hervor – außer natürlich Sharon Tate, die Schöne, die „mit diesem polnischen Regisseur“ verheiratet ist, den alle als großes Talent preisen. Sie ist schön, nett und vielleicht ein bisschen hohlköpfig (Margot Robbie), aber unter den Kindern dieser Epoche sicher nicht die übelste. Ihr Bungalow liegt neben jenem von Rick, und man sieht ihr zu, wie sie die Zeit totschlägt (ihr Mann ist in Europa), weil sie nichts Besseres zu tun hat…

Dann tauchen – und nun sollte es langsam nicht so plätschernd, sondern Tarantino-griffiger zugehen – die seltsamen, ja unheimlichen Groupies auf, die um diesen Charles Manson (Damon Herriman) abhängen, der komischerweise zu seiner Umwelt überraschend höflich agiert. Und natürlich sind alle immer wieder „stoned“, und weil man in Hollywood ist, taucht logischerweise die Frage auf: Are you real? Ja, was ist „real“?

Das Finale spitzt sich zu, man wartet schon etwas ungeduldig, etwas gelangweilt darauf, dass das unscharfe Genrebild von Hollywood endlich Farbe und Kontur gewinnt. Ja, wie war das damals, als Sharon Tate und ihre Begleiter von der Manson-Bande hingeschlachtet wurden?

Es ist gewissermaßen Ehrensache, dass kein Kritiker verrät, wie Tarantino nun mit dem Fall des historischen Tate-Mordes umgegangen ist – man kann jedenfalls sagen, dass er sich hier selbst so nahe ist wie in sonst keinen Passagen. Kino ist Kino, Hollywood ist Hollywood, das merkt man ganz am Ende besonders, da steht historische Akkuratesse nicht zur Diskussion. Da schlagen die grimmigen Pointen Purzelbäume, und man möchte wünschen, dass die Dinge im wahren Leben à la Tarantino gelaufen wären…

„What the fuck happened?“ lässt Tarnatino Roman Polanski (Rafal Zawierucha), aus Europa heimgekehrt, fragen. Ja, das fragt man sich auch. Immerhin versöhnt das Ende mit großen Teilen des Films, die den genialen Schwung des Regisseurs missen lassen. Sorry, er selbst hat die Latte gelegt, an der man ihn misst. Nun muss er sich mit seinem nächsten, dem zehnten Film – wenn er denn tatsächlich sein letzter sein soll – besondere Mühe geben, damit man (wie bei den „Inglourious Basterds“) genussvoll sagen könnte: typisch Tarantino… Denn der stand doch eigentlich immer für zähneklappernde äußere und innere Spannung.

Renate Wagner

BAD ISCHL/ Lehár-Festival: „CLO-CLO“ von Franz Lehár

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Lehár-Festival in Bad Ischl mit Operetten-Ausgrabung:

„Clo-Clo“ von Franz Lehár (Vorstellung: 11. 8. 2019)

Das heurige Lehár-Festival in Bad Ischl wartete mit einer sensationellen Wiederentdeckung einer Operette auf: „Clo-Clo“ von Franz Lehár. Die Uraufführung des Werks fand im Jahr 1924 in Wien statt, die Deutsche Erstaufführung noch im selben Jahr in Berlin, die englische Fassung bereits 1925 in London. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand „Clo-Clo“ aus dem Operetten-Repertoire. Die bisher letzte Aufführung im deutschsprachigen Raum fand 1971 an der Staatsoperette Dresden statt.

Die Handlung der Operette, deren humorvolles Libretto der ungarische Autor Béla Jenbach schrieb, kurzgefasst: Clo-Clo Mustache ist eine berühmte Pariser Varieté-Sängerin, die allen Männern den Kopf verdreht. Unter ihren vielen Verehrern ist auch der Bürgermeister von Perpignan, zu dem sie liebevoll Papá sagt. Eines Tages bittet Clo-Clo ihn schriftlich um finanzielle Hilfe. Der Brief mit der Anschrift Mon cher Papá erreicht jedoch seine Gattin, was den Bürgermeister und seine vermeintliche Tochter in reichliche Turbulenzen verwickelt.

Die Aufführung von „Clo-Clo“ fand im Kongress- & Theaterhaus Bad Ischl am 10. und 11. August 2019  in halbszenischer Form (Inszenierung: Markus Kupferblum, Bühnenbild und Kostüme: Toto) statt, wobei als Moderator der deutsche Schauspieler Frank Voß agierte. Alle – Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner sowie Moderator – hatten an der Wiederentdeckung der komödiantischen Operette großen Anteil.


Der Star der Vorstellung war Sieglinde Feldhofer als Clo-Clo (Copyright: Foto Hofer)

Mit einer geradezu sensationellen Leistung wartete die österreichische Sopranistin Sieglinde Feldhofer in der Titelrolle als Tänzerin und Varieté-Sängerin „Clo-Clo“ auf. In jeder Szene begeisterte sie sowohl stimmlich durch ihren hellen Sopran wie darstellerisch durch ihre erotisch wirkende Gestik und Mimik das Publikum. Eine Idealbesetzung! Am Schluss der Vorstellung gab sie – quasi als „Zugabe“ – noch eine erst kürzlich durch Zufall entdeckte Arie aus der Operette zum Besten, die man als „Pamphlet auf die Polizei“ bezeichnen könnte.


