Giuseppe Verdi: LA TRAVIATA Wiener Staatsoper 03. September 2013
Die Wiener Staatsoper läutete ihre neue Spielzeit mit einer der beliebtesten Opern ein: Verdi’s La Traviata. Da zudem auch noch eine attraktive Sängerbesetzung aufgeboten war, verwundert es nicht, dass die Vorstellung ausverkauft und auch der Stehplatz rappelvoll war. Denn wegen der aktuellen Inszenierung, die dem Werk in keinster Weise gerecht wird und über die sich auch nach zwei Jahren die Besucher noch enttäuscht zeigen, geht nun wahrlich niemand in diese Traviata.
Also konzentrieren wir uns auf die musikalische Seite: Zum ersten Mal stellte sich die polnische Sopranistin Aleksandra Kurzak dem Wiener Publikum als Violetta vor. Im ersten Akt waren noch leichte Intonationsprobleme zu vernehmen, während sie die Koloraturen mit Geläufigkeit meisterte. Es war aber den ganzen Abend auch immer wieder hörbar, dass ihr die Partie viel Kraft abverlangt. Die Folge waren vereinzelte unsaubere und manchmal auch kurze Töne. Von ihrer Schwangerschaft ist noch nichts zu sehen. Dadurch konnte sie mit viel Körpereinsatz agieren (einmal holte sie tief aus, um im Zorn einen Sessel weit nach hinten zu werfen), ja, sie warf sich regelrecht mit Haut und Haar in die Partie. Eben auch manchmal auf Kosten des einen oder anderen Tones.
Doch in diesem Zusammenhang passte ihr Alfredo, Massimo Giordano, ganz gut zu ihr. Vor wenigen Jahren noch verfügte Giordano über einen wunderschön timbrierten lyrischen Tenor, doch inzwischen hat sich sein Timbre deutlich verhärtet. Was wohl auch daran liegt, dass der Sänger meinte, Rollen wie Cavaradossi oder Don José singen zu müssen. Damit hat er seiner Stimme keinen Gefallen getan. Das soll nicht heißen, dass Giordano keine schönen Momente hatte. Doch, die hatte er. Denn hin und wieder blitzte sein eigentlich lyrisches Material schön auf. Doch leider setzte er immer wieder die Stimme mit zu viel Druck ein, was dem Alfredo einen beinahe heroischen Anstrich verpasste und der Figur gar nicht stand. Besonders im Finale meinte Giordano ins Brüllen verfallen und seine Kollegen vokal dominieren zu müssen. Das ist wohl auch der Grund warum sich beim Schlussapplaus unter ein paar Bravos für ihn auch ein deutliches Buh gemischt hat. Dieser Alfredo war nicht jedermanns Geschmack.
Den besten Eindruck des Abends hinterließ der Giorgio Germont von Simon Keenlyside – nämlich einen makellosen. Die Stimme strömte herrlich in Verdi’s Kantilenen – was natürlich besonders bei Provenza il mar zum Tragen kam und den stärksten Szenenapplaus des Abends evozierte. Auf der anderen Seite jedoch konnte er mit seinem virilen und kernigen Bariton auch den von Konventionen geleiteten Mann mit Autorität ausstatten. Zudem war er stilistisch sicher im Vortrag und Keenlyside ließ hören, dass er neben den kräftigen Tönen nach wie vor zu zärtlichsten Piani fähig ist.
Der Bariton aus London gab einen sehr jugendlich wirkenden Papa Germont, der flotten Schrittes die Szenerie betrat und der eher wie der attraktive Bruder des Alfredo denn als sein Vater wirkte. Keenlyside’s außerordentliche schauspielerische Fähigkeiten sind hinlänglich bekannt und man konnte sich schon im Vorhinein denken, dass dieser Germont nicht nur zugeknöpft und steif vor Violetta treten wird. Nein, Keenlyside ist ein sehr „flotter“ Germont, der sich neugierig in Violetta’s Haus bewegt und der die Veränderung vom strengen Mann zum mitfühlenden väterlichen Freund eindrucksvoll zu veranschaulichen weiß.
Nach dem Rodrigo ist der Gemont wohl Keenlyside’s derzeit beste Verdi-Rolle.
In den kleineren Rollen können die restlichen Sänger nicht viel glänzen, dafür geben die Rollen zu wenig her. So war Zoryana Kushpler eine sexy Flora Bervoix, da sie in ihrem hochgeschlitzten engen Kleid sehr viel Bein zeigen und ihr langes Haar verführerisch in den Nacken werfen durfte. Dan Paul Dumitrescu war wieder einmal der Doktor Grenvil, Donna Ellen eine treue Annina und Neuzugang Gabriel Bermúdez lieh dem Baron Douphol seinen Bariton.
Marco Armiliato dirigierte diese Traviata kenntnisreich und vor allem zu Beginn recht forsch und ohne jedes Sentiment während er in den letzten beiden Bildern hörbar zu mehr Leidenschaft und ganz besonders im Vorspiel zum letzten Bild zu viel Eindringlichkeit fand.
Das Publikum zeigte sich am Ende begeistert und spendete vor allem Kurzak und Keenlyside viel Jubel.
Lukas Link