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STUTTGART/ Staatsoper/ Foyer: 2. LIEDKONZERT mit David Steffens (Bass) und Stefan Schreiber (Klavier))

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David Steffens. Foto: Matthias Baus

David Steffens (Bass) und Stefan Schreiber (Klavier) am 11. November 2019 beim 2. Liederkonzert im Foyer der Staatsoper/STUTTGART

Aufwühlend und packend!

Die Kunst der gleitenden Übergänge und der verfeinerten Harmonik arbeiteten der versierte Bassist David Steffens und der Pianist Stefan Schreiber vor allem bei den Liedern von Hugo Wolf einfühlsam heraus. Differenzierte subjektive Empfindungen führten bei den Liedern „Grenzen der Menschheit“, „Wohl denk‘ ich oft“, „Alles endet, was entstehet“ und „Fühlt meine Seele“ (Drei Gedichte nach Michelangelo) zu leidenschaftlichen Steigerungsmomenten. Die durch wilde Chromatik erzeugte Ausdruckssteigerung betonte Stefan Schreiber am Klavier überzeugend – und der Bassist David Steffens konnte hier mit voluminöser Klarheit und markanter Diktion imponieren. Ekstatische Momente zeigten sich bei vielen Motiven, die gleichsam immer wieder neu und elektrisierend explodierten. Wolfs Vertonung von Goethes „Grenzen der Menschheit“ suggeriert ja vor allem, dass der Mensch sich nicht mit Gott messen soll. Die Unendlichkeit von Zeit und Raum spielte bei dieser Wiedergabe eine bedeutende Rolle. Grandios interpretierte David Steffens außerdem die Ballade „Der Taucher“ von Franz Schubert, die ebenfalls von einer Überschreitung der dem Menschen gesetzten Grenze erzählt. Alles schwankt hier auch harmonisch zwischen direkter Rede und erzählerischer Beschreibung, wobei die Unendlichkeit der romantischen Klangwelt triumphierte. Schwebendes, Schweifendes und Träumerisch-Fantastisches beherrschten hier das durchsichtige Klangbild, dessen Vielschichtigkeit durch David Steffens bereichert wurde. Intervallspannungen und dynamische Kontraste wurden dann bei „Im Spätherbst“ op. 56/3 von Richard Strauss von David Steffens machtvoll ausgelotet. Lyrisch, melodisch, aber auch mit scharfem Rhythmus intepretierte das Duo Steffens/Schreiber dieses Werk, wobei die kunstvolle harmonische und modulatorische Technik herausragte. Der mit Ralph Vaughan Williams befreundete englische Komponist Gerald Finzi verwendete in seinen „5 Shakespeare Songs“ Liedtexte aus drei Shakespeare-Komödien und dessen Tragödie „Cymbeline“. Diese Vetonungen Finzis sind ausgesprochen melodiös und fast konservativ in der Satzbildung. Insbesondere bei „Who is Silvia?“ kam es bei der Wiedergabe durch David Steffens und Stefan Schreiber zu einer erheblichen hymnischen Steigerung. Doch auch die anderen Nummern „Come away, come away, death“, „Fear no more the heat o‘ the sun“ (im Dreierrhythmus mit Coda und Pianissimo), „O Mistress Mine“ und „It was a lover and his lass“ im subtilen Volksliedton beeindruckten hier aufgrund  der sensiblen Darstellungskunst. Als Zugabe wurden noch Schubert-Lieder dargeboten – unter anderem höchst suggestiv „Auf der Donau“. Herzlicher Schlussapplaus und „Bravo“-Rufe für diese Veranstaltung der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie in Zusammenarbeit mit der Staatsoper Stuttgart. 

Alexander Walther


WIEN/ Museumsquartier/ Halle E: DER REIGEN von Bernhard Lang nach Schnitzler. Wiener Erstaufführung

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Foto: Neue Oper Wien

WIEN/MuseumsQuartier Halle E: Bernhard LANG: „DER REIGEN“ nach Arthur Schnitzlers Theaterstück als Wiener Erstaufführung der Neuen Oper Wien

Grundgerüst: Begegnung – Sex – Trennung

12.11. 2019 – Karl Masek

Ein Abbild der (damaligen)  Gesellschaft wollte Arthur Schnitzler in den Entstehungsjahren 1896/97 mit dem Theaterstück „Reigen“ zeigen. Eine Gesellschaft getriebener und einander entfremdeter Menschen. Ein ewiger Kreislauf der Begierden, in der Jagd und der Sehnsucht nach Liebe und sexueller Erfüllung seien die Menschen alle gleich, diagnostizierte der scharfsichtigste Psychoanalytiker unter den Literaten.

Schnitzler setzte sich in der Tat  mit der Psychoanalyse auseinander und erreichte in seinen Werken weitgehende Übereinstimmung mit den psychologischen Problemen seiner Zeit.  Egon Friedell schrieb 1931 in einem Nachruf über Arthur Schnitzler: „Er hat bereits zu einer Zeit, wo diese Lehren noch im Werden begriffen waren die Psychoanalyse dramatisiert. Und er hat in seinen Romanen und Theaterstücken das Wien des Fin de  siecle eingefangen und für spätere Geschlechter konserviert: eine ganze Stadt mit ihrer einmaligen Kultur, mit dem von ihr genährten Menschenschlag, wie er sich in einem bestimmten Zeitpunkt der Reife und Überreife auslebte … Er hat damit etwas Analoges geleistet wie Nestroy für das Wien des Vormärz.“

In diesem Zyklus von 10 Einaktern treffen 5 Frauen und 5 Männer aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten in immer neuen Konstellationen und Partnerwechseln aufeinander. Grundgerüst dabei: Begegnung – Sex – Trennung.  Mit erotischer Besessenheit und geradezu mechanisch-zwanghaftem Verhalten wird zur Sache gegangen. Das Vor- und Nachspiel,  es ist beides voll der Wiederholungen an unechten Gefühlen, an ewiggleichen Verführungsmechanismen, dem Sich-und-einander-etwas-Vorlügen. Ernüchterung nach nicht erfolgtem Lustgewinn. Der Reigen, das Liebeskarussell dreht sich weiter. Und alle bleiben sie letztlich als Verstörte und Zerstörte zurück. Das Originalstück ist, liest man es seit langer Zeit wieder einmal, von sozialer Treffsicherheit, lakonisch, von zeitloser Brillanz und auch heute noch mit moderner und zeitgemäßer Sprache. Man merkt, wie wenig sich seit 1920 in Wahrheit verändert hat. Bis hin zu den Rollenmustern…

1920 bzw. 1921 waren die Aufführungen des „Reigen“in Berlin und Wien  jeweils veritable Theaterskandale, lösten Tumulte, Parlamentsdebatten und Pressekampagnen aus, in den Wiener Kammerspielen kam es zu regelrechten Saalschlachten.  Schnitzler entschloss sich, tief betroffen von den Ausschreitungen und bigotten wie antisemitischen Anfeindungen zu einem Aufführungsverbot für das Stück. Erst nach Ablauf der Urheberrechte mit Ende Dezember 1981 durfte das Stück wieder auf die Bühnen zurück.

Schließlich, 2014, nachdem der Stoff seit 1982 auch den Weg ins Musiktheater und ins Ballett gefunden hatte, die Uraufführung der Komposition des Oberösterreichers Bernhard Lang mit dem Libretto von Michael Sturminger bei den Schwetzinger Festspielen. Walter Kobéra gelang es wieder einmal, ein Opernwerk nach der Uraufführungzeitnah auch nach Österreich zu bringen. Anlässlich der Bregenzer Festspiele kam das Werk Ende Juli 2019 durch die Neue Oper Wien zur erfolgreichen ÖEA, jetzt ist Wien dran. Bernhard Langs Reigen-Version übernimmt das Prinzip der Wiederholungen, das dem Stück innewohnt, auch musikalisch. Er arbeitet  mit stilistischen Annäherungen an Jazzformen, viel mit Loops und ostinaten Wort- bzw. Satzwiederholungen. Die Wortverständlichkeit soll damit erhöht werden – und spätestens bei der dritten Repetition hat man’s eh  immer verstanden. Dieses Stilmittel wird einen Abend lang allerdings überstrapaziert – und es ist ja nicht wirklich neu. Obwohl ich das Werk „Die Kluge“ von Carl Orff schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gehört habe, fiel mir der bis zur Penetranz wiederholte Satz des Bauern: „Ooooh, hätt ich meiner Tochter nur geglaubt, ihr nur geglaubt, ihr nur geglaubt, ihr nur geglaubt…“ ein,  und der setzte sich prompt als lästiger Ohrwurm fest…

Das Navigieren zwischen Sprechen, einem Sprechgesang von Rap – artiger Geschwindigkeit und Singen, von Klassik-Paraphrasierungen und Jazzpartikeln hielt allerdings die Aufmerksamkeit wach, zumal alle 5 Protagonisten diese Poystilistik singsprachlich perfekt umsetzten. Dort, wo Schnitzler im Theaterstück die berühmten Gedankenstriche gesetzt hatte, bringt Lang 15 Sekunden-Klangflächen von verschiedenartigsten Ausdrucks- und Dynamiknuancen. Unterstützt von effektvollen Videozuspielungenvon düsterer Ästhetik und eindringlicher Farbigkeit (Falko Herold).

Somit zur Detailkritik der Sänger/innen. Sie alle hatten die Herausforderung, in zwei komplett unterschiedliche Charaktere zu schlüpfen, zu bewältigen.

Alexander Kaimbacher war bis zur Selbstentäußerung ein widerliches Ekel als brutaler, ziemlich angetrunkener  Vorstadtpolizist, der hier Franz heißt. Die Szene mit der Prostituierten war hier zwar textlich fast ungefilterter Schnitzler, aber sonst weniger an der Augartenbrücke als vielleicht irgendwo im „Kaisermühlen-Blues“ angesiedelt – mit allen Proletenklischees. Rippleiberl, schmuddeliges Outfit, Bierdose. „Joschi“ Täubler lässt grüßen. Als Autor („Ich heiße Robert!“) hat er Telefonsex mit dem Schulmädchen (idealtypisch süß-unschuldig-durchtrieben und apartem Jungmädchen-Sopran: Anita Giovanna Rosati, die auch ein schauspielerisches Kabinettstück mit dem Ehemann lieferte, wenn sie dem Wein die Schuld an ihrer Verführung zuschiebt). Kaimbacher lieferte vier seiner gekonnt gespielten Charakterstudien und geht dabei – als „Bühnenpferd“ – an Grenzen.

Zwischen den Geschlechtern durfte der Countertenor Thomas Lichtenecker changieren. Als„junger Mann“war er in der Szene mit der Ehefrau glaubwürdiger, da er hier eher mit der Sprechstimme spielen konnte. Exzellent setzte er hier eine Art eloquenter jungmännlicher Beleidigtheit ein. In der Szene mit dem Hausmädchen (Marie), nochmals Anita Giovanna Rosati, ließ ihn Bernhard Lang nur wenig mit der Modalstimme singen, und dann stimmten Optik und Falsett nicht so recht zusammen. Dafür war die „Schauspielerin“ Pauline durch seine Verkörperung eine echte Wucht! Zusammen mit dem Autor Kaimbacher ein begeisterndes Lehrspiel schräg-absurden Theaters voll „hilfloser“ Komik…

Auf Augenhöhe aber auch die 2 anderen Protagonist/innen. Barbara Pöltl in ihren Rollen (als abgeklärte Prostituierte Manuela und selbstbewusste junge Ehefrau Emma mit sinnlichem Mezzo) und Marco di Sapia als ständig dozierender Ehemann mit Magenbitter-Charme und als Privatier Johannes, der die Prostituierte noch einmal besucht, und hier (meisterlich seine Körpersprache) beginnende Senilität ahnen lässt. Sein Bariton kann auftrumpfend, pathetisch, knochentrocken und ziemlich ältlich klingen.


Am Ende Verstörung: Lichtenecker, Pöltl, Rosati, Kaimbacher, di Sapia. Foto: Neue Oper Wien

Alexandra Liedtke greift den gnadenlosen analytischen Blick und die beißende Ironie Schnitzlers auf, besticht  durch gekonnte Personenführung, hatte aber mit dem Quintett auf der Bühne auch hervorragende Singdarsteller als Umsetzer.

Immer wieder verblüffend die gelungenen Bühnenbildlösungen der Neuen Oper Wien. Florian Schaaf ermöglichte blitzartig-überraschende Bühnenbildwechsel. Da können sich Einheitsbühnenbild-Apostel an so manchen berühmten Operntempeln sehr viel abschauen! Park, Gemeindebau, das Hotel Orient, eine Waschküche mit 2 Waschmaschinen, wo sich zwischen den Ehepartnern das Grundgerüst Begegnung – Sex – Trennung abspielt. Von großer Könnerschaft Lichtdesign und Klangregie (Norbert Chmel und Christina Bauer).

Walter Kobéra war das gewohnt souveräne Zentrum am Pult und ließ alle Feinheiten, Verästelungen der Partitur und die Polystilistik  zu ihrem Recht kommen. Das fabelhafte amadeus ensemble wien verdient wieder einmal höchstes Lob. Man spürt, diese 24 Musiker/innen spielen schon lange  Zeit zusammen (in haargenau derselben Besetzung wie schon im Sommer in Bregenz).