Cornichon, der Bürgermeister von Perpignan (Gerd Vogel) mit seiner Gattin Melousine (Susanna Hirschler) Copyright: Foto Hofer

Ihr fast ebenbürtig war der deutsche Bariton Gerd Vogel als Bürgermeister von Perpignan. Mit seiner starken und ausdrucksvollen Stimme und seinem humorvollen Spiel reizte er des Öfteren das Publikum zu Sonderapplaus. Die Rolle seiner Ehegattin spielte die österreichische Sopranistin Susanna Hirschler gleichfalls sehr komödiantisch. Auf humorvolle Weise nimmt sie ihre „überraschende Mutterrolle“ an und kämpft um die Liebe ihres Mannes.

Sympathisch agierte der deutsche Tenor Daniel Jenz als Maxim de la Vallé, der schließlich mit Erfolg um die Hand von Clo-Clo wirbt. In einer kleineren Rolle als Klavierlehrer Chablis stellte der deutsche Schauspieler und Tenorbuffo Ricardo Frenzel Baudisch seine komödiantische Ader unter Beweis. Als Polizist Petipouf  konnte der junge österreichische Bariton Matthias Störmer die Lachmuskeln des Publikums immer wieder strapazieren, auch wenn er ein wenig zu stark outrierte.

Stimmkräftig und auch komödiantisch agierte der Chor des Lehár-Festivals Bad Ischl (Einstudierung: Gerald Krammer). Das Franz Lehár-Orchester, das von Marius Burkert sehr temperamentvoll geleitet wurde, brachte die reizvolle Partitur der Operette klangvoll zum Erblühen, womit es einen großen Anteil an der Wiederentdeckung dieses Meisterwerks hat.

Das von der Lehár-Operette restlos begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall und vielen Bravorufen. Besonders gefeiert wurde verdientermaßen die „Clo-Clo“-Darstellerin Sieglinde Feldhofer!

Udo Pacolt

 PS: Im nächsten Jahr stehen die beiden Operetten „Die Csárdásfürstin“ von Emmerich Kálmán und „Frau Luna“ von Paul Lincke auf dem Programm. Dazu wird der 150. Geburtstag von Franz Lehár mit der Uraufführung von „Dein war mein ganzes Herz“ von Jenny W. Gregor gefeiert. Man darf gespannt sein!      


SALZBURG/ Felsenreitschule: OEDIPE von George Enescu. Premiere

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Christopher Maltman. Foto: Salzburger Festspiele/ Monika Rittershaus

Salzburg/Festspiele : „OEDIPE“Felsenreitschule Premiere 11.8.2019

Die einzige Oper von Rumäniens wohl bedeutendstem Komponisten, George Enescu (1881 – 1955), wurde in dieser Neuinszenierung für die Salzburger Festspiele zu einem mehr als packenden Musiktheaterereignis.  Ich kannte das Werk nur von der Wiener Staatsopernproduktion (1997, Koproduktion mit  der Deutschen Oper Berlin), die wir dem Einsatz Ioan Holenders für seinen Landsmann verdankten – eine gute Aufführung, die das Schicksal des Oedipus in gekonnter Regie, passender historischer Ausstattung und guter musikalischer Wiedergabe zeigte, sodass wir dem Werk fraglos einen Platz unter den bedeutenden Opern des 20. Jhs. zugestanden.

In ganz anderer Weise rüttelt nun die Salzburger Produktion auf. Die Felsenreitschule mit ihren Riesendimensionen ermöglicht eine erweiterte Sicht auf den Stoff. Der für Regie, Bühne, Kostüme und Lichtkonzept verantwortliche Achim Freyer kann hier seine Fantasie in einer Weise zum Einsatz bringen, die nicht Gewohntes entstellt, sondern ganz Essentielles an diesem antiken Stoff nicht nur hinterfragt, sondern in einer Weise anprangert, die uns aufrüttelt:

Hat das sogenannte „Schicksal“ ein Recht, einen Menschen noch ungeboren zu verdammen? Was geht es den Gott Apollon an, ob Laios ein Kind zeugt oder nicht? In Anbetracht dessen, was die griechischen Götter selbst alles an moralischen Fehltritten begangen haben, muss doch nicht Oedipus, der unschuldig an der Ermordung seines Vaters und der Ehe mit seiner Mutter ist, erblinden und mit chorischem Einverständnis von dessen Bewohnern aus seinem Königreich vertrieben werden… olendHolende unter den bedeutenden

Um diese offensichtlich unbeantwortbaren Fragen anschaulich zu machen, werden wir optisch mit einem vielgestaltigen Mysterium konfrontiert. Auf allen Umgängen im Hintergrund der riesigen Bühne erscheinen zu gegebener Zeit geheimnisvoll gewandete und  beleuchtete Figuren – solistisch oder gruppenweise – , die dank des mitlaufenden deutschen und englischen Textes der originalsprachlich französischen Oper identifiziert werden können. Welches Recht ihnen dadurch zusteht, über das Schicksal des neugeborenen Oedipus zu bestimmen, bleibt bewusst im Dunkeln.

Richtig gruselig ist schon der 1. Akt, wo wir in der Bühnenmitte ein einsam daliegendes wuchtiges Baby sehen, das offenbar zu sich zu finden bemüht ist. Es dreht und wendet sich nach allen Seiten, versucht aufzustehen, sich zu strecken. Ein Gesicht ist unter der Kopfmaske nicht erkennbar. Man rätselt, ob da ein lebendiges Kind eine Statistenrolle übernommen hat. Letztendlich trägt das Wesen eine rote Hose, zeigt mächtige Brustmuskel und entpuppt sich als der Sänger der Titelrolle: Christopher Maltman – mit mächtigem Bariton.

