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HANNOVER/Herrenhäuser Gärten: LE VIN HERBÉ – DER ZAUBERTRANK – Premiere

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Foto: Dr.Klaus Billand

HANNOVER/Herrenhäuser Gärten: LE VIN HERBÉ – DER ZAUBERTRANK – Premiere am 19. Juni 2020

Das weltliche Oratorium „Le vin herbé“ – „Der Zaubertrank“ – von Frank Martin im Herrenhäuser Heckentheater

Die Staatsoper Hannover war der Corona-bedingten Pause überdrüssig und kam wieder einmal in die Herrenhäuser Gärten, die das älteste Heckentheater in der Gartengeschichte beherbergen. Die Verbindung zwischen der ursprünglichen Schlossoper und den Gärten währt schon seit 330 Jahren (!) – sogar beide Grundrisse ähneln sich sehr. Nach der Unbespielbarkeit der Oper infolge des 2. Weltkriegs waren die Gärten 1945 Ausweichspielstätte und somit der kulturelle Mittelpunkt Hannovers. Opern wurden allerdings immer nur im Galeriegebäude aufgeführt. Im Rahmen der an diesem Abend beginnenden „Summer Session 2020“ werden laut Ankündigung der Intendanz bis zum 12. Juli „Oper, Ballett und Konzerte“ in den Gärten aufgeführt.

Die Premiere bildete das weltliche Oratorium des Schweizer Komponisten Frank Martin „Le vin herbé“, für welches er Auszüge aus Joseph Bédiers‘ französischer Übersetzung und Rekonstruktion des Tristan-Stoffes in seinem Roman de Tristan et Iseut von 1900 vertonte. Es ist die altbekannte keltische Geschichte um den Liebestrank zwischen Tristan und Isolde, der die beiden letztlich ins Unglück führt, mit einigen Figuren, die bei Richard Wagner fehlen. Das Oratorium wurde 1942 konzertant in der Tonhalle Zürich uraufgeführt, und die erste szenische Aufführung fand unter Ferenc Fricsay bei den Salzburger Festspielen 1948 statt. In der Gartengalerie Hannover erlebte das Werk 1965 seine Hannoversche Erstaufführung. Frank Martin, neben Arthur Honegger wohl der bedeutendste schweizerische Komponist des 20. Jahrhunderts, bezeichnete sein Stück ausdrücklich als „weltliches Oratorium“ (Originaltitel: „Oratorio profane“), als das es mit seinen 12 Sängern, sieben Streichinstrumenten und einem Klavier, der szenischen Aufführungsform sowie einem Prolog und Epilog auch erscheint. Umso verwunderlicher war, dass die Presseaussendung von der erstmaligen Aufführung einer Oper im Gartentheater spricht und die Intendantin in ihrem Vorwort an das Publikum u.a. Frank Martin als unbekannten Komponisten bezeichnete und einen Bezug zu einer Ballett-Bearbeitung des Tristan-Stoffes von Boris Blacher herstellte, die wohl bedeutendere Bearbeitung des Stoffes durch Richard Wagner aber völlig unerwähnt ließ.  


Foto: Dr.Klaus Billand

Der künftige Hannoverische GMD Stephan Zilias leitete die Aufführung mit Solisten des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover (Zwei Violinen, zwei Violas, zwei Celli, ein Kontrabass und ein Klavier). Wolfgang Nägele führte mit dramaturgischer Unterstützung durch Regine Palmai Regie und gestaltete das zeitlose Werk in seiner ganzen Traurigkeit – „eine Legende von Sehnsucht, Schuld und Tod, eine der tiefsten, berührendsten und traurigsten Beziehungsgeschichten“, wie Palmai im Programmheft passend schreibt. In überwiegend schwarzen Gewändern, die Herren mit Zylinder (Kostüme Irina Spreckelmeyer), erleben wir auf der Bühne von Marvin Ott und mit der behutsam geführten Lichtregie von Susanne Reinhardt eine bewegungsarm gehaltene Dramaturgie, wodurch die Charaktere mit ihren meist oratorienhaft gesungenen Aussagen umso stärker hervortreten. Die Partitur beruht auf Schönbergs Zwölftonlinien mit einer nach meinem Empfinden starken tonalen Basis, die sich immer wieder durchsetzt, zumal die geringe Zahl der Instrumente kaum farbliche Differenzierung erlaubt. Der Gesang stand immer im Vordergrund.

Der Tenor Rodrigo Porras Garulo meisterte die besonders mit einem langen und dramatischen Monolog anspruchsvolle Rolle des Tristan eindrucksvoll. Nikki Treurniet war eine ansprechende „blonde“ Isolde mit leichtem Sopran. Der Bariton Germán Olvera, (laut Programm „Erster Bass“), gab einen überzeugenden Marke. Des Weiteren traten auf: Nina van Essen als ausdrucksstarke Brangäne, Anna-Doris Capitelli als relativ unauffällige Isolde die Weißhändige, die Tristan bei Bédier heiratet, als er die Hoffnung auf Isolde aufgegeben hat und die sich, als sie von seiner großen Liebe zu Isolde erfährt, an ihm rächt, indem sie ihn über Isoldes Rückkehr kurz vor deinem Tode täuscht. Monika Walerowicz hatte zu Beginn einen kurzen Auftritt als Isoldes Mutter mit schönem Mezzo. In weiteren Nebenrollen: Clara Nadesdin, Weronika Rabek, Philipp Kapeller, James Newby, Richard Walshe und Daniel Eggert.

Insgesamt ein guter Start der „Summer Sessions“ in Hannover, wenngleich die Microport-Übertragung verbesserungsbedürftig erscheint.                                                                                                                                                              

Klaus Billand                     


WIEN / Staatsoper: GALAKONZERT DES JUNGEN ENSEMBLES

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Marco Armiliato, Adam Plachetka. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: GALAKONZERT DES JUNGEN ENSEMBLES am 26.6.2020

Eindrucksvolles Fest der Stimmen zum Saisonende und zum Abschied von Staatsoperndirektor Dominique Meyer

Von Manfred A. Schmid

Erstmals seit knapp vier Monaten steht das Staatsopernorchester wieder auf der Bühne der Wiener Staatsoper: Ein hoffnungsvolles Anzeichen dafür, dass der Opernbetrieb – nach den empfindlichen Einschränkungen infolge der Corona-Krise – allmählich doch wieder auf Touren zu kommen scheint. Zwar steht für die nächsten zwei Monate zunächst einmal die gewohnte Sommerpause auf dem Programm. Dennoch ist für die kommende Spielzeit – mit dem Amtsantritt des neuen Staatsoperndirektors Bogdan Roscic – Optimismus angesagt: Die Oper lebt und atmet jedenfalls wieder. Etwas zögerlich noch und weit entfernt vom Vollbetrieb. Es reicht gerade einmal für Arien, Duette und einen immerhin beinahe halbszenisch dargebotenen Ensembleauftritt. Es könnte aber durchaus sein, dass sich bald viele Opernliebhaber bald wieder nach den von Teilen der Kritik oft arg zerzausten Operndirektor sehnen werden. Das abschließende Galakonzert jedenfalls zeigt, dass „sein“ Ensemble mit zahlreichen herausragenden und hoffnungsvollen Kräften aufzuwarten hat, von denen einige in letzter Zeit bereits international für Aufsehen gesorgt haben, während das anderen für die Zukunft durchaus ebenfalls zuzutrauen ist. Es ist in der Tat ein vornehmlich junges Ensemble, das hier mit geballter Kraft zu einer Art Leistungsschau angetreten ist. Viele davon hat Meyer selbst im Laufe der Jahre entdeckt und engagiert, wie er in seiner Abschiedsrede nicht ohne Stolz hervorhebt. Dass auch ein paar Ladenhüter darunter sind, gehört wohl dazu. Dieses Galakonzert markiert nicht nur den Abschied des Operndirektors, sondern auch den vieler mehr oder weniger hoffnungsfrohen Sängerinnen und Sänger. Man darf gespannt sein, wer im Ensemble verbleibt und wohin es andere verschlagen mag. Deshalb ist an diesem Abend auch eine gute Portion Wehmut zu verspüren. Es dominiert aber vor allem die wiedergefundene Freude, dass es endlich weitergeht.

Der erste Teil vor der Pause – dass es eine Pause gibt, ist ebenfalls ein Anzeichen für langsam einsetzende Normalität – ist, wie es sich für das erste Wiener Opernhaus gehört, Mozart gewidmet. Adam Plachetka mit Don Giovannis „Fin ch’han dal vino“ und Chen Reiss mit „Se il padre perdei“ sowie Benjamin Bruns mit „Fuor‘ del mar“, beide aus Idomeneo, belegen mit ihren Auftritten, dass sie zu denen gehören, denen der Sprung in eine internationale Karriere bereits gelungen ist. Valeriia Savonskaias feinfühlig vorgetragene Arie der Fiordiligi „Temerari … Come scoglio“ aus Cosi fan tutte setzt ein kräftiges Zeichen für einen hoffungsvollen Neuzugang. 2019 gewann die russische Sopranistin den 38. Hans Gabor Belvedere-Wettbewerb und wurde erst vor einem Jahr Ensemblemitglied. Diese Sängerin möchte man gerne auch weiterhin öfter sehen und hören. Zukünftige Engagements führen sie in der nächsten Saison an die Deutsche Oper Berlin und an das Theater Dortmund. 


Adam Fischer, Valentina Nafornita. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Von geradezu überschäumender Spielfreude geprägt sind die folgenden Stücke aus Mozarts Le nozze di Figaro. Für Mai und Juni war die Mezzosopranistin Rachel Frenkel als Cherubino vorgesehen, eine Partie, in der sie bereits in München Aufsehen erregt hat. Die Aufführungsserie fiel dem Coronavirus zum Opfer. Ihr nunmehriger Auftritt mit „Non so più cosa son, cosa faccio“ zeigt, dass dem Wiener Publikum da etwas entgangen ist. Olga Bezsmertna („Dove sono“, Arie der Contessa d’Almaviva) und Svetlina Stoyanova („Voi che saptete, Arie des Cherubino) sind bereits so etwas wie Fixsterne am Opernhimmel, was auch für Valentina Nafornita gilt, die Susannas „Deh vieni non tardar“ mit Verve zum Funkeln bringt. Vor ihr hatte bereits Alessio Arduini als mit Leidenschaft und Schläue ausgestatteter Figaro (Aprite un po‘ quegli occhi“) seinen akklamierten Auftritt. Ein ausdrucksstarker Bariton, den man in den letzten Jahren leider viel zu selten auf der Bühne seines Wiener Stammhauses angetroffen hat. Fulminat beschlossen wird der Mozart gewidmete Programm-Block mit dem Finale des 2 Akts der nozze. Eine geballte Ladung spielstarker Kräfte im Einsatz: Bezsmertna, Carroll, Plummer, Plachetka, Kellner, Coliban, Ebenstein, Onishenko). Das ist schon sehr nahe am Opern-Vollbetrieb. Es fehlen eigentlich nur noch die Kostüme, so einsatzfreudig gehen sie ans Werk. Man kommt zwar längst nicht an das legendäre Wiener Mozart-Ensemble der 50er Jahre heran, ist in seiner Homogenität aber dennoch höchst erfreulich.

Nach der Pause dann ein Arienreigen, der die Vielfalt des Repertoires widerspiegelt, der aber auch Lücken offenlegt. Samuel Hasselhorns seelenvoll vorgetragene Arie „Wie Todesahnung … O du mein holder Abendstern“ und Tomasz Koniecznys aufrüttelnd klagendes „Die Frist ist um“ erinnern daran, dass in der Ära Meyer – außer dem alljährlichen  Ring –  Wagner ziemlich stiefmütterlich behandelt worden ist: Tannhäuser, Tristan und Isolde, Die Meistersinger – allesamt Fehlanzeigen.

