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THEATERFEST NÖ / Sommerspiele Perchtoldsdorf:
DER REVISOR von Nikolaj Gogol
Premiere: 3. Juli 2013 Besucht wurde die Generalprobe
Zu Beginn ein Abschied: Intendantin Barbara Bissmeier zieht sich zurück, ab nächstem Jahr wird Michael Sturminger das Ruder der Sommerspiele Perchtoldsdorf übernehmen. Der heuer 50jährige Sturminger genießt einen Ruf in der Branche, vor allem als Opernregisseur, und wurde international durch seine – wenn auch nicht wirklich bemerkenswerte – Zusammenarbeit mit Weltstar John Malkovich viel beachtet (den er als Jack Unterweger und Casanova auf die Bühne brachte). Was Sturminger in Perchtoldsdorf zum Einstand 2014 zeigen wollte, hatte er bei der Pressekonferenz noch im Dunkeln gelassen – nun weisen große Plakate darauf hin, dass es das „Kätchen von Heilbronn“ sein wird.
Damit bezieht er sich nicht nur auf die „Burg“ als Schauplatz (schließlich geht es bei Sommerspielen ja auch um das Ambiente!), sondern blickt vielleicht auf die „goldenen Jahre“ Perchtoldsdorfs in der Intendanz von Jürgen Wilke zurück, der in den achtziger und neunziger Jahren ohne Scheu die großen Klassiker auf die Bühne vor die Burgfassade brachte. Er hat für Shakespeare, Schiller und auch Grillparzer („Bruderzwist“) bemerkenswerte Besetzungen bis zur Großenordnung Romuald Pekny aufgeboten. Das war „Burg“-Theater vor der Burg.
Danach ging es steil bergab, auch konzeptionell (als Gerhard Tötischinger sich einbildete, in diesem Rahmen Goldoni [!] spielen zu wollen), und man einfach keinen Weg fand, die Sommerspiele zu einer Art innerer Notwendigkeit zu profilieren. Immerhin haben die Perchtoldsdorfer (anders etwa als Maria Enzersdorf, wo man die jahrzehntelang erfolgreichen Nestroy-Spiele der Elfriede Ott einfach wegwarf!!!) Willen zu Kultur gezeigt, viel investiert, die Burg – bei Beibehaltung ihres äußeren Erscheinungsbildes – großzügig modernisiert, so dass auch ein vollwertiger „Ausweich“-Raum im Inneren entstanden ist. Barbara Bissmeier begann dann 2010 mit Hamlet, spielte auch 2012 mit „Macbeth“ Shakespeare, dazwischen 2011 „Lysistrate“ und nun, 2013, den „Revisor“. Das Publikum kommt, und die Weichen sind gestellt, das Unternehmen in Zukunft vielleicht wieder zum alten Glanz zu führen…
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Immer, wenn man den „Revisor“ sieht (es sei denn, er wird bis zur Unkenntlichkeit entstellt wie zuletzt im Volkstheater in Wien), meint man, das Stück sei für hier und heute geschrieben. Ob ein Revisor aus St. Petersburg in der russischen Kleinstadt angekündigt wird oder ob die Polit-Kapazunder hierzulande eine Rechnungshof-Prüfung erwarten, das Gezappel der Betroffenen wird heute große Ähnlichkeit mit dem aufweisen, was Gogol einst 1835 mit lockerer Hand komödiengerecht hingeworfen hat.
Vermutlich meinte Regisseurin Christine Wipplinger gerade deshalb nicht zu Unrecht, dass sich Verhaltensweisen auch dann erschließen, wenn man sie dem Publikum nicht durch die mittlerweile allzu übliche radikalte Versetzung in unsere Zeit auf die Nase drückt.