Die im Original-Libretto von Edmond Fleg vorgesehenen Schauplätze (1. Akt: Ein Saal im Palast des Laios, schwere Säulen…Blumengirlanden…Marmorwände…; 2. Akt: Ein Saal im Palast des Polybos in Korinth…Blick auf das Meer und die Akropolis…; 3. Akt: Theben; Agora, links ein Tempel, rechts der Palast des Ödipus…; 4. Akt: Attika. Am Rand eines heiligen Waldes…) gibt es nicht. Wirklich erkennbare Personen auch nicht. –

Das soll wohl aussagen, dass in griechischen Landen ebenso Willkür herrscht wie im Grunde in der ganzen Welt: Beurteilt werden die Menschen nach  der Hautfarbe, der Rasse, der Religionszugehörigkeit oder jener zu einer politischen Partei…und alle bekriegen einander – mit der Ausrede auf einen „Gott“ welcher Art auch immer, der ihnen das befiehlt.

Enescu zeigt Oedipes gesamtes Leben in 4 Stationen, zwischen denen jeweils 20 Jahre liegen:

  1. Seine Geburt
  2. Die Tötung der Sphinx, Befreiung Thebens und Berufung zum König mit dem entscheidenden Ausspruch: „Der Mensch ist stärker als das Schicksal“
  3. Pest in der Stadt, angeblich, weil der Mörder des Laios noch nicht gefunden ist, Erkenntnis des Oedipe, dass er es ist, Selbstblendung (symbolisch – der “sieht“ den Grund dafür nicht), Selbstmord der Mutter, Antigone begleitet Oedipe;
  4. Oedipe geht, von den Göttern bestimmt, seinen Weg ins Licht und wird wieder „sehend“.

 Ganz offensichtlich war es dem Komponisten eine Herzensangelegenheit, den in vielen dichterischen Varianten als Negativfigur gezeigten Helden die menschliche Kraft zuzugestehen, sich letztlich dem „blinden“ Schicksal zu entziehen. Die „Greise Athens“ unterstützen ihn mit harmonischem Gesang an die Götter: „Möge er ohne Schmerzen die Pforten des Erebus durchschreiten! … Glücklich ist der, dessen Seele rein ist: Der Friede sei mit ihm!“  Vorgesehen ist: Unter dumpfem Donner ein gewaltiges, blendendes Licht aus einer Grotte, in der Oedipus verschwindet…Theseus ist auf die Knie gefallen und „der heitere Gesang der unsichtbaren Eumeniden“ wiederholt die letzten Worte. Die abschließende Regieanweisung („Die Zweige der  Bäume bewegen sich leise im Licht der purpurnen Strahlen der untergehenden Sonne“) wird begreiflicherweise nicht präzise übernommen, denn die alles verklärende Musik kann das ohnedies viel besser. „VORHANG. Sehr langsam“ bemerken die Autoren noch. Das Regieteam verhindert einen kitschigen Schluss, indem verschiedenfarbige Lichteffekte das Eingehen in eine andere Welt erraten lassen.

Als kritischen Einwand gegen die aktuelle Produktion würde ich lediglich anmerken, dass sowohl die erste als auch diese letzte Szene zu lang wirkte. In der Wiener Aufführung war dies nicht der Fall.

 Dass dort wie da die Wiener Philharmoniker im Graben saßen und Ingo Metzmacher einmal mehr seine Qualitäten als Erwecker “moderner“ Partituren unter Beweis stellen konnte, mag erklären, warum hier die großartige Musik von George Enescu die führende Rolle spielte.

Neben einem großen Streicherensemble kommen je 14 Holz- und  Blechblasinstrumente zum Einsatz, dazu 15 Schlaginstrumente, Klavier, Celesta und Harmonium. Die im sehr guten Programmheft von Uwe Schweikert mit detaillierten Beispielen erläuterte Instrumentationskunst Enescus, die im durchaus tonalen Rahmen gigantische Höhepunkte ebenso ermöglicht wie sie Denkanstöße bietet, lässt keine Spannungseinbrüche zu. Diese Musik steht, auch wenn man Einflüsse von Vorgängern und Zeitgenossen konstatieren möchte (was ich prinzipiell nicht gern tue) jenseits aller „ismen“ und wurde im  Verlauf von rund 10 Jahren von Enescu als Herzensangelegenheit geschrieben. Die Chöre sind in den unterschiedlichsten Situationen und Konstellationen schon deshalb immer effektvoll, weil die Chorstimmen fast immer aus dem Dunkel kommen, von in undefinierbare, meist schwarze Gewänder gesteckten Mitgliedern der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, von Huw Rhys James  sehr engagiert zum Einsatz gebracht, sodass deren Auftritte immer große Wirkung haben.

Alle Massenszenen geben optisch Rätsel auf. Klar ist jedoch immer die musikalische Aussage. Genauso ist es mit den vielen Solistenrollen, von denen die des Titelhelden noch die eindeutigste ist. Christopher Maltman lebt und singt sie mit einer emotionalen Intensität, die das Hauptansinnen bzw. -anliegen des Komponisten, dass der Mensch stärker sei als das Schicksal, glaubwürdig macht.