Der Abend wurde herzlich akklamiert. Legenden der zeitgenössischen Musik wie Friedrich Cerha und HK Gruber waren anwesend.

Karl Masek

WIEN/ Bank Austria-Salon: AUF IN DAS BEETHOVEN-JAHR!

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Bank Austria Salon, 11., 12.. XI.: – Auf in das Beethoven-Jahr!   

Das Beethoven-Jahr 2020 naht. Vor einem Vierteljahrtausend, am 16. Dezember 1770, wurde der geniale Musiker mit dem unübersehbar großen Wiener Klassik-Mascherl in Bonn geboren. Die Konzerthäuser haben in dieser Saison ihre Programmangebote nach Beethovens Schaffen ausgerichtet. Und auch in kleineren Institutionen lässt es sich jetzt nicht ohne dessen Ouevre musizieren. Junge Ensembles treten im Alten Wiener Rathaus, dem Kultursalon der Bank Austria, ebenfalls mit Hommagen an Beethoven an. An zwei folgenden Abenden: Die Geigerin Andrea Nikolic, am Klavier begleitet von Stipe Bilic, geigte im Rahmen des Konzertabends ihres Ensembles WISE – Wiener Internationales Solisten Ensemble – Beethovens von vitaler Rhythmik getragene Violinsonate Op.23  mit voller Hingabe, ausdrucksstark und mit lebendig ausgespielten Akzenten auf.

Und Pianistin Natasa Veljkovic brillierte in ihrem im Bank Austria Salon angesetzten Zyklus mit sämtlichen Klavierkonzerten von Beethoven nun mit Nr. drei, dem gehaltvollen c-Moll Konzert. Dirigent Alexander Znamenskiy hat für seine Wiener Polyphoniker dieses beliebte Klavierkonzert kammermusikalisch eingerichtet. Und in solch einer kleinen Orchesterbesetzung kommt das edle Spiel mit all den farbigen Harmonien voll zum Strahlen. Beide Musikerinnen: Sehr impetuos, auf Dramatik achtend, technisch perfekt. Sie vermitteln einen frischen, freudvollen Beethoven, der positive Kraft auszusenden vermag. Andrea Nicolic formuliert: „Beethoven ist ein Rebell gewesen, sein ganzes Leben lang. Im Leben wie in der Musik. So wollen wir ihn auch heute sehen: Nicht als Museumsstück, sondern als Zeitgenossen.“

Meinhard Rüdenauer

WIEN/ Festsaal Bezirksmuseum/ Bezirksamt Josefstadt: MARTINI-KONZERT mit Martino Hammerle-Bortolotti (Bartiton) und Prof. Manfried Rauchensteiner (Erläuterungen/ Vortrag)

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WIEN/ Festsaal Bezirksmuseum/ Bezirksamt Josefstadt: MARTINI-KONZERT mit Martino Hammerle-Bortolotti (Bariton) und Prof. Manfried Rauchensteiner (Erläuterungen/ Vortrag)


Martino Hammerle-Bortolotti, Helena Fialova, Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner. Foto: Christoph Karner

„Kennen sie die Bar „Radetzky“, eine der schönsten Bars Mailands, die bemerkenswerterweise am Corso Garibaldi liegt.

Diese beiden Komponenten, nämlich Radetzky und Garbaldi verbindet wohl wenig, und wenn, dann nicht viel Freundschaftliches. Und gelegentlich hört man auch dort leise den Nabucco anklingen.

Sehr schön, eine Symbiose, eine Synthese, die sehr persönlich ist, und vielleicht auch manches zudeckt, was diese gemeinsame Geschichte des Lombardo- Venezianischen Königreichs und Österreich verbindet.

Radetzky stand für Repression, Garibaldi für Risorgimento. Dann ist noch Verdi dazugekommen. Eine Trias von Menschen, die ihre Zeit prägten und die wohl einiges aneinander auszusetzen hatten….“

Mit diesen Worten leitete der Doyen der österreichischen Militärhistoriker, Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner, seine faszinierenden Erläuterungen der Epoche, in der Verdi, mit dem Nabucco beginnend, der ihn auf einen Schlag berühmt machte, in ganz wenigen Jahren 12 Opern schrieb. 

Aus dieser wohl produktivsten Periode Verdis sang der Bariton Martino Hammerle-Bortolotti 6 Arien.

Und er sang sie sehr eindrucksvoll, mit mächtiger, schön timbrierter Stimme, die einen glänzenden metallischen Kern besitzt.

Mit dramatischer Attacke, aber auch mit schönem Legato, das immer wieder an große Vorgänger erinnern ließ, gestaltete er sein sehr anspruchsvolles Programm, das von “ Oh, de‘ verd’anni miei“ aus Ernani,  “ Franco son‘ io“ (Giovanna d‘ Arco), „Tregua è cogl’Unni“ (Attila), mit sehr schönem Legato und beeindruckender Kabaletta gestaltet, „Pietà, rispetto, amore“ (Macbeth), ausgezeichnet gelungen, bis zu „Se al nuovo di pugnando“ (La battaglia di Legnano) und „Sacra la scelta“ aus Luisa Miller reichte.

Kongenial wurde er von der Pianistin der Janáček Akademie Brünn, Helena Fialova, begleitet.

Wissen sie, dass damals, unter österreichischer Verwaltung, die Lombardei einen beispiellosen ökonomischen Aufschwung erlebte. Auch das konnte man von Prof. Rauchensteiner erfahren, und es gibt einem zu denken.

Man hofft wirklich, das dieses bemerkenswerte Konzert, das in einem Format stattfand, das, obwohl es ja heute etliche Gesprächskonzerte gibt, wohl einzigartig war, eine Fortsetzung findet.

Christoph Karner 

 

PS.: Getränke zur Verfügung gestellt von „Martini“

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DRESDEN/ Semperoper: 4. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE (Reimann, Bartok)

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Dresden / Semperoper:  4. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN 12.11.2019

 Zwei Werke des 20. Jahrhunderts, neun Miniaturen und eine einaktige Oper mit sieben geheimnisvoll verschlossene Türen, standen auf dem Programm des 4. Symphoniekonzertes der Sächsischen Staatskapelle Dresden, eine hinsichtlich Publikumsgeschmack gewagte Zusammenstellung, interessant für Kenner und Liebhaber, aber leider auch mit Lücken in den Reihen des Zuschauerraumes, was bei Konzerten der Staatskapelle äußerst ungewöhnlich ist. Die Ferngebliebenen ahnten nicht, welch großartiges musikalisches Ereignis ihnen dabei entgangen ist.

Mit den „Neun Stücken für Orchester“ wurde die Residenz des derzeitigen Capell-Compositeurs Aribert Reimann eröffnet. Darin beschreitet Reimann, der lange Zeit als konservativ galt, neue Wege und löst die Lyrik Paul Celans in aphoristischer Auseinandersetzung in eine rein musikalische Welt auf. Unter der musikalischen Leitung des amerikanischen Dirigenten David Robertson erklangen die neun Orchesterminiaturen in großer Klarheit und entsprechender Artikulationsweite. Sie ließen in ihrer subtilen Querverbindung zwischen Sprache und Musik der Fantasie viel Freiraum für poetische Vorstellungen, obwohl die Texte in keiner Form erscheinen und einzig die Musik die Poesie in dunkel bewegten Klangmassen und scharf profilierten Intervallen zum Klingen brachte, seufzend und klagend, suchend und irrend, mit harten Schlagzeug-Interventionen, aber auch wehmütig und zuweilen versonnen in liebevoll musizierten Kantilenen, bis das Ganze in stummer Fortführung tonlos „verhallte“.

Um geheimnisvoll verschlossene Türen geht es in “Herzog Blaubarts Burg“, Béla Bartóks „Oper in einem Akt“ an der Schwelle zwischen musikalischer Moderne und Neuer Musik, die er dreißigjährig komponierte. Sie beruht auf dem alten Märchen vom frauenmordenden Blaubart, dessen verflossene Geliebte ursprünglich am Leben blieben. Bei Bartók und seinem Librettisten Béla Balázs wird die Geschichte zum Seelendrama und Bartóks Musik erstmals zu seinem Personalstil, der durch die Einbeziehung archaischer volkstümlicher Elemente innerhalb des ungarischen Musiktheaters zu einer Wende führte.

Dieses National-Ungarische wird noch betont durch die Verfügung, dass der Prolog, der – ähnlich alten Theaterstücken – das Publikum mit den Worten „Die Burg ist alt, alt ist auch die Sage, die von ihr geht“ auf die Erzählung einstimmt, um das Folgende „wie ein Hauch, eine Erinnerung“ vor dem inneren Auge ablaufen zu lassen, in Ungarisch zu sprechen sei, was der Dirigent in perfekter Weise im zunächst völlig abgedunkelten Raum befolgte. Es wurde auch im weiteren ungarisch gesungen, wobei deutsche Übertitel das Verfolgen des Textes ermöglichten. Noch während des Prologs wurde es langsam heller und der Dirigent gab dem Orchester, das das lautmalerische Fundament bildete und die unterschiedlichen Situationen in dieser musikalisch äußerst dichten Komposition nicht nur illustrierte, sondern lebendig und unmittelbar erlebbar werden ließ, den Einsatz für die ersten leisen, geheimnisvollen Töne. Am Schluss versank entsprechend der Handlung wieder alles im Dunkel. Das Licht bildete bei dieser konzertanten Aufführung stellvertretend für eine szenische oder halb-szenische Umsetzung die einzige „Requisite“.

Ein Glücksfall war die Verkörperung der Judith durch Elena Zhidkova, die die Partie bereits mit großem Erfolg bei der Premiere an der Mailänder Scala, an der Barbican Hall London und beim Saito Kinen Festival sang sowie am Marinskij-Theater, wofür sie den russischen Theaterpreis, die „Goldene Maske“ erhielt. Ohne zu übertreiben, war sie, auch äußerlich, jung, schlank, schön und unverbildet erscheinend, dazu im passenden Kleid, die Inkarnation dieser Rolle. Mit schöner, ausgewogener Stimme in allen Lagen und starkem Ausdruck beherrschte sie die Balance zwischen unvoreingenommen liebender und unbeirrt bittend-fordernder junger Frau, die Licht, Glück und Freude in Blaubarts dunkle Burg bringen möchte, wo hinter jeder Tür, ob Folterkammer, Waffenkammer, Schatzkammer, Blumengarten, weite Landschaft oder Tränensee, Blut klebt. Noch im schlimmsten Grauen sieht sie jeden Lichtstrahl am Horizont als Hoffnungsschimmer und wird immer wieder schockiert. Die Liebe gibt ihr Kraft und Mut, auch die letzte Tür noch zu öffnen,  wo Blaubarts drei Geliebte, die des Morgens, des Mittags und des Abends auftauchen. Am Ende muss sie, die Licht in das Dunkel bringen wollte, als Frau der Nacht ihren Vorgängerinnen hinter die siebente Tür folgen, um in der Erinnerung die liebste und schönste Frau zu bleiben. „Und immer wird nun Nacht sein… Nacht… Nacht…“.

Das alles vermochte Elena Zhidkova in einer breiten Palette an stimmlichen Möglichkeiten und starkem Ausdruck auch im höchsten Affekt auszudrücken. Sie schien wie geschaffen für diese Rolle. Mit schöner, mühelos klingender Stimme, ausgezeichneter Diktion und Artikulation und starkem Ausdruck war sie die Inkarnation dieser Partie und setzte die Glanzpunkte.

Matthias Goerne bildete den düsteren Gegenpol, der Rolle entsprechend „wortkarg“, herb und derb und in sich verschlossen, verbissen oder auch verbittert, und überzeugte in seiner Art.

Ingrid Gerk

 

WIEN/ Neue Oper“ im Museumsquartier: DER REIGEN –„monotoner Schnitzler-Rap“. Premiere

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Foto: Neue Oper Wien/ Anja Köhler

Wien/ „Neue Oper“ im Museumsquartier: DER REIGEN„Monotoner Schnitzler-Rap“
Bernhard Langs Musiktheater nach Arthur Schnitzlers „Reigen“ ist jetzt auch in Wien angekommen. Die Neue Oper Wien spielt das Werk in der Halle E des Museumsquartiers. Der Premierenabend hätte aus Sicht des Rezensenten durchaus „aufregender“ sein können.

http://www.operinwien.at/werkverz/lang/areigenl.htm

Dominik Troger /www.operinwien.at

WIEN / Staatsoper: ARIODANTE von Georg Friedrich Händel

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Peter Kellner (Il Re di Scozia) und Stephanie Houtzel (Ariodante). Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Händels ARIODANTE in historischer Aufführungspraxis

8. Aufführung in dieser Inszenierun

13. November 20019

Von Manfred A. Schmid

Eine Barockoper im Haus am Ring – und die Spannung auf der Bühne sowie Begeisterung im Publikum hält tatsächlich bis zum Schluss. Oder, um eine berühmt gewordene Beobachtung des gefürchteten Berliner Kritikers Alfred Kerr ins Gegenteil zu verkehren: Als ich um 9:30 Uhr auf die Uhr blickte, war es schon dreiviertel elf!

