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WIEN / Leopold Museum: ALBERTO GIACOMETTI

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Giacometti Plakat 400

WIEN / Leopold Museum: 
ALBERTO GIACOMETTI
Pionier der Moderne
Vom 17. Oktober 2014 bis zum 26. Jänner 2015

Die vielen Stufen eines Lebens

 Es ist das Unverwechselbare, das einen Künstler ausmacht, seine Sicht auf die Welt, die nur durch ihn „so“ Gestalt gewinnen kann. Der Weg des Alberto Giacometti war lang und vielfältig, um am Ende in der allerobersten Liga der Kunst zu landen – und das nicht nur, weil irrationale Preise für gewisse seiner Werke bezahlt werden. Das Leopold Museum widmet Giacometti (1901-1966) ganz ohne den Zwang eines Jahrestages eine umfangreiche Retrospektive, die es ermöglicht, seinen künstlerischen Weg nachzuvollziehen.

Von Heiner Wesemann

 Giacometti Grosse Frau 400  Giacometti Wagen 400

Alberto Giacometti: Anfänge       Nicht jeder Künstler muss sich seinen Weg mühselig erkämpfen. Alberto Giacometti wurde am 10. Oktober 1901 in Stampa, in der italienischsprachigen Schweiz, als Sohn eines Malers geboren. Es ist interessant, in der Ausstellung auch Gemälde des Vaters zu sehen, ein Post-Impressionist, und schon der Saal über die Anfänge Giacomettis  ist faszinierend genug: Malte doch der 22jährige Alberto von sich ein „konventionelles“ Selbstporträt im Cezanne-Stil, mehr noch, er schuf 1919 eine so hinreißende Büste seines damals zehnjährigen Bruders Bruno (später ein berühmter Architekt: die künstlerische Atmosphäre im Elternhaus war prägend), das an die schönsten antiken Vorbilder gemahnte. Doch 1927 schon sieht man eine Porträtbüste des Vaters, die gänzlich neue Wege einschlägt: oval, flach, die Gesichtszüge nur eingeritzt, wie ein Stück aus einer primitiven Kultur. Der Realismus, in dem er sein Talent geübt hatte, wurde zurückgelassen.

Giacometti KOPF 400  Giacometti Vater 400

Der Kubismus, der Surrealismus             Wer sich als Künstler fühlte (ob er einer war, musste sich ja immer erst beweisen), ging nach Paris, wie es auch Giacometti zu Beginn der zwanziger Jahre tat. Im Banne der Kubisten schuf er Kreationen, die in ihrer strengen Formen, in ihrem Ideenreichtum auch heute noch erstaunen. Hier wie überall in der Ausstellung konfrontiert man ihn übrigens mit Werken seiner Zeitgenossen (es ist so gut wie immer auf Anhieb zu erkennen, was Giacometti ist und was nicht), was das Bild der Zeiten, durch die man geht, anreichert. Giacometti hat dann den Weg zu den Surrealisten genommen, seine Formensprache aufgelockert, die Phantasie angespannt. Glücklicherweise ist ein Werktitel wie „Frau mit durchgeschnittener Kehle“ eher eine Behauptung als eine Realität: Man steht vor dem krebsartigen Gebilde nur wie vor einem Geschöpf böser Phantasie. Die „Gefährdete Hand“, die in einem „Apparat“ steckt, entspricht ihrem Titel schon eher, der “Käfig” desgleichen.

Giacometti Frau Kehle 400   Giacometti Käfig 400

Abseits der „-ismen“    Sicher war es nicht zuletzt  der Fundamentalismus von Surrealismus-König André Breton, der neben vielen anderen Künstlern auch Giacometti aus dem Kreis „vertrieben“ hat, tatsächlich aber musste er weiter: einerseits in die Gegenständlichkeit, andererseits in eine absolut singuläre Betrachtung des für seine Kunst vorgegebenen Materials. Ab den vierziger Jahren, wo sich Vielfältiges findet, auch an Graphik (immer auch als „Entwürfe“ für Skulpturen zu betrachten) und Malereien, entstehen dann jene überlangen, überschmalen Figuren, die nie durch glatte, sondern immer „nervös“ unruhige, knubbelige Oberflächen bestechen. Dies auch in Variationen – „der Wagen“, eine Figur auf riesigen Rädern – machte ihn so unverkennbar wie einmalig und erfolgreich. Der Mann, der die Schweizer Hundertfrankennote zierte, bringt heute mit seinen langgezogenen Figuren die unglaublichsten Preise bei Auktionen. Summen, die geradezu obszön anmuten (47 Millionen Euro für einen „Schreitenden Mann“), die aber auch zeigen, dass der Kunstmarkt die Originalität, das Unverwechselbare, die künstlerische Handschrift honoriert. Nach seinem Tod 1966 unvermindert, eher noch verstärkt.

Giacometti Foto 400

Die Gesichter des Alberto Giacometti    Die von dem  museologische Direktor des Hauses, Franz Smola, und Philippe Büttner aus Zürich (Kunsthaus und Giacometti-Stiftung waren hier unentbehrliche Partner) so großartig übersichtlich, aber mit Hilfe der Architekten Weinhäupl auch gewissermaßen optisch „grandios“ inszenierte Ausstellung endet ähnlich eindrucksvoll mit den Gesichtern des Alberto Giacometti. Einerseits gewiß ein „ehrlicher“ und kein spekulativer Künstler, der seinen Weg suchte und wohl auch ohne den später damit verbundenen Welt- und Geld-Ruhm gegangen wäre; andererseits auch offenbar ein „Bewusster“, wenn es darum ging, sein persönliches Bild zu überliefern. Immerhin stammen die Fotos, die sein interessant zerfurchtes Gesicht, die ihn selbst im Atelier und auch bei der Arbeit über die Jahrzehnte hin zeigen, von Größen wie Man Ray oder Henri Cartier Bresson, um nur einige der berühmtesten Namen zu nennen, zu denen sich auch die Österreicher Inge Morath und Franz Hubmann gesellen. Am Ende des Rundgangs möchte man gleich noch einmal von vorne beginnen, so groß ist das Bedürfnis, dies und jenes noch einmal sehen zu wollen und Entwicklungen und Zusammenhänge noch deutlicher zu begreifen.

Leopold Museum: Alberto Giacometti: Pionier der Moderne
Bis 26. Jänner 2015, täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr

 

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