Alle weitere

  • n Figuren geben Rätsel auf. Der hagere John Tomlinson mit schon etwas wackeligem Bass als uralter Tirésias, nahezu um 1 Meter größer gezeigt als alle anderen Auftretenden, geht als Hauptansinnen des Komponistesn immer wieder extrem langsam über die Bühne, ein winziges Kind an der Leine führend. So wichtig fühlt er sich allen anderen gegenüber. Für uns ist diese Erscheinung absurd. Jocaste in einem blauen Gewand, das sie wie flatternde Blumenblätter aussehen lässt, wirft die Frage auf, ob man diese Figur überhaupt ernst nehmen soll. Anaik Morel singt sie mit jugendlichem Mezzosopran und bewegt sich entsprechend locker. Antigone (Chiara Skerath, schweizerisch-belgische Sopranistin) erscheint in der oberen Etage des Bühnenhintergrunds in unschuldigem Weiß und tut – unbewegt – ihre Hilfsbereitschaft mit verklärtem jugendlichem Sopran kund. Laios (der irisch-kanadische Tenor Michael Colvin) und Créon (der irisch-amerikanische Bariton Brian Mulligan) sind mit ihren durchdringenden Stimmen sozusagen Gesetzeshüter.

David Steffens (Le Grand Pretre), Ève-Maud Hubeaux (La Sphinge), Gordon Bintner (Phorbas), Tilmann Rönnebeck (Le Veilleur), Boris Pinkhasoich (Thésée) und Anna Maria Dur (Mérope) sind allesamt prägnante Sänger der kürzeren, aber gewichtigen Rollen. Der Kinderchor, einstudiert von Wolfgang Götz, vervollständigt das großartige Ensemble.

 

Nach Schluss: Ein einziger kurzer Buh-Ruf aus dem Hintergrund des Saales wurde inmitten des heftigen Beifalls und der Bravo-Rufe des übrigen Auditoriums bedeutungslos. Für den Titelhelden gab es die verdienten Sonder-Ovationen. Kritische Einwände lassen sich gewiss viele gegen das vielschichtige Werk oder seine Wiedergabe finden. Ganz unbeeindruckt ist wohl kaum jemand aus dem Haus gegangen. Skepsis gegenüber den „Göttern“ ist wohl allemal angebracht…

Sieglinde Pfabigan

 

 

BAYREUTH/ Festspiele: LOHENGRIN

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Elena Pankratova (Ortrud). Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

BAYREUTH: LOHENGRINam 14. August2019

 Anna Netrebko wurde nicht vermisst…

Das war ein Abend der besonderen Art im Bayreuther Festspielhaus! Ursprünglich war alles auf Anna Netrebkos lang diskutiertes und überwiegend auch ersehntesBayreuth-Debut fixiert. Und dann sprang die in Bayreuth bereits in der vorherigen Neuenfels-Produktion bewährte Annette Dasch als Elsa ein und machte Netrebko -insbesondere für die Wagner-Kenner-vergessen. Kaum einer sprach mehr von ihr oder vermisste sie gar. Mit einem wunderbaren Stimmansatz und ihrem lyrisch leuchtenden Sopran besonders im Dialog mit Lohengrin im Trafohäuschen mit orangenem Ehebett, in dem zuerst beide fleißig die Hotelbibel konsultieren, bestach Dasch auch durch ihre dramatische Attacke sowie kräftige und stets klangvolle Spitzentöne. Dazu durch eine Mimik, die in jedem Moment die reifere und skeptische Dame signalisierte, die sich Lohengrins bisweilen arg anmaßenden und nicht unbedingt liebesfördernden sowie schon gar nicht romantischen Anschuldigungen gewachsen zeigte. Man denke nur an „Höchstes Vertraun hast du mir schon zu danken, da deinem Schwur ich Glauben gern gewährt; … Dein Lieben muss mir hoch entgelten für das, was ich um dich verließ; kein Los in Gottes weiten Welten wohl edler als das meine hieß.“Und Ähnliches später.

Da wurde fast schon unverständlich, dass sie sich von Lohengrin in die Maso-Nummer mit Festbinden am Hochspannungskondensator im Trafohäuschen treiben ließ. Annette Dasch konnte den stürmischen Applaus, den sie für ihre Leistung bekam und der sie gar nicht wieder hinter den Vorhang lassen wollte, kaum fassen und hatte Tränen in den Augen. Ihre und auch Piotr Beczalas Weltklasse-Leistung als Lohengrin, sowie Christian Thielemanns Dirigat des brillant aufspielenden Festspielorchesters waren wohl die Gründe, warum es beim Schlussapplaus ein hier nur selten gehörtes rhythmisches Klatschen gab wie in Ungarn.

Diese Maso-Nummer im Trafohäuschen war wohl als Gegenstück zu Ortruds Fesselung Telramunds im dunklen Schilfgürtel des Holzkulissen-Verschiebebahnhof im 2. Akt gedacht, wo dies allerdings einen gewissen Sinn macht. Denn die „wilde Seherin“macht damit deutlich, wie sehr sie ihren Mann in der Hand hat. Gefesselt muss er hier beim unverschuldet viel zu spät in die Produktion gekommenen Regisseur Yuval Sharon zusehen, wie das Unheil ins Haus Elsas einzieht, welches auch da schon als Trafohäuschen – mit nach außen schallender Hochzeitsmusik – völlig unerklärlich mitten im Schilfgürtel und düsteren Wolkengetümmel auf und abtaucht…Im Dunkel dieses Feuchtbiotops wuselnd ist wieder Thomasz Konieczny als viel zu laut und undeutlich singender Graf Telramund zu erkennen, was ihm beimzweiten und dritten Einzelvorhang auch einige wenige- und damit statistisch insignifikante – Buhrufe einbrachte. Elena Pankratova aus dem hochmusikalischen Ekaterinburg in Westsibirien ließ wieder ihren vulkanartigen dunklen Sopranvon der Leine, der zwar insbesondere mit ihrer Fertigkeit, die beiden Klippen „Entweihte Götter…“ und „Fahr heim…“ überzeugte, aber völlig wortundeutlich blieb. Allein, es wurde ihr nachgesehen.

