WIENER STAATSOPER: 23.06.2015: „RIGOLETTO“
Im Gespräch Pierre Audis mit der Dramaturgin Bettina Auer merkt man, dass der Regisseur sich die Sache nicht leicht und sich im Gegensatz zu andren gefeierten Kollegen viele Gedanken jenseits der Routine gemacht hat. Und er gesteht nicht viele Aufführungen von „Rigoletto“ gesehen zu haben. Nun ist dieses Werk nach meinem Gefühl eine Oper der Emotionen. Ich habe es nie verstehen können, dass bei „Come fulmin“ das Auditorium ruhig zurückgelehnt bleibt und nicht nur auf der Sitzkante zu halten ist, die Gefahr eines Tumults in der Luft liegend, davon einmal abgesehen, dass die Musik dazu insgeheim für die Venezianer gegen Österreich komponiert wurde. Durch italienische Baritonkrösusse in der Rolle des Hofnarren zu verwöhnt wollte ich vor Jahren einmal eine Aufführung in der Pause verlassen, da schrie Rigoletto, die Anweisung in der Partitur missachtend, so verzweifelt nach seiner Gilda, dass mir die Gänsehaut über den Rücken lief. Wenn ein Künstler mich so erschüttern konnte, musste ich bis dahin bei dem Sänger etwas falsch gehört haben. Bei „Cortigiani“ war ich jetzt anders eingestellt und nicht mehr enttäuscht. „Rigoletto“ ist wie eben beschrieben eine Oper der Gefühle. Nicht zufällig liegt die Tessitur des Vaters im Duett mit seiner Tochter einen Ganzton höher.
Ekaterina Siurina, Giovanni Meoni. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
An dem Abend hörte ich als Gilda eine zu Herzen gehende Stimme. Meine Sympathie für Ekaterina Siurina ließ mich vor einigen Koloraturen etwas bangen. Bei ihrer stimmlichen Reife wundere ich mich, dass sie noch die Susanna und die Nannetta im Repertoire hat. Jedenfalls fiel mir die sprachliche Verwandtschaft von Sopran und souverän ein. Mein anfänglicher Eindruck von Giovanni Meoni als Rigoletto: keine Werbung für die Stimmlage Bariton. Seine Stimme blieb irgendwie auf der Bühne haften, hörte sich nicht tragend und raumfüllend an. Trotzdem, in der letzten, dreizehnten Szene beeindruckte mich Meoni. Saimir Pirgu (Duca di Mantova) sollte im „Schlager“ der Oper auf Bravour verzichten. Mir unverständlich der frenetische Zwischenbeifall. Seine gesangliche Darbietung erinnert mich an Patchwork. Lange muss man warten, bis endlich der betörende Gesang der Maddalena zu genießen ist. Die Rolle wird manchmal als Mezzosopran definiert, zeigt jedoch auch ohne äußerste Tiefen die Farbe und den Charakter eines Alts. Margarita Gritskova erweist der Partie Ehre. Die Rolle ihres Bruders wurde dem schönstimmigen Ain Anger anvertraut. Schade, dass der Sänger das tiefe F so verhalten bringt. Ljubomir Pantscheff erwähnt in seiner Biografie „Hier, jeden Abend …“, dass es früher für ein mächtiges F Szenenapplaus gab. Die nicht eben leichten Auftritte des Conte di Monterone meistert Sorin Coliban. Ich persönlich sehe die Contessa di Ceprano anstelle einer arrivierten Künstlerin (Simina Ivan) lieber einer Nachwuchssängerin anvertraut. Der Chor der Wiener Staatsoper kommentiert deutlich das Geschehen. Evelino Pidò leitete das Orchester der Wiener Staatsoper. Ich bin mir nicht sicher, ob er einige markante Stellen nicht verschenkt hat.
Margarita Gritskova. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn
Mir gefällt die Ausstattung von Christof Hetzer. Vor allen Dingen die Farbgestaltung auf der Bühne. Die Goldtöne am Hof, Weiß und Grau in des Hofnarren Milieu. Ob die Schatten-wirkungen beabsichtigt sind? Einzig und allein die abgeschmackte Aufzug-Lösung missfällt mir. An Rigolettos unscheinbares Outfit am sonst gut gekleideten Hof kann ich mich ebenfalls nicht gewöhnen. Mein Lieblingsbild, sehr eindrucksvoll: Sparafuciles Spelunke. Symbolisch übersteigert erinnert die Behausung entfernt an einen durch einen Wirbelsturm verwüsteten samoanischen Fale.
Möge diese Inszenierung mit einer umsichtigen Nachbetreuung in ein ruhigeres Fahrwasser gelangen.
Lothar Schweitzer