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BASEL/ Basler Münster: SOB –„Bruckner + Bach und Gabrieli“– Sebastian Bohren (Violine), Ferhan & Ferzan Önder (Klavier), Ivor Bolton (Leitung)

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Foto: Michael Hug

Basel: Basler Münster – «Bruckner + Bach und Gabrieli» – Sinfonieorchester Basel (SOB), Sebastian Bohren (Violine), Ferhan & Ferzan Önder (Klavier), Ivor Bolton (Leitung)

 – 17./18.06.2020 – besuchtes Konzert: 17.06.2020

Besinnliche Festlichkeit

Während des coronabedingten Lockdowns liess sich auch das Sinfonieorchester Basel (SOB) nicht in die Knie zwingen und nutzte die wechselhafte Zeit, neue digitale Konzertformate «at home» auszuprobieren. So konnte es den Kontakt zu den Basler Konzertbesuchern erfolgreich halten – und sicher dabei auch noch neue Freunde gewinnen.

Nach den so lange herbeigesehnten Lockerungen gibt es beim SOB keine Halten mehr: Diese denkwürdige, ja dramatische Saison wird – soweit es eben möglich ist – ordentlich beendet. Das heurige Konzert bildet zudem den Abschluss des grossen Bruckner-Zyklus sowie das Ende der «Wanderjahre» des SOB: Im August wird das frisch renovierte Stadtcasino mit seinem schönen Konzertsaal wiedereröffnet.

Allen Mühen und Einschränkungen zum Trotz gelingt es den Verantwortlichen des SOB den gut 200 Konzertbesuchern im Mittelschiff des Münsters ein attraktives Konzert zu präsentieren.

Festlich beginnt der Abend mit der «Sonata Octavi Toni, Ch. 184» aus «Sacrae Symphoniae (1597)» von Giovanni Gabrieli in der Bearbeitung für vier Hörner, vier Trompeten, drei Posaunen und einer Tuba von Roger Harvey. Es ist eine feierliche, aber nicht freudig überbordende «Fanfare», welche der Freude, dass wir wieder Konzerte geniessen können, Ausdruck verleiht, gleichzeitig auch bewusst macht, dass die Krise noch nicht ausgestanden ist. Die 12 Bläser des SOB musizieren ergreifend und füllen den Kirchenraum mit feierlichem Wohlklang.

Eigentlich hätte er an diesem Abend mit Sofia Gubaidulinas «Offertium» beim SOB debütieren sollen. Das Schutzkonzept lässt jedoch die dazu benötigte Orchesterbesetzung nicht zu. Das ist für den jungen Schweizer Violinisten Sebastian Bohren kein Anlass seinen Auftritt in Basel abzusagen. Im Gegenteil! Mit Johann Sebastian Bachs «Ciaccona» aus der «Partita Nr. 2 d-Moll für Violine solo, BWV 1004» zieht der junge Künstler das Publikum in seinen Bann. Sebastian Bohren gelingt ein technisch bestechender, wunderbar phrasierter, höchst emotionaler Vortrag. Im Interview im Programmheft bezeichnet sich der Künstler sich als «Mensch mit seinem Widerspruch» (nach C. F. Meyer), «immer unterwegs zu dem, was mich innerlich bewegt». Diese Auseinandersetzung mit sich, der Musik und seinem Instrument wird bei seinem Vortrag deutlich erlebbar – so vielschichtig und aussagekräftig ist sein Spiel. «Ich gehe gerne weg, komme aber auch gerne wieder zurück», meint der junge Künstler im Interview – ja, sein Zurückkommen wünschen wir uns in Basel!

Zum grossen Glück haben die Schönberg-Schüler Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl sie geschrieben – die Kammerorchester-Fassung der «Sinfonie Nr. 7 E-Dur, WAB 107 (1883)» von Anton Bruckner, sonst wäre der Basler Bruckner-Zyklus wohl (vorerst) unvollendet geblieben. Mit dem Bruckner-Spezialisten Ivor Bolton am Pult und den Geschwistern Ferhan und Ferzan Önder am Flügel gelingt dem Sinfonieorchester Basel eine fein differenzierte Aufführung des Werks. Maestro Bolton arbeitet die verschiedenen Stimmungen sorgfältig heraus und zaubert insbesondere im ersten Satz Klangbögen und -farben, welche zuweilen vergessen lassen, dass wir «nur» die Kammerorchester-Fassung von Bruckners Meisterwerk erleben. In den Folgesätzen kommt es zu einigen akustischen Verwischungen, welche jedoch den nicht idealen akustischen Bedingungen im Münster zuzuschreiben sind. Den Auftakt zum «Scherzo» hätte ich mir von den beiden Pianistinnen gerne etwas akzentuierter gewünscht. Ansonsten fügen sich die Geschwister Önder sehr gut ins Orchester ein und meistern ihren anspruchsvollen Part souverän.

Grosser dankbarer Applaus für diesen denkwürdigen Abend für die Aufführenden auch für die Verantwortlichen hinter den Kulissen, welche dieses Konzert unter äusserst schwierigen Umständen aufgegleist haben. Danke – danke Ihnen allen!

 

Michael Hug


FRANKFURT/ Opernhaus: ENSEMBLE-ABEND – Auf der Opernbühne

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Katharina Magiera (Künstler) | Opera Online - Die Website für Opernliebhaber
Katharina Magiera. Foto: Barbara Aumüller

Frankfurt: „ENSEMBLE-ABEND“  –    Auf der Opernbühne – 19.06.2020

Erneut wurde die Oper Frankfurt  kreativ mit einem besonderen Event und kreierte einen Liederabend der besonderen Art mit jungen Sängern aus dem Ensemble. Den Reigen eröffnete Katharina Magiera mit dem Liederkreis „Frauenliebe und Leben“ von Robert Schumann,  Episoden nach Gedichten von Adelbert von Chamisso, in deren Verlauf werden in idealisiertem Stil die Begegnung einer jungen Frau mit dem Geliebten, die Hochzeit, die Geburt des Kindes und schließlich der Tod des Ehemanns geschildert.

Deklamatorisch wie musikalisch verstand es die junge Mezzosopranistin vortrefflich die Retrospektive dieses  Frauenlebens zu präsentieren. Zu Beginn des spannungsreichen erzählerischen Bogens färbte Magiera in idealer Ausdrucksform den schwärmerischen Überschwang der Verliebten bei Seit ich ihn gesehen – Er, der Herrlichste von allen in helle freudig erregte Töne. Dem nachdenklichen Duktus, den seelischen Verfassungen der Liebenden verhalf die Sängerin mit dunkleren Couleurs den Strophen Ich kann´s nicht fassen, nicht glauben zu leidenschaftlichem Ausdruck. Ein kleines Einsatz-Malheur war schnell behoben. Innig, verhalten erklang Du Ring an meinem Finger, im lebhaft schwungvollen Impetus folgte Helft mir, Ihr Schwestern. Sinnend, nonchalante Töne setzte die Sängerin bei Süßer Freund, fröhlich und innig voll Liebe schwelgte sie im Mutterglück zu An meinem Herzen, an meiner Brust. Vorzüglich verstand es Katharina Magiera die unaufhaltsamen Schicksalsläufe im Hochgefühl bis zum niederschmetternden Ausdruck des leidvollen Liedes Nun hast du mir den ersten Schmerz getan zu interpretieren.

Vom ersten bis letzten Klaviersatz verstand es Simone Di Felice den pianistischen Bogen zu spannen um den Vertonungen auch instrumental die musikalischen überströmenden Gefühlswelten zu schenken.

Vierhändiges Klavierspiel, aber auch Duett- und Quartett-Singen, gehörten zu den beliebten Formen geselliger Hausmusik im 19. Jahrhundert, diesem Genre leisteten auch große und berühmte Komponisten ihrer Zeit gerne die gewünschten Salon-Beiträge. In diesen Rahmen reihten sich auch die „Liebesliederwalzer“ von Johannes Brahms ein, welche der Komponist für vier Singstimmen und zwei Klaviere im Sommer 1868 verfasste. Die Texte dafür entstammten der Sammlung „Polydora“ des Lyrikers Georg Friedrich Daumer.

Gleich einem bunten Kaleidoskop erklangen nun die kurzen Miniaturen flugs vorüber, die ohne durchgängige Handlung nicht nur von Liebe, menschlichen Regungen sondern auch von Spott und Zorn künden.  Nein es ist nicht auszukommen mit den Leuten wird das giftige Getuschel neidischer Nachbarn lautmalerisch imitiert und als Reaktion auf diese Verärgerungen über die üblen Nachreden folgte Schlosser, mache Schlösser ohne Zahl, den die bösen Mäuler will ich schließen. Vom hübschen kleinen Vogel war die Rede, der sich letztlich gerne fangen ließ, kommt er doch in eine schöne Hand. Auch von Natur-Metaphorik geprägt  waren diverse Vertonungen, welche Brahms als vierstimmig schrieb jedoch auch für 2 Solisten wo Tenor und Bass bekennen, nur die Existenz der Frauen hätte sie vom Gang ins Kloster abgehalten (Nr. 3). Sodann folgte das Duett von Sopran und Mezzo, auch zwei  einstimmige Strophen für Sopran und Tenor enthielt der Zyklus, in welchen  von Liebesenttäuschung die Rede war.

Es war eine Freude den bestens disponierten und prächtig agierenden Solisten Angela Vallone mit hellstrahlendem Sopran, Bianca Andrews sehr beweglichen und schön stimmigen Mezzosopran, dem lyrischen herrlichen Tenor-Timbre von Michael Porter sowie dem profunden und bestens artikulierenden Bass Anthony Robin Schneider

während den vollstimmigen Gesängen oder dialogisch angelegten Vokalsätzen zu lauschen. Gleich einem Kanon erklang die Quelle (Nr.10) welche sich sanft durch die Wiesen windet. Kunstvoll widerfuhr Brahms mit der Liebe einem dunklen Schacht, in den man hinein fallen kann, im Lied Nr. 16 wirkte der einsetzende Bass als Spiegelung des Soprans. In tänzerischer Bewegung der Musik ordnete Brahms in Walzer- oder Ländler-Tönen an. „Übrigens möchte ich doch riskieren, ein Esel zu heißen, wenn unsere Liebeslieder nicht einigen Leuten Freude machen“ äußerte sich der Komponist und erhielt mit der Prognose Recht, als diese im Januar 1870 erstmals dem Wiener Publikum vorgestellt wurden.

Freude und Kurzweil bereiteten sie ebenso der kleinen Frankfurter Hörer-Gemeinde und zu diesem Erfolg leisteten auch die beiden Pianisten Anne Larlee und Mariusz Klubczuk  ihren entscheidenden Beitrag. Kontrastreich, skurril, stets in harmonischem Wohlklang, verstanden es die Herren die pianistischen Feinheiten der Miniaturen zu ergründen,  bestechend in bewundernswerter Noblesse die Solisten zu begleiten und den Kompositionen tiefgründige Substanzen zu schenken.

Das Publikum war hingerissen und bedankte sich begeistert mit Bravos und heftigem Applaus.

Gerhard Hoffmann

 

WIEN/ Staatsoper: Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus deutschsprachigen Werken

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WIEN/ Staatsoper: Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus deutschsprachigen Werken

Was durch Jahrzehnte Abend für Abend von Opernbesuchern als ganz normal registriert wird, wird jetzt, bei den orchesterlosen Auftritten unserer Sänger, plötzlich als etwas Außergewöhnliches erlebt: die Stimmkraft, die ein so großes Haus verlangt und – geboten bekommt.

Gleich zu  Beginn zuckte man zusammen, als Wolfgang Bankl mit „Hereinspaziert in die Menagerie“ aus Alban Bergs „Lulu“ seine mächtige Stimme erhob und mit Beckenschlag und Trommelwirbel unterstrich, was er uns zu sagen gedachte – als Tierbändiger, der sich an „Ihr stolzen Herren, Ihr lebenslust‘gen Frauen/ Mit heißer Wollust und mit kaltem Grauen…“ wandte. Teils gesprochen, teils gesungen, beides wohldifferenziert und jedes grausame Wort auskostend, mit lüsterner und zugleich aggressiver Mimik, der man entnehmen konnte, dass es ihm Vergnügen bereitete. Richtig zum Fürchten war diese Stimmgewalt, die wohl bewusst nicht mit versuchtem Wohlklang herüberkam – von der Vorderbühne ins dürftig besetzte Parkett.

