Ab 25. April 2014 in den österreichischen Kinos
SNOWPIERCER
Regie: Bong Joon-ho
Mit: Chris Evans, Tilda Swinton, Ed Harris, Jamie Bell, John Hurt u.a.
Schon wieder sind wir irgendwo in einer schaurigen Zukunft, und diesmal ist es die Eiszeit, die die Welt fest in den Krallen hat. Die abgeschlossene, totalitäre Gesellschaft, die überleben konnte, befindet sich diesmal in einem Eisenbahnzug, der offenbar durch die Welt rast, und weil man sich in Drehbüchern ja alles ausdenken kann, ist dieser Zug offenbar völlig autonom und imstande, sich selbst zu erhalten.
Schon wieder – wie oft noch? möchte man als unerschütterlicher Kinobesucher stöhnen, wenn man auf stets dieselben Voraussetzungen trifft: Da befinden sich am Ende des Zugs die scheußlich behandelten, von Polizisten in Schach gehaltenen Underdogs, und dieser Film des koreanischen Regisseurs Bong Joon-ho verweilt so lange in der dreckigen Enge und dem menschlichen Elend, dass man in Lustlosigkeit des Zusehens verfällt. Nicht einmal die vom allmächtigen Herrscher Wilford ausgesandte Mrs. Mason, die politische Sprüche klopft, um die brodelnde Menge ruhig zu halten, bringt da viel – obwohl Tilda Swinton die Dame (mit gräulichem Gebiss und einfach grotesk aussehend) mit schauerlicher Ironie für Menschen ihrer Art verkörpert…
Bei den Underdogs gibt es einen alten Mann als große Bezugsfigur (John Hurt), aber es ist wohl der gestandene Mann Curtis (Chris Evans, der hier überhaupt nicht an seinen „Captain America“ erinnert), dem man zutraut, den nötigen Aufstand der Underdogs gegen die unbekannten „Ihr da oben“ in Gang zu setzen. Lebhaft an seiner Seite und überraschend bald aus dem Geschehen gezogen, ist der junge Edgar (Jamie Bell), der später noch für eine Pointe sorgt. Heimvorteil haben (Kunststück, bei einem koreanischen Regisseur) der alte Song Hang-ko und die junge Ko Asung als nicht unbedingt durchschaubare, aber immer wieder Pointen setzende Figuren.
Als die Mächtigen einen kleinen schwarzen Jungen aus den Armen-Regionen „entführen“, ist dann der Augenblick des Aufstands gekommen, und von da an nimmt der Film Tempo auf – wie man auch immer wieder das Rasen des Zuges mitfühlt, während draußen Eislandschaften vorbeiziehen.
Curtis macht sich, Waggon für Waggon, in die Welten der Privilegierten auf, und einiges ist in seiner schrillen Satire einfach köstlich – etwa der „Schulwaggon“, wo adrette kleine Kinder von einer Lehrerin, die wie eine einzige Kunstfigur erscheint (Alison Pill), zu bösen, selbstgerechten kleinen Faschisten dressiert werden…
Am Ende (und der Film wirkt, obwohl nur etwas über zwei Stunden läuft, doch sehr lang) landet man schließlich bei Wilford, dem „Mastermind“ und Diktator, Herrscher über diese von ihm geschaffene Eisenbahn-Welt, der sich als „Retter“ zumindest eines Teils der Menschheit feiern lassen möchte. Ed Harris, diesmal nicht so faltig wie in früheren Filmen (es muss hervorragende Maskenbildner geben), ist eine Idealbesetzung für den überheblich-herablassenden, alles durchschauenden, alles manipulierenden großen Mann, der sich unverletzlich fühlt… Nun, nur so viel sei verraten, um nicht in die Gefahr des „Spoilens“ (= „Pointen verraten“) zu kommen: Am Ende gibt es einen Eisbären…
Was hat man von der Geschichte? Nach mühseligen Anfängen doch eine punktuelle Wanderung durch die Welt – von einem Filmemacher, der ungewöhnlich genug ist, um nicht ausschließlich das Übliche zu bieten. Freilich, dass die hartgesottenen Hollywood-Produzenten gern eine halbe Stunde aus dem Film herausgeschnitten hätten, um ihn kommensurabler zu machen, ist von ihrem Standpunkt verständlich. Aber „Snowpiercer“ ist sowieso nur ein Film für ein alternatives Publikum.
Renate Wagner