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WIEN / Staatsoper “ANDREA CHENIER” beinahe semikonzertant

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Wiener Staatsoper
“ANDREA CHÈNIER” von Umberto Giordano
18.Februar 2015 / 104. Aufführung in dieser Inszenierung

 

 

Andrea Chenier, beinahe semikonzertant!

 

Keine Frage, kein Direktor des Hauses konnte noch sein Versprechen einlösen, welches je nach Temperament oder Laune lautete, jeden Tag eine Festvorstellung oder wenigstens eine gut geprobte Repertoireaufführung auf die Beine zu stellen.

Auch Direktor Dominique Meyer hat wenigstens letzteres versprochen, aber auch er kann den Glauben an eine Verwirklichung solcher Zusagen nur schwer einlösen, nach so einem Abend zumindest. Nun kann man selbst auf dem besten Haus nicht jeden Tag allen künstlerischen Wonnen begegnen, aber so seltsam leblos, sowohl szenisch als auch musikalisch, wie der gestrige Chenier war, das muß nicht sein. Ein wahrer Aschermittwoch.

Wer natürlich dem Inhalt der hauseigenen Besetzungszettel glaubt, der hat gestern in der Titelrolle einen “weltweit zu den führenden Sängern seines Faches” gehörenden Tenor gehört, in Wirklichkeit jedoch einen, der ab der höheren Mittellage meckernde und zumeist zu tiefe Töne produzierte und der dann mit geschrienen Höhen nur noch unangenehmer auffiel. Massimo Giordano war wohl bisher der einzige Chenier an diesem Hause, der nach seinem “Si, fui soldato” und dem “Come un bel di di maggio” eisiges Schweigen erntete. In diesem Falle ein BRAVISSIMO dem Publikum!!! Mehr ist über diesen “Helden der untersten Mittellage” nicht zu sagen. Hier scheint das Besetzungsbüro unbelehrbar zu sein!

Opfer dieses Sängers mit den falschen Tönen war die bedauernswerte Martina Serafin, die es tapfer neben diesem Tenor aushielt und erst in ihrer großen Arie zu ihrer persönlichen Form fand und im Schlußduett mit einem beinahe schon stupenden persönlichen Einsatz den Abend ins Finale rettete. In solchen Vorstellungen wird sie jedenfalls ihren Ruf “als führende Sängerin ihres Faches” nicht verteidigen können – oder ist das vielleicht schon wieder eine Übertreibung auf dem Programmzettel? Aus welcher Feder fließen denn so schöne Formulierungen? Damit tut man weder dem Publikum und schon gar nicht dem jeweiligen Sänger oder – wie in diesem Fall – der Sängerin allzu Gutes.

Dritter im Bunde war Marco di Felice als Gerard, ein braver Sänger, fast ist man geneigt zu sagen: Ein Gebrauchsbariton für mittlere Häuser, weder durch besonders interessantes Material noch durch Raffinement im Vortrag auffallend, ein Sänger der gerade in dieser Rolle und besonders in seiner Arie von den verlorenen Idealen des Revolutionärs so ziemlich nichts an Mitreißendem einbringt. Brav und bemüht sollte an einem Haus vom Rang der Wiener Staatsoper nicht als Kriterium einreißen! Und man darf die Erinnerung an die Rollenvorgänger besonders in dieser Partie lieber nicht erst bemühen.

Da konnten die Ensemblemitglieder die Kastanien auch nicht mehr aus dem Feuer holen, denn erstens war diesmal von Marco Amiliato keines gelegt worden und andererseits war die katastrophale Optik einer semikonzertanten Aufführung von einschläfernder Wirkung.

Bei der Madelon der Monica Bohinec, die ohne Applaus davonkam, durfte man sich nicht an die Cheniere-Premiere 1960 erinnern, als Hilde Konetzny für ihr Arioso allein mehr als fünf Minuten bejubelt wurde. Aber das waren andere Zeiten, das Publikum entflammbarer, die stimmliche Einzigartigkeit jedes Sängers noch eine unvergleichlich bessere und der Wiedererkennungswert an Timbre und Ausdruck nicht so minimal wie heute. You Tube lädt zum Vergleich ein.

So war das Ensemble allerdings auch für diese Serie durchaus fein gewählt, etwa die Bersi der Ilseyar Khayrullova (vorbei der Brauch der Künstlernamen, früher hätte sie sich wohl Ilse Kai genannt, auf alle  Fälle besser zu schreiben und zu lesen), auch der markante Thomas Ebenstein als Incroyable, der hellstimmige Roucher des Baritons David Pershall, der neben seinem Freund als der bessere Tenor wirkte, Ryan Speedo Green als Tinville und der gemütliche Mathieu von Paolo Rumetz. Soweit Einige stellvertretend für die gesamte gute Mann- und Frauenschaft, ebenso sei der wie immer gut einstudierte Chor erwähnt, der diesmal kaum mit viel Bewegung gefordert war.

Aber dafür glänzten die Kinder der Opernschule mit ihrem reizenden Auftritt im Schloss der Coignys.

Dieser Chenier mit der verlorengegangenen Personenregie, (Oder gab es da nie mehr? Bei Schenk wurde doch wenigstens immer gehopst) der wäre reif für den Müll. Aber wer kann sich denn einen Neuen leisten bei unseren Budgetlöchern, also hinein in die totale Auffrischung! Und einen besseren Tenor dazu, bitte!

Zuletzt nur kurzer Applaus, etwas mehr und intensiver für Martina Serafin aber auch genug für den penetrant ins Publikum winkenden Tenor. Ein nur schütter besetzter Stehplatz auf der Galerie zeugte vom “Riecher” des Publikums..

 

Peter Skorepa
MERKER
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