Bildergebnis für Bayreuther Festspiele Beczala
Piotr Beczala (Lohengrin). Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele

Nahezu unbeschreiblich war wieder Piotr Beczala als Lohengrin, der wohl im Zenit seines Schaffens steht und eine makellose stimmliche Höchstleistung bot, mit allen Facetten, die die Titelrolle bietet, herrlichen Piani zu Beginn der Gralserzählung und einer„sogar“ Jonas Kaufmann in den Schatten stellenden Piano-„Taube“, dass einem fast die Tränen kamen. Dazu eine ausgezeichnete Phrasierung und feines Legato. Der Sänger gab ein ganz natürliches und unaufgeregtes Rollenporträt, was auch seinemWesen entspricht. Und er überzeugte somit auch darstellerisch. Riesenjubel auch für ihn. Georg Zeppenfeld konnte mit seinem klar artikulierenden und eher hohen Bass als König Heinrich das Publikum wie gewohnt begeistern, war meines Erachtens zum erstklassigen Heerrufer des Bassbaritons und immerhin einem der besten Wotane unserer Zeit,Egils Silins, aber kein klarer stimmlicher und damit auch einem König entsprechend souveräner Gegenpol. Albern sein – natürlich der Regie anzulastendes – irres Anlaufen auf die Brabanter mit erhobenen Armen, das sofort an das Anlaufen einer siegreichen Bundelsliga-Fussballmannschaft auf die Fankurve erinnerte. Auch das Zittern der Brabanter und Heinrichs im Finale des 2. Akts leuchtete nicht ein. Oder standen sie bereits wieder unter dem so erwünschten Strom?!

Bildergebnis für Bayreuth lohengrin
Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Gezitter thätte vielmehr jeder seriöse Elektriker, wenn er das unsachgemäße Anzapfen einer Hochspannungsleitung mit Schwachstromkabeln im ehelichen Trafohäuschen gesehen hätte. Jeder TÜV-Mitarbeiter würde bei sowas aus Angst, einem heftigen Kurzschluss zu erliegen, davon laufen. Dieser erwischt immerhin Telramund bei seinem Mordversuch, verschafft den vier Edlen aber noch so viel Restenergie, dass ihre Ranzen bis in die nächste Szene in weißen Flammen stehen. In dieser kommen die Brabanter wie die alten Wikinger mit ungeschlacht geschnittenen Holzspeeren herangestampft, auch nicht unbedingt ein Moment, der zum Gewinn der Inszenierung beitragen hätte und eher an die Bauerninvasion im 1. Akt von „Andrea Chenier“ erinnerte. Was soll das alles…?!

Am Schluss bekommt Elsa von Lohengrin einen orangenen Wäschekorb – passend zu ihrem nun orangenen Gewand – in dem alle im Text beschriebenen Hinterlassenschaften sind. Was der Wechsel zu Orange bewirken sollte, müsste noch etwas erforscht werden. Es passt aber gut als Kontrast zum alles dominierenden Blau von Neo Rauch. Gut allerdings der Schluss, bis auf das grüne Männchen, welches bei einiger Erheiterung des Publikums mit einem Minikondensator in Grün kommt und damit zeigt, dass nun der Ökostrom angesagt ist. Aber dass die nachvollziehbar völlig verstörte Elsa nun ausgerechnet Ortrud in die Arme fällt, sich dann aber wieder löst und alle, inklusive König Heinrich und sein Heerrufer, tot umfallen, hat schon etwas für sich und mit dem Neuenfels-Schluss viel gemeinsam. Statt einem Homunkulus wie bei Neuenfels gehen die Brabanter bei „Weh“! durch einen Stromstoß unter, und für Ortrud gibt es kein Volk mehr, über das sie nun herrschen könnte… Schluss, aus, Feierabend! Der bekannt traurige „Lohengrin“-Schluss.

Christian Thielemann dirigierte diesen VI. „Lohengrin“ der Festspielzeit genauso hervorragend wie die von mirschon besprochene Premiere am 26. Juli und die Premiere am 25. Juli des Vorjahres. Ebenso erstklassig, ja Weltklasse, war der Festspielchor, der wie seit vielen Jahren von Eberhard Friedrich einstudiert wurde und stürmischen Applaus bekam.

Klaus Billand aus Bayreuth

 

SCHLOSS KIRCHSTETTEN: Gioachino Rossinis L’ITALIANA IN ALGERI

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Mustafa (Daniele Macciantelli). Foto: Schloss Kirchstetten/ Patrick Piller

SCHLOSS KIRCHSTETTEN: L’ITALIANA IN ALGERI von Gioachino Rossini
14. August 2019 (Premiere 3. August 2019)

Von Manfred A. Schmid

Im Vorjahr feierte Rossinis frühes, in nur zwanzig Tagen komponiertes Meisterwerk eine glanzvolle Premiere bei den Pfingstfestspielen und wurde dann im August als Wiederaufnahme auch im Rahmen der Salzburger Festspiele gezeigt. Cecilia Bartoli brillierte in der titelgebenden Partie der Italienerin, die es durch ein besonderes Geschick nach Algier verschlagen hat, wo sie am Hof des Mustafa ihren verloren geglaubten Geliebten Lindoro und damit ihr Glück wiederfindet. In der österreichischen Festspielstadt par excellence wird man L’Italiana in Algeri heuer freilich vergeblich suchen. Als Alternative hätte sich im Juli eventuell Rossinis Geburtsstadt Pesaro angeboten, allerdings nur mit einer Marionettenspiel-Version. Doch sieh, das Gute liegt so nah: Auf Schloss Kreuzstetten im nördlichen Weinviertel ist noch bis Ende dieser Woche eine bemerkenswerte Neuinszenierung zu bestaunen, für deren Erfolg eine grandiose Ensembleleistung und ein erstaunlich findiges leading team verantwortlich zeichnet.

