Bayerische Staatsoper – „EUGEN ONEGIN“ – Unbestritten „prima la musica“! (10.01.2014)
Bisher habe ich Krzysztof Warlikowskis Unglücks-Inszenierung von 2007 schlichtweg boykottiert, nun lockten mich aber doch das Dirigat Kirill Petrenkos und die neue Hautrollenbesetzung. - Das ist aber wirklich eine der blödesten Inszenierungen (ich wähle bewusst diese Vokabel), weil hier gar nichts aufgeht, geschweige denn Sinn macht; alles irgendwie an den Haaren herbeigezogen und Ballszene und Finale jämmerlich verschenkt. Dazu noch die überwiegend „greislichen“ (hässlichen) Kostüme und Requisiten im nüchternen Bühnenbild von Malgorzata Szczęśniak, die albernen Schwulen-Choreografien von Saar Magal (beim 3. Mal würgt es einen schon im Hals) – das alles lohnt wirklich nicht den teuren Besuch, man ärgert sich bloß – oder – man langweilt sich gar ab einem gewissen Punkt…
Warum also gab es dann zum Schluss doch Ovationen vom Publikum? Die waren eindeutig der musikalischen Seite gewidmet. Obgleich das gepriesene Wunder Petrenko hier nicht in erwartetem Maße wirkte. Mein letzter Onegin war unter Mariss Jansons‘ Leitung bei einer konzertanten Aufführung mit dem Symphonieorchester des BR. Dort war ein wunderbar warmer, die tiefen Stimmen wohlig betonender Sound zu hören. Ähnliches hatte ich auch von Kirill Petrenko erwartet, aber nein – kühl und hart rückte er dem Stück zu Leibe, alle Romantik wie weggeblasen. Aber, etwas, was man bei seinem GMD-Vorgänger stets vermissen musste, Petrenko ist immer bei und mit den Sängern, trägt sie quasi auf Händen, lässt sie köstliche lyrische Piano-Phrasen ritardierend spinnen. Das Staatsorchester folgte seinem neuen Meister willigst. Auch die Chöre ( Sören Eckhoff) sangen prächtig, bei Gremin backstage, statt im Festsaal… Das hier dann im Nebenraum befindliche, spießige „Lotter“-Bett, auf welchem vorher Onegin und Lenski ihre angebliche Schwulität ein bisschen andeuteten, diente unglücklicherweise hier und im Finalbild als Sitzgelegenheit (peinlich dumm).
Aber nun zu den Sängern: Grundsätzliches Lob, wie sie aus dem inszenatorischen Unsinn soweit wie möglich doch noch lebendiges Theater zu machen verstanden.
Der für München neue Onegin war der Pole Artur Rucinski mit warm und edel timbriertem Bariton. Mit dem Onegin ist er bereits auf mehreren großen Bühnen der Welt aufgetreten. Da der Sänger recht klein von Figur ist, musste er sich neben seiner Tatjana und auch Freund Lenski meistens ziemlich recken.
Als Lenski überzeugte der große, schlanke Litauer Edgaras Montvidas mit seinem hellen, kraftvollen Tenor bedingungslos, ebenso durch seine Darstellung. Unglaubwürdiger denn je, verläuft seine Empörung über Onegin ins Leere, da dieser Olga lediglich ein einziges Mal kurz ein paar Schritte führen darf, dann gibt’s nur noch unsinniges Kuddelmuddel, so dass Lenskis Verzweiflung total ohne Ursache schlichtweg unverständlich ist. (Dass eine Verlobte zu Puschkin Zeiten nicht mit einem Anderen als ihrem Verlobten tanzen durfte, ist in diesem Ambiente ohnehin nicht mehr nachvollziehbar).
Mein größtes Interesse galt Kristine Opolais, die mit ihrer Rusalka in Kušejs Münchner Inszenierung ihr Publikum stets zu Tränen rührte. Was würde dieses „Bühnentier“ aus der Tatjana machen? Eine totale glaubhafte Indentifikation mit dieser Rolle wurde ihr innerhalb dieser Inszenierung mehr als schwer gemacht. Ihre Entfaltungs-Möglichkeiten waren im 1. Bild stark beschnitten, in der Briefszene gab es dann große, ergreifende Oper (auch hier Störungen regielicher Art), das erste Duett mit Onegin wurde regielich kaputt gemacht. Bei Gremins Ball und im Finale hat man die schöne Lettin in ein grausam verunstaltendes Kleid gepfropft und mit einer altjüngferlichen Frisur zusätzlich verunhübscht. Ihr kühl mädchenhaft timbrierter Sopran hat die Fähigkeit, dank vielseitiger Ausdrucksnuancen, direkt ins Herz des Hörers zu treffen. Damit zieht Frau Opolais immer in ihren Bann, und damit wird voraussichtlich auch ihre bevorstehende Manon Lescaut im Frühjahr in London (mit Jonas Kaufmann) ein fesselndes Ereignis werden. - Eine ausgesprochen niedliche Person betrat als Olga die Bühne – Ekaterina Sergeeva. Man ist ganz baff, was für eine satte, volle Mezzostimme aus der kleinen Person herauskommt. Auch die „Orgel“ von Larissa Diadkova (Filipjewna) beeindruckt nach wie vor gewaltig, so dass man sich wundert, sie nun vorrangig in angeblichen „Wurzn“ erleben zu dürfen. Weniger angenehm das Organ von Heike Grötzingers Larina. - Und dann ist da noch Rafał Siwek, der mit seinem schwarzen Bomben-Bass eine wunderbare Gremin-Arie zum Besten gab, nachdem er vorher schon als Lenskis „Sekundant“ tätig war. Kevin Conners‘ (Triquet) Charaktertenor zeigt inzwischen direkt heldische Anklänge.
Zum Schluss, nach Rucinski-Onegins effektvollem finalen Verzweiflungsausbruch, dann die erwähnten Ovationen für das gesamte, sich erfolgreich strapaziert habende Ensemble.
DZ
Fotos © W. Hösl:
1 – Rucinski
2 – Montvidas + Sergeeva
3 – Opolais