Zuvor zwei Highlights des Abends: Josh Lovell, ebenfalls erst seit 2019/20 Ensemblemitglied und bisher nur als Lysander in Benjamin Brittens A Midsummer Night’s Dream in Erscheinung getreten, zeigt mit der Arie „Ah, mes amis“ des Tonio aus „La Fille du régiment“ was für einen strahlend hellen Tenor er hat. Die gefürchteten Höhen bewältigt er mit Bravour. Hoffentlich sieht und hört man auch ihn möglichst bald wieder! Aus Donizettis La Fille stammt auch die Arie der Marie „Salut à la France“. Daniela Fally lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, mit ihren darstellerischen Fähigkeiten und auch gesanglich zu brillieren.

Auf das von Ileana Tonca und Margaret Plummer höchst innig gestalteten „Abendsegen“ aus Humperdincks Hänsel und Gretel, das im Nachspiel auch dem Staatsopernorchester unter der Leitung von Adam Fischer die Chance bietet, sich klangmalerisch fein nuanciert zu entfalten, folgt ein Gustostück erster Güte: Michael Laurenz bietet als Frantz in „Jour et nuit“ aus Offenbachs Les Contes d‘Hoffmann ein köstlich komödiantisch aufbereitetes Vergnügen, was den Wusch aufkommen lässt: Möglichst viel mehr Laurenz in den nächsten Saisonen!

Komödiantisch und recht ausgelassen geht es im folgenden Duett „Al Capricci“ aus Rossinis L’Italiana in Algeri weiter. Margarita Gritskova und Orhan Yildiz sind trotz ihrer Jugendlichkeit ausgeprägte Sing-Schauspieler von Format und bestens aufeinander eingestellt. Zu den vielversprechenden Entdeckungen von Direktor Meyer gehören auch Mariam Battistelli und Jinxu Xiahou. Die Mezzosopranistin Battistelli ist zuletzt als Musetta in der Boheme aufgefallen. Mitr so nachhaltigem Einbdruck, dass sie mit deren Prachtnummer „Quando me’n vo“ auch jetzt dabei ist, während der vielseitige Tenor Xiaho mit der Arie „Ella mi fu rapita“ des Herzogs aus Verdis Rigoletto zu punkten versteht.

Den abschließenden Programmteil leiten drei Verdi-Arien ein, dirigiert vom sichtlich gerührten Dirigenten Marco Armiliato,  der an diesem Abend vornehmlich für das italiensche Fach zuständig ist und sich mit seinem Kollegen Adam Fischer – beide sind  Ehrenmitglieder des Hauses – abwechselt. Anita Hartig singt „Pace, pace“ aus La forza del destino, Szilvia Vörös mit „O don fatale“ aus Don Carlo und Jongmin Park „Come dal ciel precipita“ aus Macbeth. Hartig und Park festigen mit ihren Auftritten ihren Ruf als langjährige und vielfach bewährte Stützen des Hauses. Szilvia Vöros ist ein Neuzugang und bisher eher in unterstützenden Rollen, u.a. als Dienerin (Frau ohne Schatten), Dame (Zauberflöte) und Elfe (Rusalka) in Erscheinung getreten. Für die kommende Saison ist sie aber bereits als Mercedes in der Carmen angekündigt.

Den glanzvollen, wenn auch stimmlich nicht ganz ausgewogenen Schlusspunkt setzt die Schlussfuge „Tutto nel mondo è burla“ aus Verdis Falstaff, in der neben vielen schon oben genannten Künstlerinnen und Künstlern auch noch Stephanie Houtzeel, Zoryana Kushpler, Clemens Unterreiner, Leonard Nacvarro, Bendikt Kobel und Ryan Speedo Green mitwirken.


Überreichung der Ehrenmitgliedschaft. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Auf den mit nur 100 Personen im Parterre nicht gerade lautstarken Applaus folgt keine Zugabe, sondern ein Schlussakt mit der Überreichung der Ehrenmitgliedschaft des Hauses an den scheidenden Direktor Dominique Meyer sowie an den noch bis Jahresende wirkenden Kaufmännischen Direktor, Thomas Platzer. Dominique Meyer zieht eine Bilanz seiner Amtszeit, verabschiedet sich dankbar von seinem Team und dem Publikum und verspricht, weiterhin als Botschafter für Wien wirken zu wollen. Freude und Wehmut. So soll es auch sein.

Manfred A. Schmid

 

KÖLN / Wallraf-Richartz-Museum: Carlo Carlone nach Schloss Brühl nun im Wallraf-Richartz-Museum

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Carlo Carlone nach Schloss Brühl nun im Wallraf-Richartz-Museum

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger


Foto: Andrea Matzker

Carlo Carlone entstammte der Künstlerfamilie Carlone. Er wurde in Scaria als Sohn des Baumeisters, Bildhauers und Stuckateurs Giovanni Battista Carlone geboren und ist auch dort 1775 gestorben. Er ist ein Wegbereiter des Rokoko mit seinen farbig bewegten Fresken und Altarbildern. Nachdem er in Deutschland und Österreich viele Werke geschaffen hatte, kehrte er in reiferen Jahren nach Oberitalien zurück, wo er noch eine große Anzahl von Arbeiten hervorbrachte. (Quelle: Wikipedia)

wer kennt nicht die himmlischen Deckengemälde von Schloss Brühl bei Köln! Es sind einige der vielen Meisterwerke von Carlo Innocenzo Carlone (1686-1775), dem bis jetzt noch nie eine Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum gewidmet worden war. Lediglich im Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1975 wurde ein Teil davon präsentiert. Prof. Dr. Joseph Matzker hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dank seines profunden Wissens um die Materie, seiner Kenntnis aller bedeutenden dementsprechenden Literatur, aber auch dank der vielen interessanten Bekanntschaften im professionellen Kunstbereich, auf dem darauf spezialisierten Auktionsmarkt und im diesbezüglichen Antiquitäten-Fachhandel.

Sein eigenes Wissen kam nicht von ungefähr. Als Sohn des Malers und Kunst-Oberstudienrates Alfred Matzker und aus einer Familie stammend, die hauptsächlich aus Kirchenmusikern, Organisten und Architekten bestand, verdiente er sich sein Medizinstudium in St. Gallen und Heidelberg ausschließlich durch Auftritte als Musiker, darunter als Organist, Pianist, Cembalist, Pauker, Cellist, Dirigent, Sänger, auch in solistischen Rollen, wie zum Beispiel dem Osmin in der Entführung aus dem Serail, Komponist, Maler und Theaterdirektor. Dies alles – wohl bemerkt – neben seinem Medizinstudium, ohne jegliche Hilfe von den Eltern und, was viele nicht wissen, da sie es kaum bemerkten, mit nur einem Bein, da er als Jugendlicher auf eine Mine getreten war und auf grausame Weise sein Bein verloren hatte. Aus diesem Grund konnte er, wie er selbst sagte „kein ordentlicher Organist mehr werden“ und studierte daher Medizin. Er war im Übrigen selbst ein medizinisches Phänomen, denn er besaß das absolute Gehör in Verbindung mit Musik-Farben-Synästhesie und olfaktorischen Zweitempfindungen. Seine eigenen Kompositionen wurden von Elly Ney in Konzerten gespielt und im Rundfunk als Beispiel von großartiger Komposition der Orgelmusik zu Gehör gebracht. Wenn man seinen Beruf als Universitätsprofessor und HNO-Chefarzt eines großen Städtischen Krankenhauses ernst nimmt, hat man, wie sich jeder denken kann, normalerweise wenig Zeit für Anderes. Daher stand er jeden Morgen in seinem Leben um 5:00 Uhr auf, spielte mindestens eine halbe Stunde lang Konzerte von Bach, Telemann und Händel an Orgel und Cembalo, las den gesamten Corriere della Sera auf Italienisch von vorn bis hinten durch, ebenso wie die Hauszeitung FAZ. Er leistete sich keine Restaurantbesuche, teures Essen oder Weine, Markenkleidung, Nobelautos oder Luxusreisen, sondern erlaubte sich lediglich zweimal im Jahr für jeweils maximal drei Wochen nach Italien, zuletzt Umbrien, mit dem Auto zu reisen, wo er Kirchen, Kunsthändler und seine Freunde besuchte und mit seiner Frau in einer einfachen Pension aß und übernachtete. Er besaß nicht mal eine Krawatte. Zu seinen Freunden gehörten Anna Moffo, Michelangelo Antonioni und Emilio Vedova, um nur einige zu nennen.

Er hat sämtliche großen Barockorgeln Deutschlands, Österreichs und Italiens gespielt, organisierte die Konzerte der Westdeutschen HNO-Ärzte und besaß neben vielen anderen Instrumenten selber drei Barockorgeln. Eine davon, die er persönlich aus Eisenach nach Deutschland gebracht, abgebeizt und bemalt hatte, war bekannt dafür, dass Joseph Haydn auf ihr gespielt hatte. Einladungen schlug er kategorisch aus, und auf Gesellschaften ging Prof. Matzker so gut wie nie, wenn, dann lud er auf sehr herzliche Art und Weise Gäste zu sich nach Hause zu Hauskonzerten ein. Er galt selbst in Kunst-Fachkreisen als einer der besten Kenner der diversen Tiepoli, Carlo Carlones und all ihrer bedeutenden und auch weniger bekannten Zeitgenossen, so dass er oft abends angerufen wurde von Spezialisten aus Italien oder Amerika, die sich seinen Rat bezüglich eines Bildes, einer Zeichnung oder einer Skulptur einholen wollten. Nachdem er abends um 19:30 Uhr die Südwestfunk-Nachrichten gehört hatte, setzte er sich regelmäßig bis ca. 22:00 Uhr an einen Riesenstapel Kunst- und Auktionsbücher und schrieb ausführlich Tagebuch. Einen Fernseher gab es in seinem Haus nicht. Stattdessen las er zum Beispiel mit großer Freude das gesamte Werk Theodor Fontanes. Um also allein schon eine solch kleine bzw. übersichtliche Sammlung, wie sie jetzt im Wallraf ausgestellt ist, zusammenzutragen (und dies ist nur ein winziger Teil der gesamten Sammlung), vermag es auf diesem Spezialgebiet Jahrzehnte, vor allem aber eine immerwährende und fortlaufende, tiefe Begeisterung. Dies nur als Ergänzung zu dem Vortrag, den Michael Venator aus Anlass der Dauerleihgaben Prof. Matzkers an das Wallraf-Richartz-Museum hielt. Da die Sammlung auf der Basis dieser brillanten und charismatischen Persönlichkeit gewachsen ist, die ohnehin in Köln allein schon als hervorragender Arzt bekannt genug ist und im Laufe seines Wirkens tausenden von Menschen das Leben gerettet hat, sollten auch diese Facetten beleuchtet werden. Prof. Matzker erhielt das Bundesverdienstkreuz durch Bundespräsident Karl Carstens überreicht, eine persönliche Papst-Audienz bei Johannes Paul II., wurde unter anderem für seine Erfindung des Künstlichen Speichels ausgezeichnet und trug verschiedene Ehrentitel Italiens.

Die Sammlung wird bis zum 6. Dezember 2020 im Barock-Geschoss des Wallraf-Richartz-Museums gezeigt.