Dieser Anfang bewirkte, dass man für den restlichen Abend kein sanftes Schlummern erwartete. So erschien denn auch, nachdem das aufgerüttelte Publikum diesem als vielfältigen  Rolleninterpreten bewunderten Ensemblemitglied heftigen Beifall gezollt hatte, von der gegenüberliegenden Bühnenseite  Stephanie Houtzeel, während deren Solo der „Tierbändiger“ rechts im Hintergrund stehen blieb. Der großgewachsenen, feschen, schlanken Mezzosopranistin  würde man auf den ersten Blick feine Damen der Gesellschaft als Standardrollen zuschreiben. Aber wir wissen es längst besser: Da ist seit dem Jahr 2010 von der Rheintochter bis zum Rosenkavalier, von Händels Ariodante bis zu Mozarts Dorabella, vom Prinzen Orlowsky bis zu Reimanns Kreusa („Medea“) wirklich alles drinnen, mit permanent sich steigernder Stimmkraft und Spielintensität. Diesmal war sie der Komponist aus „Ariadne“ mit „Sein wir wieder gut“, kulminierend in „Musik ist eine heilige Kunst“ mit schöner, voller Stimme, sicher ganz im Sinne von Richard Strauss, überzeugend dargebracht. Da regte sich kein Widerspruch!

Der Text der folgenden „ Freischütz“-Arie „Wie nahte mir der Schlummer“  war gleichsam eine Bestätigung des vermuteten Sachverhalts zwischen Bühne und Publikum. Olga Bezsmertna konnte das allein schon durch ihre offenbar mühelos eingesetzte Stimmkraft bestätigen. Mit ihrem Gesang, basierend auf wohlfundierter Technik, reussiert sie in den unterschiedlichsten Rollen, vor allem im slawischen und italienischen Repertoire. Webers wunderbare Arie der Agathe, die zu nächtlicher Stunde auf ihren Max wartet, war sicher eine lang gehegte Wunschnummer der Sängerin, die sie genussvoll auskostete. Das einzige, was fehlte, war ein spezifischeres, verinnerlichten Ausdruck ermöglichendes Timbre, das idealerweise der Weberschen Orchestersprache  angepasst sein sollte – „Oh wie hell die goldnen Sterne mit wie reinem Glanz erblühn...“ – da konnte auch der Pianist Anton Ziegler das Orchester nicht ersetzen. Ab „All meine Pulse schlagen“  vermochten dann beide Künstler mit der nötigen Dramatik zu überzeugen.

Von der Träumerei kehrten wir alle schnell in den Theateralltag zurück, als Ildiko Raimondi, Herbert Lippert und Jörg Schneider ein sicherlich selten in Konzerten dargebotenes „Fledermaus“-Trio brachten.  Aus dem 3.Akt: Ildiko Raimondi, normalerweise eine entzückende Adele, diesmal als Rosalinde zwischen dem vermeintlichen Dr. Blind, der aber bereits in Gestalt von Herbert Lippert zum Eisenstein mutiert war und sich ein Buch vors Gesicht hielt, um nicht sofort als ihr empörter Ehemann erkannt zu werden, und dem tenoralen Belcantisten Alfred mit der wunderbaren Stimme von Jörg Schneider: „Ich stehe voll Zagen...“ – verständlich! Und alles köstlich! Die drei Erzkomödianten konnten sich voll ausleben, vokal und physisch, und diesseits der Rampe amüsierete man sich ebenso königlich.

Der Ernst des Opernlebens kehrte zurück mit Tannhäusers würdigem, baritonalem Gegenspieler beim Wartburgtreffen. So perfekt Samuel Hasselhorn ein paar Tage zuvor den Marquis Posa gesungen hatte, so sicher bewältigte er auch den noblen Wolfram. Aber wenn man vor einem leeren Haus mit lediglich ein paar verstreuten Eindringlingen ins Parkett zu singen hat: „Blick ich umher in diesem edlen Kreise“  und dabei nicht umher, sondern höchstens gerade nach vorne blicken kann – das nimmt diesem Text und dieser genialen Melodik einfach die Magie. (Auch wenn die Sänger von der Bühne aus, schon aus Beleuchtungsgründen, normalerweise das Publikum auf den 4 Rängen nicht ausnehmen können, bleibt das Gefühl, dass die empfangsbereiten Menschen da sind.)

Richard Strauss wusste danach mit anderen Mitteln die Verbindung zwischen hüben und drüben zu perfektionieren.  Drastischer als durch die Wahl des Judenquintetts aus „Salome“ hätte das kaum gelingen können. Da kam endlich Anton Ziegler ausreichend zum Zug, indem er das fast immer in dieser Szene zu laute Orchester mit nur 10 Fingern auf den Tasten des Bösendorfers ersetzte.  Jörg Schneider und Stephanie Houtzeel vergnügten sich als Herodes und Herodias mit „Heiß‘ ihn schweigen!“  (nämlich den hier nicht präsenten Jochanaan) und dann begannen die fünf Juden, die Tenöre Thomas Ebenstein, Leonardo Navarro, Lukhanyo Moyake und Benedikt Kobel und der Bass Ryan Speedo Green, zuletzt noch assistiert von Ayk Martirossian als Erster Nazarener, ihr lautstarkes Gezeter, wer aller Gott gesehen hat oder nicht…In dieser Formation ein aufregnder Spaß.

Schöner freilich geriet nicht nur, sondern ist das Duett „Mir ist die Ehre widerfahren“ – die Rosenüberreichung Octavians an Sophie, sowohl von Rachel Frenkel als auch von Hila Fahima mit delikater Belcanto-Hingabe gesungen. Und nach so viel Lyrik gab es dann das muntere „Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen“ aus „Ariadne“ vonseiten der 4 Komödianten  (plus Echo: Lydia Rathkolb) Rafael Fingerlos, Jinxu Xiahou, Pavel Kolgatin und Peter Kellner, gefolgt von Ariadnes großer Arie „Es gibt ein Reich“, effektvoll vorgetragen mit breitem Atem von der stimmgewaltigen Regina Hangler. Das Fünkchen Theatralik , das dazu gehört, fehlte auch nicht. Nicht zufällig  endete der Abend mit Zerbinettas ebenso virtuoser wie gefühlvoller Bravourarie „Großmächtige Prinzessin“, deren Vortrag Daniela Fally inmitten der durchwegs hochwertigen anderen Ensemblemitglieder des Hauses zum unbestreitbaren Star des Abends machte. Die vokale Brillanz, der Charme der Sängerin und die Bewältigung all der vielen Zwischentöne dieses langen Solos ließen das scherzhafte, dennoch herzhafte pianissimo- Ende „Hingegeben war ich stumm!“ fast als – allerdings liebenswürdige  – Ironie erleben. 

Hingegeben waren alle, ja, die für die Bühne und ihre Aussagekraft Lebenden und nach ihr Dürstenden dies- und jenseits des – verdeckten – Orchestergrabens. Sieglinde Pfabigan

PS: Dass die wenigen Anwesenden im Parkett nach Ende der Bühnengeschehnisse zwar noch applaudieren, aber keine Minute länger im Saal verweilen dürfen, um etwa noch Gedanken auszutauschen, kann keiner serösen Überlegung der Direktion zugeschrieben werden. Dass sich in ein bis zwei Minuten womöglich noch jemand mit dem Corona-Virus ansteckt? Wer weiß….

Sieglinde Pfabigan

 

Ballet-Blog a t t i t u d e: This week’s recommendations: Jun. 20th, 2020

BERLIN/ Gendarmenmarkt: ENDLICH WIEDER LIVE! Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester Berlin

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Foto: Ursula Wiegand

Berlin: Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester Berlin live auf dem Gendarmenmarkt. 20.06.2020

ENDLICH WIEDER LIVE steht weiß auf rot auf einem Schild. Endlich – nach 15 Wochen – ist das Konzerthausorchester auch wieder mit seinem Chefdirigenten Christoph Eschenbach vereint und gibt ein Openair-Konzert auf dem Gendarmenmarkt.
Die vorübergehende Trennung war Corona bedingt und das Konzerthaus – wie sämtliche Berliner Opernhäuser, Theater und Konzertsäle – ohnehin geschlossen. Eschenbach, von 2000 bis 2010 Chefdirigent des Orchestre de Paris, hat seinen Wohnsitz in Paris. Da die Grenzen bis vor kurzem geschlossen waren, musste er dort ausharren.

Ich bin überglücklich, nach dieser langen Zeit wieder mit meinem Konzerthausorchester vereint zu sein“, sagt er. In dieser Zeit sei es ihm ein besonders starkes Bedürfnis, den Menschen durch Musik Trost, Stärkung und Freude zu bringen, fügt er hinzu.

Auch Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann strahlt. „Unsere Freude ist riesig, nach 15 Wochen Online-Programm und einem Gastspiel in Dortmund nun zum Ende der Saison doch noch zwei Konzerte live vor unserem eigenen Publikum zu spielen – gemeinsam mit Chefdirigent Christoph Eschenbach vor der Kulisse des wunderbaren Gendarmenmarkt-Panoramas.“

Dieser Platz mit seinen zwei Domen rechts und links vom Konzerthaus – dem ehemaligen von Karl Friedrich Schinkel errichtete Schauspielhaus – gilt als einer der schönsten in ganz Europa. Doch an diesem nassen Samstag gehört er fast nur den nach Live-Musik Lechzenden.

Wer Corona getrotzt habe, trotze auch dem Regen, lobt Kultursenator Klaus Lederer. „Wir versuchen, unter immer noch schwierigen Bedingungen, Pandemieeindämmung und kulturelles Leben zu verbinden“, erklärt er und bleibt auch zum Konzert. Erst vor 10 Tagen hat er mehr Lockerung gewagt und sein Okay für diese Live-Darbietung gegeben. Danach war für Nordmann, die Mitarbeiter/innen und das Orchester spurten angesagt.

Um gratis draußen dabei sein zu können, mussten sich die Musikfans vorher online anmelden. Selbst auf diesem weiträumigen Platz ist die Zahl der Zuhörer/innen begrenzt. Zur Abstandswahrung wurden Kreidekreise für höchstens zwei Menschen aufs Pflaster gemalt, auf denen sie während des Konzerts stehen bleiben müssen. Trotz des Regens bleibt keiner der Kreise leer.


Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester openair. Foto: Felix Löchner/Sichtkreis

Das Orchester sitzt auf der Freitreppe, auf einer mit Segeltuch bespannten Bühne. Als Programm hat Eschenbach Beethovens Fünfte gewählt. „Angesichts der existenziellen Fragen und Nöte dieser Monate bietet sich im Beethoven-Jahr nichts so sehr zur Aufführung an wie seine fünfte Sinfonie, die viele unter dem Beinamen ‚Schicksalssinfonie‘ kennen“, formuliert Eschenbach. Die geplanten Feiern zu Beethovens 250. Geburtstag sind wg. der Corona-Restriktionen weitgehend ausgefallen.

„Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht“, hatte Beethoven, seinen zunehmenden Gehörverlust spürend, 1801 an einen Freund geschrieben. Was könnte jetzt besser passen

Energisch legt Eschenbach los. Wer kennt sie nicht, diese markanten vier Töne, den hämmernden Beginn in c-Moll, bei denen das Schicksal tatsächlich an die Tür zu klopfen scheint. Eschenbach, der fitte Achtzigjährige, dirigiert sie mit Nachdruck, lässt die Musik später jedoch reichhaltig fließen.

Beim As-Dur-Andante möchten einige vermutlich gleich mitsingen, doch Eschenbach lässt diese warm webenden Melodien nicht ins Romantische abdriften. Vielmehr zeigt er noch im folgenden Scherzo – wieder in c-Moll – auf, dass Beethoven weiterhin um die Überwindung seiner Angst vor der Taubheit ringt.

Erst im 4. Satz hat es Beethoven – damals sehr verliebt – geschafft. Der Schluss steht in C-Dur und endet mit einem voranstürmenden Presto, von Eschenbach und dem Orchester knackig und Mut stiftend dargeboten. Eschenbach lächelt, die meisten Musiker/innen ebenfalls.
Zu Recht. Beethovens Fünfte hat über den Regen und die voran gegangene allgemeine Misere triumphiert. Das Konzerthausorchester unter Eschenbachs Leitung ebenfalls. Das sollte demnächst öfter draußen auf dem Gendarmenmarkt musizieren. Sein Klang und sein Können kommen auf dem weiträumigen Platz noch besser zur Geltung als drinnen im Großen Saal.

Ursula Wiegand


Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester openair. Foto: Felix Löchner/Sichtkreis
 

Zweite kostenlose Aufführung heute Abend um 18 Uhr, vermutlich bei Sonnenschein.

MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater/ „Corona-Spielplan“: BEING ALIVE! Musical at its Best! (halbszenisch)

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Gärtnerplatztheater „Corona-Spielplan“  19. Juni 2020,     

BEING ALIVE! Musical at its Best! (halbszenisch)

… und Zeit wird zum üppig- paradiesischen Augenblick!


 © sarakurig.com

Es gibt Augenblicke, in denen alles gelingt! „Kein Grund zu erschrecken: Das geht vorüber“ sagt ein Aphorismus von Jules Renard.

Nach 4 Programmen im eingeschränkten „Corona“-Spielplan widerspricht TTT. 4 famose Abende beweisen überbordende Energien aus Oper-, Operetten-, Musical – Momenten, wenn die Gärtnerplatzcrew auffährt.

