Stuttgarter Ballett
„DER WIDERSPENSTIGEN ZÄHMUNG“ 10.1. 2013– Jugendfrischer Spaß
Sprühende Spiellaune und technische Leichtigkeit – Elisa Badenes (Katharina) und Daniel Camargo (Petrucchio). Copyright: Stuttgarter Ballett
Nachdem sie sich in der letzten Saison in „Don Quijote“ als jugendliches Traumpaar in die Herzen des Publikums getanzt hatten, war es nur noch eine Frage der Zeit bis Elisa Badenes und Daniel Camargo als Katharina und Petrucchio in die Fußstapfen großer Vorgänger treten würden. Zwar nur für diese eine, vorerst letzte Aufführung, doch mit der umso größeren Hoffnung verbunden, Crankos zeitlos gebliebene Ballettkomödie möge speziell für die beiden bald möglichst wieder in den Spielplan zurück kehren. Nicht nur, um den von ihnen freigesetzten Humor öfter erleben zu können, mehr noch um den beiden wirklich jungen Ersten Solisten Gelegenheit zu geben, ihre jetzt schon mit viel Witz, spontaner Situationskomik und tänzerischer Effektivität aufgeladenen Interpretationen zu noch abgerundeteren, mit zunehmender Lebenserfahrung wissenderen Charakterportraits heranreifen zu lassen.
Was soviel heißt, dass der erste Akt mit seinen großzügigen gegenseitigen Kampfansagen, den ausgreifenderen Gesten und spielerischen Freiräumen beim Debut in ihnen eine fast unbändige Lust am Spiel freisetzte, was auch in manchen bisher unbelächelt gebliebenen Momenten zu viel Heiterkeit führte. Im Zuge von Katharinas Wandlung waren dann bei der langsamen Überführung von attackierendem Frust in Sanftmut und erwachende Liebe bei ihr hie und da kleine Löcher in der durchgehenden mimischen Vergeistigung zu registrieren, so dass der zweite Teil trotz mit konditioneller Leichtigkeit umgesetzter technischer Kniffe in den Pas de deux nicht ganz die Geschlossenheit erreichte, die der erste Akt noch hatte vermuten lassen. Das sind jedoch kleine Einwände im Rahmen eines auf höchstem Niveau absolvierten Debuts. Sichtbar viel gearbeitet hatte Daniel Camargo an der möglichst freien Ausgestaltung von Petrucchios Durchtriebenheit, so dass die vielen sich bietenden Pointen unverkrampft und mit ungeahnten neuen Variierungen zündeten. In den besonders virtuosen Momenten der Triple tours en l’air schien er lieber erst mal auf Nummer Sicher gehen zu wollen und blieb vorerst unter seinen zweifellos vorhandenen Möglichkeiten. Schmälern konnte dies den Gesamteindruck kaum, zumal er mit Elisa Badenes partnerschaftlich so verschmilzt, wie dies viele Paare erst im fortgeschrittenen Alter erreichen, und auch sie so manchen Bewegungsfluss durch ihr federleichtes Gleiten der Beine neu und unbeschwert erleben lässt.
Der weit über dem Durchschnitt vieler Vorstellungen liegende Stimmungspegel ließ auch die Mitspieler (Hyo Jung Kang als Bianca, Brent Parolin als Gremio, Roland Havlica als Hortensio sowie Magdalena Dziegielewska und Rachele Buriassi als die beiden besonders durchtriebenen Freudenmädchen) nicht unberührt und entlockte gar dem sonst her in sich ruhenden, stillen, bestechend flüssig und exakt tanzenden David Moore als Lucentio mehr Temperament als sonst. Selbst Petrucchios Diener-Quartett lieferte sich zu Katharinas Empfang einen diesmal noch aberwitzigeren Aufmarsch.
Und so waren an diesem Abend die Augen noch intensiver als sonst beschäftigt, alle gebotenen Details zu erfassen, und das bei einem Werk, das man durch unzählbare Begegnungen längst rundum kennen sollte. Doch Crankos Spielwiese bleibt unerschöpflich…
Udo Klebes