 


Carlo Carlone-Ausstellung. Foto: Andrea Matzker


Carlo Carlone. Aktstudie. Foto: Andrea Matzker


Carlo-Carlone: Darbringung Jesu im Tempel. Foto: Andrea Matzker


Carlo Carlone: Die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Foto: Andrea Matzker


Carlo Carlone: Kreuzabnahme. Foto: Andrea Matzker


Carlo Carlone: Martyrium des Hl. Felix und Hl. Adauctus. Foto: Andrea Matzker


Carlo Carlone: Triumpf des Heiligsten Altarsakraments. Foto: Andrea Matzker

MÜNCHEN/Gärtnerplatztheater:  Late Night – Swing-/Jazz – Klassiker

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MÜNCHEN/Gärtnerplatztheater:  26. Juni 2020 Late Night – Swing-/Jazz – Klassiker:

„Genial ist er noch nicht, der Maxímilian Mayer, auch nicht ausgebufft – aber sonst …!“

Einlassungen von Tim Theo Tinn:

Ankündigung:  Soloabend , sonst Tamino, Ferrando, Camille de Rosillon oder Knusperhexe, nachts einmal jazzig,  Klassiker  Swing- und Jazz, »Fever«, »Ain’t No Mountain High Enough«, »Cry Me A River«, »Crazy Little Thing Called Love« u.a.  George Gershwin, Carole King, Billy Paul, Roger Cicero u.a.! (Welthits)

Maximilian Mayer und Florine Schnitzel »Special Guest« (erinnert TTT an die junge Liza Minnelli)

Andreas Partilla, Klavier/musikalische Leitung

Stefan Telser, Kontrabass

Markus Steiner, Percussion

22 Uhr Beginn, das muss man wollen – alle wollten. Maximales Auditorium ausverkauft, ausgebucht, der oder das Event wurde mit Verve vernascht! Rhythmische Applauskaskaden, Manche tanzten (Platz war da, Sicherheitsabstand auch), Zugaben durch Jubel und Beifall, der „Bär“ war los, geweckt von 2 unbändigen jungen Talenten plus 3 Mann – Band.

Es war gut bis sehr gut – aus einem Guss. Musiker, Maximilian und Florine haben das, was sie tun „im Blut“! So weckt musikalischer Vortrag verinnerlichten Enthusiasmus, das nennt man dann Begeisterung aus Seelentiefen – die Stunde wird zum Moment.

Damit endet die Rezension – eigentlich. Darf man auch mal über den „Verehrungsmichel“ hinaus … keine Kritik – aber Gedanken …?

Ein kleiner Schritt zur Genialität, …? TTT sieht bei Mayer und Schnitzel (schönes Wortspiel) ein seltenes Potenzial. Aus dem Blick blieben sie unter ihren Möglichkeiten. Sie singen, tanzen – sind auf der Bühne im besten Sinne professionelle Könner – singulär und wenn sie dann noch authentisch Individuelles entwickelten?

Unterschwellige Avancen zum Publikum lauteten: „Na, gefall ich Euch?“ Der Protagonist biedert sich an, macht sich zum singenden Dienstleister. TTT’s Vorschlag: „Leute, Ihr gefallt mir! Ich zeig Euch noch Erbebendes!“ Der Dienstleister wird abgelegt, selbstbewusster Sympathieträger bleibt.

Das hat Parallelen zur Queen auf dem Klo! Fred Rai (Western-Sänger/-Reiter) mit dem TTT häufiger zu tun hatte, sagte bei jedem Auftritt (auf dem Pferd): „Leute, Ihr seid das beste Publikum meines Lebens, ich hatte noch kein besseres!“

Die Stimmen sind ausgezeichnet – gehen weit über Horizonte – und: es bleibt der etwas stereotype Eindruck eines Tenors der U singt und einer sehr guten Musical-Stimme, sie sind noch nicht unverwechselbar. Die Timbres, die charakteristischen Klangfarben und damit der Wiedererkennungswert könnten ausgeprägter sein.

TTT hat Anfang April d. J. zu dem Thema im Feuilleton Online Merker geschrieben (Keilbeinhöhle etc.). Das ist nicht allgemeingültig, hängt immer von individueller Technik und von Lehrern ab.

Grundsätzlich bleibt aber die Beobachtung, dass individuelle Timbres in alles Genres immer mit dem Weg durch die Register in den Schädelhohlräumen zu tun hat. Je schmaler diese Wege (nur vertikal) sind, desto geringer wirken eigene Klangfarben (s. Netrebko, Pavarotti, Domingo, Weikl usw.) Der Aufschwung über horizontale Wege könnte …

Mit den Welthits/Klassikern hat man sich eine Bürde, eine Hypothek geschaffen. Auch der geneigte Zuhörer hat außerordentliche Erinnerungen. So zeichnen junge Talente ihren zukünftigen Weg. („Wenn ihr das schon singt, dann folgt dem Außerordentlichen, die Ausstattung hat der „liebe Gott“ Euch gegeben!“)

… und bei dem Sujet: ein wenig Dreck, Schmutz, unanständig Verrauchtes statt „Doris Day-Reinheitsgebot“ – wäre „scho schee“ oder „schee scho“? (nur für Bayrische?) Und etwas Personenführung bei Konzerten im U-Bereich durch Dritte ist durchaus üblich – hier noch nicht angekommen.

@Alexander Moitzi                          @ Marlene Fröhlich

Fotos der Protagonisten heute erst zum Ende. TTT staunt über nette Fotos aus dem Familienalbum. Das ist also das Marketing zukünftiger Weltstars? Das sollte man dringend ändern, der Weltstar – Nimbus ist sofort nötig. (Als Karajan in Aachen noch nix war, trat er immer schon als sein eigener Sekretär auf!)

Dabei kann ich die Gärtnerplatz – Fotografen nicht empfehlen, da wurde TTT in den letzten Jahren nur enttäuscht.

Toi, Toi, Toi zu Großem!

Tim Theo Tinn 28.6.2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse) – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

STUTTGART/ Hospitalhof: Internationale Bachakademie Stuttgart

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Internationale Bachakademie Stuttgart am 27. Juni 2020 im Hospitalhof/STUTTGART

Mit hymnischen Schwung

Von Johannes Brahms erklangen zunächst die „Liebeslieder Walzer“ op. 52 für gemischten Chor und Klavier zu vier Händen, wo die Gaechinger Cantorey zusammen mit Sabine Layer und Manon Parmentier (Klavier) unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann den romantischen Impetus subtil herausarbeitete. Bei „Rede Mädchen, allzu liebes“ und „Am Gesteine rauscht die Flut“ zeigte sich einmal mehr die voluminöse Klangfülle dieses Chores, dessen Kantilenen eine große Schwungkraft besaßen. Auch barocke Assoziationen und lyrische Passagen ragten bei „Wie des Abends schöne Röte“ oder „Ein kleiner, hübscher Vogel“ deutlich heraus. Vor allem die rhythmischen Akzente erreichten hier eine präzise Intensität. „Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten“ geriet aufgrund der ausgeprägten Charakterisierungskunst des Chores zu einem akustischen Höhepunkt, der sich bei den weiteren Nummern „Vögelein durchrauscht die Luft“, „Sieh, wie ist die Welle klar“, „Nachtigall, sie singt so schön“ oder „Ein dunkeler Schacht ist Liebe“ konsequent fortsetzte. „Es bebet das Gesträuche“ gefiel außerdem durch seine feine, sensible Harmonik mit ihren verschiedenartigen Stimmungsbildern. Von Felix Mendelssohn Bartholdy erklang anschließend aus „Sechs Lieder im Freien zu singen“ op. 48 die Stücke „Die Primel“, „Frühlingsfeier“ und „Morgengebet“, wo die Gaechinger Cantorey unter Rademann den thematischen Reichtum betonte. Die Differenzierung des Empfindsamen und der spezifisch romantische Sinn für das Malerische sowie die Neigung zur Schilderung von phantastischen Vorgängen gehörten zu den besonderen Vorzügen dieser Interpretation. Bei den „Sechs Liedern im Freien zu singen“ op. 59 von Mendelssohn Bartholdy war die Gaechinger Cantorey unter Rademann dann ganz in ihrem Element. Hier triumphierte die kontrapunktische Verfeinerung des empfindsamen Stils bei den einzelnen Nummern „Im Grünen“, „Frühzeitiger Frühling“, „Abschied vom Wald“, „Die Nachtigall“, „Ruhetal“ und „Jagdlied“. Vor allem die Natürlichkeit des Ausdrucks wurde von Rademann und seinem konzentriert agierenden Ensemble sehr gut herausgearbeitet. So kam es bei diesem Freiluftkonzert im Rosengarten des Hospitalhofs wieder zu einer optimistischen Begegnung nach vier Monaten Corona-Quarantäne.

Alexander Walther

Film: UNDINE

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Filmstart: 1. Juli 2020
UNDINE
Deutschland / 2020  
Drehbuch und Regie: Christian Petzold
Mit: Paula Beer, Franz Rogowski, Jacob Matschenz u.a.

Die Situation wirkt auf den ersten Blick völlig normal und alltäglich. Ein Paar sitzt sich an einem Wirtshaustisch gegenüber. Eindeutig: Sie streiten. Die Frau zankt, der Mann ist genervt. Der Ton eskaliert, sie bedroht ihn, ziemlich ernsthaft sogar („Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten!“). Er geht trotzdem weg. Dergleichen kommt vor.

Aber die junge Frau, die man hier kennen lernt, so hübsch-sympathisch, gewissermaßen normal, ihr Gesicht auch sein mag, ist nicht wie alle anderen. Regisseur und Drehbuchautor Christian Petzold begibt sich auf eine schwankende Erzählebene, die Realität und Mythisch-Mystisches vermischt. Undine, das Wasserwesen, als Heldin zum Auftakt einer Trilogie, die Petzold über Geschöpfe der Romantik plant, Luft- und Erdgeister sollen folgen… Vielleicht greifen dann die verschiedenen Welten überzeugender in einander als diesmal.

Liebhaber Johannes (Jacob Matschenz) ist also weg, aber Undine hat auch einen Beruf. Sie führt Gruppen in die Geschichte der Stadt Berlin ein. Diejenigen unter den Kinobesuchern, die es interessiert, werden fasziniert sein von dem, was sie da erfahren (und es erstaunt, welch großen Raum der Regisseur immer wieder diesen Passagen der Handlung zubilligt). Wen es nicht interessiert, der wird natürlich Gefahr laufen, wie in der Schule bei einer trockenen Geschichtsstunde einfach wegzudämmern… Also, man weiß: Undine hat einen Beruf.

Aber glücklicherweise begegnet die verlassene, unglückliche Frau fast sofort dem nächsten Mann, und dieser Christoph – gemeinsam fallen sie ungeschickt in ein Aquarium, das in Brüche geht und sich ergießt – ist ihr näher. Taucher von Beruf, auch ein Mann des Wassers, ein schlichtes Gemüt, den ihre Bildung und Klasse beeindrucken.

So könnte die Geschichte der kleinen „Flußjungfrau“ (in Berlin hat man einfach nur die Spree zur Verfügung) ganz gut gehen, aber das haben die „Cross-Over-Magische-Welten“-Geschichten ja konstitutionell nicht in sich. Da muss ja immer etwas schiefgehen. Da kommt Johannes, zurück, enttäuscht von der anderen Frau, für die er Undine verlassen hat, da missversteht Christoph die Situation, Eifersucht und Rivalität, und solche Geschichten verlangen ihre Opfer, Menschenopfer, oder auch das Nixen-Selbstopfer, und dazu kommt es auch hier, tragisch, wenn auch ziemlich verwirrend, möglicherweise absichtsvoll unklar.

Es scheint, der Regisseur verfahre nach dem Motto: Muss es auf der „Märchenebene“ logisch zugehen? Und, vor allem: Müssen Nixen immer im romantischen Rhein plätschern, oder dürfen sie auch über dunkle Stauseen in unsere Welt und unsere Vorstellungen gleiten? Nein, so richtig überzeugend ist das leider nicht.

Angesichts von Petzolds Ruf hat der Film viel Lob erfahren – schließlich hat er sich mit „Yella“ und „Barbara“ (beide mit Nina Hoss) als interessanter Filmemacher präsentiert. Sein letzter Film „Transit“ (2018) hatte dieselben Hauptdarsteller wie diese: die derzeit erst 25jährige Paula Beer und Franz Rogowski, beide unschlagbare Charismatiker vor der Kamera.