Über vier Stunden, inklusive Pausen, dauert es, bis der intrigante, machtbesessene Bösewicht Polinesso sein infames Ränkespiel und damit sein Leben verloren hat, der schwer geprüfte Schottenkönig erleichtert feststellen kann, dass seine Tochter keine Hure ist, und der Titelheld, von Eifersucht aus Täuschung geheilt, seine Braut Ginevra endlich in die Arme nehmen darf. Dass die Aufführung, wegen ihrer Längen, über weite Strecken zäh sein soll, wie dies beim Start der derzeitigen Aufführungsserie geheißen hat, ist – zumindest für die nunmehr 8. Aufführung – nicht nachvollziehbar. Langeweile kommt kaum auf. Das liegt zunächst natürlich an der großartigen musikdramatischen Gestaltung Georg Friedrich Händels. Nicht ohne Grund gehört Ariodante zu seinen besten Werken. Und im vorliegenden Fall hatte er auch einen hervorragenden – ungenannten – Librettisten an seiner Seite, der sich auf eine effektvolle Vorlage von Antonio Salvi verlassen konnte, die wiederum auf Ariosts berühmter Dichtung Orlando furioso zurückgeht. Neben Händel haben weitere sieben Komponisten – darunter Vivaldi und Georg Christoph Wagenseil – den packenden Stoff „veropert“. Keiner aber mit so viel Erfolg wie Händel. Einer seiner größten Fans, der isländische Dichter Gunnar Gunnarsson, bekannte einmal: „Wenn ich wüsste, Ariodante würde in Australien oder Südamerika aufgeführt, nähme ich sofort das nächste Flugzeug!“ Wäre er nicht schon 1975 gestorben, hätte er bestimmt der Premiere im Februar 2018 an der Wiener Staatsoper beigewohnt, nach der ein anderer, ebenso reisefreudiger Barock-Fan, nämlich die Kommissar-Brunetti-Autorin Donna Leon, geschwärmt hatte, dass diese Händeloper der „Liebling Österreichs“ der Saison sei…

Dass keine Langeweile aufkommt, dafür sorgt auch die schlüssige, flotte Inszenierung von David McVikar sowie die ungezwungene Ausstattung Vicki Mortimers, die die Handlung zwar in einem (neo-)barocken Ambiente ansiedelt, das Ganze aber nie überfrachtet, sondern mit einem deutlichen Augenzwinkern serviert. Die tänzerischen Einlagen – typisch für den damaligen Zeitgeist der britisch interpretierten opera seria – sind gut in die Handlung integriert und recht kurzweilig. Besonders gelungen ist – in der Choreographie von Colm Seery – die albtraumartige Auflösung der Schreckensvision Ginevras am Ende des Zweiten Akts. Die bei Barockopern geäußerte Aufforderung, dass man hier beherzt streichen müsste, taucht bei dieser Inszenierung jedenfalls nicht auf. Warum anfangs ein erlegter Hirsch über die Bühne gezerrt wird und dieser dann später, Geweih nach unten, von der Decke hängt, will sich nicht so recht erschließen. Da der Rezensent Selbiges vor kurzen auch in der Grazer Romeo et Juliette-Inszenierung zur Kenntnis nehmen musste, dürfte es sich dabei wohl um eine derzeit grassierende Mode handeln. Wie vor einiger Zeit, als auf keiner Bühne ein Koffer oder ein Rollstuhl fehlen durfte, sind es nun also Tierkadaver. Später kommt nämlich  noch eine am Haken hängende Schweinehälfte dazu.

Das größte Asset dieses Abends aber sind die musikalischen Leistungen. Dirigent Christophe Rousset am Pult des auf historische Aufführungspraxis spezialisierten Orchesters Les Talens Lyriques lotete mit Verve und einem feinen Gespür für die Finessen der Partitur die Musik Händels aus. Unangestrengter Originalklang in stetem flow, der die jeweiligen Befindlichkeiten der Charaktere und ihre seelischen Konflikte individuell beleuchtet und kommentiert, in den eingestreuten Zwischenspielen, Tänzen und Sinfoniae aber auch Raum für Reflexionen schafft.

Rousset bereitet so ideale Voraussetzungen für ein ziemlich homogen auftretendes Gesangsensemble. Allen voran die koloratursichere Mezzosopranistin Stephanie Houtzel in der Hosen- und Titelrolle des Ariodante. Eine Partie, die bei der Londoner Uraufführung 1735 im Covent Garden Theater in London freilich von einem Soprankastraten gesungen worden war. Das Ensemblemitglied führt das Umkippen der Figur von einem stürmischen Liebhaber in einen schwer enttäuschten, dem Selbstmord nahen Verzweifelten überzeugend vor. Stimmlich gut, an manchen Stellen ist Houtzel nahe den Grenzen ihrer Möglichkeiten, was auch für Hila Fahima als Dalinda gilt. Als – unwissende – Handlangerin in der vom Herzog von Albany angezettelten Intrige wirkt sie in den hohen Koloraturen etwas scharf und unsauber, vermag aber insgesamt sängerisch und darstellerisch zu überzeugen. Die ungemein vielseitige Sopranistin Chen Reiss zeigt, dass sie auch im Barockfach reüssieren kann, und ist eine silbrig-hell klingende Ginevra.

Max Emanuel Cencic verleiht mit seinem facettenreichen Countertenor der zwielichtigen Figur des Polinesso das Profil der personifizierten Bösartigkeit. Sattelfest in allen Stimmlagen und imponierend in der reichen Pallette seiner Ausdruckskraft. Das junge Ensemblemitglied Peter Kellner braucht zwar eine aufwendige Maske, um rein äußerlich als reifer schottischer König (Il Re di Scozia) auftreten zu können, sein profunder Bass aber strahlt auch so mehr als genug Autorität und Würde aus. Wie er als leidender Vater einen schrecklichen inneren Konflikt mit seiner Verantwortung als Herrscher auszutragen hat, ist einfach herzzerreißend. Der kanadische Tenor Josh Lovell muss als Verehrer Dalindas lange mitansehen, wie seine Angebetete dem Zauber des schurkischen Verführers Polinesso verfällt, bis sie ihre Verirrung erkennt und von ihrem Lurciano geliebt und getröstet werden kann. Carlos Osuna macht in der Nebenrolle des Odoardo gute Figur.

Zum Schluss gebührt jenem Mann Dank, der dafür gesorgt hat, dass nach jahrzehntelanger Vernachlässigung die Barockoper an der Wiener Staatsoper wieder beachtet, geachtet und gepflegt wird. Direktor Dominique Meyer hat mit den erfolgreichen Neuinszenierungen von Alcina, Alceste und Ariodante gezeigt, dass das an diesem Haus nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist. Man könnte sogar darüber nachdenken, ob es unbedingt notwendig ist, dafür in jedem Fall eigens Gastorchester zu engagieren. Bis auf Cencic und Lovell kommen bei der derzeitigen Aufführungsserie von Ariodante durchwegs Ensemblemitglieder zum Einsatz, die man gewöhnlich im „normalen“ Repertoirebetrieb von Rossini bis Strauss sehen und hören kann. Wenn es diesen Sängerinnen und Sängern gelingt, sich in Barockopern zu bewähren, dann sollte man das – Originalklang hin oder her – wohl auch vom Wiener Staatsopernorchester erwarten können. Die historische Aufführungspraxis hat ihre Berechtigung und hat auch die Interpretationsweise in herkömmlichen Orchestern nachhaltig inspiriert und verändert. Die alleinseligmachende Art und Weise des Musizierens von Barockwerken ist sie aber deshalb noch lange nicht. Aber mit dem bevorstehenden Abgang des Staatsoperndirektors ist derzeit eine andere Frage dringlicher: Ob es mit bzw. unter Roscic überhaupt noch Barockopern geben wird?

13 November 2019

 

 

WIEN/ „Kunstraum in der Wiener Ringstraßen-Galerie“: : Ein Abend mit den Jungsängern der Wiener Staatsoper

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Foto: Akademie der Wiener Staatsoper

„Der Kunstraum“ in der Wiener Ringstrassen-Galerie, 13.11.2019: Ein Abend mit den Jungsängern der Wiener Staatsoper

Die  Wiener Staatsoper ist für einen Arienabend in die benachbarte Ringstrassen-Galerie eingezogen. Wohl nicht im großen Stil mit ihren Stars, doch gut bestückt mit Nachwuchssängern der Akademie der Wiener Staatsoper. Diese ist im Chorsaal der Staatsoper beheimatet, existiert seit 2014, soll unter Leitung von Opernchor-Bassist Prof. Mario Steller junge Sänger in den Chorgesang einführen wie auf Solorollen vorbereiten.

‚Der Kunstraum‘ ist das ambitionierte Kulturherz der Ringstrassen-Galerien am Kärtnerring: Von Ausstellungen bis zu Konzerten wird hier eine Fülle an Veranstaltungen geboten. Auch solch ein kleiner Opernabend passt ebenfalls dorthin. Zwanzig junge Sänger hat die Akademie der Wiener Staatsoper zu betreuen, fünf Damen und ein Herr sind zur Talenteschau angetreten. Wie gewohnt (und wohl auch nicht als positiv für  die heimische Bildungspolitik anzusehen): kein Nachwuchs aus Österreich darunter. Aber für alle gleich und wohltuend: An gehöriger Stimmkraft scheint es den aus östlichen Regionen kommenden und nach Karriere Ausschau haltenden Jungsängern nicht zu  mangeln. Anna Nekhames, Preisträgerin des heurigen Hilde Zadek-Wettbewerbes, ist eine kraftvoll donnernde Königin der Nacht wie eine doch allzu markige Zerbinetta. Bariton Slaven Abazovic setzt als Figaro-Graf oder Valentin seinen gewaltigen Bariton überzeugend wohlig ein. Kristinka Antolkovic versetzt sich mit feinem lyrischen Timbre und sensiblem Empfinden in die Welt eines Franz Lehár, Robert Stolz. Laura Balla lebt sich  trefflich als Czárdásfürstin aus, Mirella Aleksandrova  strebt mit einigem Volumen der Adele zu, Mezzo Indyana Schneider ist ein dynamischer Cherubino. Perfekt wurde das stimmstarke Jungteam von Pianistin Rugiada Lee begleitet.


Foto: Akademie der Wiener Staatsoper

Kurz noch im ‚Kunstraum‘ geblieben: Eine Ausstellung mit Bildern von KünstlerInnen aus Israel ist zur Zeit zu sehen. Und Musik demnächst: Crossover mit dem Waraku-Ensemble (25.XI.) oder Gesang mit der aus St.Petersburg nach Wien gekommene Sängerin Maria Sofranova (2.XII.).

Meinhard Rüdenauer

 

 


STUTTGART/ Kammertheater: „MADE IN GERMANY: OCCIDENT EXPRESS von Stefano Massini.

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Rita Feldmeier. Foto: Johannes M. Jauk-Web jpg.

STUTTGART: Eröffnung des 6. Interkulturellen Theaterfestivals mit „Occident Express“ im Kammertheater Stuttgart. Gastspiel „Made in Germany: Occident Express“ am 13. November mit dem Hans Otto Theater Potsdam im Kammertheater/STUTTGART 

Zwischen Euphorie und Hoffnung

Vom 13. bis 17. November 2019 zeigen Stuttgarter Theaterhäuser bereits zum sechsten Mal interessante Produktionen rund ums Einwanderungsland Deutschland. Den Auftakt machte „Occident Express“ des in Florenz geborenen Stefano Massini, dessen Stück die abenteuerliche Flucht einer alten Frau in den Mittelpunkt stellt. Haifa, eine alte Frau aus der Wüste im Norden des Irak, muss ihre Heimat plötzlich verlassen. In der subtilen Inszenierung von Esther Hattenbach (Bühne und Kostüme: Regina Lorenz-Schweer) werden die einzelnen Stationen zwischen Angst, Euphorie, Hoffnung und Verzweiflung in beklemmender Weise sichtbar. Man sieht, wie  Männer mit Maschinengewehren in ihr Dorf kommen. Alle Bewohner werden erschossen. Nur Haifa und ihre vierjährige Enkeltochter Nassim überleben die Katastrophe. Nun beginnt eine aufreibende Flucht, die kein Ende nehmen will. Begleitet wird die überaus wandlungsfähige Schauspielerin Rita Feldmeier als Haifa von einem imaginären Chor mit Jonas Götzinger, Arne Lenk und Franziska Melzer, die ihre Worte echoartig wiederholen. Das erinnert zuweilen an die Handlungsebenen der griechischen Tragödie: „Sie sagten uns, dass wir Glück gehabt hätten“. Nebel ist zu sehen, der die Bühne mit dem großen Klavierflügel geradezu einrahmt, auf dem Handwerksutensilien liegen.

