HEILBRONN: Cosi fan tutte” von Mozart im Theater Heilbronn. BUNTE REGENSCHIRME FÜR DIE LIEBESPAARE
Premiere von Mozarts “Cosi fan tutte” am 4. April 2015 im Theater/HEILBRONN
Copyright: Theater Heilbronn
Bereits zum sechsten Mal ist es zu einer Kooperation des Theaters Heilbronn mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn gekommen. Zudem handelt es sich hier um eine Co-Produktion mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und dem Vokalensemble Alto e Basso. Axel Vornam überzeugt mit einer Inszenierung, die Wolfgang Amadeus Mozart als Entlarvungs-Realisten präsentiert. Graue Häuserfassaden mit Stühlen werden sichtbar, nachdem sich der schwarze Streifenvorhang geöffnet hat, aus dem einzelne Hände geheimnisvoll hervorragen. Das gefällt vor allem in optischer Hinsicht. Vor dem blau-rötlichen Hintergrund agiert der von Michael Böttcher sehr gut einstudierte Chor, der sich von oben nach unten (und umgekehrt) bewegt. Später färbt sich der Vorhang bunt, man sieht ebenfalls bunte Regenschirme, die die Liebespaare schützen. In der Liebe gibt es hier doch noch eine Garantie, auch wenn auf den ersten Blick alles verworren zu sein scheint. Wenn im Orchestergraben Triller zu hören sind und sich die Liebhaber zuckend auf dem Boden wälzen, reagieren auch die Lichteffekte subtil, indem sie flackern. Solche Sequenzen beherrscht der Regisseur Axel Vornam souverän. Bühne und Kostüme von Tom Musch passen sich dem Rokokozeitalter an, verweisen aber auch auf unsere heutige Zeit.
Die beiden jungen Paare gewinnen rasch Kontur, zumal es sich um hoffungsvolle Gesangstalente aus der Klasse von Prof. Ulrike Sonntag handelt. Man erkennt, dass zunächst alles in schönster Ordnung ist. Dorabella (mit weichem Timbre: Haruna Yamazaki) liebt Ferrando (höhensicher: Yongkeun Kim) – und Fiordiligi (mit sehr beweglicher Stimmführung: Manuela Viera Dos Santos) liebt Guglielmo (nuancenreich: Jongwook Jeon). Frank van Hove mimt ironisch den Lehrer und Philosophen Don Alfonso, auf dessen hinterlistige Wette die beiden jungen Männer gnadenlos hereinfallen. Don Alfonso rät ihnen nämlich, sich nicht allzusehr auf die Treue ihrer Geliebten zu verlassen. Schönheit und Beständigkeit hätten nicht unbedingt einen Platz. Es werde den Männern ein Leichtes sein, die Liebste des jeweils anderen zu verführen. Axel Vornam sorgt dabei für ein vielschichtiges Verwirrspiel, dessen Fäden die jungen Männer nicht mehr entwirren können. Ferrando und Guglielmo beschließen, die Treue ihrer Herzensdamen auf die Probe zu stellen. Unter dem Vorwand, in den Krieg ziehen zu müssen, verlassen sie ihre Frauen. Und bald kehren sie verkleidet zurück und setzen alle Energie daran, die Geliebte des anderen zu verführen. Und so kommt es tatsächlich zu den von Don Alfonso prophezeiten Eifersüchteleien und Verführungsszenen. Zumal die wunderbare und stimmlich ausgesprochen wandlungsfähige Despina in der suggestiven Gestaltung von Isabella Froncala dann als “Dottore” verkleidet auftritt und die Männer von ihrem Liebesschmerz “wunderheilt”. Nach einer recht mühsamen Beschwichtigung Don Alfonsos finden sich die ursprünglichen Paare wieder zusammen und es kommt zur lange erwarteten Versöhnung, nachdem überdimensionale Bettbezüge schon auf das “Happy End” hingewiesen haben.
Copyright: Theater Heilbronn
Ruben Gazarian erweist sich als Leiter des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn als geborener Mozart-Dirigent, der vor allem den Streichern Legato-Geschmeidigkeit und Intonationsreinheit zu verleihen vermag. Dies zeigt sich bereits bei der vor Lebendigkeit nur so sprühenden Ouvertüre. Bei diesem wirbelnden Presto scheinen alle Lebensgeister zu erwachen. Die drei kurzatmigen Themen unterstreichen die Atemlosigkeit des harmonischen Geschehens, das sich kontrapunktisch aber immer weiter verdichtet. Gelöstheit und Beschwingtheit im Stil der “Figaro”-Ouvertüre vermag Ruben Gazarian mit dem äusserst lebendig musizierenden Württembergischen Kammerorchester Heilbronn hier durchaus einzufangen. Vor allem das schwärmerisch verliebte Motiv der Oboe geht ins Gemüt – und die Bässe lösen es im Sinne des Operntitels “Cosi fan tutte” stilgerecht ab – “So machen’s alle”, nämlich alle Frauen. Eine Lösung wird hier nicht vorgetäuscht, sondern plastisch erfahrbar gemacht. Mozarts brillante C-Dur-Balance lässt allerdings die Schwierigkeiten nicht vergessen, die auf die jungen Liebenden warten. Zuletzt gewinnt in der Aufführung jedoch eine sanfte Ruhe die Oberhand, unterstrichen von verführerischen Worten und einschmeichelnden Gesten. Daran hat auch der Chor der Soldaten, Diener und Schiffsleute entscheidenden Anteil, die vom Vokalensemble Alto e Basso wirkungsvoll interpretiert werden. Ruben Gazarian hat als Dirigent in jedem Fall viel Sinn für die detailverliebte Instrumentierung. Dies beweist die feinsinnige Es-Dur-Arie der Dorabella im ersten Akt genauso wie die B-Dur-Arie des Ferrando sowie die stürmische G-Dur-Arie des Guglielmo im zweiten Akt. Und wenn Ferrando der angebeteten Fiordiligi gesteht, von Kopf bis Fuß zu zittern und zu beben – dann tut er dies hier tatsächlich. Die erotische Liebesbereitschaft explodiert bei dieser vom Publikum gefeierten Inszenierung vor allem im ersten Akt. Die Kantilenen im Quintett und die großen Arien von Dorabella und Fiordiligi gewinnen hinsichtlich Spannweite und Gefühlsreichtum dank Haruna Yamazaki und Manuela Viera Dos Santos immer mehr Intensität. Die Wett-Terzette des ersten Bildes mit Guglielmo und Ferrando weisen ebenfalls auf die atemlose Entwicklung der weiteren Handlung hin. Die Reize der Opera buffa werden dabei genüsslich ausgekostet und zu einem schmackhaften chromatischen Oster-Menü vermischt. Ruben Gazarian gelingt es aber auch, die Assoziationen Mozarts zu Rossini in den elektrisierenden Arien herauszuarbeiten. Dass Richard Strauss von Mozarts “Cosi fan tutte” begeistert war, kann man nach dieser beschwingten Aufführung einmal mehr nachvollziehen.
Alexander Walther