Um nicht als „Verehrungsmichel“ zu gelten, überlassen wir sämtliche Superlativen Ihren Phantasien. 

„…Haus mit einem einmaligen Profil und einer über 150jährigen Tradition. Das musikalische Unterhaltungstheater steht mit all seinen Facetten im Zentrum der Spielplangestaltung, die Werke aus Oper, Operette, Musical und Tanz umfasst. Damit ist es das einzige Staatstheater in Deutschland, welches sich diesem Repertoire schwerpunktmäßig widmet!“

Die Verunglimpfung „Notprogramm“ wegen aktueller Pandemie stimmt nicht. Es sind hochkünstlerische Abende im kleinen Format im Studiocharakter und enormem Publikumszuspruch – vom langen Applaudieren, Trampeln, Zugabe fordern bis zu hochberührtem Verweilen und Schweigen. Das hat Format, Bestand und Qualität – auch für die Zukunft. Sollten sich langfristig einschränkende Befürchtungen bestätigen, sind ideale Alternativen im Wechsel mit Aufwendigerem gefunden.

Musical-Stunde mit Swing, Soul, Jazz, Pop in szenischer Kleinkunst:   

Besetzung, Inhalt, etc.: https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/being-alive.html?ID_Vorstellung=2540&m=66

Vorurteil: Opernsänger und U-Musik? Leichte Muse und schwere Stimme?  Resultat: es war ein Supervergnügen!

Jennifer O’Loughlin, Maximilian Meyer und Christoph Seidl wagten sich aus dem Opern-Kosmos in die U-Musik und bestanden mit Prädikat. Auch für den peniblen TTT gibt es nix zu meckern – lockere Stimme, innig interpretierender Vortrag, bestens. Der Rezensent war völlig gefangen und begeistert in den Welten vom „Zauberer von OZ, West Side -Story, South Pacific, Jekyll & Hyde“. Maximilian Meyer zeigt enorme Vielseitigkeit. Nachdem er am Opern-Abend außerordentlich war, bei der Operette die Muskeln im höchsten Register etwas zu sehr spielen ließ, zeigte er eine ganz anders timbrierte Stimme, die völlig in diesem Genre aufging – nochmal außerordentlich. Das können Wenige.

Stefan Bischoff, Christian Schleinzer, Peter Neustifter singen und spielen auf sehr hohem Niveau. Da wird nicht outriert, es gibt keinen andienenden Klamauk, sondern Heiteres und verinnerlichte Szene. Man glaubt „Menschen wie Du und Ich“ zu erleben. Das ist die große Kunst, jenseits von Albernheiten und Rampengeilheit! Amüsantes entsteht nicht durch aufgetragene Blödelei, sondern aus Situation normalen Erlebens. So öffneten sie die Welten   intensiv zu „Company, Avenue Q, The Book of Mormon”.

Florine Schnitzel – ein Talent von „Gottes Gnaden“ kann begnadet singen, tanzen, ist hübsch und jung. Da ist der Tornister für Großes wohl vom „lieben Gott“ gepackt. Das Kabinettstück aus „Producers“ (Mel Brooks) dürfte ihr Karriereplanung sein: „Wenn du’s drauf hast, zeig es!“

Dagmar Hellberg, Erwin Windegger:  une grande dame, un grand maître! Die sind einfach großartig, für sich und zusammen. Da kommen großes Können, Erfahrung, tiefe Qualität und Publikumsliebe zusammen.

Dagmar Hellberg singt …wie wird man nun nicht uncharmant ? … ist mit ihrem Vermögen wohl einfach bei 25 geblieben – frisch swingt sie mit Charme und akzentuiert als tolle Singschauspielerin, ein Ausnahmetalent. « Can’t Help Lovin’ Dat Man » Show Boat, ist für jede Chart-Notierung im Swing prädestiniert.

Erwin Windegger ist der Mann auch für schwierigen Charaktere (z.B.  Priscilla, Don Quixote) und ein glänzender Fixstern im Ensemble. « Wie kann es möglich sein » aus Mozart (S. Levay) erreicht eine faszinierende Seelentiefe und Berührung, die nachwirkt.

„Annie Get Your Gun – Alles was Du kannst, das kann ich ….“, „Leb wohl, Liebling, Hello Dolly“ machen Beide zum Erlebnis, zu kleinen Geschichten jenseits stereotypem Gesangs.

Nur drei Instrumentalisten, Andreas Partilla (Klavier, musikalische Leitung), Stefan Teiser (Bass) und Matthias Kern (Schlagzeug) schafften erstaunlich „großes Kino“ für den gesamten musikalischen Rahmen – man staunt, ist begeistert, vereinnahmt und freut sich (so ist große Kleinkunst ganz groß!).

Auf dem Programmzettel fand TTT überraschend folgenden Goethe:

„In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung, und er sorgt zu den eigenen Gunsten für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und materielle Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte. Was immer Du kannst, beginne es. Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie. Beginne jetzt.“  Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Wir wissen um das Risiko der zukünftigen Einschränkungen gewohnten theatralen Lebens. Erhöhtes Risiko besteht durch inkompetente politische Entscheidungsträger. Wenn man berücksichtigt, dass z. B. die beiden Münchner Musiktheater im nächsten Jahrzehnt mindestens 2 Milliarden € benötigen, werden die am Punkt des geringsten Widerstandes, bzw. bei Minderheitenprogrammen einsparen wollen.  Da scheint Jammern und Wehklagen in Presse und Publikum zur schwierigen Situation kontraproduktiv. „Wenn die ohnehin nur noch meckern und mit dem was möglich ist auch nicht zufrieden sind, machen wir halt ganz dicht“ könnte die empathiefreie politische Reaktion sein.

TTT appelliert dieses Pflänzchen des Neubeginns zu pflegen, zu bejubeln. Damit treten wir in Goethes obigen Dunstkreis. Erstaunlich ist, dass diese Wahrheit heute Niederschlag in den Quantenenergien findet. Mit Experimenten ist belegt, dass unterschiedliche energetische menschliche Regungen, Gefühle, unterschiedliche Ergebnisse bewirken können. Dieses „Beobachterphänomen“ ist derzeit nur im Mikrokosmos erforscht, aber so begann doch unsere ganze Erde, in der Ursuppe. TTT betrachtet auch diesen Goethe als Synchronizität zu aktuellen Bestrebungen– allen Nihilisten zum Trotz. (Und dass ich ohne großes Zutun ständig zu passenden Aphorismen komme….?)

Zufall, Fügung, Synchronizität, C. G. Jung –  https://www.deutschlandfunkkultur.de/zufall-fuegung-synchronizitaet.1278.de.html?dram:article_id=192543

„Wir wissen was wir sind, aber wir wissen nicht was wir sein könnten.“ mit dem mglw. zu ändernden Shakespeare, als mögliches Pandemie-Resultat und „Die Zukunft beginnt heute, nicht morgen“ (Papst Johannes Paul II) hoffen wir auf Konstruktives.

Tim Theo Tinn, 21. Juni 2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse) – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

STUTTGART/ Schauspielhaus: „EXTREM LAUT UND UNGLAUBLICH NAH“ von Jonathan Safran Foer als Live-Hörspiel

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Felix Strobel, Gabor Biedermann. Foto: Björn Klein

Premiere des Live-Hörspiels „Extrem laut und unglaublich nah“ von Jonathan Safran Foer am 21. Juni 2020 im Schauspielhaus/STUTTGART

Geheimnisse des Lebens

„Ich finde, dass viele Dinge ziemlich merkwürdig sind.“ Der neunjährige Oscar versteht die Welt nicht mehr, seit er seinen Vater beim Anschlag auf das World Trade Center in New York verloren hat. Plötzlich fällt die Erde durch das All: „Ich kapier‘ nicht, warum wir existieren.“ Auf der Suche nach einem Türschloss läuft der vaterlose Oscar ziellos durch New York. In der durchaus subtilen Inszenierung von Bernadette Sonnenbichler und mit der intensiven Musik von Max Braun gewinnt diese von vielen unterschiedlichen Geräuschen lebende Aufführung plötzlich an Leben. Zitiert wird aus Briefen des Vaters: „An mein ungeborenes Kind…“ Oscar ist hier Sammler, Veganer, Pazifist, Perkussionist oder Amateur-Astronom. Immer wieder erlebt er Abenteuer und begegnet den unterschiedlichsten Menschen. Auf der mit Utensilien voll beladenen Bühne versucht Oscar krampfhaft und auch verzweifelt, den Grund für den sinnlosen Tod seines Vaters herauszufinden. Und hier ergeben sich bei der Aufführung auch elektrisierende Momente. Ergreifend ist außerdem die Geschichte seiner deutschen Großeltern, die nach der Bombardierung Dresdens nach New York geflüchtet sind. Diese unheimliche und grauenvolle Bombardierung gerät aufgrund raffinierter Geräuschkulissen überhaupt zum Höhepunkt der gesamten Inszenierung. Dabei sind die Darsteller Gabor Biedermann, Christiane Roßbach, Michael Stiller und Felix Strobel dem Publikum wirklich „unglaublich nah“. Der Opa wird zudem als guter Mensch geschildert, der bei jedem Tier angehalten hat, um es zu streicheln. Und die Großeltern haben rasch geheiratet. Zwischen kreischenden Leuten erscheint plötzlich wieder die Erinnerung an einen weiteren Brief des Vaters. Und die Mutter klärt den Sohn auf: „Ich hatte den Eindruck, dass dein Vater ein guter Mensch war. Er hatte einen unglaublich guten Blick.“ Oscar bittet um Vergebung, weil er auf die letzten Handy-Anrufe seines Vaters nicht reagieren konnte. Und die Mutter betont: „Ich werde mich nie mehr verlieben.“ Drei Schicksale einer Familie werden dabei in suggestiver Weise miteinander verwoben. Auf die Frage „Glaubst du, dass der Tod deines Vaters auch etwas Gutes für dich bedeuten könnte?“ antwortet Oscar mit großer Aggressivität und Ablehnung. Stellenweise hätte man sich bei dieser Inszenieurng zuweilen auch noch ein stärkeres Herantasten an psychologische Details gewünscht. So bleibt manches im Nebel und ist zu wenig plausibel: „Du brauchst eine Auszeit, Oscar!“ Oscar beschäftigt sich mit Shakespeares gesammelten Werken: „Nichts auf der Welt ist schön und wahr.“ Schließlich kommt es zu einer satirisch-sarkastischen „Hamlet“-Parodie, bei der die Schauspieler in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. Die Konflikte zwischen armen und reichen Teilen der Gesellschaft eskalieren: „Ich spende viel Geld für wohltätige Zwecke!“ Schließlich kommt heraus, dass die Mutter sogar seine Geburtsurkunde gefälscht hat. Oscar ist zeitweise im seelischen Ausnahmezustand: „Die Scheide einer Afroamerikanerin stärkte mein Selbstbewusstsein.“ Das Stück ist eigentlich eine unbewusste Dschungel-Suche nach verlorenen Ereignissen und Menschen. Zuletzt läuft Oscars Leben wie ein rückwärts gedrehter Film ab: „Ich begriff nicht, dass er mein Opa war“. Alles wäre gut gewesen, wenn man die Dinge richtig zurückverfolgt hätte.    

Alexander Walther

WIEN/ Krypta der Peterskirche: „OPER IN DER KRYPTA“– Opernarienabend

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Große Freude nach dem Schlussbeifall: Florian Pejrimovsky, Dorothée Stanglmayr, Magdalena Renwart-Kahry und Ekaterina Nokkert (Foto: In höchsten Tönen)

Wiedereröffnung der „Oper in der Krypta“ in der Peterskirche:

Opernarien-Abend am 21. Juni 2020

 Am 21. Juni 2020 kam es nach der monatelangen Sperre durch die Corona-Pandemie zur Wiedereröffnung der „Oper in der Krypta“ in der Wiener Peterskirche. Am Programm stand ein Opernarien-Abend (Beethoven – Weber – Verdi) mit der Sopranistin Magdalena Renwart-Kahry, dem Bassbariton  Florian Pejrimovsky und der Pianistin Ekaterina Nokkert.

Aufgrund der strengen Bestimmungen wegen des Corona-Virus durften die Vorstellung nur etwa 50 Personen besuchen. Dorothée Stanglmayr, die Leiterin der Konzert- und Künstleragentur „In höchsten Tönen“, begrüßte die Besucher mit herzlichen Worten, wobei sie auch darauf hinwies, dass sie bis dato keine finanzielle Unterstützung der Regierung erhalten habe.