Das kleinste Opernhaus des Landes und sein exquisiter, ebenfalls recht klein dimensionierter Bühnenraum, der „Maulbertsch-Saal“, sind einzigartig in der österreichweiten Sommer-Festspiel-Szene. Geistreiche, praktikable Lösungen sind gefragt, wenn es darum geht, mit den auferlegten räumlichen Beschränkungen kreativ umzugehen. Dem Regisseur Richard Panzenböck, einem Theatermann mit zusätzlicher Puppenspielerausbildung, der im Herbst mit Beginn der Direktionszeit von Martin Kusej als Regieassistent an das Burgtheater wechseln wird, gelingt dies, indem er den Akzent auf starke Mimik und Körpersprache setzt. Durch den Einsatz von Puppen und Schattenspielen bringt er außerdem eine zusätzliche Ebene ins Spiel und erweitert so das Gebotene um eine weitere Dimension, ohne damit den Ablauf der wahnwitzigen Handlung zu belasten. Dadurch bekommt man vielmehr besser mit, warum es in den Arien und Dialogen geht, auch wenn man kein Italienisch versteht.

Das Publikum ist stets, im wahrsten Sinn des Wortes, „hautnah“ dabei, denn kaum ein Meter trennt die winzige, in der Mitte stehende Bühne (von Petra Fibich-Patzelt) von den Zuschauern und den aus nur elf (!) Musikern bestehenden Virtuosi Brunenses, mit denen der Dirigent Hooman Khalatbari auskommen muss, um Rossinis höchst rasante Musik und vor allem die eingängigen Melodien transparent, aber dennoch markant und mit dem nötigen Schwung versehen, erklingen zu lassen. Der Zuschauer verfolgt das Geschehen aus unmittelbarer Nähe, man sieht, wie Theater funktioniert, wird vom Strudel der Ereignisse mitgerissen und so in das Ganze einbezogen: Ein Musiktheatererlebnis der besonderen Art.

Das Ganze gelingt freilich nur mit einem so engagierten, beherzt und leidenschaftlich ans Werk gehenden Ensemble, wie man es hier antrifft. Im Mittelpunkt steht die Mezzosopranistin Sonja Runje als Isabella. Ein Temperamentbündel im Auftreten, mit starker Ausstrahlung und einer ausdrucksstarken Stimme, der die perlenden Koloraturen keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Sie vereint Italianitá pur mit Belcanto vom Feinsten. Daniele Macciantellis Mustafa ist ein maurischer Pascha und Macho in Personalunion. Wenn er bei seiner ersten Begegnung mit Isabella seine Muskeln spielen lässt und Liegestütze macht, dann weiß man, mit wem man es hier zu tun hat – was auch von seiner kräftigen Bassstimme unterstrichen wird. Lindoro wird von Jorge Juan Morata mit sehr komischen Zügen ausgestattet. Er hat die Lacher auf seiner Seite, die Sympathien des Publikums sind ihm bei seinen Späßen stets sicher. Warum sich aber Isabella so stark zu ihm hingezogen fühlt, will sich einem nicht so recht erschließen. Sein Tenor? Als „charmant“ wurde er von einem Kritiker bezeichnet. Das trifft den Kern ganz gut.

Komödiantisch und mit starkem Augenrollen legt Jorge Alberto Martinez seine Rolle an. Taddeo ist hier kein enttäuschter, zurückgewiesener Verehrer Isabellas, sondern ein heller Kopf, der die Situation gut durchschaut und bei der Intrige gegen Mustafa tatkräftig mitmacht. Auch Pasquale Greco verleiht der ihm anvertrauten Figur des Haly, eines Vertrauten am Hof des Fürsten, ausgeprägte Charakterzüge und einen eigenen, zwischendurch mit einem mächtigen Turban (Kostüme von Sigrid Dreger) versehenen Kopf. Dora Garciduenas leidet zunächst schwer als von ihrem Mann verstoßene Ehefrau, kehrt aber schließlich – als aus seiner Verbindung mit der umschwärmten Italienerin nichts wird – triumphierend an seine Seiter zurück. Als Ihre Zofe Zulma kommt Sevana Salmasi zum Einsatz und ist ihre mitfühlende Trösterin in schweren Stunden. Der von Gerhard Eidher einstudierten Chor – ein Männer-Ensemble des Wiener Kammerchors – ist massiv in die Handlung involviert und befindet sich im Dauereinsatz – ob als Puppen- und Schattenspieler oder Herbei- und Wegschaffer diverser Sitzgelegenheiten. Kein Wunder, sind sie doch – abwechselnd und manchmal, wie es scheint, sogar gleichzeitig – die Eunuchen des Harems, algerische Seeräuber sowie Italienische Sklaven (Kostüme von Sigrid Dreger, Maske von Bettina Franz).

Morgen, Freitag (eingeschobene Vorstellung!), und am Samstag gibt es noch die Möglichkeit L’Italiana in Algeri im Maulbertsch-Saal zu erleben. Für das nächste Jahr hat der langjährige Intendant Stephan Gartner Rossinis Il Signor Bruschino programmiert. Kirchstetten ist tatsächlich ein guter Platz für Belcanto-Opern. Hier gedeihen sie überaus prächtig. In einer seltenen, staunens-, sehens- und hörenswerten Bonsai-Version.

