Fotos: Staatsoper / Pöhn
WIEN / Staatsoper:
DIE FLEDERMAUS von Johann Strauß
31. Dezember 2013
147. Aufführung in dieser Inszenierung
Alle Jahre wieder die “Fledermaus” zu Silvester in der Wiener Staatsoper, teils die alt bewährten Gesichter, untermischt immer wieder mit neuen, und wenn sie alle mit echter Laune und echter Spontaneität agieren, dann wird das Ereignis auch dem Stammgast nicht langweilig. Wäre man denn Stammgast, wenn man nicht bereit wäre, sich immer wieder auf den G’spaß und die genialen Melodien einzulassen? Eben. Letztere sind übrigens bei Bertrand de Billy in sehr guten Händen – man lebt nicht so lange in Wien, dirigiert nicht so oft die Wiener Philharmoniker, ohne deren sensationelles Feeling für Johann Strauß mitzubekommen. Das funktionierte schon bestens.
Neu besetzt für Wien war das Ehepaar Eisenstein. Herbert Lippert, der offenbar nun so sehr die Gunst der Direktion genießt, wie sie ihm in der vorigen fehlte, ist der Titelheld (man kennt ihn ja eigentlich schon aus Mörbisch), und endlich wieder einmal ein Tenor in dieser in Wien traditionell baritonal besetzten Rolle, mit dem ganzen Schmelz, der hier verlangt wird. (Gewiss, Kurt Streit um die Jahreswende 20011/2012 war auch ein Tenor, aber eigentlich nicht das, was man unter einem genuienen Operettentenor versteht.) Und außerdem, obzwar Oberösterreicher, erwies sich Lippert als Interpret, der den Wiener Schmäh draufhat und hemmungslos zu blödeln bereit ist. Man mag das.
Edith Haller hat man in Bayreuth schon als Sieglinde erlebt, aber niemand sage, dass die Rosalinde nicht die Kraft und die Stimme einer Hochdramatischen verträgt. Wenn das natürlich überdreht wird (wie am Ende des Csardas und in manchen Spitzentönen), dann ist der Ohrenschmaus nicht eben gegeben, aber im Ganzen war das schon eine runde Leistung. Und auch sie eine „Österreicherin“, wenn man eine Südtirolerin so bezeichnen darf, nämlich sattelfest in Dialekt, weiblicher Tücke, hintergründigem Charme und „Wissen, wo’s langgeht“. Das kann nicht jede, und das machte die resolute Dame so vergnüglich.
Alle anderen waren es – bewährterweise – auch: Daniela Fally, die nicht nur ein komisches „Urviech“ als Adele ist und einen Bauchfleck hinlegt, der als Virtuosenstück gelten darf, sondern auch kokettiert und singt, dass es eine Freude ist (auch wenn die Koloraturen bei früheren Kolleginnen noch leichter und virtuoser perlten). Alfred Šramek, der den Gefängnisdirektor im kleinen Finger hat. Adrian Eröd, der nie vergessen lässt, dass er für den Dr. Falke und seine Rachsucht eine elegante Superbesetzung ist. Norbert Ernst, der den Alfred als Parodie eines Opernstars enorm in den Vordergrund rückt. Dazu Thomas Ebenstein als Dr. Blind, Lydia Rathkolb als Ida und Zoryana Kushpler, als Prinz Orlofsky eingesprungen, den sie oft gesungen hat, für den sie die hohen (zu schrill geratenen) Töne nicht ganz mit ihrer satten Tiefe zusammen bekommt.
Peter Simonischek war wieder der Frosch, wortdeutlich, aber ohne bemerkenswerte neue Witze (einer bezog sich auf „Kurz“…), man ist da wohl in Bezug auf seine vielen urigen, unverwechselbaren, persönlichkeitsstarken Vorgänger zu anspruchsvoll.
Der Stargast, der kein Überraschungsgast war, weil man ihn vorher ankündigte, präsentierte sich in Gestalt eines lockeren Peter Seiffert, der sich vermutlich selbst einen Wunsch erfüllte, als er „Nessun dorma“ in den Zuschauerraum der Staatsoper schmetterte. Man schätzt Seiffert, den fabelhaften Tristan, den beeindruckenden Florestan (und in vielen anderen Rollen) sehr, aber wahrscheinlich sollte man diese Arie nur singen, wenn es im Zuge von „Turandot“ unabdingbar ist. Sie als Virtuosenstück zu präsentieren in einer Welt, wo jeder gerade diese Arie von dem unvergleichlichen Pavarotti im Ohr hat, heißt ja doch nur, vom Großglockner aus zum Mount Everest hinauf zu singen…und der ist ja doch viel, viel höher. Und das, obwohl Seiffert den Schlußton durchaus zum Leuchten brachte. Danach gab er sich mit „Ich sing mein Lied heut’ nur für dich“ locker, dass das Robert Stolz war, war unüberhörbar, dass Jan Kiepura diesen Schlager in dem Film „Mein Herz ruft nach dir“ (1934) gesungen hat, diese Information ist heute auf Google leicht zu bekommen. Unfassbar auch für Journalisten selbst, wie leicht das Recherchieren geworden ist…
Das Publikum reagierte mit Szenenapplaus, wenn überhaupt, dann mit leichter Verzögerung, aber am Ende herrschte die allgemeine Begeisterung. Es ist sicherlich eine der besten Arten, ins Neue Jahr zu rutschen, indem man sich die „Fledermaus“ in der Staatsoper gibt. Alle Jahre wieder.
Renate Wagner