Der Musiker und Pianist Johannes Bartmes beschwört rhyrthmisch scharfe Klangflächen, die sich der Syntax und dem Sprachwirbel des abwechslungsreichen Textes gut anpassen. Auf einer kleinen Holzempore scheint ein großer Stein zu liegen. Wie in einem Brecht-Schauspiel wird die alte Frau vor unabänderliche Tatsachen gestellt. Man verhängt über sie auch die Ausgangssperre: „Die überlebenden Tiere machen einen Höllenlärm!“ Doch jetzt schließen sich auch drei weitere Kinder der Gemeinschaft um die tapfere alte Frau an. Und ihr Weg über die Balkanroute gleicht einer Odyssee, was die einfühlsame Regisseurin Esther Hattenbach immer wieder in packenden Bildern einfängt. Haifa ist aus ihrer Heimat weggezogen, weil sie keine andere Wahl hatte. Das macht Esther Hattenbach trotz des kargen Bühnenbildes ebenfalls sehr überzeugend deutlich. Die Sprache ist klar und kraftvoll, zuweilen auch fordernd, was der versierten Schauspielerin Rita Feldmeier eindringlich gelingt. Dabei wird Haifas Person im Laufe dieses ungewöhnlichen Abends immer mehr greifbar – und auch der Chor zeigt viele Facetten. Der Zuschauer wird hier zum Mitmachen aufgefordert. Soll man die Geflüchtete abweisen oder aufnehmen? Dabei gerät das Publikum während der psychologisch vielschichtigen Inszenierung immer stärker in einen beklemmenden psychologischen Seelentaumel hinein. Dieser Sog gewinnt eine zuweilen beängstigende Intensität, die nicht mehr nachlässt. Verschiedene Ebenen der Begegnung werden so ermöglicht. Dies ist der vielleicht wichtigste Aspekt dieser Inszenierung. Die Schauspielerin begegnet der Figur. Durch Nachsprechen des Textes wird sie zu Haifa und trifft so ganz unmittelbar ihr gebanntes Publikum. Der Musiker Johannes Bartmes reagiert gleichsam auf die Handlung. Das ist ein spannender Entwicklungsprozess, der sich unentwegt fortsetzt. Man hört das Knallen von Maschinengewehren – und der Chor tanzt wie in Trance dazu. Diese Bilder prägen sich tief ein, lassen den Zuschauer nicht mehr los. Selbst deutsche Volkslieder finden bei dieser Inszenierung als ironischer Seitenhieb Platz: „Das Wandern ist des Müllers Lust…

Begeisterter Schlussapplaus.  

Alexander Walther

WIEN / Staatsoper: OREST von Manfred Trojahn

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Daniel Johansson (Apollo) und Laura Aikin (Helena). Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: OREST von Manfred Trojahn

6. Vorstellung in dieser Inszenierung

14. November 2019

Von Manfred A. Schmid

Im Spätherbst der Direktionszeit von Dominique Meyer steht ein Dreierpack zeitgenössischen Musiktheaters auf dem Spielplan. Zwischen einer eben erst beendeten Aufführungsserie von Johannes Maria Stauds Oper Die Weiden und der mit Spannung erwarteten Uraufführung von Olga Neuwirths Orlando im Dezember wird dem Publikum derzeit eine Reprise von Manfred Trojahns Oper Orest angeboten. Während große Zweifel bestehen, ob sich Stauds vor einem Jahr uraufgeführtes Auftragswerk der Wiener Staatsoper im Repertoire halten und jemals an anderen Bühnen nachgespielt werden wird, hat sich Trojahns „Musiktheater in sechs Szenen“, nach einem Text des Komponisten,  längst international bewährt. 2011 in Amsterdam uraufgeführt, wurde Orest und u.a. bereits 2013, produziert von der Neuen Oper Wien, im Museumsquartier nachgespielt. Nach der nunmehr 6. Aufführung an der Wiener Staatsoper kann man davon ausgehen, dass man diesem starken Stück modernen Musiktheaters, im vergangenen März auf die Bühne gebracht, im Haus am Ring hoffentlich noch oft wiederbegegnen wird. Das Haus erfreulich gut besucht, das Publikum, vom Geschehen auf der Bühne und der flirrenden, aufwühlenden Musik Trojahns in einen unwiderstehlichen Bann gezogen, spart am Schluss von 80 Minuten nicht mit Beifallsbekundung und dankt mit viel Applaus. Der Komponist ist auch zur Reprise nach Wien angereist und verbeugt sich beim Schlussvorhang. Die Oper lebt. Seine Oper lebt.

Die sparsame, an die expressionistische Filmkunst der 20-er Jahre erinnernde Inszenierung von Marco Arturo Marelli, der in gewohnter Manier für Regie, Bühne und Licht verantwortlich zeichnet, erweist sich auch im zweiten Durchgang als durchaus brauchbar. Der Schauplatz gleicht einer Unterführung in grauem Beton. Der Einsatz von Licht und Schatten bestimmt die Abläufe. Es gibt mehrere Türen, die sich öffnen und vor allem dazu dienen, die von verschiedensten Personen und Personengruppen ständig wiederholten, bedrängenden „Orest, Orest, Orest“-Rufe auszusenden, die die Titelfigur zu einem Getriebenen machen, der nach der vollzogenen Ermordung seiner Mutter Klytämnestra nur noch wie auf Zuruf reagiert und zu einem ferngesteuerten Vollstrecker im schier ewigen Kreislauf von „Tat und Rache und Urteil, Tat und Rache und Urteil“ geworden zu sein scheint. Zwischen den Hinrichtungen liegt er die längste Zeit auf dem Boden, wälzt sich in Unruhe und Ungewissheit, verzweifelt und willenlos, bis es ihm am Ende gelingt, aus diesem fatalen Kreislauf auszubrechen. Das Umdenken beginnt damit, dass er sich bei der quälenden Frage nach der Schuld auf Dauer nicht mit Elektras kurzer Antwort, beide seien sie eben „schuldlos schuldig“, zufriedengibt. Er vermisst das Gefühl der Geborgenheit, habe in seinem Leben ja nur seine Mutter geliebt, und fragt sich, ob nicht die Liebe stärker als das Recht sein müsste. Als ihn nach der Hinrichtung Helenas der Gott Apollo und seine Schwester Elektra dazu drängen, auch noch deren Tochter Hermione mit dem Beil abzuschlachten, weigert er sich, bestärkt von Hermione, die die richtigen Fragen stellt und ihn damit zum Hinterfragen seines Auftrags bringt, an diesem Rachefeldzug weiter mitzumachen. Er steigt aus und will versuchen, Antwort auf sein Dilemma zu finden: „Ich bin nicht der, der ich sein soll, ich bin nicht der, der ich bin.“ Der Prozess der Selbstfindung beginnt. Er hat den alten Rachegöttern abgeschworen. Ausgang ungewiss. Ob er seinen Weg tatsächlich an Hermiones Seite beschreiten wird, bleibt ebenfalls ungeklärt. Er scheint ihr zu folgen, doch bevor er sie erreicht, ist die Bühne schon in Dunkelheit getaucht und der Vorhang fällt.

Michael Boder, wie schon bei der Premiere am Dirigentenpult, ist der richtige Mann für zeitgenössisches Musiktheater. Die feinen, zuweilen kaum hörbaren musikalischen Strukturen in Trojahns Partitur, irisierend und ständig in Bewegung, signalisieren eine Atmosphäre latente Gespanntheit und Gefährlichkeit, elektrisierend, aber nie plakativ und auf Effekthascherei ausgerichtet. Nur in der Kriegsszene, als schwarzgekleidete Gestalten übereinander herfallen, explodiert die Musik und offenbart so die Ungeheuerlichkeit des Geschehens. Dann wird es wieder fast totenstill. Die Leichen überall verstreut. Einige Figuren werden von ihnen zugeordneten Instrumenten charakterisiert. Menelaos vom hohlklingenden, tiefen Fagott, Apollo von gleißenden Trompetenstößen. Man registriert Anklänge an Strauss – die Oper beginnt ja, dort, wo dessen Elektra endet, mit Klytämnestras markerschütternden Todesschrei – an Schönberg und, besonders in den Gesangslinien, an Bergs Wozzek. Besonders die Frauenstimmen sind extrem hoch komponiert und fordernd, da geht es selbstverständlich nicht um Schöngesang, sondern um Ausdruck höchster Erregtheit. Dass der Gesang trotzdem stets textdeutlich bleibt, lässt auf exzellente Vorbereitung schließen.

Georg Nigl als Orest. Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Gegenüber der Premierenbesetzung vom März sind drei Frauenrollen gleichgeblieben. Laura Aikin als Helena – die Schöne Helena aus der griechischen Sage – ist eine selbstsüchtige, eitle Dame, die sich um Politik und das Geschehen um sie herum keine Gedanken macht, sondern nur auf sich selbst und ihr Aussehen fokussiert ist. Eine Dame von gestern, die von sich glaubt, immer noch umwerfend schön zu sein, in Wahrheit aber nur noch lächerlich wirkt. Ihre Tochter Hermione, im blassblauen Kleid der Unschuld, ist nicht so naiv wie ihre Mutter, sondern ein eigenständiges Wesen, das auf Glück und Gefühl pocht, Orest Hoffnung einhaucht und klug Anstoß für seine Umkehr gibt. Die Partien der Helena und ihre Tochter fordern von ihren Darstellerinnen, dass sie sängerisch bis an die Grenzen gehen müssen. Laura Aikin wie auch Audrey Luna als Hermione bewältigen die stimmlichen Herausforderungen mit Bravour. Die Klytämnestra von Sabine Zlamala ist keine Gesangsrolle. Sie irrt am Beginn der Oper wie ein Gespenst über die Bühne. Neu ist Ruxandra Donose als Elektra, die nur vom Gedanken nach Rache und Vergeltung angetrieben ist und auf jede persönliche Entwicklung für immer verzichtet hat. Bis auf den blinden Hass ist diese Kreatur zu keiner anderen Gefühlsregung imstande. Stimmlich expressiv, darstellerisch bleibt Donosee allerdings etwas blass.

Der Bariton Michael Laurenz, der wohl vielseitigste Neuling im Ensemble der Wiener Staatsoper, gibt bei seinem Rollendebüt als feiger, opportunistisch agierender Menelaos eine weitere eindrucksvolle Probe seiner gesanglichen und darstellerischen Fähigkeiten. Der schwedische Charaktertenor Daniel Johansson kommt wie schon in der Premiere erneut in der ziemlich veräppelten Götter-Doppelrolle Apollo/Dionysos zum Einsatz. Goldbekränzt und mit Pfeil und Bogen als Apollo, und in Gold gewandet als Dionysos, der mit der Schönen Helena in den Himmel auffährt. Neu ist Georg Nigl in der Titelpartie. Der aus Wien stammende Bariton, der sich vor allem in Aufführungen zeitgenössischer Werke einen Namen gemacht hat, hebt sich in seiner Deutung des Orest etwas von seinem Vorgänger Thomas Johannes Mayer ab. Während Mayers Orest bei aller Zögerlichkeit eine Spur tatkräftiger und robuster schien, wirkt Nigl mehr als lethargischer Koloss, der nur äußerst schwer zu mobilisieren ist. Richtig erwacht er eigentlich erst mit der Frage: „Steht vor dem Recht nicht die Liebe?“, und der Erkenntnis, dass er nicht morden muss, um frei zu sein.

14. November 2019

BERLIN/ Pianosalon Christophori: Vivaldis Konzerte „Lèstro armonico“ im neuen Kammermusik-Arrangement vom italienischen Quintett „Armoniosa“

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Stefano Cerrato. Foto: Stefan Pieper

Pianosalon Christophori Berlin: Vivaldis Konzerte „Lèstro armonico“ im neuen Kammermusik-Arrangement vom italienischen Quintett „Armoniosa“ (13.11.2019)

In Berlin präsentierte das italienische Quintett Armoniosa individuelle Bearbeitungen der Konzerte aus Antonio Vivaldis Zyklus „L estro armonico“, mit denen das Ensemble aktuell auch auf CD für Furore sorgt. Live im Pianosalon Christophori wurde eine ganz andere, neue Hörerfahrung daraus. Das Publikum im vollbesetzten Saal war tief versunken…

Um die Seele ihrer Musik frei atmen zu lassen, wählen Armoniosa die Orte, an der sie erklingt, bewusst aus. Die Aufnahmen für die CD erfolgten in einem alten, unbewohnten norditalienischen Schloss. Für den Dreh ihres hinreißenden Imagevideos kamen sie dem Himmel näher und musizierten auf einer einsamen Passhöhe an einem Bergsee in den französisch/italienischen Alpen.

Wiederum ein ganz anderes Ambiente umgibt die Musik im berühmte Pianosalon Christophori mit seiner Werkstattatmospähre, die charmante Authentizität mit wohnzimmerhafter Behaglichkeit verbreitet. Die Akustik hier? Sie ist das Gegenteil vom Aufnahmeort. In Berlin klingt alles trocken, neutral und analytisch. Von Nachhall keine Spur! Also haben diese Musiker auf ihren historisch timbrierten Instrumenten nur ein Minimum an Rückmeldung. Das gebietet ein Maximum an Disziplin und Sauberkeit.

Hörbar haben Armoniosa Spaß daran, an solchen Herausforderungen über sich hinaus zu wachsen. Ihr hellhörig ausbalancierendes Spiel zieht auf verblüffende Weise in die Tiefe der Kompositionen hinein. Das offenbart die immense Präzision dieser Spieler und eine fast asketische Reinheit in Sachen Intonation und dynamischer Ausdifferenzierung.

Vor allem um variable instrumentale Rollenverteilung geht es in den „l´estro armonico“ – Konzerten sowie der „La Follia“-Sonate Nr.12 opus 1.  Vivaldi kultiviert hier zuhauf neue Lösungen, um zwischen solistischem Ausdruck und kommunikativen Zusammenspiel zu vermitteln. Bemerkenswert in diesem Spiel ist die  Rolle des „hohen“ Cellisten Stefano Cerrato. Der bedient auf seinem fünfsaitigen Instrument vor allem die expressiven solistischen Parts und agiert ebenso als Bindeglied zu den anderen Spielern: Da wird der Celloton eins mit dem leuchtenden Violinspiel seines Bruder Franceso Cerrato, synchronisiert sich mit der funkelnden Virtuosität des Cembalos, schmiegt sich unisono an die verspielten Linien von Daniele Ferreti auf seiner Truhenorgel an. Nicht minder bemerkenswert  -und in „moderner“ Musizierpraxis längst schon wieder vergessen-  macht Armoniosa die „Arbeitsteilung“ der beiden Celli an diesem Abend erfahrbar. Marco Demaria bedient auf dem „tiefen“ Cello vor allem das Bassocontinuo, und das klingt – den obligatorischen Darmsaiten bei allen Instrumenten sei Dank – oft wie ein seidig näselnder, sehr hoch gespielter Kontrabass.


