Wien/ Staatsoper am 29.06.2015: „CARDILLAC“ – Die Apotheose eines Mörders
Angela Denoke, Herbert Lippert. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Das war der lakonische Kommentar meines liebsten ehemaligen Universitätslehrers, den ich nach der Aufführung an der Garderobe traf. Ich muss ihm bei der Fassung und dem Schlussbild zustimmen. Ich gerate jedes Mal in einen Zwiespalt, wenn ich mich für eine Oper interessiere, deren Musik mich begeistert, deren Inhalt und Botschaft aber ich für mich persönlich ablehne. Bestes Beispiel dafür „Le Grand Macabre“. Was mich an der Musik Hindemiths begeistert, vermag ich nicht zu sagen. Sie klingt! Es wird neben mir wenige Opernfans geben, bei denen „Mathis der Maler“ zu den ersten Opernerlebnissen zählt.
Die im Doppelsinn des Worts fantastische Inszenierung und Ausstattung vom Team Sven-Eric Bechtolf, Rolf und Marianne Glittenberg beeindruckte mich weit mehr als die vorangegangenen aus den Jahren 1964 und 1994. Mit Interesse verfolge ich den Werdegang von Tomasz Konieczny. Nach gewaltigen Höhenflügen bleibt sein Bassbariton auch in der Tiefe rund und voll. Seine „Tochter“ Angela Denoke war an dem Abend ein Traum! An ihre „Vokalisen“ habe ich mich gewöhnt.
Den gut ausgebildeten Sänger erkennt man in Extremsituationen, wenn er zum Beispiel nach einer anstrengenden Reise zwei Stunden später auf einer fremden Bühne einspringen muss. Vom Schleswig-Holsteinischen Landestheater kommend hat dort Junghwan Choi ein sehr breitgefächertes Repertoire zu singen. Die Anfrage für den indisponierten Herbert Lippert von der Rampe aus zu singen ging wahrscheinlich an ihn, weil er zeitgleich den Offizier in Flensburg singt. Mit Wohlklang begann Olga Bezsmertna als die Dame, bis an den dramatischen Stellen ihre Stimme leicht zu zittern anfing. Die Künstlerin steht symptomatisch für eine an sich gute Stimme in noch zu großem Haus. Ihr Partner war Matthias Klink, ein lyrischer Tenor mit an dem Abend dünner Höhe. Mächtig präsentierte sich Wolfgang Bankl als Goldhändler. Alexandru Moisiuc sang passabel, in guter Abendverfassung mit einer kurzzeitigen Schwäche den Führer der Königswache. Ein so „hohes Haus“ sollte auch für Kleinrollen überdurchschnittliche Kräfte zur Verfügung stellen.
Thomas Lang konnte mit seinem Chor der Wiener Staatsoper große Freude haben. Dem Bühnenorchester, den Kindern der Opernschule und den Studierenden der Ballettakademie der Wiener Staatsoper sei ebenfalls für die gelungene Aufführung gedankt.
Michael Boder leitet mit rhythmischem Gefühl das Orchester der Wiener Staatsoper mit ihren zahlreichen Instrumentalsolisten. Von jungen Leuten hörten meine Frau und ich nach der Vorstellung in der Straßenbahn die Bemerkung: „Geile Musik.“ Ein Kompliment für Hindemith, Dirigent und Orchester.
Lothar Schweitzer