Zu Beginn gedachte man des 250. Geburtstags von Ludwig van Beethoven mit zwei Arien aus seiner Oper „Fidelio“. Mit Don Pizarros Arie Ha, welch ein Augenblick brachte Florian Pejrimovsky seinen kräftigen Bassbariton prächtig zum Erklingen, anschließend zeigte sich Magdalena Renwart-Kahry im Hosenanzug als Leonore mit der Arie Abscheulicher! Wo eilst du hin? stimmlich in Bestform – mit hochdramatischem Sopran und ausdrucksstarker Mimik! Danach folgte das Klavier-Solo Sonate op. 31/3 in Es-Dur, einfühlsam gespielt von der Wiener Pianistin mit russisch-bulgarischen Wurzeln Ekaterina Nokkert, die den beiden Sängern den ganzen Abend über eine musikalisch einfühlsame Begleiterin war.

Nach Beethoven wurden zwei Arien aus der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber dargeboten: Florian Pejrimovsky sang die Arie des Caspar Schweig, schweig, damit dich niemand warnt mit trefflich tiefer Stimme und humorvollem Ausdruck und danach Magdalena Renwart-Kahry – nun im aparten Abendkleid – die Arie der Agathe Wie nahte mir der Schlummer, wobei ihr lyrischer Sopran wunderbar zur Geltung kam.

Nach der Pause, in der sich das Publikum mit Sekt, Wein und alkoholfreien Säften laben konnte, standen Arien aus drei Opern von Giuseppe Verdi auf dem Programm. Florian Pejrimovsky glänzte als Rigoletto mit der Arie Cortigiani, vil razza dannata! Eine Rolle, die dem Bassbariton auf den Leib geschrieben scheint. Anschließend zeigte sich Magdalena Renwart-Kahry in neuer eleganter Abendrobe und intonierte aus der Oper „Der Troubadour“ die Arie der Leonore Tacea la notte placida. Wieder stimmlich sehr dramatisch und mit starker Mimik und Gestik. Es scheint, als habe sie während der Corona-Krise an Sicherheit und Ausdruckskraft stark zugelegt!

Das Opernarien-Programm beendete Florian Pejrimovsky aus der Oper „La Traviata“ mit der Arie des Germont Di Provenza il mar il suol und dem Duett mit Magdalena Renwart-Kahry als Violetta aus dem 2. Akt. Nach nicht enden wollendem Beifall des begeisterten Publikums wurde von den beiden Sängern als Zugabe noch das Duett Lippen schweigen, ‘s flüstern Geigen aus der Operette „Die lustige Witwe“ gesungen, womit auch noch des 150. Geburtstags von Franz Lehár gedacht wurde.

Man darf Dorothée Stanglmayr, der Intendantin von „In höchsten Tönen“, zur Wiedereröffnung der „Oper in der Krypta“ gratulieren und ihr weiterhin viel Erfolg wünschen.

Udo Pacolt

 PS:  Der Opernarien-Abend wird in der gleichen Besetzung am Sonntag, dem 28. Juni 2020, in der Krypta der Peterskirche wiederholt.  

 

 

 


attitude – Ballet-Blog. Vienna State Ballet: Nureyev Gala 2020

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attitude – Ballet-Blog.  Vienna State Ballet: Nureyev Gala 2020

Copyright: Vienna State Ballet / Ashley Taylor

For obvious reasons which I will not have to explain, this year’s „Nureyev Gala“ will not take place at the End of this Month.

At least not in the conventional way in which we are used to it.

To Manuel Legris’s „farewell“ from the Opera, after 10 years working in Austria, the Vienna State Ballet will present a live-Streaming directly from the big Dance Studio at the Opera.

You can watch The Nureyev Gala directly from your home on

June 25th, 2020 and this worldwide and free-of-charge.

Start: 2 pm on (Middle European Time), U.K. and Portugal 1 pm., Brazil 9 am, New York 8 am etc.

www.staatsoperlive.com

https://www.attitude-devant.com/blog/2020/6/22/vienna-state-ballet-nureyev-gala-2020

Ricardo Leitner

 

DRESDEN/ Semperoper: DON CARLO – trotz kleinster „Orchesterbesetzung“ ganz große Oper mit Anna Netrebkos Rollendebüt

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Elena Maximova (Eboli), Anna Netrebko (Elisabetta) und Yusif Eyvazov (Don Carlo) am Ende eines gelungenen Abends. Foto: Semperoper/ Aufklang

 

Dresden/Semperoper: TROTZ KLEINSTER „ORCHESTERBESETZUNG“ GANZ GROSSE OPER MIT ANNA NETREBKOS ROLLENDEBÜT ALS ELISABETTA IN „DON CARLO“ 21.6.2020

Durch das Corona-Virus war auch die Semperoper gezwungen, ihre Pforten zu schließen und die mit viel Spannung erwartete Premiere von Giuseppe Verdis „Don Carlo“, einer Kooperation mit den Salzburger Festspielen, in der Inszenierung von Vera Nemirova, deren Premiere mit Anna Netrebkos Dresdner Rollendebüt als Elisabetta für Mai 2020 geplant war, auf die Spielzeit 2020/21 zu verschieben.

Ihr Rollendebüt gab die Netrebko aber dennoch schon jetzt. Nach dreimonatiger Spielpause wagte man an der Semperoper die Wiedereröffnung mit einer neuen Reihe, dem „Aufklang!“ – eine Reminiszenz an den alljährlichen „Auftakt!“ am Beginn einer neuen Spielzeit – und das gleich mit einem „Paukenschlag“. Nach ihrem Hausdebüt im Jahr 2016 kehrte die unermüdliche Anna Netrebko, die sich eine große Opernrolle nach der anderen erschließt, mit ihrem geplanten “Don-Carlo“-Debüt an das Haus zurück – wegen der geforderten geringen Platzkapazität und damit stark eingeschränkten Besucherzahlen an vier aufeinanderfolgenden Abenden (19.-22.6.), was für manchen Opernfreund einen schmerzlichen Verzicht, für einige wenige aber ein außergewöhnliches Opernereignis bedeutete.

Sie kam, sah und siegte und verlieh selbst in der 90minütigen konzertanten, stark reduzierten, „kammermusikalischen“ Fassung mit ausgewählten Arien und Ensembleszenen unter den geltenden „Corona“-Bedingungen diesem musikalischen Ereignis unerwarteten Glanz. Man hatte viel erwartet, aber sie machte diese Aufführung mit einer kleinen „Abordnung“ von nur sechs Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, Klavier und Harmonium statt großem Orchester zur ganz großen Oper.

Ihre Stimme klang ausgeruht mit der ihr eigenen Ausdruckskraft und Brillanz. Ihre bewundernswerte Gesangstechnik lässt sie offenbar alle Widrigkeiten schadlos überstehen, und so konnte sie ihren zahlreichen Paraderollen eine weitere hinzufügen, vielleicht sogar eine ihrer besten und überzeugendsten. Obwohl sie schon allen Ausdruck in die Stimme hineinlegt, vermag sie einer jeden Operngestalt, die sie verkörpert, auch noch durch ihre Gestik glaubhaft Leben einzuhauchen, Charakter zu verleihen und ekstatisch zu steigern, eine Vollblut-Opernsängerin mit allen Fasern.

Sie war Elisabetta und zog bei der Arie „Tu, che le vanitá“ alle Register ihres Könnens, die sie beherrscht wie kaum eine andere. Mit ihrer emotionalen Ausdruckskraft und wunderbarer Pianokultur in der Höhe, einschließlich kleiner wirkungsvoller, dramaturgisch eingesetzter Ritardandi zog sie alles in ihren Bann.

Ihr zur Seite standen international geschätzte Gäste und Sänger der Semperoper, die sich offensichtlich auch von ihren sehr hohen Maßstäben inspirieren ließen.

Elena Maximova wirkte als ihre Gegenspielerin Eboli etwas zurückhaltender, wie es der Rolle entspricht. Sie sang sehr gewissenhaft und mit Leidenschaft und gestaltete ihre Rolle geschickt in leichten Andeutungen szenisch mit. Wenn auch in der Höhe etwas guttural und leicht schrill, überwogen doch Temperament und schöne, ausdrucks- und gefühlvolle Passagen mit entsprechenden Feinheiten und gekonnten, lockeren Koloraturen. Bei dem berühmten „Schleierlied“ („Canzone del velo“) ersetzten drei versierte Damen des Sächsischen Staatsopernchores (Einstudierung: Jan Hoffmann) sowie Mariya Taniguchi vom Jungen Ensemble, die auch kurz einem Mönch ihre Stimme lieh, den Chor.

Vier Herren des Staatsopernchores, deren ungewohnter „A-capella-Gesang“ in Minimal-Besetzung trotz des gewahrten Abstandes von jeweils 1,5 m keine Homogenität vermissen ließ, begleiteten Alexandros Stavrakakis mit seinem profunden, volltönenden Bass als Mönch in Vorspiel und Introduktion. Die Gestalt Philipp II. lag bei Tilmann Rönnebeck in soliden „Händen“ bzw. Kehle, weniger emotionsreich als auf die technische Ausführung orientiert.

Als Don Carlo überzeugte Yusif Eyvazov  mit ausgewogener Technik, guter Diktion und Leidenschaft. Der metallisch-stentorische Klang seiner Stimme verlieh dem Infant von Spanien etwas mehr Strenge als gewohnt und dem Duett mit Posa, gesungen von Sebastian Wartig, der in lyrischen, mit Anteilnahme gesungen, Passagen wie bei „O Carlo, ascolta“ im Mezzoforte mehr überzeugen konnte, als bei dramatischen Ausbrüchen im Forte, eine gewisse Herbheit. Bei der minimalen „Orchesterbesetzung“ war jeder Sänger weitgehend auf sich „allein gestellt“ und seine Fähigkeiten „auf dem Prüfstand“.

Sehr zum Eindruck einer gelungenen „Opern“-Aufführung“ trug nicht zuletzt die einfach geniale musikalische Einrichtung von  Johannes Wulff-Woesten bei. der sich bei der Besetzung an Opernbearbeitungen des 19. Jahrhunderts orientierte und vom Klavier aus auch für die ausgezeichnete musikalische Leitung sorgte, sowie das kongeniale Zusammenwirken mit der Dramaturgie von Kai Weßler, bei der die Handlung mit nur wenigen Schritten, Distanzen, kleinen Gesten und Mimik, die Auf- und Abgänge geschickt einbezogen, besser erklärt wurde, als manche moderne Regie es vermag,

Da gab es keine Pausen, keine Lücken. In fließenden Übergängen fand die „gesamte“ Oper in geraffter Handlung statt. Allein wie sich Elisabetta und Don Carlo von beiden Seiten bei ihrem ersten Zusammenreffen zaghaft nähern, sich die Eboli später verzweifelt abwendet und schließlich niederkniet, die Königin aber, die sie vom Hofe verwiesen hatte, brüsk abgeht, schuf so viel Spannung, dass man keine Inszenierung vermisste.

Bei der Abschiedsszene „È dessa!“ durften Anna Netrebko und Ehemann Eyvazov sogar auf die gebotenen 1,50 m Abstand verzichten und dieses Duett auch szenisch sehr intensiv gestalten. Hier wurde mit (sehr) wenigen Mitteln sehr viel erreicht, da alle Akteure, die auch ihre eigenen Rollen-Vorstellungen einbringen konnten, dieses Konzept gekonnt umsetzten.

Die kleine „Abordnung“ der Staatskapelle: Robert Lis, Violine, Simon Kalbhenn, Violoncello, Andreas Wylezol, Kontrabass, Andreas Kißling, Flöte, Sebastian Römisch, Oboe und Volker Hanemann), Englischhorn, bildete ein klangschönes Fundament für die Sänger und stimmte mit klangvollen Soli von Englischhorn und dem berührenden Cello-Solo bei der Einleitung der Arie von Philippo II. „Ella giammai m’amó“ bedeutungsvoll auf das jeweilige „Ereignis“ ein. Die Musiker seien hier nicht nur wegen ihrer hervorragenden musikalischen Leistungen, sondern auch wegen ihrer nicht risikofreien Einsatzbereitschaft erwähnt.

Das verbindende (Klang-)Element zwischen Streichern und Holzbläsern bildeten Johannes Wulff-Woesten am Klavier, der auch für die musikalische Leitung sorgte, und Jobst Schneiderat am Harmonium, dem „Ersatz“ für weitere Bläser und Orgel, der „nebenbei“ auch mit den wenigen, sorgsam geschlagenen Glockentöne bedeutungsvoll in die Handlung einstimmte.

Ohne zu übertreiben, kann man sagen, dass sich dieses „Provisorium“ durch Anna Netrebkos herausragendem Rollendebüt, der musikalischen Einrichtung von Wulff-Woesten, der Dramaturgie von Weßler und den Musikern der Staatskapelle zu einer „Sternstunde“ der Oper entfaltete. Schade nur, dass wegen eines kleinen Virus nur sehr wenigen Besucher vergönnt war, einen dieser großartigen Abende zu erleben.