Marco Demaria. Foto: Stefan Pieper

Die feinnervige Transparenz, die von diesem Quintett ausgeht, ist eine Absage an jeden hier oft aufgetürmten orchestralen Pomp. Dabei bekräftigt die Spiellust von Armoniosa eine reiche Palette aus Gesten und Stimmungen.  Also entfalten die treibenden Sätze einen federleichten „Swing“, sorgen tänzerische Formen für anmutige Regungen, blitzen strahlend virtuose Feuerwerke auf den Instrumenten auf.

Auch Johann Sebastian Bach sah in Vivaldis stolzer musikalischer Eloquenz ein imposantes Vorbild – dieser Bezug ist an diesem Abend Thema in Gestalt eines brillanten Concerto für Violine, Violoncello und Continuo. Vor allem bei den Cembaloparts von Armoniosa wurde mächtig Hand angelegt. Diese hat der Tastenvirtuose Michele Barchi akribisch und kunstvoll der eigenen Mission auf den Leib arrangiert: Unerschöpflich stürmt im Pianosalon sein Feuerwerk aus rasanten, improvisatorisch anmutenden Läufen voran. Aber so federnd und schwerelos diese vorwärtsstürmende  Klangpracht den Hörer betört, so stellen sie für den Spieler eine immens kräftezehrende Tour de Force da. Das kostbare, nach flämischen Vorbild vom angesehenen Instrumentenbauer Christian Rothe gefertigte Cembalo will gebändigt sein, wie Barchi selbst bekundet. Instrumente, die so alt sind wie die Stücke, die auf ihnen erklingen oder diesen detailgetreu nachempfunden sind, haben eben ihre eigene Seele.  Geiger Franceso hat später „seinen“ imposanten Bravourpart im Stück eines Zeitgenossen, nämlich der ersten „Rosenkranzsonate“ von Heinrich Ignaz Franz von Biber. Ein Vivaldi-Konzert mit einem abermaligen ausgiebigen Cembalospiel führte schließlich in die Zugabe – bevor ein umfangreicher Zugaben-Reigen den enthuisastischen Wunsch nach mehr beim Publikum begegnete. Fazit: Noch unmittelbar als im Pianosalon durch diese erfinderischen und hochmotivierten Spieler aus Italien lässt sich wohl kaum einer musikalischen Essenz zu Leibe rücken.

Stefan Pieper

WIEN / Volkstheater: WER HAT MEINEN VATER UMGEBRACHT

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Alle Fotos: lupispuma.com / Volkstheater

WIEN / Volkstheater:
WER HAT MEINEN VATER UMGEBRACHT
nach dem Buch von Édouard Louis
Mit Motiven aus Das Ende von Eddy von Édouard Louis
Bühnenbearbeitung von Christina Rast und Heike Müller-Merten
Deutschsprachige Erstaufführung
Premiere: 15. November 2019

Es verwundert nicht, dass Édouard Louis (so der Künstlername des 1992 geborenen Eddy Bellegueule) im Frankreich des Emmanuel Macron (und bei dessen Wählern) nicht der beliebteste Mann ist. Als wütender Politschreiber hat er sich schnell einen Namen gemacht, aber er ist auch ein wahrer Jongleur (oder Seiltänzer) der wirbelnden Ideologien, immer in der Pose schreiender Empörung. In seinem Roman „Wer hat meinen Vater umgebracht“ aus dem Jahr 2018 hat er es geschafft, aus einem rassistischen, homophoben Le Pen-Wähler das Opfer eines „kapitalistischen“ Frankreich zu machen, das an allem schuld ist. Papa selbst wird dabei nobel aus jeder Eigenverantwortung für sein Schicksal entlassen, die Bösen sind immer die anderen.

Nun kann man mit solchen Einseitigkeiten ja leicht manipulativ Empörung erzeugen, und das Volkstheater versucht dies in bewährter Agit-Prop-Manier, wenn Christina Rast. die das Stück Prosa (zusammen mit Heike Müller-Merten) recht geschickt bearbeitet hat, nun die Problematik frei von jeglichen dialektischen Erwägungen auf die Bühne hinstellen darf.

Dabei schaut es anfangs ganz nach einem weinerlichen Familienstück aus. Klein-Eddy wird schon als Kind von allen zurückgewiesen (als ob man aus seiner Weichlichkeit den künftigen Homosexuellen erahnte, einen Menschenschlag, den Papa verabscheut). Wie viele Kinder bettelt er um Liebe und Anerkennung, aber er bekommt sie nicht. Der eigene Vater, seinerseits Sohn eines Trinkers, ist fest und unreflektiert im Arbeitermilieu verankert und hegt alle Vorurteile, die sich bei primitiven Geistern leicht finden.

Allerdings ist auch die Mutter kein Preis – gemeinsam mit Papa raucht sie von der Früh an um die Wette, vielleicht beteiligt sie sich auch am Pastis-Trinken, das eine große Rolle spielt, für warmes Wasser ist kein Geld da (Duschen? Das geht nicht oft!), aber dem älteren Sohn etwas zuzustecken, damit der Arme sich Alkohol und Drogen kaufen kann, dafür reicht es. Kein Wunder, dass Eddy unglücklich ist und sein Unglück herausschreit. Im Volkstheater sogar fünffach.

Denn Regisseurin Christina Rast hat kein richtiges Stück geschrieben, sondern den Text auf fünf Darsteller verteilt, die auch gelegentlich in verschiedene Rollen schlüpfen, aber alle immer wieder mal Eddy sind und sich in der Bühne von (der vermutlich verwandten) Franziska Rast anfangs in einer Kinderwelt bewegen, die sich dadurch kennzeichnet, dass sie „klein“ auf riesigen Möbeln sitzen. Papa ist mehr Sandsack als Puppe, hängt anfangs (betrunken?) über den Tisch, wird auch immer wieder herumgeschleppt, gesichtslos, was sicher Absicht ist.

Ein weniger geschickter Autor als der einstige Eddy Bellegueule und nunmehrige Édouard Louis hätte es damit bewenden lassen, weinerlich von seinem traurigen Schicksal zu erzählen – aber seht, ich habe mich herausgewunden, habe es trotz der miserabelsten aller Voraussetzungen geschafft, etwas aus mir zu machen!!! Doch genau das will er nicht erzählen, es wäre der Mitwelt auch vermutlich völlig egal gewesen. Aber indem er den Vater, der eigentlich gesellschaftlich ein Schreckgespenst und ein Anti-Typ ist, nun zum Opfer der Politik, der Verhältnisse, jedenfalls der „Anderen“ macht, am Ende sogar die Bilder der Präsidenten von Chirac und Sarkozy, Hollande und Macron auf die Bühne schleppt und sie persönlich für Papas Schicksal verantwortlich macht… nun ja. Der Aufmerksamkeit kann er solcherart sicher sein.

Auch auf einer österreichischen Bühne, selbst wenn die Umsetzung auf hiesige Verhältnisse nur mit Gewalt funktionieren würde…  aber wer weiß, vielleicht sind Österreichs Kanzler (fangen wir aber vor Kurz doch gleich mit Gusenbauer, Faymann, Kern an, oder war es nur der böse Schüssel?) daran schuld, wenn es armen Leuten schlecht geht.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Selbstverständlich ist es politisch verantwortungslose Dummheit (wenn es denn genau so war, wie der Autor es uns bezüglich des bösen Macron hinwirft), die Steuer der Reichen zu senken und gleichzeitig den Armen fünf Euro pro Monat wegzunehmen, Schande! Das ist vermutlich gerade eine Schachtel von den Zigaretten, von denen Papa wohl mehrere am Tag geschmaucht hat (was der Frage, wer in umgebracht hat, einen Gedanken hinzufügt). Aber gut, Schande, die Armen so zu berauben. Wieso es der Mutter nach der Scheidung gelungen ist, sich zu befreien, neue Interessen zu entwickeln, sogar zu reisen, wie angedeutet wird – das erfährt man nicht, nur, dass sie sich um Arbeit bemüht und sie gefunden hat. Vater hingegen wurde trotz seines kaputten Rückens (er hat jahrelang in der Fabrik malocht)  „gezwungen“, Straßenkehrer zu werden… was dann auch den französischen Gewerkschaften kein gutes Zeugnis ausstellt, wenn sie zulassen, dass ihre Mitglieder vom Staat dermaßen mißhandelt werden, sich zu Tode arbeiten zu müssen…

Da kann man ja nur nach einer neuen Revolution schreien, die Gelbwesten allein reichen da beileibe nicht. Obwohl sie etwas erreicht haben, das Édouard Louis zutiefst befriedigt: „Die Herrschenden haben Angst – und das ist wundervoll.“ Dafür nimmt er gern in Kauf, dass gut ein Drittel der Gelbwesten rechtsradikal sind. Sie können ja nichts dafür. Sie wurden, wie der Papa von Eddy Bellegueule, ja von der Regierung geradezu dazu gezwungen, gedankenlos in die falsche Richtung zu marschieren. Und Vater wird verziehen: Er hat sich, geläutert, sogar nach dem Freund (genauer: Liebhaber) des Sohnes erkundigt…

Hundert Minuten lang reiten fünf Darsteller im Volkstheater ihre Attacken (mit den üblichen Fernsehmonitoren aufgeputzt, die heutzutage zu einer Inszenierung gehören), die Damen Birgit Stöger und Julia Kreusch, die allerdings kaum zur Geltung kommen, die Herren Sebastian Pass, Sebastian Klein und Peter Fasching hingegen umso mehr. Es geht schließlich nur darum, Zorn (und ein kleines bisschen tremolierende Trauer) glaubhaft zu machen – so furchtbar schwer ist das ja nicht. Und so einfach, wie Édouard Louis es tut (hier gut und arm, dort böse und reich), ist die soziale Frage auch nicht darzustellen – geschweige denn zu lösen. Wer seinen Vater umgebracht hat? Kettenrauchen hatte sicher auch damit zu tun.

Renate Wagner

WIEN/ MuTH-Augarten: „AMAHL UND DIE NÄCHTLICHEN BESUCHER“. Kinderoper von Gian-Carlo Menotti.

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Schlussapplaus. Foto: Andrea Masek

WIEN / MuTh: Die Kinderoper „AMAHL UND DIE NÄCHTLICHEN BESUCHER“ von Gian Carlo Menotti

15.11. 2019 (Karl Masek)

Am Ende heller Jubel im Konzertsaal der Wiener Sängerknaben am „Augartenspitz“ in der Leopoldstadt  –  dem 2. Wiener Bezirk, für alle Nicht-Wiener. Klar, wenn die Schülerinnen und Schüler des Oberstufenrealgymnasiums der Wiener Sängerknaben mit einem Opernprojekt hier auftreten, ist das ein Heimspiel. Im Publikum sitzen lauter wohlgesonnene Menschen. MehrheitlichVerwandte, Bekannte, Freunde, Fans – und naturgemäß viele Kinder. Aber alles ist sehr, sehr  viel mehr als ein Fest mit Schulabschluss-Charakter…

Es war eine beeindruckende Leistungsschau der Mädchen und Burschen.  Es war ein Musiktheater-Abend vom Allerfeinsten. Schon das Bühnenbild und die Kostüme: eine Augenweide – und dabei mit ganz einfachen Mitteln gezaubert! Dezentes orientalisches Kolorit ohne ausufernde Opulenz und bar jeder „Plüschigkeit“.  Die „Hirtenhütte“, in der der kleine Amahl mit seiner Mutter(sie ist Witwe)lebt, ist hier einangedeutetes weißes Zelt. Segelbootartig drapierte Tücher machen sich immer gut, zumal wenn die Bühne in magisches Licht getaucht ist. Den berühmten „Stern von Bethlehem“ bemerkt man  erst auf den „Zweiten Blick“. Er drängt sich nicht ungebührlich vor. Die Kostüme, farbig, von erlesenem Geschmack und  auf wohltuende Art modern und „heutig“- und nicht wie aus einem verstaubten Fundus, in dem man die Mottenkugeln riechen kann.Man kommt mit ganz wenigen, bloß angedeuteten Requisiten aus. Der erste große Sonderapplaus also für Alena Hoffmann  (Bühnenausstattung & Kostüme) sowie für Benjamin Maier (Lichtdesign)und Michel Andriessen (Tontechnik)!

Der Kurzinhalt: Die Oper spielt in Judäa zurZeit Christi Geburt. Amahl lebt mit seiner Mutter in einem Hirtendorf. Er kann sich wegen eines gelähmten Beines nur auf Krücken fortbewegen. Eines Nachts wird Amahl von einem leuchtenden Stern am Himmel geweckt. Und es klopft an der Tür: Da stehen 3 Könige aus dem Morgenland, auf dem Weg nach Bethlehem. Diese Begegnung Amahlsbringt ein „Weihnachtswunder“ mit sich ..