Mit Paula Beer kann man alles machen, von der Karrierefrau in der „Bad Banks“-Serie bis zum rätselhaften Wasserwesen, das der Jury bei der Berlinale 2020 den Silbernen Bären wert war, mehr als verdient, denn sie trägt den Film mit Rätselhaftigkeit und Verletzlichkeit. Letztere zeichnet auch Franz Rogowski aus, obwohl optisch eher grobschlächtig, aber immer kompliziertes Seelenleben vermittelnd und Interesse und Anteilnahme erzeugend Es ist nicht das erste Mal, dass Schauspieler ein Drehbuch, vielleicht auch einen Regisseur retten.

Renate Wagner

Linz: „DIE TÜR ZUR ZUKUNFT“ – Verabschiedung und Konzert am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal

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Tommaso Lepore, Katharina  Müllner, Etelka Sellei, Rafael Helbig-Kostka, Svenja Isabella Kallweit, Florence Losseau, Timothy Connor. Foto: Petra und Helmut Huber

Linz: „DIE TÜR ZUR ZUKUNFT“ – Verabschiedung und Konzert am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 28. 06.2020

  1. Sonntags“foyer“ der Freunde des Linzer Musiktheaters in Zusammenarbeit mit dem Landestheater Linz und der Anton Bruckner Privatuniversität

Landestheater-Intendant Hermann Schneider hat eine postgraduelle Ausbildung von Sängerinnen und Sängern an mehreren früheren Wirkungsstätten in verschiedenen Positionen erlebt und geleitet; allerdings war er dabei seitens der jeweiligen Intendanz angehalten, die jungen Kräfte nicht unbedingt so einzusetzen, wie es ihm richtig erschien. Ein wichtiges Anliegen seiner Amtsübernahme in Linz war daher, ein Opernstudio zu installieren, wie es ihm – und Gregor Horres, der mit dessen Leitung betraut wurde – vorschwebte: für (fast) absolvierte Sologesangsstudierende, die nicht als billige Nebenrollen-Ergänzungskräfte des Ensembles dienen, sondern eigene Produktionen von Grund auf erarbeiten können; keine stimmliche Überforderung, der Einsatz in Produktionen an der großen Bühne nur mit Vorsicht; begleitende Hochschulbetreuung im Gesangsfach, workshops, Organisation von Meisterkursen.


Katzenaugen: Florence Losseu und Timothy Connor. Foto: Petra und Helmut Huber

Für die nunmehr zweite Auflage dieses Kurses waren im Frühjahr 2018 sechs Damen und Herren ausgewählt worden: Bariton Timothy Connor, Sopran Svenja Isabella Kallweit, Tenor Rafael Helbig-Kostka, Bassbariton Philipp Kranjc, Mezzo Florence Losseau und Etelka Sellei, Sopran. Diese erarbeiteten an der „Kammerbühne“ Black Box Produktionen durch viele Stilepochen wie „Il Matrimonio Segreto“ von Domenico Cimarosa, „The Transposed Heads“ von Peggy Glanville-Hicks bis zum „Alphabet der Welt“, ein Auftragswerk des Linzer Komponisten Peter Androsch. Auch eine Operette wurde (zum großen und allseits geteilten Vergnügen der Studiomitglieder) erarbeitet – „Die Polnische Hochzeit“ von Joseph Beer. Einzelne Verpflichtungen für diese sechs gab es auch in ebenfalls im kleinen Rahmen gestalteten Produktionen der Raritätenserie „Oper am Klavier“ und bei Aufführungen im Großen Haus; in Protagonistenrollen waren hier Frau Losseau in „Clemenza di Tito“ (Annio) und Herr Helbig-Kostka in der „Entführung aus dem Serail“ (Pedrillo) – mehr als zufriedenstellend – zu erleben. Davon abgesehen gab es im Laufe der zwei Jahre auch einige Preise und Nominierungen.

Natürlich wurden die Pläne dieser Ausbildung – eine Woche nach der vergnüglich gelungenen Cimarosa-Premiere – durch die Coronakrise schmerzlich, um nicht zu sagen brutal, beschnitten. Aber ein grooooßes und nicht nur künstlerisch höchst wertvolles Trostpflaster gab es: die „Freunde des Musiktheaters“ ermöglichten einen speziellen Meisterkurs bei KS Brigitte Faßbaender!

Was auch immer geschah – zum guten Ende kommt alles unter einen Hut; dieser wurde zum Abschied gezogen von Opern-Chefdramaturg Christoph Blitt, mit Unterstützung von Intendant Hermann Schneider, Vizerektor Thomas Kerbl und Dozent Robert Holzer.

Und es wurde von allen musikalisch verbrämte Rückschau gehalten; nur Herr Krajnc ließ sich mit sehr guter Begründung entschuldigen – an dem Wochenende stand die Geburt seines Kindes an! Begleitet wurden die Damen und Herren am Klavier von den leider das Engagement in Linz verlassenden Katharina Müllner und Tommaso Lepore – letzterer wird ab Herbst an der Wiener Staatsoper korrepitieren.


Ensemble. Foto: Petra und Helmut Huber

Herr Helbig-Kostka demonstrierte seinen eleganten lyrischen Tenor mit Pedrillos „Frisch zum Kampfe“, gefolgt von Etelka Sellei mit einem gelungenen Zitat aus den Transposed Heads. Aus der Oper „Clytemnestre“ von André Wormser trug Frau Kallweit überzeugend eine dramatische Arie vor, Frau Losseau brachte die Arie des Annio – auch heute wieder hervorragend interpretierter Mozart, aus einer sonst nicht makellosen Produktion. Timothy Connor schließlich ließ seinen bestfundierten Bariton mit einem Ausschnitt aus Brittens „Lucretia“ hören – auch im Großen Saal ein tragfähiger Genuß! Dazwischen gab es einige sehr informative Gespräche mit Intendant, Opernstudiochef und den Gästen und Studiomitgestaltern von der Bruckner-Uni.


Timothy Connor. Foto: Petra und Helmut Huber

Auch KS Brigitte Geller wird ihr Engagement in Linz beenden, aber für Gastrollen zurückkehren; ihre Mitarbeit an der Ausbildung der Studiomitglieder wurde ebenso gewürdigt wie ihre großartigen Auftritte z. B. als Kaiserin in der „Frau ohne Schatten“ in der vorletzten Spielzeit.

Nicht ganz überraschend war, nach Überreichung der Diplome und eines speziellen Souvenirs von Brigitte Fassbaender, als flotter und vergnügter Rausschmeißer „Katzenaugen“ aus der „Polnischen Hochzeit“ programmiert, mit ansteckend guter Laune präsentiert von Florence Losseau und Timothy Connor, mit den anderen drei Absolventen als Chor, die beiden Korrepetitoren zu vier Händen am Steinway.

Pressemeldungen bzw. während dieser Matinee Gesagtem zufolge sind die Studiomitglieder schon engagiert – u. a. wird Frau Losseau im Herbst, so Corona will, eine große Rolle in Lyon übernehmen, und Herr Helbig-Kostka hat einen Vertrag für Meiningen.

 

Petra und Helmut Huber

attitude: A short Talk with Jakob Feyferlik (principal, Vienna State Ballet)


Zehn Jahre Chef des Wiener Staatsballetts: Ein positiver Rückblick auf Manuel Legris

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Zehn Jahre Chef des Wiener Staatsballetts: Ein positiver Rückblick auf Manuel Legris

Es sind erfolgreiche zehn Saisonen künstlerischer Arbeit für das Wiener Staatsballett gewesen. Auf den Bühnen von Staats- und Volksoper hatte es in diesem Jahrzehnt immer wieder gefunkelt. Angefacht durch Manuel Legris und von den TänzerInnen der Kompanie mit all deren Begabungen weitergereicht. Das große Ensemble ist von seinem von der autoritären Balletterziehung an der Pariser Oper geprägten Chef enorm gefordert worden, musste sich als eine Leistungsgesellschaft bewähren. Tänzerischer Glanz, hart erarbeiteter Glanz, nicht aber Glamour – so könnte es rückblickend vielleicht zu beurteilen sein.  

„…. es war keinesfalls so schlimm!“ Nun, so hat sich Legris nicht über seine Jahre in Wien geäußert, sondern zur zuletzt aufgekommenen wie von der Presse gern aufgenommenen Problematik mit den Methodiken der Ballettakademie der Österreichischen Bundestheater. Es ist auch keinesfalls übermäßig schlimm gewesen. Eigentlich normal: Kein Honiglecken sind heute für hoffnungsfrohe Kinder solche fordernden Jahre der Ausbildung. Und wie wir immer wieder mitverfolgen können: Den wenigsten von ihnen ist dann auch die Möglichkeit gegeben, ihre jugendliche Träume und Wünsche im Berufsleben, auf großen Bühnen auszukosten. Oder zu erdulden: Im Wechsel zur neuen Ballettdirektion unter Martin Schläpfer hat es sehr wohl mehrere arbeitsgerichtliche Prozesse gegeben – und einige der zahlreichen ausgesprochenen Kündigungen mussten auch zurück genommen werden.

Um die Ballettschule der Staatsoper hatte sich Legris allerdings nur beschränkt gekümmert. 2010 nach Wien gekommen, konnte er die meisten seiner heute auch noch weiterhin engagierten Leistungsträger – feine, sich voll hingebende TänzerInnen, die von seinem Vorgänger Gyula Harangozó als noch junge Talente überwiegend aus den Oststaaten nach Wien geholt wurden – übernehmen. Besonders Österreicher-freundlich oder aufgeschlossen gegenüber weniger integrierte Personen schien Legris nicht zu sein. Doch die beiden jungen Wiener Natascha Meier und Jakob Feyferlik wurden voll gefördert und sind zu perfekten Ersten Solisten aufgestiegen. Legris´ strenges Regime hat seine Früchte gezeigt, und das Renommee der Ballettkompanie vermochte auch jenes des Sängerensembles der Staatsoper zu überstrahlen. 

Nicht gern wird darüber gesprochen, doch Realität ist, dass nur diese Kompanien in die Geschichte des Tanzes eingegangen sind, in denen stilbildende Choreographen wirken und schöpferisch aufbauen konnten. Stark ausgeprägt im 20. Jahrhundert – Balanchine, Cranko, Bejárt, einige mehr. Solche Namen haben in den letzten Jahrzehnten prägend nachgewirkt. Und auch die Fähigkeiten einer heutigen Choreographenriege, weltweit, mit wendiger Bewegungsphantasie die geschmeidigen Körper der Tänzer einzusetzen, sind immer wieder bewunderswert. So ist es auch mit den neuen Tanzkreationen in Wien gewesen. Gut gemacht, im Profil aber doch auch wieder zu leicht auswechselbar.

Legris zählt nicht zu Direktoren mit echter Kreativkraft. Bestens geglückt ist ihm jedoch sein allererster choreographischer Versuch, alte Balletthistorie mit gepflegter konventioneller Attitude neu zu beleben. Sein spektakulärer „Le Corsaire“ (Pariser Oper, 1856) bietet Liebhabern dieses üppigen Genres reines Vergnügen. Und auch mit seiner zweiten choreographischen Arbeit, Leo Delibes´ „Sylvia“, ist ihm mit Hilfe der beschwingt melodiösen Musik ein gelungenes Schaustück geglückt.     

Das Wiener Staatsballett hat sich in diesen zehn Jahren in der Staatsoper sowie in der Volksoper immer wieder mit Bestleistungen auszuzeichnen vermocht. Wiederholt zu hören ist jetzt, dass Wien nun zu einer Ballettstadt geworden ist. Gut so – doch Kunst ohne Augenmerk auf eigenes junges Blut? Scheint in der derzeitigen österreichischen Kulturpolitik eher nebensächlich eingeschätzt zu werden. Das Augenmerk ist auf einen positiven Kassenrapport gerichtet. Und Manuel Legris hat das Wiener Opernballett zu einem gut verkäuflichen Kulturgut gemacht.