 Ingrid Gerk

 

WIEN/Staatsoper: „KUDA, KUDA“- Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus Werken slawischer Komponisten

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Olga Bezsmertna. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

WIEN/Staatsoper: „KUDA, KUDA“- Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus Werken slawischer Komponisten

(am 22.6. 2020 – Karl Masek, der sich von Eugen Roths „Ein Mensch…“- Gedichten inspirieren ließ)

 

Ein Mensch, der im Ensemble war

Im Haus am Ring, für neun, zehn  Jahr‘,

Als Säule, Stütze, galt er stets

Doch selten fragt‘ man ihn: Wie geht’s?

 

Ein Mensch, oft Comprimario ist,

Nur selten ein Protagonist.

Als Cover ist er stets bereit:

Kriegt Hauptroll‘ – nur von Zeit zu Zeit!

 

Wenn Stars einmal unpässlich sind,

Ein‘ Cover holt man her geschwind.

Ein Mensch, er soll Premiere retten:

Ja, wenn wir nicht Ensemble hätten …

 

Durch Pandemie kam Sperre nun:

(Durch Sperre hat man nichts zu tun.)

Doch halt! Statt Bühne: Konzertant!

Ensemble, das ist stets zur Hand.

 

Auch Abstandsregeln – kein Problem!

Ein Mensch, er löst auch das bequem.

 Arien, Duett‘, Ensembles dann:

Hält Abstand ein, so gut er kann.

 

 

Die Chance, Protagonist zu sein:

Aus Schattendasein Sonnenschein!

Ein Mensch, die Chance ergreift er jetzt

Im Monat Juni nun zuletzt.

 

Slawische Opern – Stiefkind oft!

Raritäten hören – unverhofft.

„ Schneeflöckchen“, „Jolanta“ in Gebrauch,

„Jahrmarkt von Sorotschinzy“ auch.

 

Mussorgsky, Rimski-Korsakow,

Tschaikowski und Rachmaninow:

Ein Mensch, der alles das serviert:

Das Publikum begeistern wird!

 

Ein Abend voller Elegie,

Voll Abschiedsschmerz, Melancholie.

Musik ist voller Leidenschaft,

Die Leidenschaft, die Leiden schafft…

 

Ein Mensch, als „Merker“ er präsent:

Diesmal in seinem Element!

Kreide und Tafel braucht er nicht:

(Der Daumen ist nach ob’n gericht‘)

 

Olga Bezsmertna, wunderbar,

 „Rusalka“ und „Tatiana“ war!

Die Briefszene: Ihr Meisterstück!

Das Publikum, das schwelgt im Glück!

 


Yongmin Park. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Jongmin Park als „Wassermann“:

Mit Balsambass die Roll‘ er kann!

Die Damen Vörös, Plummer schließlich:

Ensemblestimmen, stets ersprießlich.

 

Pavel Kolgatin zeigt noch schnell,

Wie toll als „Lenski“  er zur Stell‘.

Kuda, kuda…mit Ausdruck bot,

Als wär‘ das sein alltäglich Brot …


Margarita Gritskova. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Savinskaia* und Gritskova:

Mit tollen Nummern war’n sie da!

„Lisa“, „Polina“ hört‘ man gerne:

(Bald zieh’n sie weiter in die Ferne)

 

Ein Mensch, als tiefer Bass geboren,

erfreut mit milder Stimm‘ die Ohren.

Und Dan Paul Dumitrescu setzt

Mit „Gremin“ Höhepunkt zuletzt.

 

Die Damen Kushpler, Bohinec

Im „Eugen Onegin“ gut – wie stets.

„Aleko“ Peter Kellner, dann:

Der klopft für große Aufgaben an!

 

„Orchester“ Kristin Okerlund

War mit den Sängern stets im Bund.

Ein Mensch, der so Klavier spiel‘n kann,

Der ist beliebt bei jedermann.

 

 

Ja, viele nehmen Abschied nun!

„Kuda?“ Die Reise! Viel zu tun!

Ein  Mensch, der Künstler ist, zieht weiter.

(Viel Glück, auf der Karriereleiter!)

 

Zu allen „Toi,toi,toi“  man schreit!

Nach Pandemie ist’s höchste Zeit,

Dass Oper szenisch aufsperrt wieder!

(Und ringen wir das Virus nieder!)

 

(*auf der 2. Silbe zu betonen)

Karl Masek

 

FRANKFURT/ Opernhaus: „KONZERT MIT 8 HÖRNERN“

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Horn-Oktett des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters. Foto: Barbara Aumüller

Frankfurt / Opernhaus: „KONZERT MIT 8 HÖRNERN“ – 22.06.2020

Da hatten die Programm-Gestalter der Oper Frankfurt eine exzeptionelle Rarität kreiert und servierten der staunenden „Hundertschaft“ ein Schmankerl der besonderen Art: einen Konzertabend der Hornisten ( 2 Damen + 6 Herren) des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters. Die sehr engagierten internationalen Solisten Mahir Kalmik, Christian Katzenberger, Silke Schurack, Stef van Herten, Mehmet Tuna Erten, Claude Tremuth, Genevieve Clifford, Canberk Yüksel spielten in munterer Folge Werke aus europäischer Konzertliteratur.

Zum Auftakt erklang „Idylle und Lebenslust“ von Rudolf Huber des 1879 in Wien geborenen Posaunisten und Komponisten. Die acht Solisten spielten mit Hingabe und sicherem Gespür für Effekte das kurze folkloristisch anmutende Werk.

Auf charmante Weise fungierten eine Dame sowie zwei Herren des Ensembles als Conférencier, führten durch das Programm und bedankten sich gleichzeitig beim kurzfristig zu Hilfe geeilten „Dirigenten“ des Abends dem Studienleiter Takeshi Moriuchi um den akustischen Gehalt der auferlegten weitläufigen Distanzen zu garantieren.

Mit obsessiver Subjektivität gab das hervorragende Bläser-Oktett der „Lohengrin-Fantasie“ von Richard Wagner prächtig ausmusizierte Nuancen und sorgsam abgestufte Klang-Akzente, sowie eine bemerkenswerte instrumentale Farbigkeit unbd Vielfalt.

In gemäßigten Tempi-Relationen,  die kompositorischen Strukturen stets im Blick erklang zu diffizilen Zwischentönen das „Divertimento Nr. 8“ von Wolfgang Amadeus Mozart als bezauberndes „Horn-Quartett“.

Herrlich phrasiert erlebte das Poem „Nimrod“ in seiner analytischen Steigerung aus dem Adagio in intensive hymnische Sphären, eine neue variable und instrumental brillante Variations-Wiedergabe.

Kerry Turner *1960 amerikanischer Komponist und Hornist arrangierte die „Carmen-Suite“ (Georges Bizet) für Blechbläser, nun erwiesen sich die jungen Musiker als perfekte und ausdrucksstarke Sachverwalter dieses Sujets, schenkten den vier Sätzen virtuose Effekte mit dem brillant musizierten finalen Chanson bohéme. Aus der Feder des Arrangeurs Turner erklang als Finalwerk „Farewell to Red Castle“ farbenreich, interpretiert, das musikalische Spektrum  der Scotish Highlands pastos vortrefflich interpretierend.

Die anwesende Zuhörerschaft zeigte sich begeistert, feierte die Künstler lautstark und vehement. Zum Dank wurden mit dem betörend schön gespielten „Abendsegen“ (Humperdink)  in die laue Sommernacht geleitet.

Gerhard Hoffmann

Film: DAS VORSPIEL

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Filmstart: 26. Juni 2020
DAS VORSPIEL
Deutschland / 2019
Drehbuch und Regie: Ina Weisse
Mit: Nina Hoss, Simon Abkarian, Jens Albinus, Sophie Rois, Ilja Monti, Serafin Mishiev u.a.

Wie wird man zum Künstler? Man bekommt es nicht geschenkt. Hinter großen Solisten – Sänger, Pianisten, Geiger, alle einfach – steht nicht nur der persönliche Ehrgeiz, sondern oft auch die Intensität, mit denen Lehrer ihre Schüler vorantreiben. Das kann – wie alles im Leben – extrem und vernichtend werden. So wie die Stunden, die Anna Bronsky in ihrer Musikschule gibt. Regisseurin Ina Weisse erzählt eine Geschichte, die an ihrem Ende an Besessenheit grenzt.

Wie auch in ihrem ersten Spielfilm „Der Architekt“ (2008, mit Josef Bierbichler) bewegt sich Ina Weisse auch in ihrem zweiten in Künstlerkreisen. Und sie greift das bekannte Motiv auf, dass persönliches Scheitern später durch jemand anderen korrigiert und kompensiert werden soll. Nach und nach erfährt man, dass Anna selbst vielleicht das Zeug, aber nicht die Nerven zur Künstlerin gehabt hat. Nun peitscht sie auf den jungen Alexander (Ilja Monti) ein, obwohl nur sie von seinem übergroßen Talent überzeugt ist. Frau Köhler, die Kollegin an der Schule (Sophie Rois) steht ihm eher distanziert gegenüber. Aber Anna brennt innerlich: Sie wird diesen Jungen groß machen, koste es sie (und ihn, das steht für sie gar nicht zur Debatte), was es wolle… Was sie da auf das schrecklichste entwickelt, ist auch der Wille zur Macht.

Schritt für Schritt, langsam, nur nach und nach an Intensität und letztlich auch an Pathos zunehmend, entwickelt sich die unglückselige Geschichte. Die Eifersucht von Annas Sohn Jonas (Serafin Mishiev), der auch Geige spielt wie der gleichaltrige Alexander und diesem so brutal hintangesetzt wird. Das spürbare Bröckeln ihrer Ehe mit dem französischen Gatten (Simon Abkarian), mit dem sie auch Französisch spricht. Das Verhältnis, das sie mit ihrem Kollegen Christian (Jens Albinus) eingeht, der sie (gegen die Skepsis der anderen Musiker) in sein Quintett aufnimmt (und wo sie dann versagt).

Und so kommt es in beklemmender Verdichtung schließlich zur Katastrophe, als beide Jungen scheitern – der eine an den unmenschlichen Anforderungen an sein Könnens, der andere an den Zurücksetzungen, die er erfahren muss. Das Unglück, das kommt, könnte schlimmer sein – aber es ist schlimm genug.

Im Grunde zeichnen Drehbuch (die Regisseurin mit Daphne Charizani) und Regie die tragische Geschichte eines menschlichen Versagens, und es geht dabei um Anna allein, die alles um sich herum kaputt macht. Man könnte sie sich als dominierende Glitzerpersönlichkeit vorstellen, von der man auf der Leinwand fasziniert überrollt wird. Das Besondere des Films besteht aber in der Selbstverständlichkeit und äußeren Normalität, mit der Nina Hoss diese Anna spielt, wie sie die Figur nicht aufputzt, nicht schillernd macht, sondern all das Dunkle in ihrem Inneren versteckt. Und man begreift es – mit leisem Schauder – nur zu gut, welcher kranke Machtrausch sie antreibt.

Wesentlich für den Kinobesucher ist, dass er klassische Musik wirklich liebt. Sie ist nämlich hier nicht Aufputz, nicht Hintergrunds-Gesäusel, sondern integraler Bestandteil der Geschichte und prominent vertreten. Jene klassische Musik, die das Leben so vieler Künstler qualvoll antreibt – um den Zuhörern einfach nur simples Glück zu verschaffen. Ohne einen Gedanken an die Schmerzen und Leiden zu verschwenden, die möglicherweise hinter einer perfekten Leistung stehen. Von der Jelinek’schen „Klavierspielerin“ über „Lara“ (unlängst mit Corinna Harfouch im Kino) bis zu „Das Vorspiel“ wird die scheinbar so heile Welt der Klassik hinter den Kulissen demontiert.

Renate Wagner

WIEN/ Staatsoper: Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus Werken von Verdi und Puccini. „CHE GELIDA MANINA“ –

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Valentina Nafornita. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 24.6.2020: „CHE GELIDA MANINA“ –

Ensemblemitglieder singen Ausschnitte aus Werken von Verdi und Puccini

 Wenn man unser Opernhaus wieder so verlassen und einsam erblickt – das Betreten ist natürlich nur mit obligater Maske erlaubt – mischt sich neben der Vorfreude auf italienische Musik der Genies Verdi und Puccini erneut eine bedrückende Stimmung. Das Ensemble zeigt sich trotz der spärlichen  Zuseher von seiner besten Seite, sodass man traurig wird, von den 15 SängerInnen, die den Abend gestalten, in der nächsten Saison nur mehr 3 am Haus am Ring erleben zu dürfen: Monika Bohinec, Szilvia Vörös und Clemens Unterreiner.

Am Beginn des Konzert-Abends beweint Lukhanyo Moyake als Macduff den Mord an Frau und Kindern durch den Tyrannen Macbeth in „O figli miei“. Der Süd-Afrikaner war bisher nur als Malcolm in dieser Operzu erleben und singt mit kräftiger, intensiver Tenorstimme diese große Arie.