Manfred A. Schmid

14.8.2019

BAD ELSTER/ Wandelhalle: UNA NOCHE ARGENTINA – EINE ARGENTINISCHE NACHT mit Ensemble “Milonga Sentimental”

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Die Wandelhalle. Foto: Larissa Gawritschenko/Thomas Janda

Bad Elster/ Wandelhalle:  Una Noche Argentina – eine Argentinische Nacht

mit Ensemble “Milonga Sentimental” am 13.8.201919

 

Ein Tangoabend in Bad Elster

Gespannt warten die Zuhörer in der atmosphärisch blau ausgeleuchteten Wandelhalle im Kurpark Bad Elster auf ein musikalisches Ereignis und spannungsvoll beginnt ein Abend des Tangos, dessen Dramaturgie Andres Grandoni brillant beherrscht. Schon die ersten Töne, die er seinem Konzert-Knopfakkordeon entlockt, ziehen die Zuschauer in seinen Bann. In seinem Instrument hat er ein ganzes Orchester versammelt und er versteht es virtuos zwischen Piano-Tönen und großem Volumen zu wechseln. Das Instrument, so wird er später berichten, hat er selbst mit kreiert und von einem Instrumentenbaumeister eigens für sich herstellen lassen. Das hat anderthalb Jahre gedauert.


Foto: Larissa Gawritschenko/Thomas Janda

Grandoni und sein Knopfakkordeon wirken wie verschmolzen und werden zu einem lebendigen Orchestrion. Dann gesellt sich Leonardo Torres mit seiner Violine hinzu und übernimmt den Melodie-Teil und wird so zum organischen Teil dieses Mini-Orchesters. Die beiden sind musikalisch ein gutes Gespann und bilden gemeinsam eine Einheit. Malena Grandoni kommt hinzu und macht mit ihrer eindringlichen Stimme aus dem Duo ein Trio. Mit ihrer Stimme hypnotisiert sie das Publikum und führt in die Welt des Tangos hinein. Das gelingt ihr nicht nur großartig mit ihrer Gesangs-Stimme, die wechseln kann zwischen Operngesang und Tangostimme tief aus ihrem Inneren. Es gelingt ihr auch mit ihren kleinen Erzählungen zwischendurch eine prickelnde Stimmung zu erzeugen. Mit wenigen Worten und schauspielerischem Talent entführt sie die Zuhörer in die Hafenbezirke von Buenos Aires, in Tango-Cafés und kleine Kneipen. Sie lässt Emotionen erwachen und überschüttet damit das Publikum, das immer mehr davon will. So erklingt: „Tango de los Gitanos“, „Caminito“, „Por una Cabeza“ oder „La Fuga para Margo“.

Andres Grandoni ist nicht nur perfekter Beherrscher seines Konzert-Knopfakkordeons, er ist auch Arrangeur und Komponist. Alle Titel sind von ihm eigens arrangiert und er spielt mit Leonardo Torres (Violine) eine Hafenszene, bei der die Violine „Möwenstimmen“ spielt und sein Akkordeon den „Seewind“ dazu faucht. Auch eigene Improvisationen sind von ihm zu hören, wie das Stück auf Bachs „Toccata und Fuge d Moll“ im Tango-Stil. Ein Feuerwerk der Töne und der Spannung, dem das Publikum mit angehaltenem Atem folgt und in lang anhaltenden Applaus ausbricht. So hingerissen ertönen aus dem zahlreichen Publikum „Bravo-Rufe“ und „Zugabe“-Forderungen, die das „Tango-Trio“ vielfach erfüllt.

Mit strahlenden Augen und den Milonga-Rhythmus im Herzen verlassen die Zuhörer die Elsteraner Wandelhalle in eine lauschige Kurpark-Nacht hinaus. Im Gepäck haben sie einige CDs, damit sie das wundervolle Gefühl des Abends immer wieder einmal erleben können. Das Ensemble „Milonga Sentimental“ hat alle in die leidenschaftliche, klangvolle und rhythmische Welt des Tango Argentino entführt. Bueno!

Weitere Infos unter: http://www.milonga-sentimental.de/

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

WIESBADEN/ Kurhaus: London Symphony Orchestra, Sir Simon Rattle / Janine Jansen (Violine) (Haydn, Mendelssohn, Rachmaninow)

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Konzert mit dem London Symphony Orchestra

Friedrich-von-Thiersch-Saal, Kurhaus Wiesbaden, 15. August 2019

Joseph Haydn Sinfonie Nr. 86 D-Dur Hob I:86
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
Sergei Rachmaninow Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27

Janine Jansen Violine

Sir Simon Rattle Leitung

 Unbedingtheit des Ausdrucks

Erstmals gastierte im Rahmen des Rheingau Musikfestivals Sir Simon Rattle. Seit September 2017 ist Rattle aktueller Chefdirigent des 1904 gegründeten London Symphony Orchestra’s (LSO). Der Abend zeigte, welch gutes Bündnis da geknüpft wurde.