Große Klasse die musikalische Einstudierung durch Lisa Gonellaund Barbara Palmetzhofer!Chapeau! Die beiden sind sicher Motivations-Meisterinnen, so lustvoll, wie hier Theater gespielt und gesungen wurde! Mag sein, dass sich ein Opernwerk, das – in Jahrzehnten der absoluten Atonalität und einer sich sakrosankt dünkenden Avantgarde „aus dem elfenbeinernen Turm“ – völlig aus der Zeit gefallen scheint, sich Kindern und Jugendlichen heutzutage nicht so ohne weiteres erschließt. Es ist auch kein Kindermusical heutigen Zuschnitts. Keine hämmernden Rhythmen, keine Rap-Texte mit Maschinengewehr-artiger Geschwindigkeit. Keine Lautstärke-Exzesse. Keine Lichtorgeln. Eine gut gebaute, 50-minütige, ganz altmodische Oper für Kinder mit überschaubarem Handlungsstrang, kaum je aus tonalem Gleis ausbrechend  ist  dieser Mix aus „nach-puccinischem“ Melos, viel Pentatonik, farbige Akkordik  und einer Instrumentationsfinesse, die sich auch in der hier gespielten „Fassung für 2 Klaviere“ wunderbar erschließt.

Verblüffung:  keine Langeweile! Es gibt sehr anspruchsvolle, aber dankbare Rollen und Ensembles zu singen, vor allem für  den Titelhelden, seine (anfangs sehr böse) Mutter und die nächtlichen Heiligen Drei Könige.

Der Einakter von Gian Carlo Menotti(1911 – 2007)  entstand 1951 in New York. Die Uraufführung erfolgte am 24. Dezember 1951in den NBC-Studios  und wurde live im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt, natürlich mit dem Hauch  „Amerikanischer Mentalität“. Sie wurde alsbald die meist aufgeführte US-amerikanische Oper des 20. Jhts.

(Einschub mit Erinnerungsblatt: In der Wiener Staatsoper war am 15.11. 1980, in der Direktion Seefehlner, die Österreichische Erstaufführung des „Amahl“! Der Komponist führte Regie!Sie war sehr erfolgreich, brachte es dennoch nur auf 15 Aufführungen in den Weihnachtsfeiertagen der Jahre 1980 und 1981. Lange vor den Zeiten des Kinderopernzeltes. Die Direktoren Maazel und Drese hatten mit Opern für Kinder offenkundig  nix am Hut! Wieder einmal spannend, in den Annalen geblättert zu haben. Die Heiligen 3 Könige waren: Waldemar Kmentt – Kaspar, Eberhard Waechter – Melchior und Oskar Czerwenka – Balthasar! Die Mutter verkörperte die Wiener Hochdramatische Helga Dernesch. Sie alle damals im Herbst ihrer Karrieren, aber im Charakterfach noch immer mit Bühnenpräsenz und Persönlichkeit. „Amahl“ war damals natürlich ein Wiener Sängerknabe. Er spielte und sang berührend, wurde schließlich stürmisch gefeiert. Sein Name: Johannes Strassl. Er blieb bei der Musik, allerdings nicht beim Singen. Heute ist er Solo-Oboist beim NÖ Tonkünstlerorchester).

Ihre Rollennachfolger, durchwegs so zwischen 15 und 18, schlugen sich allesamt prächtig. Mila Hamann war als Amahl total in der Rolle. Man litt mit diesem durch die Lähmung gehandicapten Buben, fühlte mit ihm, wenn ihn die Mutter (wie in „Hänsel & Gretel“) mit Schlägen bedroht und freute sich mit ihm über das „Weihnachtswunder“, dass Amahl wieder gehen konnte (Er wollte in „The –little -Drummerboy-Manier“ dem armen Jesuskind in der Krippe eine Freude machen und ihm  „seine Krücke schenken“). Absolut glaubwürdig ihr Spiel. Und ein Mädchensopran, der aufhorchen ließ. Aloisia Wetter war mit kräftigem Jung-Mezzo  die intensiv singende und spielende Mutter. Die 3 Könige waren nicht nur würdevoll (und sangen ihre Terzette klangschön und homogen), sondern auch dezent komisch, vor allem der jungtenorale Kaspar Ryusel Nakamura, der mit dem Papagei auf der Schulter. „Melchior“ (Raphael Rumberg mit noch feingliedrigem Jünglingsbariton) und Mario Ishikawa (am Anfang des  Weges in die  Bassregion) ergänzten musikalisch sicher, auch die Kleinstrollen machten sich positiv bemerkbar (Belén Edelmann, Page, und Valentin Hohenstatter, Diener). Das Ballett (Clarissa Mucha, Kathrin Pirgmayer, Stephanie Löblich) und der 28-köpfige Chor waren auf der Höhe ihrer Aufgaben.

Ein weiterer Sonderapplaus gebührt den beiden jungen Damen am Klavier. Nochmals genannt: Lisa Gonella und schließlich Mami Tsukio.

Die „MuTh“-Direktorin, Elke Hesse, war euphorisch. Sie hatte allen Grund dazu. Und im ORG darf man stolz sein auf das Geleistete!

Karl Masek

 

LINZ/ Landestheater/ Großer Saal: „DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL“– Premiere am Musiktheater

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„Martern-Arie“: Brigitte Geller, Hans Schöpflin. Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Linz:„DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL“– Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 15. 11.2019

Singspiel in drei Akten nach der „Operetten“-Vorlage von Christoph Friedrich Bretzner, Libretto von Johann Gottlieb Stephanie d. J., Musik von Wolfgang Amadé Mozart

François De Carpentries, dessen hintersinniger Humor auch hier in Linz schon einige Mozart-Produktionen geprägt hat, hat sich nun des Salzburger Meisters prototypischen deutschen Singspiels angenommen. Er betont, nicht dogmatisch-feministisch, sondern immer mit dem Schalk im Nacken, die Macht der Frauen, die in diesem Stück eine größere Rolle spielt als den Protagonisten lieb ist. Das hat er, mit dramaturgischer/textlicher Unterstützung von Ira Goldbecher und Katharina John, so charmant und selbstverständlich gemacht, daß man sich bald gar nicht mehr wundert, warum die Handlung 1924 im Wiener Café Central beginnt – zunächst allerdings mit doch ein bißchen viel gesprochenem Text und einem überraschenden Brief. Von dort aus geht es13 Jahre zurück. Nicht ins eigentliche „Türkenland“, sondern in den Magrib, nach Tripolitanien, unmittelbar vor Beginn der italienischen Kolonialzeit, also sehr wohl osmanisches Land.


Theresa Grabner, Brigitte Geller. Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Constanze ist eine Filmpionierin, die nordafrikanisches Leben in bewegten Bildern dokumentieren will; als adelige Dame hat sie auch 1911 selbstverständlich eine Zofe, Blonde – und der Kameramann heißt Pedrillo. Die soziale Ordnung bleibt auch gültig, nachdem das Trio von Selim gefangengenommen wurde. Später, nach dem Großen Krieg – also in der Rahmenhandlung – geraten diese geordneten Verhältnisse, den anderen Zeiten entsprechend, aus den Fugen… mit auch Resultat davon, daß sich Belmonte im Finale der eigentlichen Opernhandlung als Charakterverwandter des Don Ottavio erwiesen hat.

Weil wir uns in der frühen Moderne befinden, hat Karine Van Hercke Bühnenräume geschaffen, die mit ihrer eleganten und durchaus stimmungsträchtigen Abstraktion der maurischen Architektur an die Arbeit eines Emil Pirchan erinnern. Vervollständigt wird dieser „Orient“ durch antikischeVideos, die aus Constanzes/Pedrillos Filmen bestehen (AurélieRemy – dazu die im klassischen Stummfilmstil gehaltenen Zwischentitel nicht zu vergessen!) undden vom Regisseur mit Herbert Sachsenhofer vorzüglich ausgeloteten Lichtstimmungen. Auch Frau Van Herckes Kostüme sind dem frühen art déco verpflichtet, und fürdie Ausstaffierung des „Wanderers“ (oder hergelauf‘nen Laffen) namens Belmonte, der vor dem Palast des Bassa auftaucht, wurde wohl an Indiana Jones Maß genommen…

Modern wirkt auch die körperbetont-temporeiche Bühnenaktion, wenn auch nicht solch wildes Gerangel wie zwischen Diana Damrau und Nicholas Ofczarek 2006 am Burgtheater verlangt ist. Allerdings verlieren sich mitunter die meist sehr wenigen Personen auf der großen Bühne, trotz vieler action– diesem für die viel kleinere Hofbühne entworfene Kammerspiel hätte wohl ein für die 1911er-Handlung verkleinertes Bühnenportal mehr Konzentration und Stringenz gebracht, die die Musik des späteren 18. Jahrhunderts noch nicht zu ergänzen imstande ist.

Auch noch so kleine Einwände freilich sind bei der musikalischenEinstudierung (ihrer ersten in Linz) und Aufführungsleitung durch Katharina Müllner nicht angebracht: angefangen von einer sehr flott genommenen, aber präzise wiedergegebenen Ouverture regieren plausible und musikalisch wie zur Handlung selbstverständlich passende Tempi, Eleganz und immer einfühlsame Partnerschaft zu Sängerinnen und Sängern – ein perfekt gelungener Einstand im Premierenbetrieb! Das Bruckner Orchester produziert seidige, tänzerisch-leichte Klänge, und mit Ausnahme eines winzigen Cello-Ausrutschers im Vorspiel zur Martern-Arie hält es auch jeglichen Präzisionsanforderungen stand. Großartiger Mozart ist das Resultat.

Den Selim Bassa gibt diesmal ein Sänger, der offensichtlich auch in präziser und dramatisch-emotionell plausibler Sprechweise zu Hause ist: Hans Schöpflin.


Hans Schöpflin, Brigitte Geller. Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Konstanze ist KS Brigitte Geller; längs im dramatischen Fach etabliert, mit hervorragenden Auftritten als Strauss’sche Kaiserin oder Chrysotemis, liegt ihr dieser Mozart nicht unbedingt – die Koloraturen in „Ach ich liebte, war so glücklich“ sind bisweilen doch etwas verrutscht, jedoch gelingt die Martern-Arie, auch hinsichtlich der „geläufigen Gurgel“, sehr gut. Und insgesamt, auch in den bewegend gestalteten lyrischen Teilen der Rolle, liefert sie eine sehr zufriedenstellende Leistung.

Die Blonde von Theresa Grabner ist erwartungs- und rollengemäß quirlig, immer mit rundem, fast samtigem Stimmcharakter, auch in den Koloraturen; auch darstellerisch eine delikat selbstbewußte Gestalt. Erneut eine hervorragende Mozart-Verkörperung der Ensemble-Soubrette.

Der Belmonte des Abends ist ein Gast aus Würzburg: Johannes Strauß ist ein erstklassiger Kavalierstenor, strahlende Stimme mit einem Hauch von Träne, wunderbares Legato, und auch ein kompetenter (Sprech-)Schauspieler. Mit der Baumeister-Arie seiner Verkörperung ein zusätzliches Glanzlicht aufzusetzen hat ihm diese Produktion allerdings – vermutlich im Interesse eines stringenten Handlungsablaufes im dritten Akt – vorenthalten. Alternativbesetzung in einigen Aufführungen wird sein Fachkollege vom Haus, Mathias Frey, sein.

Für den köstlichen Schauspieler und vorzüglichen Charaktertenor Matthäus Schmidlechner ist der Pedrillo „ein Heimspiel“, wie Intendant Hermann Schneider bei der Premierenfeier richtig bemerkte. Im doppelten Sinne natürlich, für das langjährige und verdientermaßen beliebte Ensemblemitglied… Er wird gelegentlich vom Opernstudio-Tenor Rafael Helbig-Kostka vertreten werden, der eine gelungene Talentprobe für diese Rolle bei der öffentlichen Generalprobe ablegte.

Aufseher und Wutbürger Osmin war heute Michael Wagner (Alternativ: Dominik Nekel): köstliches Schauspiel, über den größten Teil des Registers prachtvoll tragende, wo nötig richtiggehend zum (samtig angesetzten) Donnern und Wüten fähige Stimme – nur die allertiefsten Register sind (noch) nicht so ganz seins, auch wenn er, bei reduziertem Druck, durchaus die Töne zu Gehör bringt.

Der Statisterie des Hauses entstammten die grimmen Janitscharen in Bassas Reich und die diskreten Kellner des Café Central.

Zufriedener Applaus des ausverkauften Saales, ein Buh-Ruf für das Produktionsteam, prompt von den Applaudierenden kompensiert.