Danach kommt der große Belcanto-Meister Jongmin Park auf die Bühne und zeigt mit „Ella giammai m´amò“ aus Don Carlo, dass er einer der führenden Bässe weltweit geworden ist. Bei der Interpretation Philipps II, dem mächtigsten Herrscher des 16. Jahrhunderts, fehlen dem Süd-Koreaner nur einige Jahrzehnte an Alter und die besungenen weißen Haare. Der Blick des spanischen Königs nach innen mit den ungelösten Problemen mit Gattin, Sohn und seiner Einsamkeit gelingt in Klangschönheit, mit kräftigen Emotionen und zarten piani, wenn er von Schlaflosigkeit, den Gräbern im Escurial und seinem Lebensabend ohne die Liebe seiner Frau singt. Mit langgezogenen Schluss-Ton endet der hervorragende Vortrag und auch die Pianistin klatscht.

In schönem, weinrotem Kleid folgt Szilvia Vörös als Prinzessin Eboli mit „O don fatale“. Die Ungarin hat bereits als Anna an der Seite von DiDonato in „Les Troyens“ mit ihrer wunderschönen Stimme begeisternd können. Nun strömt ihr kraftvoller Mezzo, attackiert oft in hohen Lagen und fließt mit viel Gefühl, wenn sie in „Don Carlo“ von ihrer Königin schwärmt. In Interviews träumt die sympathische Sängerin von den großen Verdi-Partien und so freue ich mich schon sehr auf ihre Fenena in Nabucco im Jänner 2021 und die Weiterentwicklung der verheißungsvollen Stimme.

Nachdem Samuel Hasselhorn bereits beim Konzert in der Staatsoper am 16.6. als Marquis Rodrigue dessen Abschieds-Arie auf französisch gesungen hat, ist er nun mit diesem Stück auch in der italienischen Version „O Carlo, ascolta“ zu hören. Leider nicht ganz so souverän wie zuvor, aber durchaus mit angenehmer Stimmführung.

Eine staatsopernreife Leistung erleben wir mit dem Quartett „Un dì, se ben rammentomi“ aus Rigoletto. Während Andrea Carroll bereits im Mai 2019 als sehr gute Gilda mit glasklaren, hellen Koloraturen und beweglicher Stimme zu hören war, ist es für Zoryana Kushpler, Clemens Unterreiner und Jinxu Xiahou ein Hausdebüt in ihren Rollen als Maddalena, Rigoletto und dem Herzog von Mantua. Der Chinese als Wüstling oder Draufgänger ist vom Aussehen nicht sehr glaubwürdig, aber stimmlich überzeugt er auf jeden Fall mit verführerischem Schmelz und schön geführter Höhe. Noch nie habe ich jemals einen so jungen, attraktiven Hofnarren gesehen wie Clemens Unterreiner, aber wenn der österreichische Bariton böse oder wütend blickt, wirkt er – wie immer sehr spielfreudig – wie der ideale, rachsüchtige Vater.

Weiter geht es mit Ryan Speedo Green mit „O patria…O tu, Palermo“ als Giovanni da Procida aus dem 2. Akt von „I vespri siciliani“, welche seit September 2012 nicht mehr auf dem Spielplan der Staatsoper gestanden ist. Mit voluminöser Bass-Stimme freut sich der US-Amerikaner in der Arie über die Rückkehr in die Heimat nach langer Verbannung und gibt dem Bühnen-Boden kniend einen innigen Handkuss. Die höheren Töne gelingen gut, nur beim Hinaufsingen sind kleine Unsicherheiten unüberhörbar.

Die letzte Oper von Giuseppe Verdi war „Falstaff“ und dieses Stück beschließt auch die Ausschnitte des großen Komponisten bei diesem Konzert. Zuerst bringt Pavel Kolgatin die Romanze „Dal labbro il canto estasiato vola“. Der russische, junge Tenor besitzt eine leichte, lyrische Stimme, der meiner Meinung nach nur etwas mehr Wiedererkennungswert und samtigere Klangfarbe fehlt. Dem Schluss-Teil „bacca baciata non perde ventura – einem geküssten Mund lacht das Glück“ ist nichts hinzuzufügen. Danach verzaubert Hila Fahima mit „Sul fil d´un soffio“, welches sie auch schon 10x als entzückende Nannetta in der David McVicar – Inszenierung dem Wiener Publikum dargebracht hat. Die Sopranistin lächelt liebevoll während der Arie und kann ein junges, süßes, verliebtes Mädchen optimal darstellen.

Erneut als großen Liebhaber mit schön geschwungenen Legato-Bögen, wohlklingendem Timbre und Höhensicherheit gibt sich Jinxu Xiahou als Rodolfo mit „Che gelida manina“ aus „La Bohème“. Während er schon 8x in Wien den Dichter spielte, zuletzt im Oktober 2019, verliebt sich nun eine neue Lucia in der Künstler-WG: Valeriia Savinskaia antwortet mit schüchternem Blick ihr „Si, mi chiamano Mimì“. Die weiche, hohe Stimme der blutjungen Russin, die in Wien (laut Savinskaia „dem Herz der Musik“) am Konservatorium studierte, liegt für diese Rolle ideal und mit zarten piani und pianissimi kann sie eindrucksvoll berühren. Begeisterte „Brava-Rufe“ folgen und auf die künftige Karriere darf man gespannt sein.

Ebenfalls in Wien studiert hat Monika Bohinec, die seit 2011 zum Ensemble gehört und schon unzählige Hexen-Partien dargestellt hat. Besonders gut ist sie mir als kurzfristig eingesprungene Cassandre in „Les Troyens“ in allerbester Erinnerung. Ihren Beitrag „Acerba voluttà“ als Fürstin Bouillon aus „Adriana Lecouvreur“ gestaltet die slowenische Mezzo-Sopranistin mit gehaltvoller Tiefe und auch klar klingenden hohen Tönen. Begleitet von außergewöhnlich-schnellhändig gespielter Klavierbegleitung könnte die besungene Ungeduld noch etwas intensiver wirken, aber die Darbietung gelingt sonst tadellos.

Valentina Nafornita besingt „Chi il bel sogno“ aus „La rondine“ in einem aufregend geschlitzten, silber-farbenden Kleid mit freiem Rücken.

Als Schluss träumen Ping, Pang und Pong aus „Turandot“ mit offenen Augen von der Rückkehr zu Häusern an blauen Teichen in Honan, schattigen Wäldern bei Tsiang und schönen Gärten nahe bei Kiu. Das unglückliche Trio Samuel Hasselhorn, Leonardo Navarro und – zum drittenmal bei dieser Veranstaltung – Jinxu Xiahou gestaltet in „Ho una casa“ die Textstelle „Addio, amore, addio, razza, addio, stirpe divina“ kurzerhand zum Abschiednehmen ihrer herausgezogenen Masken mit „Addio, maschera“ um und erntet dadurch die gewünschte Erheiterung beim dankbaren Publikum.

Als einzige instrumentale Begleitung der SängerInnen steht wieder ein Bösendorfer Flügel auf der Bühne und Liusella Germano, seit 2012 Solokorrepetitorin an der Wiener Staatsoper, zeigt erneut, welche hohe Qualität an musikalischen Repetitoren in diesem Haus herrscht. Diese PianistInnen helfen beim Einstudieren, Proben, neu lernen von Rollen des gesamten Repertoire–Betriebs und geben korrigierende musikalische Hinweise. Die Klavierspielerin aus Turin gestaltet den Abend souverän und kongenial mit. Die begeisterten Gäste danken mit langem Applaus.

Susanne Lukas

 

 

Film: THE HIGH NOTE

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Filmstart: 26. Juni 2020
THE HIGH NOTE
USA / 2020
Regie: Nisha Ganatra
Mit:
Dakota Johnson, Tracee Ellis Ross, Kelvin Harrison Jr., Ice Cube u.a.

Es gibt Milieus, die besonderen Reiz auf Durchschnittsmenschen (sprich Kinobesucher) ausüben, darunter die Filmbranche (vorzugsweise Hollywood), die Fernsehwelt, die Redaktionen der Magazine (wo der Teufel Prada trägt), und vor allem, in all ihren Facetten, die Welt der Musik. Zumal die Pop-Branche in Los Angeles, denn es gibt vermutlich Hunderttausende junger Leute in aller Welt, die alles darum geben würden, dort Karriere zu machen. Wer allerdings hofft, in dem Film „The High Note“ einen legitimen Blick in den Hintergrund des Big Business werfen zu können, wird schwer enttäuscht. Hier werden nur die allerbilligsten Klischees abgespult.

Dass Maggie es sich antut, Assistentin eines unerträglich zickigen Superstars zu sein – nun ja, sie denkt sich, Lehrjahre sind keine Herrenjahre, und das ist mein Sprungbrett zur eigenen Producer-Karriere. Sie muss sich von Grace Davis, ihrem „Star“, anschnauzen und viel Unfreundliches sagen und von deren Manager (Ice Cube) auf eine Weise herunter putzen lassen, die heutzutage keine Frau mehr so leicht hinnimmt – Maggie schon.

Die Geschichte mäandert durch das Schicksal der Diva, die sich auf einmal sagen muss, dass sie „Geschichte“ ist und die bekannten (und sicher nicht unberechtigten) Feminismus-Klagen loslässt: Wie viel Frauen über 40 hatten in der Pop-Branche einen Superhit? Und wie viele davon waren farbig?

Für den neuen Hit, den die Diva erzwingen will, meldet sich Maggie als Producerin an, was allerdings mehr böse Wortgefechte ergibt als Erfolg, und die geplagte Heldin wird wenigstens halbwegs glücklich, als sie einen jungen Mann kennen lernt (Kelvin Harrison Jr), dem sie ganz heftig Seelenmassage zukommen lässt, weil sie ihn für so toll hält…

Ja, und wenn sich die Diva triefend entschuldigt und bei Maggie auf den jungen Mann trifft, stellt sich heraus, dass er ihr entfremdeter Sohn ist – und dann wird auch der gutmütigste Kinobesucher mit Unbehagen meinen, dass Drehbuchautorin (Flora Greeson) und die Regisseurin mit ihrem Dauergriff in alle Klischeekisten übertrieben haben.

Diese Regisseurin ist eine in Kanada geborene, in den USA aufgewachsene Tochter indischer Eltern, und diese Nisha Ganatra war mit ihrem ersten, ähnlich gelagerten Film etwas glücklicher. „Late Night“ spielte in der Fernsehbranche, und immerhin war es Emma Thompson, die die Rolle der Star-Moderatorin, die wegen ihres Alters abgesägt werden soll, fast zur Sensation machte.

Das gelingt Tracee Ellis Ross (die arme Frau muss immer lesen, dass sie die Tochter von Diana Ross ist) nicht in demselben Ausmaß. Sie kann die Diva hinstellen, aber im Hinterkopf wird man den Gedanken nicht los, dass sie keine Whitney Houston ist, sprich, kein A-Kaliber, das so einen Film „schupft“.

Gleiches gilt für Dakota Johnson in der Rolle der Maggie. Die heute 30jährige hat es ja geschafft, geradezu mit Unschuldsmiene durch die (gar nicht so wilden) Sexszenen von „Fifty Shades of Grey“ zu wandern, und so freundlich und unschuldig, so bereit, alle Ungerechtigkeiten und Gemeinheiten hinzunehmen, verhält sie sich hier. Man kann schon prophezeien – diese Maggie wird es nicht schaffen, die hat nicht die Ellbogen und das Herz dazu…

Wenn man nun eine starke Geschichte starker Frauen erzählen will, aber ein schwaches Drehbuch und schwache Interpretinnen hat… da kann nicht allzu viel heraus schauen. Und von wegen „echte Einblicke ins Milieu“! Schnecken!

Renate Wagner


WIEN/ Staatsoper: CHE GELIDA MANINA. Ensemblemitglieder sangen Ausschnitte aus Werken von Puccini und Verdi

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Das Ensemble. Foto: Kurt Vlach

WIEN/ Staatsoper: CHE GELIDA MANINA

Ensemblemitglieder sangen Ausschnitte aus Werken von Puccini und Verdi

Wiener Staatsoper, 24.6.2020

 Auch an der Wiener Staatsoper nahm die Direktion jede Gelegenheit wahr um – so weit wie möglich vom Gesetzgeber zugelassen – den Spielbetrieb im Juni wieder aufzunehmen. Die teilweise absurden Regeln sehen bis Ende Juni für Indoor-Veranstaltungen eine maximale Besucheranzahl von 100 Personen vor (unabhängig davon, wie groß der Veranstaltungsraum auch sei). Da Flugzeugreisen keine „Indoor-Veranstaltungen“ sind (oder eine ganz einfache Reise mit der U-Bahn) gelten diese Regeln nicht. Aber was soll’s – kommen wir zum Thema der Besprechung zurück.

Es war eine sehr gute Idee seitens der Direktion, dass man im Rahmen einiger Konzerte dem „Rückgrat“ des musikalischen Betriebes, dem Ensemble, Gelegenheit gegeben hat durch die diversen Musikstile, die hier aufgeführt werden, zu führen. So spannte sich der Bogen über Mozart, der französischen und slawischen Oper über Werke von Richard Strauss, Alban Berg bis schlussendlich zum Thema des heutigen Abends, Werke von Verdi (mit Schwerpunkt auf die mittlere und spätere Phase) bis zum Verismo (repräsentiert durch Cilèa und Puccini).

