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BASEL: COSÌ FAN TUTTE – Projekt von Calixto Bieito mit Musik aus Mozarts gleichnamiger Oper

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Theater Basel: „Così fan tutte“: Projekt von Calixto Bieito mit Musik aus W.A. Mozarts gleichnamiger Oper und Texten von Michel Houellebecq – Vorstellung vom 27.4. 2015(Pr. 24.4.2015)

Unbenannt
Andrew Murphy, Anna Princeva, Noemi Nadelmann ©Priska Ketterer

 Nein – mit Mozart hat das nicht mehr viel zu tun. Mit Oper auch nicht. Wer beides erwartete, verliess nach ein paar Minuten das Theater.

 Die „Geschichte über Liebe, Enttäuschung und Wunschträume“, wie der spanische Skandal-Regisseur Calixto Bieito sein Projekt übertitelt, beginnt in einem überdimensionalen barocken Bett, in dem sich halbnackte Paaren wälzen. Frust, Eifersucht, rasende Liebe, sexuelle Leidenschaft, Enttäuschung, Ernüchterung werden angesungen, angespielt – allein es bleibt bei Andeutungen. Einzelne ausgewählte Arien werden noch gesungen, das Meiste weggelassen. Sogar Opernnerds sind bald verloren.

 Die Handlung spielt aber offensichtlich keine Rolle mehr. Kurze Szeneneinblicke, Streiflichter auf verschiedene Stufen von Beziehungen von Paaren werden in schneller Folge angeschnitten. Dabei machen Solenn’ Lavanant-Linke als Dorabella und Matthew Newlin als Ferrando ihre Sache gut, Anna Princeva als Fiordiligi und Iurii Samoilov als Guglielmo sogar ausgezeichnet.

 Star des Abends ist aber die ständig lamentierende, in unbefriedigter Sexgier keifende, gelegentlich am Rande des Wahnsinns torkelnde Noëmi Nadelmann als Karikatur einer überreifen Despina. Zusammen mit Andrew Murphy als Don Alphonso spielt sie ein älteres Ehepaar, das schon alle Höhen und Tiefen von Liebe, Sex und Beziehung durchlebt hat. Dankenswerterweise singt Frau Nadelmann dabei nur wenig, ihre schauspielerischen Fähigkeiten sind aber beachtlich.

 Der japanische Dirigent Ryusuke Numajiri hat also nicht viel zu tun, das tut er aber souverän. Schön, dass das Orchester auf der Bühne hinter einem mal mehr mal weniger transparenten Vorhang sitzt.

 Gnadenlos zeigt hier Bieito, wie es nach dem Ende der Oper weitergeht. Wie sich die Raserei der Liebe und Lust über die Stufen der Eifersucht und Ernüchterung irgendwann irgendwo zwischen Gleichgültigkeit, Ekel und Doch-nicht-voneinander-können einpendelt.

Warum wird beim Happy End im Film jewöhnlich abgeblendt?”, fragte schon Tucholsky. Weil dann der triste Alltag der Liebe folgt. Weil Belmonte seine Konstanze mit der Kammerzofe betrügt und Almaviva immer noch den Stubenmädchen nachläuft. Weil bei Turandot und Calaf Flaute im Bett herrscht. Und Octavian Sophie schon lange keine Blumen mehr mitbringt.

Lieber Calixto: So genau wollten wir es eigentlich nicht wissen.

 Alice Matheson

 

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