Was sie – in einem einfach-geschickten Bühnenbild von Erich Uiberlacker und (mit Ausnahme der Damen) möglichst undefinierten Kostümen von Gertrude Rindler-Schantl – zeigen will und auch zeigt, ist das marionettenhafte Gezappel der Betroffenen, die Funktionen und Typen einer Gesellschaft darstellen (grotesk besonders die Szenen rund um den Postmeister, der regelmäßig alle Briefe öffnet, liest und nötigenfalls vernichtet – was Snowden aufgedeckt hat, ist nichts anderes als unsere Variante dieses Verhaltens!!!). Und die exakt geradezu „choreographierten“ Szenen derjenigen, die sich schmieren lassen und wissen, dass man seinerseits mit Schmieren davonkommt, wirken vor allem zu Beginn gänzlich überzeugend (im Lauf des Abends ist dann leider zu wenig Variationsreichtum aufgeboten).
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Fotos: Barbara Palffy
Das funktioniert nicht zuletzt, weil hier – teils aus der Wiener Kleinbühnenszene – glänzend besetzt wurde: Georg Kusztrich (sonst aus der „Scala“ bekannt) etwa oder Sven Kaschte, Victor Kautsch oder Clemens Matzka, der nicht nur einen herrlich törichten Militär hinstellt, sondern nach dem Motto „Lasst mich den Löwen auch spielen“ eine köstliche Kellner-Studie, schließlich I Stangl und Horst Heiss als das schon von Gogol als Brachial-Komikerpaar eingesetzte Duo der dauernd rivalisierenden Gutsbesitzer Bobtschinski und Dobtschinski, die so komisch wie giftig dargestellt werden.
Sie scharen sich um ihren „Führer“, den Stadthauptmann, der von Fritz Hammel optisch geradezu „affige“ Züge erhält. Bis zum Exzess lässt die Regisseurin dann sexuelle und soziale Berechnung der Damen (Petra Strasser als Gattin, Katharina Haudum als Tochter der Stadthauptmanns) ausspielen – da kippt der an sich hart stilisierte, zackige Duktus des Abends hinüber zur Posse.
Um wen dreht sich all dies? Um Chlestakow, den vermeintlichen Revisor, der nur ein junger Mann in Geldnöten ist, der durch die Stadt kommt und seine Wirtshausrechnungen nicht bezahlen kann. Nach dem anfänglichen Schock, wie er von den Honoratioren der Stadt auf den Händen getragen wird (ein Buchprüfer der Steuer könnte hier und heute nicht mehr an freundlicher Zuwendung erwarten), kapiert der Pfiffikus, was da läuft, und nützt die Situation voll aus. Und da verhakt sich der Abend – denn Raphael von Bargen, von dem man viel Überzeugendes gesehen hat, wenn es zu seiner Persönlichkeit passte, ist alles nur kein Chlestakow, dazu ist er viel zu wenig wendig und leider gar nicht komödiantisch.
Besonders tragisch wird das Ganze, weil ihm ein Diener zur Seite steht, der seine leider nur wenigen Szenen mit so brillanter, souveräner Trockenheit hinlegt, dass man weiß, hier wäre eine Idealbesetzung für den Titelhelden gegeben gewesen: Aber Sven Dolinski, im Burgtheater einst in einer sinnlosen „Romeo und Julia“-Inszenierung ebenso sinnlos als Romeo verschleudert, ist seither auf einen Nebenrollen-Status zurückgestuft, aus dem man schwer herausfindet und in dem er selten zeigen kann, was er tatsächlich kann. So darf er eben auch nur den Diener spielen – obwohl er diesem „Revisor“ wohl jene Spritzigkeit verliehen hätte, die der stilbewussten Aufführung nun gänzlich fehlt.
Als Lehrstück hingestellt, als solches verstanden wurde der „Revisor“ dennoch. Aber es wäre vom Standpunkt des Theaters (und auch, man kann es sagen: der Sommertheater-Unterhaltung – was wäre denn schlecht daran?) eben noch einiges mehr drin gewesen.
(Übrigens: Die Gesichtsmikrophone sind so riesig, dass sie wirklich stören – hat die Technik da nicht schon Unauffälligeres erfunden?)
Renate Wagner
BURG PERCHTOLDSDORF/Burghof
Spieltage: 4., 5., 6., 11., 12., 13., 14., 18., 19., 20., 21., 25., 26., 27. Juli
Beginn: 20:15 Uhr