Mannheim: Böse Geister/A.Hölszky UA 31.5.2014
Evelyn Krahe, Therese Wincent, Iris Kupke, Ludovica Bello, c: Hans-Jörg Michel
Am Mannheimer Nationaltheater wird jetzt eine neue Oper der Deutsch-Rumänin Adriana Hölszky aufgeführt. Sie hat sich als Vorlage den Roman “Böse Geister” (wohl früher ‘Die Dämonen’) von Dostojewsky in der Neuübersetzung von Swertlana Geier gewählt. Da das Libretto von Yona Kim, die in ursprünglicher Form eine Materialgruppe aus unterschiedlichen Blöcken darstellt, erlaubt der Regie (hier: Joachim Schlömer) doch einige Freiheit bei der Realisierung des Werkes. Es handelt sich dabei um 3 Blöcke: Eine Szenenfoge von 5 Szenen, Texte für den Chor incl. “Stawrogins Blätter” und ‘Instrumentalpausen’ als Zwischenspiele. Diese Blöcke sind in der Inszenierung kenntlich gemacht. Auf der Bühne spielen sich die Szenen ab. ‘Stawrogins Blätter’ von einem Regiesitz des Protagonisten zentral in der 1.-2. Zuschauerreihe, wo sich ursprünglich auch die 3 Statistinnen für Matrjoscha befinden (Stawrogin, der Oberdämon hatte die junge Matrjoscha vergewaltigt, worauf sie sich erhängt hat). Der 3. Block besteht aus dem auch perkussive Aufgaben sowie Atem- und Schnarrgeräusche aller Art übernehmenden Chor, der im Zuschauerraum den gesamten rückwärtigen Balkon einnimmt. Er wird von Tilman Michael als Co-Dirigent geleitet, der dem musikalischen Leiter Roland Kluttig gleichgeordnet ist, was die Unabhängigkeit der beiden Blöcke voneinander betont. Die 5 Bühnenszenen werden vom Orchester mit großem Schlagapparat begleitet.
Eine durchgehende Handlung ist nicht erkennbar, da auch in den Szenen mit Vor- und Rückblicken sowie Simultanszenen gearbeitet wird. Gemäß Dostojewskys Roman geht es darum, wie die Einwohner eines ganzen Ortes moralisch und z.T. physisch zerstört werden, indem Verbrechen, destruktive Ideen und schlimme Übervorteilungen in den zu vertuschenden Patchworkfamilien einsetzen. Ursprünglich handelt es sich um eine ‘ehrenwerte’ Gesellschaft um Stawrogin, der alle anderen beeinflußt, aber selbst ein völliger Nihilist ist und seine Verbrechen auslebt, die er vertuschen lässt. Die anderen sind Besitzende, Aristokraten, Hochschullehrer, eine Gouverneursgattin und deren z.T. nichtstuende Kinder.
Jens Kilian hat J. Schlömer von Statisten verschiebbare kleine Hausfragmente und ‘durchschnittene’ Zimmer gebaut, die je nach Situation auf der breiten Nationaltheaterbühne verschoben bzw. neu zusammenformiert werden können. Sie zeigen gepflegt bürgerliches Interieur. Auch die Kostüme Heike Kastlers zeigen Roben fast im Empirestil, bei den Männer auch etwas bunt gehaltene Gehröcke und verschiedenartige Anzüge, Zylinderhüte. die drei Matrjoschas laufen mit gekratzten Zeichnungen am Rücken und Galgenstricken öfter quer über die Bühne in wehenden Kleidern.
Die schwierige, alle Avantgarden vereinigende Musik A. Hölszkys wird vom Nationaltheater- Orchester und dem gut einstudierten Chor adäquat wiedergegeben. Der Neue Musik- erfahrene Roland Kluttig leitet souverän aus dem Graben. Durch die Musik wird die oft beklemmende Atmosphäre des Stücks instrumental wie choral erfaßt und wiedergegeben.
Steven Scheschareg singt nach seinem imposanten Rogoschin in J.Weinbergs ‘Idiot’ den Stawrogin mit markantem Baßbariton. Evelyn Krahe ist als Mezzo seine Mutter Warwara, ein Familienoberhaupt neben Julia, dem Sopran Iris Kupke. Martin Busen zeichnet tief chrakteristisch den Stepan. Zvi Emanuel-Marial ist sein Sohn Pjotr mit hohem silberscharfem Altus. Ludovica Bello gestaltet als Mezzosopran die hinkende wahnsinnige Marja. Der in der Regie Schlömers wie ein Bettler gezeichnete Lebjadkin wird von Magnus Piontek übernommen.Von Benedikt Nawrath wird der gehörnte Ehemann Schatow tenoral gegeben.
Die attraktive Heiratspartie Lisa, die am Ende nur den Selbstmord als Ausweg sieht, indem ihr lebloser Körper aus dem Fenster baumelt, wird von dem schwedischen Sopran Therese Wincent eindrucksvoll in abenteurlichen Intervallen gesungen.
Friedeon Rosén