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WIEN/ Konzerthaus: RESONANZEN 8. ABEND. Poenitentiam agite! / Prophetiae Sibyllarum

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RESONANZEN 8. Abend

23.1. 2016  Konzerthaus Mozartsaal (1930 und 22 Uhr)

 Der Konzertzyklus geht in die Zielgerade und an diesem Abend gab es unmittelbar hintereinander zwei Konzerte.

Poenitentiam agite!

Mit diesem Motto entführten das Ensemble Micrologus und Patrizia Bovi in das Florenz des späten 15.Jahrhunderts. Dorthin hatte Lorenzo von Medici (der Prächtige) den Dominikaner Bußprediger Girolamo Savonarloa berufen. Der wetterte in seinen Predigten gegen die Verkommenheit der herrschenden Schichten und konnte das Volk begeistern. Ironischerweise war er nicht unwesentlich an der Vertreibung der Medicis aus Florenz beteiligt. Sein Zorn richtete sich auch gegen alles, was seiner Meinung nach die Menschen von einem kontemplativen Leben abhält und sein religiöser Eifer gipfelte in einem von ihm initiierten „Fegefeuer der Eitelkeiten“, bei dem Bücher, Notenblätter, Musikinstrumente, Kleider und Möbel verbrannt wurden. Angeblich hat auch Botticelli einige seiner Bilder in diesen Scheiterhaufen geworfen. Es ist erschreckend, dass religiöser Fanatismus zu solchen Aktionen führt, aber gerade heute leider wieder höchst aktuell.

Das Programm war hervorragend aufgebaut. Es begann mit einer, von Mauro Borgioni mit schöner Sprechstimme gehaltener Predigt des Savonarola und stellte dann den von ihm als gottgefällig angesehenen Komposition den verpönten canti figurati gegenüber. Zu deren Komponisten zählen Alexander Agricola (der in Gent als Sohn eines Heinric Ackermann geboren wurde), Guillaume Dufay und Heinrich Isaac.

Danach wird das musikalische Treiben während der Karnevalszeit gegenübergestellt. Zunächst in der Zeit Lorenzo de Medicis mit den verpönten canti figurati, dann in der Zeit des Savonarola, in der der Charakter zum carni vale wechselt und nach einer letzten Predigt Savonarola abgeht, um wieder Platz zu machen für ausgelassenes Treiben mit zweideutigen und fröhlichen Liedern.

Das Konzept dieses Konzertes stammt von Patrizia Bovi, die sich bei den Gesangsnummern ebenso beteiligte, wie auch als zweite Harfenistin. Die beiden Sänger, die zu Beginn noch Savonarola bei seinen Gesängen unterstützten, dann aber sozusagen die Seiten wechselten, waren Enea Sorini und Simone Sorini. Wie bei solchen Ensembles üblich, begnügen sich die Sänger oft nicht mit dem Singen, sondern liefern auch instrumentale Beiträge. So konnte sich Simone Sorini selbst auf der Laute begleiten, währen Enea Sorini auch am Schlagzeug tätig war. Goffredo Degli Esposti gab in den rhythmisch akzentuierten Liedern mit seiner Einhandtrommel den Takt vor, während er mit der zweiten Hand die Pfeife spielte. Gabriele Russo war für Streichertöne auf einer Lira da braccia und einer Rebec (Kleingeige) zuständig, Leah Stuttard spielte auf einer Schoßharfe und Crawford Young auf der Laute. Vervollständigt wird das Ensemble durch Gabriele Miracle, der auf dem Dulcemer (einem Hackbrett) seine Klöppeln tanzen ließ.

Der Publikumsresonanz nach zu urteilen, ist dieses Konzert von allen Konzerten im Mozartsaal in dieser Woche am besten angekommen und Patrizia Bovi konnte sich nach einer Zugabe nur noch mit dem Hinweis vor weiteren Zugabeforderungen retten, dass sie in 45 Minuten schließlich noch ein Konzert habe.

 

Prophetiae Sibyllarum

Gemeinsam mit der Harfenistin Leah Stuttard widmete sich Patrizia Bovi geistlich-mystischen Gesängen, die mit den zwölf Sibyllen des Mittelalters zu tun haben. Nur zu Beginn (vor dem Domine dixit) bediente sich Patrizia Bovi einer riesigen Naturtrompete, um die Prophezeiungen anzukündigen, dann war die Begleitung auf eine oder zwei Harfen beschränkt, was dem Konzert einen äußerst intimen Rahmen gab. Die Kompositionen stammen aus den verschiedensten Jahrhunderten, Nur zwei Nummern stammen von Hildegard von Bingen. Deren Wirken ist auch 900 Jahren noch nicht vergessen. Vor allem in der Naturmedizin wird immer wieder auf sie verwiesen. Die 2012 von Benedikt XVI zur Kirchenlehrerin erhoben wurde und die auch in der anglikanischen und protestantischen Kirche verehrt wird, hat aber auch die Carmine hinterlassen, ein Buch über Musik mit 77 Liedern und einem geistlichen Spiel.

Von Zeit zu Zeit steuerte die Harfenistin Leah Stuttard in den Refrains auch eine zarte Oberstimme bei. Ein höchst meditativer Abend. Bewundernswert die Sängerin, die nach einem höchst anspruchsvollen Konzert noch einmal die Konzentration für das zweite Konzert, das leider nicht mehr so gut besucht war, aufbrachte.

Wolfgang Habermann

 

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