Meinhard Rüdenauer

DRESDEN/ Semperoper: Dresden/Semperoper: NEUBEGINN DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN NACH DER CORONA-KRISE MIT EINEM „AUSSERORDENTLICHEN AUFFÜHRUNGSABEND“

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Dresden/Semperoper: NEUBEGINN DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN NACH DER CORONA-KRISE MIT EINEM „AUSSERORDENTLICHEN AUFFÜHRUNGSABEND“ ‑ 28.6.2020

 Nach der Semperoper startete nun auch die Sächsische Staatskapelle Dresden in der Reihe „Aufklang!“ einen Neubeginn nach der Corona-Krise mit einem „Außerordentlichen Aufführungsabend“, außerordentlich, weil außerhalb des ursprünglichen Programmes und aus außergewöhnlichem Anlass – aber auch in außerordentlich guter Qualität. Infolge der Corona-Krise war auch die Staatskapelle gezwungen, alle, mit Spannung erwarteten, Symphoniekonzerte, Kammerabende, „Kapelle für Kids“ usw. abzusagen. Jetzt keimt mit diesem ersten Konzert wieder Hoffnung.

Wie dieser Abend zeigte, hat sich die Kapelle ihren spezifischen „silbernen“ Klang bewahrt. Die Musiker, die sich bis zu äußerster Hingabe für die großen Orchesterwerke engagieren, haben sich ihre Sensibilität auch für Kammermusik und Kammerorchesterwerke erhalten. Sie gestalteten einen kleinen, aber feinen Abend von etwa einer Stunde mit abwechslungsreichem Programm zu einem klangschönen Ereignis. Eröffnet wurde er mit festlichen (Blech‑)Bläserklängen. Bei der fünfminütigen „Trumpet Sonata in D‑Dur“ (Z.850) von Henry Purcell, bearbeitet für zwei Trompeten und Blechbläser (Horn, Posaune, Tuba) von Frederick Mills, die möglicherweise eine von Purcell selbst umgearbeitete Ouvertüre zu seiner verlorengegangenen Oper „Light of the world“ darstellt, war das kongeniale Zusammenwirken der Musiker trotz gefordertem Abstand von 1,50 m perfekt. Mit strahlendem Glanz führte die erste Trompete die Bläsergruppe an und brillierte mit exakt geblasenen, souveränen Verzierungen.

Danach erschienen 17 Streicher, die Matthias Wollong, Erster Konzertmeister der Staatskapelle, von der Violine aus leitete. Aufgeführt wurde die „Italienische Serenade G‑Dur für Streichorchester“ von Hugo Wolf, eine Hommage an Joseph von Eichendorff – wie eine ironische Ständchen-Szene voller scherzhafter Anspielungen, ursprünglich für Streichquartett konzipiert und in nur drei Tagen komponiert. Nach dem festlichen Bläserglanz wirkte die Komposition allerdings etwas „spröde“.

Voller Poesie und Klangschönheit präsentierte Wollong danach als Solist das „Konzert für Violine und Streichorchester d-Moll“, das der dreizehnjährige hochbegabte, aber auch ideal geförderte Felix Mendelssohn-Bartholdy, dem sogar ein häusliches Streichorchester zur Verfügung stand – neben einem Klavierkonzert für seine Schwester Fanny – für seinen Freund Edouard Rietz komponierte. Bei Wollongs meisterhaftem, ausdrucksvollem Spiel, bei dem auch die kleinen, hübschen Nuancen viel Beachtung und eine feinsinnige Wiedergabe fanden, und einem sehr schönen Piano , mit dem er auch das Konzert ausklingen ließ, wurde Mendelssohns Genialität bereits seiner frühen Jahre offenbar. Dieses frühe Violinkonzert erschien durch die perfekte Wiedergabe ähnlich genial wie das berühmte, viel gespielte „Violinkonzert e‑Moll op. 64  (MWV O 14) – wie dessen „kleinere Schwester“, in kleineren Dimensionen (kein Wunder, dass da schon einmal voreilig applaudiert wurde).

Mit gleicher Streicherbesetzung plus vier Bläsern erklang als Abschluss die „Symphonie Nr. 64“ von Joseph Haydn mit dem Beinamen „Tempora mutantur“ (die Zeiten ändern sich) – wie wahr und wie passend zur gegenwärtigen Situation! Dieses, aus einem lateinischen Sprichwort stammende, Zitat steht auf dem Umschlag der in Frankfurt aufbewahrten Symphonie. Es weist auf das intelligente Spiel Haydns mit den Erwartungshaltungen der früheren Konzertbesucher hin. So wie sich die Zeiten ändern, änderte Haydn auch schon mal die Regeln, ohne zu übertreiben, vielleicht auch ein leichter Vorstoß zu neuen Ufern? Besonders im langsamen Satz verstößt er bewusst gegen grundlegende musikalische Gesetzmäßigkeiten und erregte damit die Aufmerksamkeit der Zuhörer, die damals möglicherweise schockiert waren.

Jetzt, nachdem der Konzertbesucher so manch Schockierendes und „Schräges“ von zeitgenössischen Komponisten ertragen musste, sieht bzw. hört man so etwas gelassen – die Zeiten ändern sich. Brüskieren wollte Haydn seine Zuhörer wahrscheinlich nicht. Das würde nicht zu seinem Image und seinem wohlwollenden Charakter passen, eher zu seinem Sinn für Humor. So wie er mit Paukenschlag und Paukenwirbel überraschte, wollte er hier wahrscheinlich auch für Abwechslung durch besondere Effekte sorgen, mit Neuheiten unterhalten und das Gewohnte ein wenig auflockern. Das brachten die Kapell-Musiker mit ihrer legendären Stilsicherheit, ihrem  Einfühlungsvermögen und ihrem musikalischen Gespür sehr gut zum Ausdruck.

Die Sächsische Staatskapelle hatte für den Neubeginn ihrer Konzerte nicht wie andernorts den Ehrgeiz, eine große Sinfonie in reduzierter Form zu kreieren, um nachdrücklich auf sich aufmerksam zu machen. Hier begann man weniger großspurig und konzentrierte sich auf das, was unter den gegebenen Vorschriften und Bedingungen mit entsprechender Qualität gut machbar wäre, so dass die aus der Not geborene Lösung“ kein Provisorium wurde, sondern den gewohnt hohen künstlerischen Ansprüchen der Kapelle und ihres Publikums entsprach.

 

Ingrid Gerk

 

 

LEVERKUSEN: Das Museum Morsbroich lädt ein

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Der Eingang zur Schlossanlage. Foto: Andrea Matzker


Das Rokoko-Schloss.

Leverkusen: Das Museum Morsbroich lädt ein

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

Gerade jetzt, zu Corona-Zeiten, hat sich das Museum für Gegenwartskunst im malerischen Schloss Morsbroich bei Leverkusen eine besonders passende Ausstellung ausgedacht. Auf allen drei Etagen werden Kunstwerke der Sammlung des Hauses präsentiert, und zwar derart, dass lediglich ein einziges Kunstwerk in einem Raum ausgestellt wird. Es gibt Sitzmöbel, um sich den Kunstwerken ausführlich und mit Muße zu widmen. Somit ist eine intensive und exklusive Begegnung mit den Artefakten und deren Künstlern möglich. Fast jeder Saal gewährt zugleich den Ausblick in den idyllischen Park um das Wasserschloss herum, der zugleich Skulpturen beheimatet.

Unter Corona-Schutzmaßnahmen ist diese Ausstellung absolut ideal eingerichtet, denn selbst, wenn es einmal ein paar Besucher zu viel gäbe, könnten sie sich problemlos auf den ganzen drei Etagen verteilen und vor allem auch noch in dem weitläufigen Park. Die Ausstellung, die unter anderem Werke von Penck, Polke und Richter zeigt, wird unter den üblichen Corona-Bedingungen bis zum 30. August zu sehen sein. Es gibt ein praktisches Begleitheft zur Ausstellung und verschiedene Aktionen, darunter auch die Möglichkeit, sich am 26. Juli und am 30. August, jeweils von 13:00 bis 16:00 Uhr, von einem Cicerone durch die Ausstellung führen zu lassen. Der prunkvolle Spiegelsaal des Rokoko-Schlosses ist allemal auch für sich allein schon einen Besuch wert.

Vom 23. und 20. Oktober 2020 findet im Übrigen der herbstliche Schlosszauber auf Schloss Morsbroich statt. Da werden in Schloss und Park Mode, Möbel und Schmuck in Verbindung mit erlesenen Köstlichkeiten und einem abwechslungsreichen Unterhaltungsprogramm angeboten.

Andrea Matzker/ Dr. Egon Schlesinger

 

Das Museum Morsbroich ist ein Museum für Gegenwartskunst in Leverkusen. Es wurde im Januar 1951 als erstes Museum für moderne Kunst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet. Träger ist die Stadt Leverkusen.


A.R.Penck: Ur End Standart-1972. Foto: Andrea Matzker


Der prunkvolle Spiegelsaal. Foto: Andrea Matzker


Norbert Prangenberg: Figur-Gitter-1996. Foto: Andrea Matzker


Rainer Gross: Howden Twins-1998. Foto: Andrea Matzker


Sigmar Polke und Gerhard Richter:Umwandlung-1968. Foto: Andrea Matzker


Tobias Hantmann: Three Corners of a Studio-2010. Foto: Andrea Matzker

 

STUTTGART/ Cannstatter Kulturwasen: DIE ZAUBERFLÖTE

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Beate Ritter (Königin der Nacht), Josefin Feiler (Pamina), im Hintergrung Aoife Gibney (Papagena. Foto: Matthias Baus.

STUTTGART: Mozarts „Zauberflöte“ mit der Staatsoper Open-Air auf dem Cannstatter Kulturwasen am 29.6.2020

Vielfalt der Bilder

Die Vielfalt der stilistischen Elemente sind gerade bei der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart frappierend. Auch die stark gekürzte Fassung auf dem Kulturwasen in der flotten Inszenierung von Rebecca Bienek konnte großteils überzeugen, denn die Regisseurin überträgt das Stück kurzerhand in die heutige Zeit. Im Autoradio konnte man das musikalische Geschehen in ungewohnter Weise mitverfolgen. Auf einem großen LED-Bildschrim sah man dann die Handlung neben der Bühne.

Neben dem einfachen Lied- und Volkston von Papageno und Papagena beeinruckten bei der Aufführung auf dem Kulturwasen vor allem auch die gehobene Gefühlssprache Taminos und Paminas. Auch wenn der figurierte Choral in der Wasser- und Feuerszene stark zusammengestrichen wurde, erfand Rebecca Bienek (Kostüme: Astrid Eisenberger) hier immer wieder faszinierende Bilder mit riesigen Schlangen und geheimnisvoll-überdimensionalen Zauberbildern. Die Lebenswanderung als großer Prüfungsweg erschien gleichsam in neuem Gewand. Die Paare Tamino, Pamina, Papageno und Papagena fanden so wie in einem Mosaik oder Labyrinth zusammen. Tamino durfte hier auch den Orpheus spielen, der seine verloren geglaubte Geliebte zurückgewinnt. Auf seinem T-Shirt prangte die Aufschrift „Iron Mozart“, Kronenmotive fanden sich auf seiner Tapete.

Allerdings wirkte das Bühnenbild oftmals etwas zusammengepfercht, denn die Protagonisten konnten sich hier nur eingeschränkt bewegen. Der Märchenraum wurde dabei stark eingeschränkt. Und die Bilderwelt der „Zauberflöte“ sollte wirklich nicht nur zufällig sein. Trotzdem blitzte das Humanitätsethos vielsagend hervor. Aber Rebecca Bienek zollte auch der Pop-Kultur ihren Tribut. Manches wirkte doch stark verfremdet. Die Videoanimation von Bianca Knülle hinterließ hier den besten Eindruck. Es mangelte nicht an zündender Spontaneität.