Petra und Helmut Huber


Bei der öffentlichen Premierenfeier: Johannes Strauß, KS Brigitte Geller, Hans Schöpflin, Seollyeon Konwitschny (Abendspielleitung/Regieassistenz), Aurélie Remy, Karine Van Hercke, Francois de Carpentries. Foto: Petra und Helmut Huber

HEIDELBERG/ Theater: MADAMA BUTTERFLY. Neuinszenierung

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Foto: Susanne Reichhardt/Theater Heidelberg

Heidelberg: Madama Butterfly 15.11.2019 Neuinszenierung

 
So hart und gnadenlos wie in dieser Inszenierung von Adriana Altaras hat man Puccinis Butterfly noch kaum gesehen. Das bringt auch eine teils fast brutale Übersetzung in der Übertitelung des Librettos zum Ausdruck. Man spürt von Beginn an, daß J.F.Pinkerton ein US-Sex-Imperialist ist, und daß die Anmietung des Pagoden-Häuschens „auf 999 Jahre“ in Wirklichkeit für einen One-night-stand sein soll. Nie kam bisher auch die Verfluchung Cio Cio San seitens ihres Onkel Bonzo so brutal herüber, die ja die Musik schon während seines Auftritts über einen langen Steg am hinteren Bühnenrand entlang dräuend aufschaudern läßt. Daß Butterfly in der Missionsschule zum Christentum ihres US-Lovers konvertiert ist, läßt ihn ihr den Bannfluch entgegenschleudern, womit die Hochzeitszeremonie beendet ist und die Familie unter Verurteilungen und rituellen Schmähungen abgeht. In den langen Akten des Wartens für Cio Cio Sans mit ihrem Kind, in dem die Musik auch immer wieder ins Stocken gerät und sich scheinbar verflüchtigt, ist sie als einzige von der Wiederkunft Pinkertons anhand von allerlei Zeichen überzeugt. Und zwar in einem auf der Drehbühne und auf einem Podest stehendem, nur aus einer Holzschiebewand bestehenden Häuschens, das Yashi der Regisseurin gebaut hat, in dem im 2.Akt noch ein rotes Sofa steht, auf dem sich Goro, Yamadori in blauem westlichen Anzug und Sharpless auch mal gemeinsam niederlassen. Ein Steg führt von der Bühne über das Orchester weg, auf dem sich Butterfly bei ihren Gesängen auch nach vorne wagt, und wo später Kate Pinkerton kauert. Beim Vorspiel zum 3.Akt findet davor auf der Treppe zum Zuschauerraum eine Traumpantomime der Ex-Geisha statt, in der sie die Wiederkunft ihres Angebeteten ‚positiv‘ antizipiert. Die typen- und zeitengerechten Kostüme, besonders auch die buntfarbenen japanischen sind ebenfalls von Yashi creiert.
 
Auch die Musik schlägt oft einen sehrt harten und harschen Ton an. Die Heidelberger Philharmoniker spielen sie unter Elias Grandy ganz phänomenal. Es ergeben sich markante Gegensätze zu den aufblühenden Liebesmelodien und den (Traum)rückblendungen und Vorahnungen. Die an den Impressionismus und an Bitonalität und exotische Ganztonabstände vorausweisenden Stellen sind von Grandy ebenfalls packend gesetzt.
 
Die Chöre unter Michael Pichler singen und agieren sehr inspiriert. Hye-Sung Na mit quellend voluminösem leuchtend intensivem Sopran zeichnet wieder die Geschichte dieser gebeutelten Kreatur  authentisch nach und ist in jeder Phase die Liebende, auch ihrem Kind (sehr agil: Karim Wisotzki) und auch Suzuki gegenüber. Diese wirkt bei Katarina Morfa auch sehr glaubwürdig, nur im 1.Akt in traditionell japanischem Kimono, später in Jeans. Dabei steht ihr ein leicht dramatisch gewürzter angenehm timbrierter Mezzo zur Verfügung. Den Pinkerton gibt der jugendlich dickliche leicht dunkle Chaz’men Williams-Ali, der sich am Anfang nur bei Whiskey ohne Uniformjacke relaxt und dabei auch köstlich naiv erscheint. Er kann einen sehr einnehmend timbrierten frischen Tenor mit festen lyrischen Anklängen vorweisen, den er auch in seiner larmoyanten kurzen Schlußarie „Addio fiorito asil‘ “ herzzerbrechend und mit Träne im Knopfloch einzusetzen vermag. Ein Cio Cio San irgendwie verstehender Sharpless, der aber nichts für sie tun kann und will, stellt der Bariton James Homann mit guter stimmlicher Eloquenz und Attitüde dar. Der Goro ist als tenoraler Luftikus von Joao Terleira gezeichnet, den Yamadori singt kurz-becantesc Young-O Na. Der gesangliche Kurzauftritt des Bonze ist dem Baß Wilfried Staber mit langer Grau-Perücke vorbehalten. In weiteren Nebenrollen wirken Woo Kyung Shin, Xiangnan Yao, Hans Voss, Elena Trobisch, Irida Herri und Mi Rae Choi mit.
 
Friedeon Rosén

WIEN/ Staatsoper: ARIODANTE von G.F. Händel

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WIEN/ Staatsoper: ARIODANTE von G.F. Händel am 15.11.2019

Ich irrte. Ich irrte, als ich meinte, Ariodante würde uns in der Direktionszeit Dominique Meyers nicht wiederkehren. Leider. Denn die letzte Vorstellung der zweiten Serie gab mehr eine Ahnung des Werkes denn eine Aufführung desselben.


Josh Lovell. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 http://dermerker.com/index.cfm?objectid=8693E060-089C-11EA-8C5D005056A64872

 

am 15.11. (Thomas Prochazka/ www.dermerker.com)

Film: LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE

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Filmstart: 15. November 2019
LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE
Ford v Ferrari / USA / 2019
Regie: Ford v Ferrari
Mit: Matt Damon, Christian Bale, Tracy Letts, Josh Lucas u.a.

Was ist aufregender? Die Autos selbst (ein Mythos für sich) oder die harten Männer, die sie bis zu Höchstleistungen fahren? Beides – die ungebrochene Faszination der Formel 1 beweist es. Und auch im Kino ist das Thema von ungebrochenem Reiz. Wenn man es nicht zu sehr auswalzt, was bei diesem satte zweieinhalb Stunden langen Film allerdings der Fall ist…

Im amerikanischen Original nannte man ihn lapidar „Ford vs Ferrari“, weil natürlich vor allem „Ford“ dort ein Begriff ist. In Europa hielten wie es eher mit Ferrari, aber auf „Le Mans“ und das legendäre Rennen von 1966 zu verweisen, schien offenbar verkaufsträchtiger. „Gegen jede Chance“ – ja, wie sollte der US-Autogigant Ford den Marktführer Ferrari bei den „24 Heures du Mans“ im nordwestlichen Frankreich besiegen?

Und doch ist es geschehen, die Geschichte ist historisch, wenn sie sich auch wohl nicht ganz so kinogerecht abgespielt hat wie in diesem Streifen von Regisseur James Mangold, der quasi den Geruch von Motoröl, der hörbar das Knirschen von Reifen und Heulen der Motoren und letztendlich jede Menge von Testosteron versprüht: A man’s gotta do what a man’s gotta do, nicht wahr?

Es beginnt leise tragisch, wenn sich der erfolgreich Rennfahrer Carroll Shelby (Matt Damon) vom Arzt eine wirklich schlechte Nachricht abholen muss. Sein Herzleiden verbietet ihm, seine Karriere fortzusetzen. Schnitt: Henry Ford II. (Tracy Letts), der ein unguter Kerl ist und spürbar darunter leidet, nicht der Erste zu sein wie der legendäre Großpapa, verlangt von seiner Belegschaft „Ideen“, die sein Unternehmen in Schwung bringen sollen. Wenn er dann versucht, das finanziell angeschlagene Ferrari-Unternehmen zu kaufen, erleidet er eine wirklich peinliche Niederlage. Die Italiener können die Amerikaner wirklich nur verächtlich abweisen – der Nationalstolz auf beiden Seiten ist schwer verletzt.

Die Rache? Man kennt die Amerikaner, „Competition“, der Wettbewerb, liegt ihnen im Blut. Dafür will man Ferrari aus seiner singulären Stellung in der Welt der Autorennen verdrängen. „Ich möchte die besten Ingenieure und Fahrer, egal, was es kostet, wir bauen einen Rennwagen, wir begraben die Italiener in Le Mans, und ich werde dabei sein, mir das anzusehen“, schäumt Mr. Ford.

Und das ist die Stunde von Carroll Shelby, der ins Renn-Business gegangen ist und sich auch als Konstrukteur neu erfunden hat. Mit dabei: der störrische, aber als Mechaniker geniale Rennfahrer Ken Miles (Christian Bale). Das geht nicht konfliktfrei ab, und weil es ein fast reiner Männerfilm ist (Gattin und Sohn von Miles sind quasi als Familien-Faktor eingesetzt, spielen aber kaum eine Rolle), muss es auch die Männerklischees geben: Da werden Differenzen auch mit dem klassischen Kinnhaken und darauf folgender Prügelei ausgetragen, und offenbar fühlt man sich – A man’s gotta do und so weiter – erst so richtig wohl, wenn man sich zusammen geschlagen hat. Dann kann man auch friedlich ein Bier mit einander trinken und weiter machen…

Sie schrauben allerdings lang herum an ihrem Rennwagen für Ford, der allerdings (eine köstliche Szene) einen hysterischen Anfall zwischen Terror und Seligkeit bekommt, als er in dem Flitzer bei Höchstgeschwindigkeit mitfahren durfte. Es gibt viele Diskussionen und auch pathetisches Gerede, einiges an Intrigen und Ärgernissen, bis dann erst die letzte Stunde des Films dem Rennen gehört. Da toben die Renngeräusche, das ist wahre Männerseligkeit (nimmt man als weiblicher Betrachter des Geschehens einmal an). Ja, und gewonnen haben sie auch.

Nicht ganz allerdings, denn Ken Miles starb wirklich kurz nach dem Rennen bei einem Unfall. Wenn Shelby dann dessen Sohn besucht… nun ja, man weiß, wie so etwas geht. Sie sind recht tapfer. „Er war ihr Freund“, sagt der Sohn, und man denkt an die Kräche der beiden, wenn Shelby bestätigt, ja, sie seien Freunde gewesen. Allein im Auto kommen ihm die Tränen. Auch harte Männer weinen.

Aber am Ende geht es um Autos, um die Logistik der Konstruktion, um Geschwindigkeitsrausch, um Wettbewerb… und nein, niemand hat sich in den sechziger Jahren über Macho-Ideologien den Kopf zerbrochen, und schon gar nicht über Umwelt und solche Kleinigkeiten. James Mangold hat den Film aus seiner Zeit heraus inszeniert, und Matt Damon, oft mit Cowboy-Hut und erzwungener Gelassenheit, Christian Bale mit ungeheurer Verbissenheit und Tracy Letts. brillant als der eisern entschlossene Henry Ford II., geben ein perfektes Trio ab, diese dröhnende Geschichte mit jeglicher darstellerischer Spannung aufzuladen. Mit 100 Millionen Dollar Budget ist man angetreten. Sie werden wieder herein kommen. Mindestens.

Renate Wagner

BERLIN/ Deutsche Oper: HEART CHAMBER von Chaya Czernowin, Uraufführung

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Patricia Ciofi. Foto: Michael Trippel

Berlin/ Deutsche Oper: „HEART CHAMBER“ von Chaya Czernowin, Uraufführung – eine OP am offenen Herzen, 15.11.2019

Fast dunkel ist es auf der Bühne. Vor einer hellen Wand sitzen eine Frau und ein Mann auf zwei deutlich voneinander entfernten Bänken. Sie kennen sich nicht. – Ein Kontrabass schickt dunkle, bedrohliche Tonkaskaden in den Saal. Wird es gefährlich für die beiden, die nur Sie und Er genannten, verkörpert von der Sopranistin Patrizia Ciofi und dem Bariton Dietrich Henschel? Ja, ihre Herzen geraten in Gefahr.

Zwei erwachsene Menschen sitzen dort, vermutlich beide von einem eigenen Schicksal belastet. Abstand halten, nur niemanden zu sehr an sich heranlassen, denn das kann wehtun. Doch ein kleines Missgeschick hat große Wirkung. Die Drehbühne schwenkt, zeigt nun ein modernes Gebäude mit einer sehr langen Treppe, auf der Menschen hinauf- und hinuntergehen. Vielleicht eine Behörde.

Sie kommt die Treppe hinunter, ein Honigglas fällt aus ihrer Tasche. Er hebt es auf, berührt dabei versehentlich ihre Hand. Sie schauen sich kurz an.  Er geht weiter nach oben, murmelt sich selbst entschuldigend „Ich wollte doch nur helfen“. Dann aber wenden beide den Kopf und blicken sich nochmals aus der Entfernung an. Mit einem Lächeln gehen sie weiter.

Eine Alltagsszene in Alltagskleidung, Sie in Rock und Bluse, er in Jeans und T-Shirt (Ausstattung: Christian Schmidt). Nur wenige Worte sprechen oder singen sie in dem 90-minütigen Werk, kaum ganze Sätze. Erstmals hat die israelische, teils in Berlin ausgebildete Komponistin Chaya Czernowin (geb. 1957), die in ihrer Jugend nach eigenen Worten Opern hasste, bei ihrer dritten Oper auch den bewusst knapp gehaltenen Text geschrieben.

Eigentlich ist der relativ unwichtig, die Gefühle zweier Menschen sind es, die sich kaum einander mitteilen können oder möchten. Da sie ihre plötzliche Zuneigung und die darauf folgenden Verwundungen nicht in Worte fassen können, übernehmen das ihre Inneren Stimmen.

Für die Sie tut es die Kontra-Altistin Noa Frenkel, für den Er der Countertenor Terry Wey. Hinzu kommt die schillernde Stimme der Neue Musik kundigen Frauke Aulbert sowie ein 16köpfiges, sehr zu lobendes Vokalensemble mit vier Sopranen, vier Mezzosopranen, vier Tenören und vier kräftigen Bässen.

