„MADAMA BUTTERFLY“ ODER EIN LIEBESTOD AUF JAPANISCH (11.10.2015)
Gabriel Bermudez (Sharpless). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Es ist Wahlsonntag, doch die Staatsoper ist randvoll bis zum letzten Platz gefüllt. Tourismus macht‘s möglich. Und Puccinis Meisterwerk findet eine dramatische Umsetzung, die unter die Haut geht. Und mit der ursprünglich gar nicht geplanten Koreanerin Sae Kyung Rim steht eine Sängerin in der Titelrolle zur Verfügung, die alles aufbietet: Lyrik und Hochdramatik, Melodik und psychodramatische Ekstase. Die zierliche Sopranistin – Cho-Cho San ist 15 Jahre alt! – ist jedenfalls ein Glücksfall. Beim Auftritt singt sie hinauf, das Duett wird von einem strahlenden hohen C gekrönt; in der Arie begeistert sie durch überirdischen Optimismus, in der Tragödie erschüttert sie in jeder Hinsicht. Ihre Liebestragödie erinnert an einen „Liebestod auf Japanisch“ und die in Seoul und Mailand ausgebildete Sängerin, die erst im vergangen Jänner in der Wiener Staatsoper debütierte, kommt hoffentlich nicht nur als „Madama Butterfly“ im Haus am Ring zum Einsatz.
Rund um die hinreißende Frau Schmetterling ereignet sich immerhin eine überdurchschnittliche Repertoire-Vorstellung. Philippe Auguin betont mit dem Staatsopern-Orchester die dramatischen Aspekte des Werkes, fallweise „drischt“ er fast in die Partitur. Jedenfalls begleitet er die Sänger sehr gekonnt und bringt sie zu Höchstleistungen. Neben Sae Kyung Rim sind es vor allem Monika Bohinec als Suzuki und Teodor Ilincai als Pinkerton, die als „exzellent“ eingestuft werden müssen. Die slowenische Sängerin kontrastiert ideal mit der Sopranistin. Das Blüten-Duett wird zum lyrischen Sehnsuchts-Höhepunkt der Vorstellung. Im Finale wird sie zur wirklichen Gegenspielerin von „Madama Butterfly“. Und der rumänische Tenor? Er sieht blendend aus, gewinnt vor allem dank seiner strahlenden Höhen. Leider distoniert er fallweise in der Mittellage. Ein großes Talent ist er allemal! Sehr sympathisch – aber letztlich zu lyrisch – ist der Spanier Gabriel Bermudez als Sharpless. Man nimmt ihm die Erschütterung ab, wenn ihm Cho Cho San ihr blondes Kind bringt. Vokal bleibt er neben der hochdramatischen Butterfly einfach zu „schmalspurig“.
Ausgezeichnet der Rest der Besetzung: Herwig Pecoraro ist ein intriganter Goro, Alexander Moisiuc ein wahrlich zürnender Onkel Bonze, Peter Jelosits ein schönstimmiger Yamadori und Marcus Pelz ein kompetenter Kommissär. Bleibt einmal mehr die bald 60 Jahre alte Inszenierung von Josef Gielen (Ausstattung Tsugouharu Foujita) zu loben. 375 mal hat Cio-Cio-San bereits in diesem Rahmen Harakiri begangen. Man will sich gar nicht vorstellen wie Produktionen von heute in 6 Jahrzehnten aussehen würden! Bleibt auch noch der Chor der Wiener Staatsoper zu loben – er wird allerdings in der „Madama Butterfly“ vergleichsweise wenig gefordert. Zuletzt großer Jubel – Fazit: mehr als eine Repertoirevorstellung!
Peter Dusek