Johannes Kammler (Papageno). Foto: Matthias Baus

Vor allem die hervorragende Beate Ritter als Königin der Nacht konnte ihre effektvollen Koloraturen stets gut platzieren. Die Vertiefung und Steigerung des dramatischen Ausdrucks erreichte dank des sehr versierten Pianisten Thomas Guggeis (auch Synthesizer) eine starke Intensität, die immer mehr zunahm. Aufflammende Leidenschaft konnten sowohl Josefin Feiler als Pamina als auch Kai Kluge als Tamino betonen, während Aoife Gibney als Papagena und Johannes Kammler als Papageno die komödiantischen Aspekte ihrer Rollen herausarbeiteten. Besonders überzeugend war ferner der sonore Bass von Michael Nagl als recht jugendlicher Sarastro. Neben Urwald-Geräuschen sowie vergnüglichen Wagner- und Beethoven-Anspielungen konnte sich die Charakterisierungskunst der einzelnen Figuren immer wieder gut behaupten.

Übrigens erklang die Ouverüre zu Beginn in der opulenten Orchesterfassung. Das zuerst fugierte Allegrothema mit seinen kontrapunktischen Wendungen und Verbindungen zeigte dabei immer neue Facetten. Wie in einem vielschichtigen Mosaik fügten sich so die einzelnen Bilder zusammen. Orginell war auch die Idee, Pamina mit ihrer königlichen Mutter per Telefon beziehungsweise Smartphone kommunizieren zu lassen. Die einzelnen Liebespaare wurden durch Wände getrennt, was dem ganzen Geschehen zusätzliche Spannungsgrade verlieh. So kamen vor allem auch jugendliche Zuschauer auf ihre Kosten. Heinz Göhrig als Monostatos setzte dem Ganzen als windiger Managertyp noch die Krone auf.

Auffallend ist bei dieser Inszenierung in jedem Fall, dass das Reich der Königin der Nacht nahtlos in Sarastros Palast übergeht und dass die Königin der Nacht hier viel von ihrer Dämonie verloren hat. Sie ist letztendlich mitsamt ihrer Dienerschaft nicht dem Untergang geweiht. Das ist durchaus eine neue Sichtweise. Am Schluss gab es viel Applaus, „Bravo“-Rufe und kräftiges Autohupen für diese trotz kleinerer szenischer Schwächen gelungene „Oper trotz Corona“-Produktion.    

Alexander Walther

a t t i t u d e: This week’s recommendations: Jun. 30th, 2020

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a t t i t u d e: This week’s recommendations: Jun. 30th, 2020

Another Season comes to an End in Vienna… and attitude has come to its yearly Summer Break. We will be back in September!
Even though there were no performances since March, I want to finish the 2019/20 Season quite officially.

Thank you, Manuel Legris for all the work and personal knowledge that you have invested in the company for the last ten years, turning it into an international one with a level of work and Artistry that had never been reached before here. We are very thankful for that! Merci mille fois!
Ricardo

A short Talk with Jakob Feyferlik – Principal, Vienna State Ballet.

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Nureyev Gala 2019/2020
Vienna State Ballet

Copyright: Vienna State Ballet / Ashley Taylor

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A Talk with Maestro Igor Zapravdin

Manuel Legris’s „Farewell“ to the „Members of the fourth State“

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Our mailing address is:
attitudericardoleitner@gmail.com

 

GRAZ/Helmut List Halle: Eröffnung des Festivals „STYRIARTE“ Johann Joseph Fux: „DIE GESCHENKE DER NACHT““

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Die Musen vom Parnass.  Copyright: Nikola Milatovic)

GRAZ/Helmut List Halle: Eröffnung des Festivals „STYRIARTE“

Johann Joseph FUX: „Die Geschenke der Nacht“

 Und sie spielen doch!

 am 1.7. 2020 – Karl Masek

 Das verdammte Corona-Virus hat uns alle in den Klauen. Lockdown über Monate. Ratlosigkeit, ja Verzweiflung, natürlich auch in der Kulturbranche. Festivals, gestrichen? In der  Styriarte  gab es  aber eine geistesgegenwärtige Umplanung sowie eine gewisse  „Steirische Sturschädeligkeit“, wie in einer der Eröffnungsreden vollsaftig formuliert wurde. An die Grenzen des Möglichen gehen, auch auf die Gefahr hin abzustürzen, so der Intendant. Aus der Oper „Gli  Ossequi  della  Notte“ aus dem auf mehrere Jahre programmierten Johann Joseph Fux-Zyklus wurde eine Art repräsentativer konzertanter Querschnitt, „Die Geschenke der Nacht“, klug gekoppelt mit Concerti, die alle Facetten der Nacht gestalten, einmal Antonio Vivaldi (La notte“, Rv 104) und abermals Johann Joseph Fux („Die Süßigkeiten und Bitternisse der Nacht“).

Damit nicht genug der listigen Kreativität und der virtuosen Improvisationskunst des Intendanten Mathis Huber und seiner MitstreiterInnen. Man ließ sich für die Eröffnung noch etwas besonders Originelles einfallen: Man vergab am 12. Juni (!) einen Kompositionsauftrag an die junge oberösterreichische Komponistin Flora Geißelbrecht (Geb. 1994, sie gab schon bei „Wien Modern“ 2018 eine gelungene Visitenkarte ab!) für ein Zehn-Minuten-Operchen, „Die Musen vom Parnass“ für 6 Frauenstimmen mit dem Text von Thomas Höft, dem umtriebigen Theater-Allrounder in Graz.  In vier Tagen war das Stück fertig, selbst Rossini war da offenbar nicht schneller! Es konnte in Kostümen (mit allen Abstandsregeln) geprobt werden. Inszenierung: Wolfgang Atzenhofer, Kostüme: Lilli Hartmann.  Diese Uraufführung , musikalisch gekonnt zwischen Barock und Heute changierend: Eine köstliche kleine Politsatire zu diesen verrückten COVID-19–Zeiten! Perfekt studiert waren die 6 Musen (Barbara Pöltl, Dorit Machatsch (Sopran), Maria Wester, Verena Gunz (Mezzosopran), Feride Büyükdenktas, Annette Schönmüller (Alt). Dirigiert hat Raimonda Skabelkaité. Der anwesende Herr Bundespräsident, Alexander van der Bellen (er wurde von den Musen musikalisch „angesprochen“ und hielt eine sehr launige Eröffnungsrede), schien sehr angetan!

Bei der Eröffnung wurde übrigens dreier besonderer „Steirischer Sturschädel“ gedacht: Des steirischen Barockmusikkönigs Fux, des Styriartedirigenten der „ersten Stunde“ Nikolaus Harnoncourt und Alfred Kolleritsch, vor einem Monat verstorben, Begründer der Zeitschrift „manuskripte“, Leiter des Grazer Literaturforums Stadtpark und Förderer des jungen Peter Handke.

Der italienische Dirigent und Oboist Alfredo Bernardini begeisterte auch mit der dritten Fux-Opernausgrabung das Publikum. Barocke Klangpracht, ein Füllhorn an musikalischen Überraschungen und harmonischen „Bocksprüngen“. Sowohl in den Opernarien als auch in seinem „Nacht“-Concerto erwies er sich als Psychologe und gewitzter Beobachter.


„Die Nacht“ (Maria Ladurner; im Hintergrund an der Oboe: Alfredo Bernardini)  Copyright: Nikola Milatovic)

1709 wurde die Oper als Geburtstags- bzw. Namenstagsgeschenk für Kaiserin Amalie Wilhelmine aufgeführt. Herrscherinnen in solchen Opern zu preisen, war für die Komponisten immer ein Drahtseilakt. Der listige Fux (oft schrieb er sich auch Fuchs) verfolgte aber die Idee, die Nacht selbst zum Thema des Bühnenwerks zu machen. Die Nacht steigt vom Himmel herab, um gemeinsam mit Musen, aber auch Architekten die vielfältigen Schönheiten der Nacht zu zeigen. Beginnend mit betörendem Abendrot. Betörend in Musik gesetzt. Diese herrliche Arie z.B. gestaltete die junge österreichische Sopranistin Maria Ladurner mit aparter, beweglicher, facettenreicher Stimme und berührender Innigkeit. In der Nacht gibt es aber auch jede Menge Spektakel. Und damit  auch die Konkurrenz und den Kampf mit männlichen Gegenspielern, dem Schlaf und der Ruhe. Der „Schlaf“ ist der Tenor, natürlich hat er auch Liebhaberfunktion, klar geht es da in einer Liebesarie ums „miteinander-Schlafen“ („Caro mio  ben, de vieni hormai“ klingt natürlich blumig). Der Italiener Valerio Contaldo  singt derlei mit weichem, lyrischem Tenor, schmachtendem Schmelz, sehr zärtlich und mit gekonntem Schlafzimmerblick!

Diese „Reader’s Digest-Fassung war kurzweilig, abwechslungsreich und keinen Moment lang musikalisch schablonenhaft oder sich von Klischee zu Klischee hantelnd.


„Der Schlaf“ (Valerio Contaldo; das styriarte-Festspielorchester). Copyright: Nikola Milatovic)

Eine Königsidee, „Die Geschenke der Nacht“ mit 2 Concerti zu anzureichern. . Fux schildert in seiner Nachtmusik mit musikalischer Treffsicherheit und einer Art Programmmusik, wie sie erst zwei Jahrhunderte später „modern“ werden sollte, z.B. einen Nachtwächter, der sich ein bisschen schwerfällig durch die Nacht bewegt und sein „Hört ihr Herrn und lasst euch sagen …“ ertönen lässt. Ein Menuett, dass keine Sekunde lang sonstige oft gravitätische Eleganz zeigt. Das hatte Schwung, Lust an tänzerischer Unterhaltung  und drängendes Tempo. „Ronfatore“ brachte das Publikum zum Lachen. Mit Lust an der musikalischen Pointe wird hier ein Schnarcher vorgeführt, der mit seinem „Gesäge“ andere durchaus beim Schlafen stört, und mitunter sogar vor den eigenen Schnarchtönen zu erschrecken scheint (Köstliches Kontrabass-Solo: Alexandra Dienz).

Wenn jemand immer noch behauptet, Barockmusik sei langweilig – so sei er an Fux (Fuchs) verwiesen!

Stilistisch eine völlig andere Liga ist natürlich Antonio Vivaldi. Das swingt völlig anders, da geht es um Virtuosität, oft um der Virtuosität willen. Da jagt ein Effekt des Soloinstruments den nächsten (fabelhaft an der Traversflöte: Marcello Gatti). Gespenster treten auf, aber auch ein Fagott-Störenfried, der nächstens immer das letzte Wort haben will und damit den Flötisten und den Dirigenten ganz schön nervt (mit lakonischen, staubtrockenen Tönen der Fagottist Ivan Calestani). Auch Vivaldi hatte also eine Menge Humor!

Das styriarte Festspielorchester bewährte sich wieder als  weit mehr als bloß verlässliches Orchester des steirischen Edelfestivals. Es entwickelt ein ganz eigenes, bald unverwechselbares Timbre, wiewohl es sich aus dem recreation-GROSSES ORCHESTER GRAZ und Mitgliedern des Concentus Musicus Wien und dem Chamber Orchester of Europe zusammensetzt. Es wird mit Verve und musikantischer Musizierfreude agiert. Alfredo Bernardini ist Seele und Motor des Geschehens und entlockt seiner Oboe so nebenbei Schalmeientöne.

