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MÜNCHEN / TURANDOT – Liu toppt alles

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MÜNCHEN / TURANDOT 30.03.16 / Bay. Staatsoper – Sience Fiction unter viel Lärm aus dem Orchestergraben – aber Liu toppt alles. 

Carlus Padrissa hat Turandot in eine eisige Welt 2046 verlegt, eine von China dominierte. Die von Eis umgürtete Prinzessin ist das Leitsymbol dieses Umfeldes. Mit seiner Truppe La Fura dels Baus hat Padrissa ungeheuer viel Action auf die Bühne gebracht – u. a. auch Eisläuferinnen. Manchmal zu viel, dann aber auch wieder in schönen Bildern. Auch Chu Uroz‘ Kostüme passen sich recht schmückend ein. Bloß die 3D-Effekte mit den altmodischen Pappbrillen haben sich inzwischen abgenützt, nur wenige Zuschauer greifen noch danach.

In diesem Rahmen der Kälte macht dann auch das Finale unmittelbar nach Lius Tod Sinn, wo alle in großer Betroffenheit mehr oder weniger zueinander finden *). Dabei geht den beiden Hauptrollensängern ein gutes Stück effektvollster Musik verloren, es scheint fast, dass sie daraus folgernd vorher schon mehrfach „volle Pulle“ lossingen, oftmals unter zu viel Druck, was dem Wohlklang und Puccinischem Legato nicht unbedingt zuträglich ist. Oder sollte man die Schuld dafür beim Dirigenten Dan Ettinger suchen, der den Puccini irgendwie hintan stellt und das Orchester eisig kalt und z. T. extrem laut dröhnen lässt – ein für das Staatsorchester ungewohnter Klang. Zum Glück lässt Ettinger in den lyrischen Momenten auch anderes zu, sodass er Lius Arien feinfühlig begleitet, ja manches Mal sogar etwas zerdehnt. Ganz großartig der STO-Chor in all seiner Pracht. Befriedigend bis gut das Ensemble der Nebenrollen.

Von Elena Pankratova, die hier zuerst als bombige Färberin eingeschlagen hatte, erwartete ich eine ebensolche Turandot. Aber – das überwiegend unnötige Parforce-Singen geht halt zu Lasten der Stimmschönheit; auch vermisste ich große Legatobögen – es handelt sich ja immer noch um Puccini! In den weniger „wilden“ Passagen klang alles gleich viel angenehmer. Ihr gleich tat es Yonghoon Lee, optisch der Märchenprinz  schlechthin. Stimmlich ließ auch er sich zum gnadenlosen Forcieren verleiten, allerdings ohne Qualitätseinbußen seiner metallisch glänzenden Höhenregionen. Zwischendurch kann er aber auch anrührend gefühlvolle Töne anschlagen, wie bei „Non piangere Liu“.

Golda Schultz Liu  - Garderobe - Foto priv. kl. Und diese Liu, die alles toppte, war Golda Schultz mit ihrem cremig fein timbrierten Herzenssopran. Sie rührte sowohl mit ihrer wunderschönen Stimme zu Tränen, als auch mit ihrer  Darstellung in der Folter- und Todesszene. Diese junge Sängerin macht mit jedem neuen Rollendebut begierig auf das nächste. Brava! – Diese Leistung wusste auch das Publikum zu würdigen mit entsprechenden Beifallssalven bei den Vorhängen. Etwa gleichauf  Yonghoon Lee, ein bisschen gebremster bei Pankratova.

Mit zwei (!) 30-minütigen Pausen kann man selbst diese, wegen des entfallenden Schlussduetts um ca. 20 Minuten verkürzte Version auf eine Abendlänge von knapp drei Stunden bringen… 

Doro Zweipfennig

 

*) Zur Erklärung: Da Puccini vor der endgültigen Fertigstellung der Oper starb, vollendete sein Schüler Franco Alfano das Werk anhand von Puccinis bestehenden Entwürfen. Alfano, selber Komponist, brachte dabei jedoch ein bisschen viel Alfano hinein, sodass ein etwas „wildes“ Finale entstand. Toscanini, der Uraufführungsdirigent, entschärfte dieses dann ein wenig, was zu der später üblichen Endversion führte. Die sogenannte Alfano-Fassung ist also eigentlich die Toscanini-Fassung. Es gab vereinzelt Aufführungen mit dem originalen Alfano-Schluss, der an die beiden Hauptrollensänger noch erweiterte Ansprüche stellt. Die große ungarische Diva Sylvia Sass hat diese Version einmal, soviel ich weiß in London, gesungen. – Anfang der Zweitausender hat Luciano Berio eine neue Schlussvariante erstellt – ob man die brauchte, sei dahingestellt.

Es heißt, Toscanini habe bei der UA an der Stelle nach Lius Tod den Taktstock niedergelegt zum Gedenken an Puccini. In Folgeaufführungen wurde mit oben erw. Finale fortgefahren. In der aktuellen Münchner Produktion endet die Oper also mit Lius Tod – siehe oben.

Foto: Golda Schultz/Liu / Garderobe – priv.

 

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