Bedingt durch den Direktionswechsel unterliegt auch das Ensemble einigen Änderungen, sodass es auch die Gelegenheit war, einige liebgewonnene Sänger zum letzten Mal (zumindest für die nächste Zeit) an der Staatsoper zu hören. Sänger aus 14 verschiedenen Ländern und 4 Kontinenten waren zu hören – ein Zeichen wie international der Opernbetrieb in den letzten Jahrzehnten geworden ist.

Den Abend eröffnete Lukhanyo Moyake mit „O figli miei“ aus Macbeth. Er zeigte, dass er sichere Höhen hat, berücksichtige meines Erachtens aber nicht, dass er kein Orchester vor sich hatte, das er übertönen musste, sondern nur von Luisella Germano am Klavier begleitet wurde (die allen Sängern eine sichere Begleitung war). Fortissimo bis zum Abwinken – da blieb leider wenig Raum für die eine oder andere Nuance..

Nur um es klarzustellen – „sichere Begleitung“ ist als großes Kompliment gemeint! Germano, seit 8 Jahren für die Solo-Wiederholungen an der Staatsoper verantwortlich, war – wie soll man sagen – das musikalische Rückgrat des Abends und eine wunderbare Unterstützung – besonders wichtig bei dem Ausschnitt aus Rigoletto, wo sie alle vier Sängerinnen und Sänger pro-aktiv „managte“ !!!!

Es folgte danach ein Block aus dem italienischen „Don Carlo“ – und gleich einer meiner drei persönlichen Höhepunkte des Abends. Jongmin Park, einer der wirklich Shooting Stars der letzten Jahre (dessen Abgang aus dem Ensemble mir sehr leid tut), interpretierte die große Arie des Filippo II., „Ella giammai m’amo“ mit seiner samtigen Stimme, die ihm ein ganz spezielles, ich möchte sogar sagen „menschliches“ Timbre gibt. Die Tiefen sind vorhanden – natürlich wird er noch einige Zeit und Lebenserfahrung brauchen, um die gleiche Wirkung wie die Spitzenbässe jenseits der 50 Jahre zu erzielen. Szilvia Vörös, die ja als Einspringerin in „Les Troyens“ einen großen persönlichen Erfolg feiern konnte, setzte mit einer gut gelungenen Arie der Eboli (O Don Fatale) fort. Ihr Vertrag geht noch bis 2022. „O Carlo, ascolta“ wurde von Samuel Hasselhorn wie heißt es so schön – „rollendeckend“ interpretiert.

Das bekannte Quartett aus Rigoletto, „Un di, se ben rammentomi”, war der erste von drei Auftritten des Jinxu Xiahou (Duca), begleitet von Zoryana Kushpler, die während der vergangenen 13 Jahre ein verlässliches Mitglied des Ensembles war und von Richard Strauss über Richard Wagner bis hin zu Schönberg, Verdi, Mascagni, Rossini und Offenbach in kleineren, aber auch in größeren Partien eine große Stütze war. Andrea Carroll verkörperte die Gilda, während Rigoletto von Clemens Unterreiner dargestellt wurde. Es ist müßig zu schreiben, dass er den anderen drei Sängern in Bezug auf Bühnenpräsenz haushoch überlegen ist, sein Outfit war italienisch inspiriert. Seine Stimme hat in der Tiefe an Volumen gewonnen – und ich bin wirklich gespannt, wohin ihn seine künstlerische Entwicklung führen wird. Ich habe weiter oben die Internationalität des Ensembles erwähnt – und das ist auch gut so! Trotzdem freut es mich als Stammgast, auch ein klein wenig heimisches Flair zu haben – und deshalb bin ich dankbar, dass Unterreiner auch weiterhin der Staatsoper treu bleibt.

Mit Ryan Speedo Green wurde das Publikum in den sechs Jahren, wo er hier tätig war, nie wirklich warm, was sicherlich nicht mit der Person des sehr sympathischen Sängers zusammenhängt. Seine Interpretation von „O patria.. O tu Palermo“ aus der Sizilianischen Vesper dürfte unter Umständen die Vorbehalte bestätigt haben – während der forte-Stellen zeigte er wenig Probleme, doch jedes Mal, wenn er die Stimme zurücknahm, fühlten sich die Töne unsauber an.

Mit Auftritten aus Falstaff präsentierten sich Pavel Kolgatin und Hila Fahima, ohne jedoch einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Damit war dann der Verdi-Teil abgeschlossen und das „eiskalte Händchen“, Namensgeberin des Abends, kam zum Einsatz.

Jinxu Xiahou gelang eine sichere Interpretation (immerhin hat er diese Arie ja auch im „wirklichen Opernleben“ mehrmals mit Erfolg gesungen), wobei es besonders bei den Auszügen aus „La Boheme“ einem schmerzlich bewusst wurde, dass ein Klavier nur ganz rudimentär die Wirkung eines Orchesters ersetzen kann. Bei Puccini darf es doch schwelgerisch sein, oder?  Nur ein kurzes Gastspiel an der STOP wurde Valeriia Savinskaia zuteil, die im Rahmen eines Stipendiatenvertrags seit 2019 tätig war. Die Sängerin ist noch jung und braucht meiner Meinung nach noch einige Zeit, vorzugsweise an kleineren und mittleren Häusern, um Stimme und Interpretation reifen zu lassen.

„Acerba voluttà“ aus Adriana Lecouvreur brachte den nächsten Höhepunkt des Abends. Monika Bohinec, die dankenswerter Weise auch weiterhin dem Wiener Publikum erhalten bleibt, beeindruckte mit einer ausgereiften Interpretation, schönen Phrasierungen und wirklich beeindruckenden tiefen Tönen. Hoffentlich wird sie in der Zukunft nicht nur auf die diversen „Hexen-Rollen“ reduziert werden, sondern auch anderswertig glänzen können. Ebenfalls wirklich gut gelungen war dann „Chi il bel sogno“ aus La Rondine. Valentina Nafornita lieferte einen sehr guten Auftritt ab. Ich habe das Gefühl, dass im aktuellen Stadium ihrer stimmlichen Entwicklung etwas dramatischere Rollen besser zu ihrer Stimme passten. Und ja, das Auge hört auch mit –sie sah an diesem Abend phantastisch aus…

Mit einem Ausschnitt aus Puccinis letzter Oper, Turandot, wurde der Abend dann beschlossen. Samuel Hasselhorn, Jinxu Xiahou und Leonardo Navarro als Ping, Pang und Pong zeigten ihr komödiantisches Talent – ich glaube herausgehört zu haben, dass aus „O mondo, pieno di pazzi innamorati“ (Oh Welt, ausgefüllt mit verrückten Liebhabern) ein „O mondo, pieno di pazzi maschere“ wurde. Ich glaube, dass ich damit richtig liege, sangen die drei diese Textstellen doch mit den Mund-/Nasenschutzmasken, die sie dann abschließend auf den Boden schleuderten.

Der Abend endete nach genau 75 Minuten (im Gegensatz zu dem Konzert, dem ich am Tag vorher im Musikverein beiwohnte gab es keine Zugaben) und die Künstler wurden mit wohlwollendem Applaus verabschiedet.

Ich hoffe inständig, dass ab September wieder eine Art Normalbetrieb beginnen kann…

Kurt Vlach

 

 

Film: MONSIEUR KILLERSTYLE

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Filmstart: 26. Juni 2020
MONSIEUR KILLERSTYLE
Originaltitel: Le daim / US-Titel: Deerskin /
Frankreich / 2019
Drehbuch und Regie: Quentin Dupieux
Mit: Jean Dujardin, Adèle Haenel u.a.

Jeder spinnt auf seine Weise. Und Spinner sind des Kinos liebste Kinder. Schlichte Normalmenschen sind wir schließlich alle, also soll es auf der Leinwand wenigstens das Besondere geben. Allerdings geht das, was Frankreichs Quentin Dupieux (bekannt für „Schräges“) dem Publikum vorsetzt, im Kreieren einer eigenen Welt im Kopf seines Protagonisten sehr weit.

Es fängt relativ harmlos an. Ein Mann, von dem seine Frau offenbar gar nichts mehr wissen will, läuft davon. Landet in den Pyrenäen (oder sonstigem französischen Gebirge). Will sich offenbar „neu erfinden“, eine Idee, die heutzutage hoch modern ist. (Normalerweise erfüllt man sich diesen Wunsch, indem man sich in Chatrooms als jemand anderer ausgibt.) Unser Monsieur Georges ist jedenfalls ein altmodischer Typ, sonst würde ihn die hellbraune Lederjacke, die ein Wirt ihm andreht, nicht so begeistern. Weil er viel zu viel dafür zahlt, bekommt er noch eine kleine Videokamera dazu geschenkt – auch nicht up to date, heute filmt man mit dem Smartphone. Aber für Georges ist das Gerät offenbar eine faszinierende Erfahrung. Es hilft ihm, sich als Filmemacher auszugeben – das ist doch interessant? Denise, die Bardame in dem altmodischen Hotel in den Bergen, wo er hocken bleibt, ist durchaus seiner Meinung…

Nun erzählt uns der Regisseur, wie sich eines Menschen Einsamkeit manifestieren kann. Auf einmal spricht die Lederjacke, durch die sich Georges in seiner neuen Rolle definiert, zu ihm. Es sind komische und auch tragische Szenen, wenn das Ding über einen Sessel hängt und in den Dialog eintritt… übrigens auch mit der Stimme von Georges. Nun ja, denkt man, warum nicht? Andere reden mit ihren Hunden oder mit Verstorbenen. Man muss halt nur ein – wenn auch imaginäres – Gegenüber haben…

Schon da weiß man, dass das Verhalten von Georges (der kein Geld mehr hat, den Mann an der Rezeption mit Lügen füttert und sich aus dem Abfall ernährt), haarscharf am Überkippen ist. Aber wenn Denise, die Bardame, vernünftig wäre, statt von dem „Filmemacher“ fasziniert – ginge auch alles so schief? Sie sieht sich als verhinderte Cutterin, schneidet in der Nacht auf ihrem Tischgerät klassische Filme um, und ist „Mittäterin“, wenn die Dinge ausrutschen. Denn als Wahnsinnsidee taucht auf: Die eigene Wildlederjacke muss die einzige sein, andere müssen eliminiert werden… Und so setzt Georges zum „Mord“ an den Kleidungsstücken an, wo immer er sie (in grotesken Szenen) finden kann. In einer Szene betoniert er seine Beute ein, als wären es Leichen. Spätestens da weiß man: Der Mann ist verloren. Der Film auch?

Das tragische Ende kommt und verblüfft. Nur so viel – wenn Denise ihn filmt und er begeistert „Shoot me!“ ruft, kann das jemand auch missverstehen. Und dem Wahnsinn mit einer Flinte ein Ende machen. Und als Kinobesucher muss man nun entscheiden, wie viel Sinn das Ganze für einen persönlich gemacht hat.

Die Schauspieler sind ein Argument: Natürlich kennt man Jean Dujardin, einen „Oscar“-Preisträger vergisst man nicht, zumal, wenn er der erste Franzose war, der die Statuette erhalten hat. Allerdings kreiert er hier eine ganz neue Figur, die gar nicht an seinen Stummfilmstar in „The Artist“ erinnert – und die hier immer einen Hauch von Unschuld um sich trägt. Das kann man von Adèle Haenel als Denise nicht sagen. Als Komtesse in „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ hat sie sich unvergesslich ins Gedächtnis des Kinobesuchers gespielt. Hier merkt man bald, dass ihre Leidenschaft fürs Filmen und Cutten über das Normale hinausgeht. Sicher, der Film ist wohl als Satire angelegt – aber als Besessenheitsstudie macht er immer wieder beklommen.

Verrücktheit besonderer Art. Arthaus, das nicht gerade die Massen ins Kino treiben wird. Aber wer es – auf Niveau – schräg mag, mit allerlei psychopathologischen Implikationen, der wird diesen Akt des „Jacken-Killens“, auf den es hinaus läuft, zumindest interessant finden, auch wenn einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Renate Wagner

Film: THE SOUVENIR

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Filmstart: 26. Juni 2020
THE SOUVENIR
GB, USA / 2019
Drehbuch und Regie: Joanna Hogg
Mit: Honor Swinton Byrne, Tom Burke, Tilda Swinton u.a.

„The Souvenir“ ist ein Gemälde von Jean-Honoré Fragonard, ein schönes Bild, aber kein weltbewegendes Meisterwerk. Es hängt in der Londoner Wallace-Collection, und immerhin kann man sich angesichts der seitlich gezeigten jungen Frau den Kopf zerbrechen, ob sie traurig oder entschlossen drein sieht. Darüber diskutieren Julie und Anthony ziemlich am Anfang ihrer Beziehung, und es bringt sie einander näher. Der Rest ist eine Tragödie, die bitter bis zum bitteren Ende führt.