Die Styriarte hat aus der aktuellen Not eine große Tugend gemacht. Die 250 BesucherInnen (der erste Tag, an dem die „neue“ Richtlinie gegolten hat) waren bestens gelaunt. Für zwei Stunden (inklusive Eröffnungsfeier) hat wohl niemand an Corona gedacht. Es reißt einen ohnehin sofort, wenn man die neuesten Infektionszahlen vernimmt. Nur kein weiterer Lockdown, hoffen alle inständig…

Karl Masek

FRANKFURT / Opernhaus: „ENSEMBLE-ABEND“ –

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Juanita Lascarro singt Lieder im Foyer der Oper Frankfurt
Juanita Lascarro. Foto: Oper Frankfurt/ Barbara Aumüller

Frankfurt / Opernhaus: „ENSEMBLE-ABEND“ – 01.07.2020

Zum letzten Ensemble-Abend des „Corona“-Sommers hatte die Oper Frankfurt geladen und bot wiederum ein vortreffliches Lieder-Programm. Die künstlerische Entwicklung Alexander Zemlinskys,  dessen kompositorische Bandbreite lassen noch die Einflüsse von Brahms und Wagner erkennen und somit dürfen wir uns auf die Frankfurter EA „Der Traumgörge“ in der nächsten Spielzeit freuen. Juanita Lascarro eröffnete das Recital mit den „Walzer-Gesängen op. 6“ des Korngold-Lehrers, interpretierte die sechs Lieder mit gut fundierter Mittellage und souveräner Intonation, doch leider geriet die Sopranistin während der hohen Lagen in die Bredouille sowie während Traum durch die Dämmerung – Liebeshymnus von Richard Strauss.

„Tre sonetti di Petrarca“ aus der Feder von Franz Liszt erwiesen sich als reizvolle  Canzonetten deren Inhalte Theo Lebow textlich wie musikalisch in vorzüglicher Weise präsentierte. Erstaunlich mit welcher Leichtigkeit der Tenor in stilistischer Einfühlung, immens gestalterischer Finesse Belcanto mit italienischer  Kantilene zu dramatischem Gespür in vokaler Schattierungskunst verband und zudem sein Material in tenorale wohlklingende Höhen führte. Eine kleine Paraphonie beeinträchtigte in keiner Weise den qualitativen Vortrag.

Mit reifem Sopran und beträchtlicher Sängererfahrung ließ Barbara Zechmeister drei Chansons von Kurt Weill zum Ereignis werden. Charmant, melancholisch, kokett, frech  band die aparte Künstlerin Nannas Lied – Je ne t´aime pas – Der Abschiedsbrief  zu vokalem Raffinement.

Ende der 1970er durchbrach als Pionierin Christa Ludwig die männliche Interpretations-Domäne von Schuberts „Winterreise“ im BASF-Feierabendhaus Ludwigshafen, danach erlebte ich noch weitere prominente Interpretinnen mit diesem Zyklus. Dasselbe galt für den Liederkreis „Dichterliebe“ von Robert Schumann welcher vornehmlich Sängern mit hohen und tiefen Stimmen vorbehalten schien. Heuer auf meine alten Tage war es mir erstmals vergönnt diesen Zyklus von einer Sängerin zu erleben.

Ensemble / Gäste - Oper Frankfurt
Kateryna Kasper. Foto: Oper Frankfurt/ Barbara Aumüller

Kateryna Kasper kam, sang und siegte! Es war wie  bisher eine Freude der charmanten Künstlerin zu lauschen. Beinahe war ich geneigt jedes einzelne Lied der 16 Vertonungen zu rezensieren, doch beschränke ich meine Begeisterung auf wenige Pretiosen.

Eindrucksvoll eröffnete Kasper geprägt von hoher Musikalität in bestechender Artikulation mit Im wunderschönen Monat Mai. Gewiss, die Dame verstand nicht nur in Akkuratesse Töne zu formen, jede Note war am rechten Platz und wunderschön gesungen, sogleich ließ die Sopranistin glauben, dass sie verstand was sie sang und sehr glaubhaft dem Hörer vermittelte. Lapidar, persönlichkeitsstark erklang Im Rhein, im heiligen Strome sowie pastos Ich grolle nicht. Kateryna Kaspers Kursus war erfüllt vom Geist tiefempfundener Musik in delikater, post-impressionistischer Untermalung in Verbindung von fein nuanciertem Ausdruck. Diese Gaben spiegelten sich besonders bei Ich hab im Traum geweint wider,  besonderen Reiz verlieh Kasper Allnächtlich im Traum und zu klar leuchtendem Sopran-Timbre schenkte die Sängerin dem Finale Die alten, bösen Lieder betörende Piani.

Das war Kunstlied-Interpretation auf sehr hohem Niveau und sollte von OEHMS-Classics dem Label der Frankfurter Opern-Produktionen unbedingt auf CD gebannt werden.

In abwechslungsreicher Gestaltung und viel Einfühlungsvermögen begleitete am Klavier In Sun Suh die Damen Lascarro und Zechmeister. Vortreffliche orchestrale Klangfarben zauberte der Pianist Lukas Rommelspacher während den Recitals von Kasper und Lebow.

Die Zuhörer der kleinen Fan-Gemeinde des inzwischen begrenzt geöffneten 2. + 3. Rangs applaudierten den Künstlerin sehr herzlich und sparten nicht mit Bravorufen.

Gerhard Hoffmann


FRANKFURT/ Opernhaus: LIEDERABEND DOMEN KRIZAJ (Bariton)

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Hilko Dumno, Domen Kruzaj. Foto: Barbara Aumüller

Frankfurt / Opernhaus: „DOMEN KRIZAJ“ – 02.07.2020

Zum letzten Liederabend vor der Sommerpause an der Oper Frankfurt gab sich Domen Krizaj die Ehre. Der 31jährige slowenische Bariton, Preisträger diverser Sänger-Wettbewerbe und neues Ensemble-Mitglied am Hause wird in der neuen Saison u.a. als Albert im „Werther“ zu erleben sein.

Das Liedgut von Johannes Brahms gab schon manchen Interpreten Nüsse zu knacken und lag nicht allen bestens in der Kehle, so hatte auch heute Domen Krizaj mit dessen Tücken zu kämpfen. Zur Eröffnung seines Recitals bot der junge Sänger „Vier ernste Gesänge“, eröffnete pastos mit prächtig fundiertem Bass-Bariton den kleinen Zyklus und fand sich lediglich bei O Tod, wie bitter bist du mit der Melodik am besten zurecht. Nun klang während der drei restlichen Lieder nicht jeder Ton im Sinne des Komponisten, doch artikulierte Krizaj vortrefflich, durchleuchtete mit sehr schönem Timbre jedes Wort.

Ähnlich verhielt sich die Intonation des charmanten Sängers bei Richard Strauss zu dessen zwei Liedern Heimliche Aufforderung – Allerseelen. Makellos dürfte man dagegen die Interpretationen von „Adelaide“ (Ludwig van Beethoven) sowie Dank (Arnold Schönberg) bezeichnen.

Der dunkel leuchtende Tonfall des talentierten Sängers harmonierte vortrefflich mit den melancholisch-charakteristischen Kompositionen und Liedern von Fran Gerbic, Benjamin Ipavec, Anton Lajovic, Rado Simoniti, Marijan Lipovsek  gesungen in seiner Muttersprache. Ausdrucksstark, dynamisch, bestens akzentuiert erklangen die Gesänge von Wehmut, Liebe, Schmerz und Schalk, beseelt in weich fließender Tiefe und flexiblen Höhenaufschwüngen seines schönen Materials.

Die drei Chansons „Don Quichotte á Dulcinée“ aus der impressionistischen Feder von Maurice Ravel hörte ich erst kürzlich auf gleicher Bühne, jedoch Domen Krizaj´s ganz eigener Tonfall schenkte diesen Kleinodien besonderen Flair. Großartig, elementär vermochte er den Gesängen individuelle Emotionen, heitere Momente, dramatische Wendungen, universelle vokale Rhythmen, herrliche Nuancierungen zu vortrefflicher Musikalität einzuverleiben.

Am Klavier begleitete Hilko Dumno mit energischem Zugriff, zuweilen etwas plakativ dominant jedoch stets auf souverän virtuoser Basis musizierend.

Das Publikum war begeistert, feierte den jungen Sympathie-Träger herzlich und erhielt zum Dank ein innig vorgetragenes „Slowenischen Lied“.

Gerhard Hoffmann

STUTTGART/ studiotheater: DIE ALARMBEREITEN von Katrin Röggla

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Werkstatt:  li. Marion Jeiter, re. Cathrin Zellmer. Foto: Studiotheater

„die alarmbereiten“ von Kathrin Röggla – Ein Stationentheater im Studiotheater Stuttgart am 2. 7.2020

Die unbeirrbare Kassandra

 Viele Menschen sind alarmbereit, und dies nicht nur wegen Corona. Allerdings sind die Texte von Kathrin Röggla schon zehn Jahre alt. Das ist bemerkenswert. Im Rahmen der Sicherheitsbestimmungen zur Pandemie-Eindämmung erlebt man diesmal im Studiotheater in der subtilen Regie von Christof Küster (Ausstattung: Maria Martinez Pena) ein Stationen-Theater, das elektrisierend wirkt. Eberhard Boeck spielt in der Küche als „Zuseher“ zunächst einen Mann, der die Panikeinkäufer vor einem Einkaufszentrum beobachtet. Zwischen einem Metronom sollen allerdings keine Negativ-Gedanken aufkommen. Die Leute werden aber dazu aufgefordert, sich über „gewisse Viren“ zu informieren. In der Schule findet dann ein außerordentlicher Elternabend statt. „Die Erwachsenen“ gehen sich hier ganz gehörig auf die Nerven. Schirin Brendel und Caroline Sessler mimen eine hysterische Lehrerin und eine „Mutter, die nicht kooperiert“. „Ihre Tochter ist ein Superspreader!“ lautet der Vorwurf. Sie würde die gesamte Klasse mit ihrem krawallartigen Verhalten infizieren. Die Lehrerin will diese aufmüpfige Tochter in Quarantäne stecken, sie soll krank werden. Klar ist vor allem, dass das Kind viel zu informiert ist. Im dritten Stück des Stationen-Dramas gibt es ein nächtliches Telefonat mit einer unbeirrbaren Kassandra, die die Welt aus den Angeln hebt. Die Natur rächt sich. Waldbrände werden von den beiden Frauen (die von Marion Jetter und Cathrin Zellmer eindringlich am Telefon gespielt werden) als Naturzustände wahrgenommen. Das hat alles etwas Bedrohliches. Sie wollen im Netz aber keine traurigen Bilder mehr ansehen. „Ich kenne dich als Pessimistin“, bemerkt die Frau zu ihrer Telefonpartnerin auf dem anderen Bildschirm. Gefragt ist Reaktionsbereitschaft. Eine „gefakte Kassandra“ wird nicht akzeptiert. Zuletzt verabschiedet sich eine Telefonpartnerin nahezu lautlos von der anderen. Diese Station spielt in der Werkstatt und nennt sich „Die Ansprechbare“. Die ist aber zuletzt auf dem Bildschirm überhaupt nicht mehr ansprechbar. In der Garderobe findet anschließend eine „Zitterpartie“ statt. Mariam Jincharadze und Sebastian Schäfer zeigen hier ein bewegendes Kammerspiel: „Da draußen tobt die Dunkelziffer!“ Eine Frau sitzt in einem Schrank fest, daneben sieht man das Bild eines Mannes, der so „tut als ob“. Es soll einen großen „Geldknall“ geben: „Das Spontane ist das Gefährliche.“  Auf der oberen Bühne begegnet der Zuschauer zuletzt dem „Deutschlandfunk“ mit den zunächst gewieften Moderatoren Moritz Brendel und Boris Rosenberger. Fliegen und Vögel sowie ausufernde Motorengeräusche machen das Geschehen im Studio zuletzt aber völlig unsicher. Alles gerät außer Kontrolle. Und der ohrenbetäubende Lärm von draußen ist nicht mehr auszuhalten. Zuletzt flieht einer der genervten Moderatoren aus dem Studio. Noch etwas ist hier kurios: Die fünf Zuschauer sitzen auf der Bühne, auf der sonst die Theaterstücke aufgeführt werden.

Alles steht auf dem Kopf, die Welt ist umgedreht (Video: Oliver Feigl). Der Blickwinkel auf die Verhältnisse ändert sich radikal. 