Mit Sachkunde und Einfühlvermögen bekommt Dirigent Johannes Kalitzke bei dieser Uraufführung, alles im Griff, das in kleiner Besetzung spielende Orchester der Deutschen Oper ebenso wie das vierköpfige Ensemble Nikel und das versierte SWR Experimentalstudio, das für die Live-Elektronische Realisation plus Klangregie verantwortlich ist.

Sie alle tragen bei zur Sogwirkung von Chaya Czernowins avangardistischer, aber gut ins Ohr gehender Musik. Dieses Aufrauschende und wieder Versickernde, dieses Krasse und bald Träumerisch-Sanfte. Klanggebilde, die auch Zirpen und Atmen einschließen, ziehen mehr und mehr in ihren Bann. Selten hat das Publikum so konzentriert zugehört wie bei diesem Auftragswerk der Deutschen Oper Berlin. Und das ist auch nötig.

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Dietrich Henschel, Patricia Ciofi. Foto: Michael Trippel

Andererseits besitzt die total passgerechte Inszenierung von Claus Guth, mit der er auch diese dritte Oper der vielfach preisgekrönten Chaya Czernowin verständlich macht, ein gewisses Ablenkungspotenzial. Noch mehr gilt das fürs Video-Design von roacafilm.

Doch beides ist nötig, um den Protagonisten Leben einzuhauchen. Sie zeigen wie Sie und Er, zwei Menschen wie Du und Ich, durch eine Berliner Einkaufsstraße streifen und glückliche Gesichter beim Spaziergang ins Grüne machen, den Sie vorgeschlagen hatte. Das gegenseitige Liebesgeständnis wird nicht gesungen, sondern sehr leise gesprochen, als sollte es niemand erfahren.

Doch so entspannt bleibt das Verhältnis der beiden nicht. Sie haben nachts Angstträume. Fast unmerklich haben sie einander ihre Herzkammern geöffnet, nun sind sie verwundbar. Sie möchte von ihm beschützt werden, sie küssen und umarmen sich, doch vor dem Weiter hat Sie plötzliche Furcht.  

Sie machen einander nun Vorwürfe, beklagen, dass ihre geöffneten Herzen verletzt worden sind.  Er verlässt sie enttäuscht, und das trifft sie hart. Zuletzt – und das erstaunt dann doch – finden sie wieder zueinander. „L love you“, bringt sie nun lächelnd über die Lippen. Auch er lächelt, hält aber vorsichtig Abstand. Ist die OP am offenen Herzen geglückt und die Narben verheilt? Wer weiß und für wie lange.

Zuletzt herzlicher Beifall für alle Beteiligten, auch für die anwesende Komponistin. Die Deutsche Oper ist jetzt um ein gutes und außergewöhnliches Stück reicher. 

Ursula Wiegand

Weitere Termine am 21.  26. und 30. 11. sowie am 06. 12.

MÜNSTER/ St. Paulus-Dom: ORCHESTERJUBILÄUMSKONZERT – Auferstehungsmusiken von Messiaen und Lortzing

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Konzertbesucher strömen in den Dom. Foto: Sigi Brockmann

Münster St.-Paulus-Dom  15. November 2019   Orchesterjubiläumskonzert –  Auferstehungsmusiken von Messiaen und Lortzing

Wie in anderen mittelgrossen Städten auch sorgten in Münster bis zum Ende des ersten Weltkriegs Militärkapellen und begabte Laien  für Aufführungen von Orchestermusik – letztere in Münster organisiert im Musikverein. Nach Auflösung des Militärs gründeten die Städte dann eigene Orchester, so auch Münster im  Jahre 1919  das Orchester der Provinzialhauptstadt Münster  heute nur noch Sinfonieorchester Münster.

Um dieses 100-jährige Jubiläum zu begehen, fand am vergangenen Freitag im St.Paulus-Dom zu Münster ein Konzert statt, dessen Programm unabhängig von liturgisch-vorgegebenen Terminen  bereits im November die Himmelfahrt Christi beschrieb.

Zunächst erklangen unter Leitung des GMD Golo Berg von Olivier Messiaen  unter dem Titel         

l´Ascension  (Auferstehung) vier symphonische Meditationen für Orchester, eines seiner frühen Orchesterwerke, von ihm selbst später für Orgel bearbeitet, vielleicht war auch deshalb der Dom ein passender Aufführungsort.

Jeder der vier Teile wird durch ein Bibelzitat vorbereitet, als erstes Christi Majestät, der seinen Vater um Verherrlichung bittet. Es ist ein sehr langsamer  hymnischer Satz, der nur von Bläsern gespielt wird, die im Dom zumeist rechts von der Mitte platziert waren. Eindrucksvoll gelangen die Steigerungen bis zum ff mit dann plötzlichem Übergang zum pp. Der zweite Satz, heitere Allelujas einer Seele, die sich den Himmel ersehnt , ist zunächst ebenfalls ein Bläserchoral, zu dem nach und nach eine  tremoloartige Begleitung  durch die Streicher hinzutritt, deren Tempo sich immer mehr,  steigert, was durch das Orchester gut hörbar vermittelt wurde. In Motiven der Flöten hatte man den Eindruck, schon Messiaen´s spätere Vorliebe für Vogelstimmen herauszuhören. Besonders gelobt sei das Solo der Oboe.Der Satz schloß mit einer grossen Steigerung vom pp zum ff. Im dritten Satz, Allelujas auf der Trompete und der Zimbel erklang sehr exakt eine Art Tanzrhythmus zur Begleitung der im Titel erwähnten Trompeten, wobei die ebenfalls erwähnten Zimbeln, also Becken, durch Pauken, Tamburin und Triangel ergänzt wurden. Da war der Zuhörer überrascht, der Satz schloß mit einem sich steigernden Fugato, dazu passend ließ Golo Berg  auch das Tempo bravourös sich steigern. Den letzten Satz Gebet Christi als er zum Vater aufsteigt spielten entgegengesetzt zu den Bläsern im ersten Satz nur die Streicher, die Violinen mit Dämpfer, dazu zusätzlich  je fünf Solostimmen von Violinen und Bratschen sowie zwei Celli. Dem Titel entsprechend hörte man mehrfach einechromatisch aufsteigendes Motiv, das zu dem Schlußakkord führte. Da dieser kein gewohnter Schlußakkord sondern ein Septakkord war, brauchte es einige Zeit,  bis Beifall  des Publikums einsetzte.


Foto: Sigi Brockmann

Die Wahl des Aufführungstermins war durch den zweiten  etwas leichtgewichtigeren aber grösseren Aufwand erfordernden Teil des Konzerts begründet. Vor genau 191 Jahren wurde in Münster unter Leitung des Komponisten Albert Lortzing´s Oratorium Die Himmelfahrt Jesu Christi für Soli, Chor und Orchester uraufgeführt. Nach Aufführungen in Münster gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts erklang es jetzt wieder zum Orchesterjubiläum. Dieses Datum und der Aufführungsort im damaligen Schauspielhaus Münster zeigten, daß es Lortzing und seinem Textdichter, dem Osnabrücker Lehrer Johann Friedrich Karl Rosenthal, nicht um ein liturgisches Werk, sondern eher um ein Oratorium in der Nachfolge Haydn´s ging,  teils nahezu opernhaft szenisch komponiert, wie es später Mendelssohn-Bartholdy etwa mit seinem Elias meisterhaft gelingen sollte.

Es gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird das Leben Jesu bis zur Auferstehung musikalisch behandelt. Der Konzertchor Münster – Nachfolger des oben erwähnten Musikvereins – eröffnete ihn feierlich  mit einem hymnischen Lob Gottes. Es folgten Rezitative und Arien der Solisten, zunächst ein Rezitativ des Johannes, der hier und auch später vom Bariton Filippo Bettoschi mit ausdrucksstarker Stimme und sehr textverständlich gesungen wurde. Dies galt etwas weniger für die Sängerin des Erzengel Gabriel, wie für diesen Engel üblich einem Sopran. In ihrer ersten mit Koloraturen durchaus opernhaften Arie forcierte Marielle Murphy etwas die Spitzentöne und war gegenüber dem Orchester nicht immer deutlich genug zu hören, wobei letzteres gemäß dem Text Blaset laut zu Zion mit Posaunen entsprechend laut klang

Im Rezitativ einer der bei Christi Himmelfahrt anwesenden Damen namens Eloa gesungen mit melodiöser Altstimme und weitgehend textverständlich von Judith Gennrich schilderte diese nach Worten des Johannes-Evangeliums nochmals den irdischen Weg Jesu. Lautmalerische Begleitung hörte man vom Orchester, als Petrus – mit tiefem textverständlichen Bass Christoph Stegemann – die Finsternis beim Tode Jesu, das Reissen des Tempelvorhangs oder den Donner beschrieb, der der Auferstehung vorausging. In der folgenden Arie beeindruckte er mit langem tiefen Ton auf nur Leichentücher lagen da. Der erste Teil schloß mit einer ganz schulmässigen Fuge des Chors, der alle Stimmlagen, auch die Tenöre, kontrapunktisch hörbar machte.

Den zweiten Teil eröffnete  nach einem weihevollen Vorspiel von Holzbläsern und Hörnern nun endlich Jesus mit Rezitativ und Arie. Aufgrund der Tatsache, daß diese Tenorpartie  nach Gefangenschaft im Grab den zweiten Teil eröffnet, glaubten Musikwissenschaftler Parallelen zu Fidelio zu entdecken. Yeon-Seong Shim gestaltete die Partie mit sakraler würdevoller Stimme, besonders etwa beim ausdrucksvollen Liebt einander oder später in den Visionen vom kommender Herrlichkeit für alle Menschen. Dazwischen konnte der Herrenchor (die Jünger) seine p-Kultur beweisen, als er begleitet von Celli und Holzbläsern bei Leises Wallen diese Vision aufgriff. Manchmal haben ja Komponisten bei Beschreibung des  Bösen besondere musikalische Einfälle, Dies zeigte das Orchester, als Petrus und der Chor der Engel  kurz vor Schluß den unglückseligen  Verräter Judas verdammten. Zu den unterhaltsameren Teilen des Oratoriums gehörten Ensembles zwischen den Soli  der Sänger. So schloß der Abend gemeinsam

 gesungen vom Quartett  der Solisten und dem gesamten Chor (der Engel) mit einem mächtigen Lob von Gottes Herrlichkeit.

Wiederum brauchte das Publikum eine Pause, bis langanhaltender Beifall aufkam   für ein Werk, das seinen Rang zwischen Klassik und früher Romantik behaupten kann.

Sigi Brockmann 16. November 2019

 Als CD-Empfehlung sei genannt eine Aufnahme des WDR bei cpo aus dem Jahre 2003 unter Leitung von Helmut Froschauer. Seine Rezension schloß damals der opernfreund  mit den Worten „Ein Muß für alle Musikfreunde“

 

WIEN/ Theater an der Wien: LA VESTALE

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16.11.2019 Theater an der Wien „La Vestale“

Der Rezensent ist ratlos. Soll er eine Kritik zu diesem Nicht-Ereignis schreiben oder sein Missfallen durch Schweigen bekunden? Schweigen lässt sich schriftlich nicht gut darstellen, daher will ich doch – in übertragenem Sinne – ein paar Zeilen zu Papier bringen.

Man hat dem verdienten Musiker Gaspare Spontini keinen Gefallen getan, seine beste Oper aufzuführen. Musikalischer Leerlauf in Form von endlosen Rezitativen, keine zündende Arien, kein musikalisches Feuerwerk im Orchester, ein schwaches Libretto (Victor-Joseph Etienne de jouy), dazu ein ziemlich ratloses Leading Team: Die Inszenierung von Johannes Erath lässt viele Fragen offen, die man gar nicht stellen müsste, wenn er einfach die Handlung der Oper Norma, aber mit Happy-End (Originalzitat Bertrand de Billy) erzählt hätte. Die Mehrschicht-Bühne (Katrin Connan) bietet den Darstellern viele Möglichkeiten, ratlos herumzustehen oder -gehen. Zum Ende wird es wenigstens bunt. Die Kostüme (Jorge Jara) könnten aus einer Verleihanstalt in der Nähe des Theaters stammen. Die Lichtregie (Bernd Purkrabek) versuchte, dramaturgisch „Licht ins Dunkel“ (copyright ORF) zu bringen.

Der zähe Musikbrei wird von den Protagonisten mit bemerkenswertem Eifer präsentiert. Elza van den Heever sang die Titelrolle mit großem Impetus, manchesmal allerdings zu laut. Claudia Mahnke als Oberste Vestalin hatte die Akustik in diesem Haus besser im Griff, ihr klangschöner Sopran konnte gut gefallen. Auch Michael Spyres konnte in der Partie des Licinius reüssieren, seine kräftige Stimme war vor allem in der Mittellage sehr präsent. Franz Josef Selig als Hoherpriester und Dumitru Madarasan als Wahrsager, sowie Sebastien Gueze als Cinna komplettierten das Bühnenensemble.

Bertrand de Billy dirigierte mit großem Einsatz ein nicht in Bestform spielendes Orchester. Den Arnold Schönberg-Chor konnte man dieses Mal nicht in gewohnter Perfektion erleben, da gab es manchen verwackelten Einsatz und auch kleine Intonationsschwächen.

Am besten, man vergisst diesen Abend so schnell wie möglich.

ohannes Marksteiner

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