„The Souvenir“, der Film der britischen Regisseurin Joanna Hogg, erzählt die Geschichte der Filmstudentin Julie, und nicht nur, weil sie in eine Schreibmaschine hineinklappert, muss die Sache in den achtziger Jahren spielen. Tatsächlich ist es Joanna Hoggs eigene tragische Jugendgeschichte, die sie hier auf die Leinwand bringt, getreu dem Rat der Lehrer an der Filmschule: Man solle etwas gestalten, wo man seine eigenen Erfahrungen einbringen kann.

Das will Julie – die an sich ein ruhiges, scheues Wesen ist – dennoch mit Entschlossenheit nicht. Sie will, zugegeben als Flucht aus ihrer eigenen saturierten großbürgerlichen Situation, über die Probleme der Arbeiter in der Hafenstadt Sunderlang berichten. Es kommt nicht dazu, und zu vielem anderen auch nicht. Denn eigentlich geht es um die tragische Liebe, die sie an den etwas älteren Anthony bindet, ungeachtet dessen, dass dieser schwer drogensüchtig ist. Damit zieht sich der Film, der nebenbei vieles will – soziologische, künstlerische und psychologische (Beziehungs)-Probleme mitlaufen lassend -, zwei Stunden lang eher mühselig zu seinem tragischen Ende.

Denn die Regisseurin wollte keine klare, kompakte Story erzählen, im Gegenteil, das alles wird mehr oder minder impressionistisch hingehaucht, ausgesprochen „künstlerisch“ gestaltet, wenn auch in den Dialogen extrem auf „Natürlichkeit“ gedrillt, mit klassischer Musik verbrämt, die viel an Bedeutungsschwere beisteuert.

Wenn man als Zuschauer dennoch bei der Stange bleibt (anstatt angesichts so artifizieller Künstlichkeit zu stöhnen), liegt es an der Hauptdarstellerin. Schon deren Mutter, Tilda Swinton, war beim allerersten Film der Regisseurin dabei. Diese lebenslange Bindung manifestiert sich nun in der Besetzung der Hauptrolle mit deren Tochter Honor Swinton Byrne, was allerdings kein Akt des Nepotismus ist. Diese 23jährige ist für das „stille“ Geschöpf, das hier gezeigt werden soll, von höchster innerer Ausdruckskraft, man ist den Film lang bei ihr, leidet mit ihr, auch wenn man nicht versteht, warum sie an diesem charakterlich so zweifelhaften Anthony festhält… Mama Tilda Swinton ist als Mutter ihrer Tochter dabei, eine kleine Rolle mit einer großen Szene, wenn sie am Ende berichtet, wie Anthony sich in der Wallace-Collection den „goldenen Schuß“ gesetzt hat. Sie tut es mit einer solch nicht triefenden Anteilnahme, dass man es geradezu als darstellerisches Exempel nehmen kann…

Tom Burke spielt diesen Anthony, und auf manche Frauen mag er vielleicht sexuell anziehend wirken. Aber im Grunde ist er das, was die Briten als „pompous ass“ bezeichnen, ein Wichtigtuer und Angeber mit seiner prononcierten Upper Class Sprache und dem hochmütigen Getue, aber ja doch ein von seiner Sucht Getriebener.

Wenn am Ende, bei seinem Begräbnis Christina Georgina Rossettis „When I am dead, my dearest, Sing no sad songs for me“ rezitiert wird, öffnet sich im Hintergrund eine große Tür… Anthony ist tot, aber für Julie geht auch das Filmleben weiter. Joanna Hogg hat ihre Geschichte noch nicht auserzählt, „The Souvenir II“ ist schon in der Postproduktion.

Wahrscheinlich sollte man noch hinzufügen, dass die Briten selbst über diesen Film außer Rand und Band gerieten, so hymnische Kritiken hat selten jemand geerntet, und die britische Filmzeitschrift „Sight and Sound“ wählte Hoggs „Souvenir“ zum Film des Jahres, vor „Parasite“, vor Scorses, Almodovar, Tarantino. Was man, wenn man nicht die rosa Briten-Brille trägt, dann doch nicht nachvollziehen kann.

Renate Wagner

DÜSSELDORF: HA Schult bekommt ein Museum!

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DÜSSELDORF: HA Schult bekommt ein Museum!
Von Andrea Matzker


HA Schult und Berthold Görgens. Foto: Andrea Matzker

Seit 20 Jahren ist einer der treuesten Sammler der Kunst von HA Schult ein feiner und zurückhaltender Gentleman, der den Künstler nun am 24. Juni zu seinem 81. Geburtstag mit der Idee überraschte, ihm ein Museum zu widmen und einzurichten. Es handelt sich um den Modemodul Berthold Görgens (unter anderem Kult-Stores), der, wie der Künstler selbst, ursprünglich in Köln seine Karriere begonnen hat.

Während HA Schult damals seine bekannten Aktivitäten plante und ausführte, eröffnete Görgens sein erstes Geschäft in der damaligen Kölner Ladenstadt, den heutigen Opernpassagen. Also back to the roots. Beide hatten allerdings auch schon immer in Düsseldorf gearbeitet und gelebt. So stellt sich nun die große Frage: In welche Stadt soll das Museum, nach Köln oder nach Düsseldorf? Oder womöglich sogar dazwischen, nach Leverkusen? Alles wäre möglich. Beide tendieren allerdings eher nach Köln, wo ein ideales Areal in der direkten Nähe zur Oper und zum Kolumba Museum zur Verfügung stünde. Alternativ dazu gäbe es die Möglichkeit des berühmten Glashauses in der Kapuzinergasse der Düsseldorfer Altstadt, in dem der Künstler zur Zeit für drei Monate zum 25. Jubiläum seiner Trash People 100 der weltgereisten 1000 existierenden Müllmänner eindrucksvoll unter dem Titel „Halt im Glashaus“ ausstellt. Da das Glashaus hält, was der Name verspricht, scheint ein Teil der Skulpturen direkt unter dem freien Himmel zu stehen. Das entspricht auch genau dem Wunsch des Künstlers, denn die Galerie bietet dadurch Raum für Gedanken.


Ha Schult: Trash-Men.

HA Schult: „Die Leute kommen hier zur Besinnung.“ Genauso war es auch am ersten Ausstellungstag, dem 27. Juni 2020, als Gäste aus ganz Deutschland kamen, und sich interessante Gespräche zwischen ihnen und dem Künstler ergaben. So waren zum Beispiel drei anerkannte Fotografen vor Ort, die bereits mit Charles Wilp zusammengearbeitet hatten, wodurch man wiederum auf gemeinsame Zeiten in Düsseldorf zu sprechen kam. Für drei Monate kann die Ausstellung an jedem Freitag und Samstag von 16:00 bis 19:00 Uhr (kostenfrei) unter Beachtung der Corona-Schutzmaßnahmen besichtigt werden. HA Schult signiert dann auch gerne seine Poster. Wenn man Glück hat, erzählt er den Gästen sogar eine der unzähligen und äußerst amüsanten Anekdoten aus seinem reichhaltigen Künstlerleben.


HA Schult: Trash-man

Die Düsseldorfer Ausstellung hätte ursprünglich früher in diesem Jahr eröffnet werden sollen. Das war wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. Zum Glück konnte sie verschoben werden. Somit war die logistische Herausforderung, die mit den Trash Men verbunden ist, nicht umsonst. Anders als bei Mailand, und das ist der einzige Wehmutstropfen, da dieser Termin aus den gleichen Gründen nun voraussichtlich komplett ausfallen muss, da eine neue Planung jahrelanger Vorarbeit bedarf. Ursprünglich hätten ebenso genau in dieser Zeit alle 1000 Müllmänner vor dem Mailänder Dom stehen sollen, was nach der sensationellen Exposition auf der Piazza del Popolo von Rom und der beeindruckenden Installation 2019 in den Sassi di Matera, der Kulturhauptstadt des Jahres 2019, quasi die Vollendung der italienischen Trilogie bedeutet hätte. Doch nun stehen dafür weitere Projekte an, denn HA Schult sprudelt immer vor lauter neuen Ideen.


HA Schult  mit Trashmotiv-Schutz. Foto: Andrea Matzker

WIEN/ Staatsoper: LIEDERABEND KRASSIMIRA STOYANOVA/ Ludmil Angelov

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Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

25.6.2020: Liederabend Krassimira Stoyanova

Wenn man solch eine Serie von Solo-Abenden großer Sänger miterlebt, wie sie uns die Pandemie nun an der Wiener Staatsoper ermöglicht hat, ist jedesmal das Staunen groß, welch unterschiedliche Zugangsweisen zum Lied die einzelnen Künstler zeigen. In den über 20 Rollen, die Krassimira Stoyanova seit 1998 am Hause gesungen hat, schenkte sie neben ihrer prächtigen Sopranstimme jeder verkörperten Figur ihre persönlichen, immer überzeugenden Wesenszüge.  Zuletzt im Jänner/Februar einer grandiosen Desdemona, im „stream“ von 2017 3 Tage zuvor als Elisabetta im italienischen „Don Carlo“ zu bewundern. Da dies der erste Liederabend war, den ich von ihr hörte, war mein Staunen groß, dass sie sich offenbar ganz auf den Gesang konzentrierte und mit nur minimalen Kopfbewegungen oder -haltungen uns den Inhalt der einzelnen Lieder vermitteln half. Ob es ihre eigene Entscheidung war, dass auf dem Programmzettel keine Liedtexte abgedruckt waren? Immerhin sang sie nur in italienischer und russischer Sprache und musste ie damit nicht nur auf ihre eigene Fähigkeit, Inhalte zu vermitteln, vertrauen, sondern auch auf das Verständnis bzw. Einfühlungsvermögen der Konzertbesucher. Dass ihr Landsmann, der Meisterpianist Ludmil Angelov, dabei äußerst hilfreich war, versteht sich.

Zunächst war man verblüfft, welche Stimmkraft da herüberkam über die wenigen Sitzreihen. Eine echte Primadonnenstimme: perfekt durchgebildet, in allen Lagen anscheinend mühelos eingesetzt, immer wohltönend, mit schöner, warmer Mittellage und leuchtenden, strahlenden Höhen. Man vermisste zunächst das Orchester, das die Sopranistin seit eh und je problemlos durchsungen bzw. übersungen hat. Die Stimme harmonierte aber auch mit dem „Ein-Mann-Orchester“ neben sich, sodass man sich an diese Zweisamkeit gewöhnte.

Mit viel Energie frönte sie Giacomo Puccini: „Sole e amore“, „Terra e Mare“,  „Ad una morta“, „Morire“ und „Salve Regina“, die ersten 4 Lieder mit gleichsam realistischem Zugriff auf das jeweilige Thema, das letzte in Verklärung durchgehalten.

Die 7 Lieder von Tschaikowski hatte unterschiedliche Inhalte: „Kein Wort, mein Freund“ op.6/2 – mit viel Leuchtkraft spricht sie ihn an und hat ihm am Ende wohl ihre Meinung gesagt.  „Ich wollte, meine Schmerzen ergössen“, auf schöner Mittellage aufgebaut; „Wiegenlied“ op 16/1 – fast zu laut zum Einschläfern, dünkte mich, aber sie meint es wohl gut, bewegt sich leicht hin und her; „Das war im Frühling“- immer freudiger bewegt, immer strahlender, von Dank erfüllt; „War ich nicht ein Halm auf frischem Wiesengrund?“ op.47/7 (schwer zu beschreiben…); „Wieder, wie früher, allein“ op.73/6 – eindeutig eine Moll-Tonart, die Stimme bleibt auf einer Höhe; „Ob heller Tag“ op.47/6 – wie freudiges Erwachen am Morgen, vom Klavier lebhaft begleitet. Wenn man kein russisches Wort versteht, wird das alles noch viel geheimnisvoller….

Zuletzt eine Gruppe Rachmaninow-Lieder. „Traum“ op 8/5, wie kurz festgestellt; „Nachts in meinem Garten“  – klingt auch nach Träumen, offener Schluss; „Singe nicht, du Schöne“ op.44 – Molltonart, erzähl mir nichts, ich durchschaue bzw. verstehe dich…; „Nacht warte ich auf dich“ op.14/1, Dur-Schluss, Blick nach oben; „Verliebt habe ich mich zu meinem Unglück“ op 6/4, beklagend, aber nicht ganz bedauernd, endend in einem langen Ton…; „Frühlingsgewässer“ op.14/11 – es sprudelt munter dahin, wie siegesgewiss!
Jedes dieser Lieder bewirkte, dass die Sängerin immer jünger zu werden schien.

Endloser Applaus! Er bewirkte jedoch nur 2 Draufgaben, die ganz leise angesagt wurden.

Sieglinde Pfabigan

 

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