Alexander Walther

    

GRAZ/ Styriarte/ List-Halle: J. J. Fux / GESCHENKE DER NACHT

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GRAZ/ Styriarte: J. J. Fux / GESCHENKE DER NACHT

Erstes österreichisches Festspielspektakel nach Corona! am .7. in der List-Halle

em seit 30 Jahren erprobten und stets vorwärtsblickenden Styriarte-Intendanten Mathis Huber ist es gelungen, die Corona-Situation effektvoll und klug zu Neuem zu nutzen! Er beklagte in Corona-Zeiten nie die staatlichen Pandemie-Regelungen, sondern arbeitete konsequent und optimistisch mit seinem Team an einer Umarbeitung des ursprünglich vorgesehenen Programms. Dieser Mut wurde belohnt: seit 1.Juli ist es zulässig, für 250 Personen in geschlossenen Veranstaltungsräumen zu spielen. Und sofort an diesem ersten Tag eröffnete die Styriarte mit einem wahrhaft zeitgemäßen Barock-Spektakel, das nicht nur die Entdeckungsreise durch die Meisterwerke des großen steirischen Barockkomponisten Johann Joseph Fux fortsetzte, sondern uns gleich auch noch die Uraufführung einer „Minioper“ bescherte, die in wahrer Rekordzeit entstanden und einstudiert war…

https://www.deropernfreund.de/graz-styriarte-6.html

 

Hermann Becke/ www.deropernfreund.de

WIEN /Online-Merker-Galerie: Arien und Duette mit Astrik Khanamiryan (Sopran) und Maryna Lopez (Mezzosopran)

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Maryna Lopez, Astrik Khanamiryan. Foto: Hiltrud Zehrl

WIEN /Online-Merker-Galerie: Arien und Duette mit Astrik Khanamiryan (Sopran) und Maryna Lopez (Mezzosopran)

  1. Juli 2020

Von Manfred A. Schmid

Der Liederabend des international gefeierten Bassisten Günther Groissböck mit Alexandra Goloubitskaia am Klavier am 15. Mai war – nach dem Lockdown, der ab Mitte März das gesamte Kulturleben der Stadt zum Erliegen gebracht hatte – vermutlich die erste öffentliche Kulturveranstaltung Wiens und wohl auch ganz Österreichs. Chapeau! Darauf folgte eine CD-Präsentation mit (Lieder von Sergei Prokofieff) mit Margarita Gritskova und Maria Prinz. Nun lädt Online-Merker-Chef und -Hausherr Anton Cupak erneut zu einem feinen Event: Die armenische Sopranistin Astrik Khanamiryan und die aus der Ukraine stammende Mezzosopranistin Maryna Lopez singen Arien und Duette aus Opern von Offenbach, Massenet, Verdi, Tschaikowski und Camille Saint Saèns. Am Klavier begleitet werden sie von Adolfo Lopez Gomez.

Eröffnet wird das Konzert mit einem Gustostück aus der Duett-Literatur, mit Offenbachs „Barcarolle“ aus Les Contes d`Hoffmann. Kein einfaches Stück, sondern von Anfang an eine Herausforderung, die von den beiden Solistinnen aber mit Glanz bewältigt wird. Sie präsentieren sich mit fein aufeinander abgestimmten Stimmen und laden die Meidlinger Zeleborgasse – die Tür der Online-Merker-Galerie an der Ecke ist wegen der heißen Temperaturen zum Gehsteig hin offen –  mit der erotisch knisternden Atmosphäre einer schwülen venezianischen Liebesnacht auf. Die Arie der Chiméme „Pleurez! Pleurez, ne yeux“ aus Massenets selten zu hörender Oper Le Cid bietet Astrik Khanamiryan die Gelegenheit, ihren farbigen, hellen Sopran zu entfalten und lässt sogar auf dem kleinen Konzertpodium ihre starke Bühnenpräsenz spüren. Maryna Lopez ihrerseits hat ihren ersten Soloauftritt mit der Arie „Amour! Veins aider ma faiblesse“ aus Samson et Dalila von Camillle Saint Saéns. Ein satter, samtiger Mezzo mit starker Ausdruckskraft.

Foto: Jorge Dreher

Nun folgen zwei Opernblöcke. Der eine – aus Verdis Aida – ist hochdramatisch angelegt und wird von den beiden Sängerinnen beinah halbszenisch und somit überaus packend und spannungsgeladen dargeboten. Aida und Amneris sind zwei Frauen, die wegen der Liebe zum gleichen Mann zu erbitterten Todfeindinnen werden. Die ausgewählten Arien und Duette aus der Verdi-Oper beschwören ihr heikles Verhältnis, das in einer Tragödie mündet. Die von Leidenschaft, Eifersucht und Rache geprägte Gerichstszene der Amneris – „Ohime! … mori mi sento“ – aus dem Schlussakt wird in der Interpretation von Maryna Lopez zu einem mitreißenden Highlight des Abends.

Tschaikowkis Pique Dame ist im Gegensatz dazu, trotz der kriminalistisch aufgeladenen Handlung, eher lyrisch angelegt. Die Arie der Lisa „Es kommt bald die Nacht“ – von Astrik Khanamiryan natürlich auf Russisch vorgetragen – beschwört in elegischen Tönen heraufziehendes Unheil, aber auch großzügiges Verzeihen, während die Romanze der Pauline „Meine Freundinnen!“ unbeschwert daherkommt. Das gilt auch für das zum Programmanschluss dargebotene Duett „Die Nacht kommt“, wenn auch darin eine gute Portion Melancholie nicht zu überhören ist. Das mag wohl an der russischen Seele liegen.

Adolfo Lopez Gomez am Klavier erweist sich an diesem Abend als einfühlsamer Begleiter, kann aber als Solist auch mit einer Etüde von Frederick Chopin aufwarten. Ein musikalischer Allrounder, der in der Merker-Galerie auch schon als Gitarrist für Furore gesorgt hat.

Begeisterter Applaus der Gäste, der mit einer Zugabe – den Flower-Duett aus Lakmé von Leo Delibes – belohnt wird. Und danach, so hört man, wird noch eifrig gefeiert. Grund dafür gab es genug.

Manfred A. Schmid


Foto: Hiltrud Zehrl

WIEN/Servitenkirche: „VIDALA“ – Argentinien und Wurzeln des Europäischen Barocks

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Der Wegweiser. Foto: Andrea Masek

WIEN/Servitenkirche: „VIDALA“ – Argentinien und Wurzeln des Europäischen Barocks

Rubén Dubrovsky spielte sein „Erstes Konzert nach Corona“: Musikalische Lebensfreude pur

am 4.7. 2020 – Karl Masek

COVID 19 und die damit verbundenen Absagen seit März: Engagements sind weggebrochen. Im Fall des Rubén Dubrovsky Operndirigate von St. Gallen (Giulio Cesare in Egitto, Premiere) über Hannover (Neuinszenierung von Händels Alcina) bis zum  Münchner Gärtnerplatztheater (Don Giovanni-Vorstellungen  und die Premiere von Bernsteins „Mass“) sowie Konzerte seines Wiener Bach Consort  in Wien und „dem Rest der Welt“.

Was tut so ein Vollblutmusiker wie er in dieser Zwangspause? Er macht jede Menge neuer Arrangements unter dem Motto Von Vivaldi nach Südamerika und zurück, er nennt die Bearbeitungen dieser Lieder und Tänze ironisch Corona-Kinder. Und stellt sie freudestrahlend und mit der Energetik eines Rennpferdes, das schon ungeduldig in den Startlöchern scharrt, einem erlesenen Publikum vor.

Dass schöne Konzerte auch anderswo als in den großen Musiktempeln Wiens, dem Musikverein oder dem Konzerthaus, stattfinden können, ist der Interessensgemeinschaft Servitenviertel zu danken, welche die spontane Idee Dubrovskys und seiner Frau, Agnes Stradner, Konzertmeisterin des Bach Consorts, in die Tat umgesetzt hat, ein „Vidala“-Konzert im Freien, im wunderschönen Innenhof der Servitenkirche zu veranstalten. Eine Hundertschaft fand sich im Nu ein. Das Konzert war alsbald ausverkauft, das Publikum verlor sich trotz der eingehaltenen Abstandsregeln nicht in der Weite eines riesigen Konzertsaals.


Das Vidala-Quintett. Foto: Andrea Masek

Zur freudigen, erwartungsvollen Stimmung dieses Nachmittagskonzerts kam dazu, dass es der Wettergott besonders gut mit den Initiatoren meinte. Nach den Unwetterkapriolen der letzten Zeit ein angenehm warmer, sonniger Tag, der dem pittoresken Servitenviertel im 9. Wiener Bezirk, dem Alsergrund, mediterranes, vielleicht sogar lateinamerikanisches Flair verlieh.

Dubrovsky, der Barockmusiker (aber eben nicht nur!) hat bei der Beschäftigung mit Bach, Vivaldi und all den anderen Großen dieser Zeit immer mehr bemerkt, dass ihn dabei unglaublich vieles an die Volksmusik seiner südamerikanischen Wurzeln erinnerte. Und begann akribisch zu forschen. Über den Einfluss der Jesuiten bei der Christianisierung in Lateinamerika und die Musik und die Instrumente, die sie mitbrachten bis zu den Zusammenhängen südamerikanischer Klanglichkeit („Zamba“) und afrikanischen Rhythmen („Sarabanda“), was sich im europäischen Barock durchsetzte, trotz Verbotsversuchen der spanischen Inquisitoren.  Mit „Vidala“, einer improvisatorischen Gesangsform aus den Anden, ergibt sich eine Musikmischung purer Sinnlichkeit und Lebensfreude. Eine Klanglichkeit, die sofort gefangen nimmt, pulsierende Rhythmen, die in die Beine fahren – und ein Lebensgefühl voller Glücksmomente.

Diese musikalische Lebensfreude pur vermittelten die 5 MusikerInnen exzellent. Dubrovsky hatte 2 verschiedene Celli dabei, spielte aber auch  gewohntermaßen an der Laute, der Barockgitarre und einem bizarr schnarrenden Schlag- und Geräuschinstrument aus dem Unterkiefer eines Esels(!). Die beiden Geigerinnen Agnes Stradner und Joanna Kaniewska-Eröd verschmolzen fast symbiotisch miteinander. Zwei neue Musiker an den Lauten, Barockgitarren und vielfältigen Schlaginstrumenten gaben diesem Nachmittag zusätzlich authentische Gangart. Von „Venezuelanischer Atemlosigkeit“ bis hin zu den Weiten Argentiniens und Perus. Besondere Gefühlstiefe vermittelnd – und Lichtjahre entfernt von billigem „Folklorismus“. Sie alle haben die Musik in den Fingern, im Körper, im Blut!

Die berühmten Variationen über „La Folia“ op.1 von Antonio Vivaldi waren naturgemäß Abschluss und bejubelter Höhepunkt des Nachmittags. Wie da jede der unterschiedlichsten Variationen eigene Charakteristik bekam, das war große Kunst, war genialisches Musikantentum.

Es war ein unterhaltsames Konzert, auch dank Rubéns Entertainer-Qualitäten bei den launigen Moderationen. Noch nie so viel gelacht in einem Kirchhof, als die Kirchenglocken kaum enden wollend zum Sechseläuten ansetzten, just, als die Fünf das Folia-Thema anstimmen wollten. Schlagfertiger Sager des Rubén: Dem, der die Glocken abdreht, wird ein Liter Wein gespendet…


Der Innenhof der Servitenkirche. Foto: Andrea Masek

Zwei Zugaben und: Wir sehen uns beim Wein! Der Sommerspritzwein war herrlich süffig.

(Fortsetzung im Herbst – wenn Corona die MusikerInnen und uns alle lässt –  ist von der „IG Servitenviertel“ geplant. Siehe: www.servitenviertel.at)

Karl Masek

 

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