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WIEN / Josefstadt: KAFKA

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Josefstadt Kafka Plakat x

WIEN / Theater in der Josefstadt: 
KAFKA
Ein Projekt von Elmar Goerden
Premiere: 25. April 2015,
besucht wurde die Generalprobe 

Doppelt steht Franz Kafka im Bewusstsein der Nachwelt: als der Schöpfer großer, düsterer, enigmatischer Literatur, die unaufhörlich von der Bedrohung des Menschen durch nicht greifbare Mächte erzählt; und als zutiefst gestörte Persönlichkeit – was der Genialität von Künstlern noch nie Abbruch getan hat. Man hat an dem „privaten“ Kafka starkes Interesse genommen, seine Briefe und Tagebücher ediert, Biographien geschrieben. Geheimnisumwittert bleibt der schlaksige Schwarzhaarige mit dem unsteten Blick allemale…

Man hat Kafkas Romane, vor allem „Der Prozeß“ und „Amerika“ und „Das Schloß“, verfilmt und teilweise auch aufs Theater gebracht, ebenso wie den „Bericht für eine Akademie“ und auch manche andere Erzählung. Regisseur Elmar Goerden hatte für sein Kafka-Projekt etwas anderes im Sinn – biographisch ausgerichtet, vor allem in Hinblick auf die Briefe, die der Dichter an Felice Bauer schrieb, aber darüber hinaus (wie Goerden in einem Interview erzählte) eine Art komödiantischer (!) Hommage an den Dichter. Und damit hat er ganz zweifellos nicht reüssiert.

Denn was sieht man in einer nicht vorhandenen Dekoration von Ulf Stengl (der eine Wand, durch die man auftreten kann, schwarz weiß gliederte)? Vier Herren, einer jünger, drei nicht mehr so ganz jung, die da in Kabarett-Manier herbeihüpfen und offenbar tatsächlich Jokus machen wollen. Dabei geben sie Kafka gleich als Menschen preis – denn was er von seinem wirklich elenden Alltag erzählt (er war damals bei einer Versicherung angestellt, lebte innerhalb der Familie, hatte einen öden Alltag und Nächte, in denen er schrieb), soll uns über den schrulligen Dichter lachen machen. Mehr noch: Das, was er an Felice schreibt und was in der Auswahl von Goerden nicht Hand und Fuß hat, sondern wiederum nur als Alberheit ausgelegt ist (in den Texten geht es ausschließlich darum, ihre Briefe einzufordern, aber nie darum, irgendetwas zu sagen), stellt er einzig und allein nur einen Egomanen bloß…

Dann rezitieren die vier Herren nach und nach unbekannte Kafka-Texte, die tatsächlich so absurd und teilweise sinnlos sind, dass sie eine absurde Interpretation evozieren – man hat keine Ahnung, was da, mit seltsamen Ideen von Elmar Goerden verziert, auf der Bühne geschieht und warum. Kein Wunder, dass sich Damen im Zuschauerraum fragende Blicke zuwarfen, sich offenbar in nonverbaler Einigkeit entschlossen, damit nicht ihre Zeit zu vergeuden und die Vorstellung verließen – man konnte es ihnen nachfühlen…

Es vergeht eine Dreiviertelstunde, bis sich eine Dame zu den Herren gesellt – aber sie soll jetzt nicht Felice Bauer sein, mitnichten, auch sie spricht Kafkas Text, vielmehr rezitiert aus einen Briefen. Nun werden die Aktionen auf der Bühne  noch seltsamer, noch alberner, und einmal, man hat selten einen Fall von so empörender Geldverschwendung gesehen, senkt sich für ein paar Sekunden, nicht mehr (!), eine komplette Einrichtung – großer Kasten, Schreibtisch, Bett – vom Schnürboden herab, um gleich wieder hinauf gezogen zu werden und keinerlei Funktion zu erfüllen. Da möchte man vor Ärger den Rechnungshof alarmieren – denn „künstlerisch“ ist diese sicherlich kostenintensive Aktion  nicht zu begründen…

Gegen Ende, der Abend dauert pausenlose 100 Minuten, die wie gefühlte 1000 daherkommen, wird der Text dann noch einmal konkreter, Kafkas Unfähigkeit zu lieben, seine Unfähigkeit, mit Menschen zusammen zu sein, seine einzige Fähigkeit zu schreiben werden so ins Publikum geschrieen, dass man schließlich doch noch ein wenig „Aussage“ mitbekommt. Und die Dame wird von den vier Herren zum Schreiben angehalten (wie, anderswo und schöner, Hoffmann von der Muse in der wunderbaren Inszenierung der Wiener Staatsoper) – aber das rettet nichts. Das ist ein Abend, der überhaupt keinen Sinn macht, nicht für Kafka, nicht für das Publikum und nicht für die Schauspieler.

Josefstadt Kafka, HerrenQuartett 
Foto: Barbara Zeininger

Fünf von ihnen haben sich immerhin darauf eingelassen, mit verteilten Rollen so deutlich und klar wie möglich Text zu deklamieren, sie tun es vorzüglich, der junge Alexander Absenger hält mit den ein wenig älteren Herren André Pohl, Peter Kremer und Toni Slama auf gleicher Höhe mit, und Maria Köstlinger vollzieht all den Unsinn, den die Regie ihr auferlegt.

Also, über Kafka erfährt man nichts, denn wenn man ihn kennt, ist es nichts Neues, und wenn man ihn nicht kennt, kennt man sich ohnedies nicht aus. Die Absicht des Bearbeiter-Regisseurs,  auf dem Theater mit einem Dichter zu „unterhalten“, der mit seinem Schreiben alles andere im Kopf gehabt haben mag, nur das nicht, misslingt kläglich. Jetzt kann man nur hoffen, dass die Fans der Darsteller das Haus füllen – die Fans des Dichters sollten nämlich zuhause bleiben…

Renate Wagner

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