Zum Auftakt wählte Rattle die Sinfonie Nr. 86 von Joseph Haydn, eine der sog. Pariser Sinfonien. Sehr schön traf Rattle und sein fabelhaftes Orchester den getragenen Beginn der Einleitung, um dann im anschließenden Allegro spiritoso klar die Strukturen transparent zu musizieren. Groß dann der Kontrast im Largo des zweiten Satzes, das in seiner eher meditativen Grundstimmung einen ganz anderen Farbbogen auffächerte. Das dann folgende ausladende Menuett wirkte da schon fast etwas pompös, was völlig angemessen war. Herrlich dann auch im Wal zerteil die feinen, dezenten Rubati, die Rattle setzte. Spritzig und quirlig zugleich dann der beschließende vierte Satz. Rattle und sein Orchester agierten äußerst wach und delikat in den verschiedenen Klangschattierungen. Das LSO spielte in den Streichern ohne Vibrato, die Pauke akzentuierte mit harten Schlägeln, sekundiert von spitzen Trompetenakkorden. Jede Note erhielt eine Bedeutung und erklang dazu mit viel musikalischem Subtext. Während des ganzen Konzertabends dominierte die Unbedingtheit des Ausdrucks.

Mit Janine Jansen war eine wunderbare Solistin aufgeboten, die das viel geliebte Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy mustergültig interpretierte. Mit Rattle verband sie eine überzeugende Zwiesprache im musikalischen Dialog, was besonders im kantablen Andante des zweiten Satzes zum Ausdruck kam. Das Orchester überzeugte als echter Partner, das in allen Gruppen eine hervorragende Qualität gewährleistete. Großartig, wie Rattle den Phrasierungen sensibel nachspürte und dynamisch perfekt gewichtete. Selten war der Orchesterpart dieses besonderen Konzertes so zwingend zu erleben. Ein Fest der Virtuosität dann im letzten Satz, in welchem die Töne der Solo-Violine sich wie erlesene Perlen aneinander reihten. Janine Jansen wirkte zu keinem Zeitpunkt routiniert, sondern hoch engagiert, tief mitfühlend. Die dynamische Abschattierung ihrer Phrasierungen geriet perfekt. Faszinierend ihre Bandbreite an Pianofärbungen, dabei jedoch immer im vollen Ton ihres herrlichen Instrumentes. Das Publikum reagierte mit riesiger Begeisterung und stehenden Ovationen. Und natürlich gab es eine Zugabe. Gemeinsam mit dem Konzertmeister des LSO’s musizierte sie ein heiteres Pizzicato-Duell von Bela Bartok.

Nach der Pause zeigte Sir Simon Rattle seine besondere Verbundenheit mit der Musik von Sergej Rachmaninow. Seine 2. Sinfonie musizierte Rattle bereits mehrfach mit den Berliner Philharmonikern. Und es war eine bewegende Hörerfahrung, den endlosen melodischen Reichtum dieses herrlichen Werkes so lebhaft musiziert zu erleben.

Ursprünglich entstand die Sinfonie in den Jahren 1906/07, als Rachmaninow länger in Dresden weilte.  1908 dirigierte er selbst seine Uraufführung in St. Petersburg. Die schwärmerischen anmutenden Streicherpassagen sind ein besonderes Erlebnis und erstaunen stets aufs Neue, wie gekonnt Rachmaninow seine musikalischen Eingebungen realisierte. Dazu immer wieder berückende Soli, wie z.B. in der Solo-Klarinette des dritten Satzes. Und schlussendlich akzentreiche Schlagzeugeffekte im vierten Satz gestalten dieses Werk sehr publikumswirksam.

Ein Paradewerk für ein Spitzenorchester. Das London Symphony Orchestra ist mit dem symphonischen Werk Rachmaninows lange vertraut. So entstand u.a. eine Referenzaufnahme der 2. Sinfonie unter Leitung von Gennady Roshdestvensky und Rattles Vorgänger, Valery Gergiev, spielte mit dem LSO ebenso alle Symphonien Rachmaninows für die CD ein.

Und so zeigte das London Symphony Orchestra seine Könnerschaft in allen Belangen. Herrlich klangreich agierte der groß besetzte Streicherapparat, dabei immer wieder sensibel aufeinander reagierend. Rattle achtete stringent darauf, dass in den vielen Fugato-Passagen Transparenz und Durchhörbarkeit realisiert wurde. Rattle ist von jeher ein meisterlicher Dirigent, der mikroskopisch genau die Nebenstimmen auffächern kann. Rattle trieb dabei sein Orchester immer wieder an und hörte zugleich tief in die Strukturen hinein. Und so konnte er geradezu genüsslich die polyphone Melodieführung der Komposition als endlosen Dialog der einzelnen Stimmgruppen bezwingend ausgestalten.

Exquisite Solisten des LSOs machten die Sinfonie zu einem besonderen Erlebnis. Der Solo-Klarinettist überzeugte mit endlosem Atem und feinstem Legatogefühl. Sehr engagiert mit weichem Ton zeigte der Konzertmeister des LSOs seine spielerische Kompetenz in seinen Soli. Weich und sauber in der Intonation musizierte das viel geforderte Blech: Hörner, Trompeten, Posaunen und Tuba intonierten absolut präzise und sauber. Und ein Erlebnis für sich, war das viel geforderte Schlagzeug, das vor allem im zweiten und vierten Satz zu intensivem Einsatz kam. Faszinierend, wie klangvoll die vielen Pianissimi der Schlagbecken im zweiten Satz erklangen.

Am Ende dann großer Jubel im Publikum im ausverkauften Kurhaus und auch hier stehende Ovationen. Als Zugabe wählte Rattle einen leisen Schluss mit Eric Saties Gymnopedie. Wie delikat und feinfühlig anders zeigte sich hier der wunderbare Klangkörper, veredelt durch ein herrliches Solo der Oboe.

Ein wunderbarer Abend!

Dirk Schauß

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