Wiener Staatsoper, TOSCA am 3.Februar 2015 – 57 Jahre auf dem Buckel
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ALEKSANDRS
ANTONENKO
Copyright: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Eigentlich stimmte die Papierform für die Jänner/Februar-Tosca-Serie an der Wiener Staatsoper. Mit Martina Serafin stand eine in dieser Rolle sehr erprobte Sopranistin auf dem Programmzettel, Aleksandrs Antonenko hörte ich an diesem Haus schon als wunderbaren Otello und er bewährte sich auch als Hermann in der Pique Dame, in Ambrogio MaestrisScarpia-Debüt konnte man schließlich hohe Erwartungen setzen. Aber es sollte ein gefühlter langer Opernabend werden, der sich zäh in die Länge zog. Dazu trugen nicht nur die zwei Pausen bei. Nein, daran war natürlich auch die Tatsache Schuld, dass dieses Puccini-Werk seit nunmehr 57 Jahren in derselben Margarethe Wallmann-Inszenierung aufgeführt wird, 1958 gab es die Premiere unter Karajan mit Renata Tebaldi, Giuseppe Zampieri und Tito Gobbi. So abgestanden, wie hier die Handlung gezeigt wird, dürfte es auf großen Bühnen heute eigentlich nicht mehr zugehen. Opernmuseum statt Operndramatik ist das!
Wenn dann noch Marco Armiliato über zwei Akte lang am Pult drein donnert, als gelte es den Dezibel-Rekord am Ring zu übertreffen – und das nicht nur beim gewaltigen “Tedeum” – und selbst ein Signore Maestri Mühe hat mit seinem sonoren Bariton hörbar zu bleiben, dann wähnt man sich im falschen Film. Oder in der Opernparodie der Marx-Brothers, denn das gemütliche Getue und Gehabe im dramatischen Akt II wirkte fast wie eine lustige Opernparodie.
Der viel gelobte AmbrogioMaestri war für mich die Enttäuschung schlechthin. Gewiss, seine wunderschöne Stimme passt zu vielen Rollen im Verdi-Fach (so etwa in Salzburg bei seinem tollen Falstaff), für einen Scarpia fehlteihm aber an diesem Abend sehr viel. Wie ein gemütlicher Opa tritt er auf, nie spürt man die Dämonie, Brutalität oder den zynischen Machtmenschen. Bei Aleksandrs Antonenko hörte man im ersten Akt vorwiegend gepresste und gestemmte Töne, als später ein (zugegeben triumphales und erschütterndes) “Vittoria! Vittoria!” erklang, schien es, dass er eine Stunde nur auf diese Phrase gewartet hatte. Dann war es aber auch schon wieder vorbei, das “E lucevan le stelle” verpuffte in der römischen Nacht.
Am meisten berührte mich noch Martina Serafin, die sich redlich bemühte das Schicksal der Sängerin Tosca spürbar zu machen. Mit vielen kleinen Details gelang ihr dies darstellerisch auch sehr gut, leider ist ihre Stimme nicht gerade unbeschadet von ihrer Karriere geblieben. Beim “Vissid’arte” fand sie leider nicht den großen Bogen, im Finale haperte es dann mit der Intonation, aber das passierte dort auch der “Primadonna assoluta” Maria Callas. Von den Komprimarii überzeugte Wolfgang Bankl mit seinem eigenständigen Versuch einen anderen Mesner zu zeigen, als ihn der altbewährte Alfred Šramek über 22 Jahre präsentierte. Ryan Speedo Green (als entflohener Angelotti) blieb ebenso blass wie James Kryshak (Spoletta), YevheniyKapitula (Sciarrone) und Il Hong (Schließer), Bernhard Sengstschmied von der Opernschule sang den Hirten, der Staatsopernchor agierte auf dem gewohnten hohen Niveau.
Der Zuschauerraum hatte sich in der ersten Pause schon gelichtet, in der zweiten Unterbrechung ging es ähnlich weiter. Der Rest spendete durchaus freundlichen Beifall, mein”ceterumcenseo” an dieser Stelle: Wie und wann gelingt es mir wieder, einer Aufführung ohne störendes Gequatsche, Handygetue etc. in der unmittelbaren Sitzumgebung zu folgen?
Ernst Kopica