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SCHWETZINGEN: IPHIGENIE AUF TAURIS von Tommaso Traetta

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Opernausgrabung in Schwetzingen: „Iphigenie auf Tauris“ von Tommaso Traetta (Vorstellung: 10. 1. 2014)

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Der russische Countertenor Artem Krutko begeisterte das Publikum als Orest (Foto: Florian Merdes)

 Wieder wartete das Theater Heidelberg im Rahmen des Musik-Festivals „Winter in Schwetzingen“ mit einer sehenswerten Opernrarität auf: „Iphigenie auf Tauris“ von Tommaso Traetta. Das „Dramma per musica“ in drei Akten, dessen Libretto von Marco Coltellini stammt und dessen Uraufführung im Jahr 1763 im Schloss Schönbrunn in Wien stattfand, wurde im schmucken Rokokotheater im Schloss Schwetzingen gezeigt.

 Tommaso Traetta (1727 – 1779), der seine Ausbildung durch Porpora in Neapel bekam, wo er vom Teatro San Carlo den Auftrag für seine erste Oper „Il Farnace“ erhielt, wurde 1758 an den Hof von Parma berufen und zählte bald zu den führenden Neuerern der italienischen Oper. Er schrieb für Turin, Mannheim, Venedig und Wien („Ifigenia in Tauride“), ehe er als Nachfolger von Galuppi als Leiter der Oper auf sieben Jahre nach St. Petersburg ging. In seinem Stil nahm er „eine Stellung zwischen Lully, Rameau und Gluck ein, wobei Traetta und Gluck sich gegenseitig beeinflussten und einige ihrer Techniken auf Benda und Mozart vorauswiesen“, wie man dem Reclam-Opernführer entnehmen kann.

Das aus der griechischen Mythologie bekannte Thema um Iphigenie und Orest wurde mehr als ein Dutzend Mal vertont, wobei die gleichnamige Oper von Gluck am bekanntesten blieb und bis in die heutige Zeit gespielt wird. Allerdings kam Traettas Oper 16 Jahre vor Gluck in Wien zum Jahrestag der Krönung von Kaiser Franz I. zur Uraufführung und war damals sehr erfolgreich, wie zwanzig über ganz Europa verstreute Partituren aus dem 18. Jahrhundert beweisen.

Die Deutsche Erstaufführung in Schwetzingen – in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln – wurde von Rudolf Frey inszeniert, der das Werk in die heutige Zeit verlegte und die Handlung in Alltagsgewändern spielen ließ. Viele Merkwürdigkeiten – wie die Stofftiere, die Iphigenie aus einer Aktentasche oftmals hervorholt, das Einfamilienhaus im Hintergrund während des Traums von Orest oder die Schutzkleidung des Chors bei den Vorbereitungen zur Hinrichtung – ließen das Publikum rätseln. Eine Personenführung war nicht erkennbar, sollte sie vom Regisseur aber so gewollt worden sein, war sie denkbar schlecht!

 Auch das Bühnenbild von Aurel Lenfert, der zusätzlich für die Kostüme zuständig war, gab viele Rätsel auf. Eigentlich war es ein nichtssagender halbfertiger Rohbau aus Holz. Das Positive daran war, dass man die erstaunliche Tiefe der Bühne des Rokokotheaters erkennen konnte.

 Die musikalische Qualität des Abends entschädigte allerdings das Publikum. Das Philharmonische Orchester Heidelberg unter der Leitung von Wolfgang Katschner brachte die Partitur des Komponisten sehr engagiert zum Klingen und das Sängerensemble bot eine hervorragende Leistung. Zwar ließ sich die polnische Sopranistin Aleksandra Zamojska vor der Vorstellung von Heidelbergs Operndirektor Heribert Germeshausen als indisponiert ansagen, doch bewältigte sie die Titelrolle ohne hörbare Probleme. Möglich, dass sie anfangs ein wenig verhalten sang, aber im Verlauf der drei Akte ging sie stimmlich voll aus sich heraus. Das Duett mit der israelischen Sopranistin Rinnat Moriah in der Rolle von Iphigenies Freundin Doris war von betörendem Gleichklang der Stimmen und wurde vom Publikum zu Recht mit frenetischem Szenenapplaus belohnt.

 Immer wieder mit Szenenbeifall wurde der russische Countertenor Artem Krutko bedacht, der in der Rolle des Orest mit seiner wandlungsfähigen Stimme und seinem schauspielerischem Einsatz das Publikum voll überzeugte. Den Tyrannen Thoas spielte und sang der koreanische Tenor Namwon Huh mit kraftvoller Stimme und der Mimik eines Bösewichts. In der Hosenrolles des Pylades, der Orests Identität enthüllt, wodurch Iphigenie ihren Bruder erkennt, beeindruckte die schlaksige Sopranistin Irina Simmes. Der Chor des Theaters (Chordirektion: Jan Schweiger, Ursula Stigloher) spielte in diesem Werk eine eher untergeordnete Rolle, die Statisterie konnte sich im Traum von Orest in greller Maskierung als Furien beweisen.

 Lang anhaltender Beifall des Publikums am Schluss – mit vielen Bravorufen für Artem Krutko, Rinnat Moriah und Aleksandra Zamojska, die sich trotz ihrer Indisposition zu singen bereiterklärt hatte und so die Vorstellung rettete.

 Udo Pacolt

 

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