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LINZ/ Brucknerhaus: CONCERTI VON VIVALDI UND HÄNDEL

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Bach Consort Wien. Foto: Julia Wesely

LINZ / Brucknerhaus: Concerti von VIVALDI und HÄNDEL

Bach Consort Wien, Rubén Dubrovsky „Gemeinsam im Wettstreit“

17.2. 2019 – Karl Masek

Attraktiv und abwechslungsreich sind sie programmiert, die Sonntagsmatineen im Brucknerhaus Linz. Für Kenner, Raritätenjäger  und Feinschmecker. Am letzten Sonntag im Jänner z.B. gab es die späte Erstaufführung der Sinfonia Apocaliptica des sehr zu Unrecht fast vergessenen Wiener Komponisten Karl Weigl (1881-1949), entstanden im New Yorker Exil 1942 bis 1945,  gekoppelt mit Chor/Orchesterwerken von Schönberg, Darius Milhaud und Igor Strawinsky unter Mitwirkung von Nicole Heesters und Franz Grundheber, dem Slowakischen Philharmonischen Chor und dem Bruckner Orchester Linz unter Thomas Sanderling. Ein höchst spannender Vormittag.

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Ruben Dubrovsky. Foto: Julia Wesely

Diesen Sonntag stilistisch ein weiter Sprung, um Jahrhunderte zurück. Unter dem Motto Gemeinsam im Wettstreit präsentierte Rubén Dubrovsky mit seinem Bach Consort Wien insgesamt 6 Concerti von Antonio Vivaldi und Georg Friedrich Händel.

In allen Werken bekamen die insgesamt 25 Musiker/innen in wechselnden Besetzungen – in Händels  Concerto a due cori  Nr. 2 F-Dur, HWV 333, waren sie schließlich alle auf dem Podium versammelt – viele Gelegenheiten, sowohl solistisch zu glänzen, als sich auch als Ensemble von höchster Präzision, beredter Klanglichkeit und sanguinischer Musizierlust zu präsentieren.

Dubrovsky ist dabei immer „Primus inter pares“, also keineswegs Dirigent des barock-klassisch-romantischen Klischees – und schon gar kein Pult-Herrscher. Er, der Erzmusiker (mit dem eigentlichen Hauptinstrument, dem Cello), greift mit Colascione (= eine Langhalslaute, die vor allem in Italien gebräuchlich war) und Barockgitarre aktiv ins Musikgeschehen ein, spielt dann mit dem Gesicht zum Publikum, hat dessen ungeachtet sein Ensemble in jedem Moment „im Blick“. Denn koordiniert muss werden, auf  Klarheit und Transparenz, auf die Klagbögen und all das, was zwischen oder „hinter“ den Noten steht, geachtet werden. Zusätzlich gilt es, für ein Kammerorchester im Großen Saal des Brucknerhauses Linz die rechte dynamische Bandbreite zu finden, sodass auch filigrane Feinheiten z.B. in den verinnerlichten Largo-Sätzen sich nicht im großen Auditorium „verlieren“.

„Gemeinsam im Wettstreit“ – mit besonders glückhafter Betonung auf das erste Wort. Seidig-samtig wird einander zugespielt, schwebendes Pianissimo (so als bewegte man sich immer ein paar Zentimeter über dem Boden!) beim g-Moll – Largo e cantabile, wirbelndes Brio beim abschließenden Allegro kommt in Vivaldis  Concerto per la  solennità C-Dur gleichermaßen zu seinem Recht. Wie überhaupt die 4 Vivaldi-Concerti (er war mit seinen beinahe 500 Konzerten dieser Art mit dem Wechsel von freien Soloabschnitten und den „Orchesterrefrains“ stilbildend mit der speziellen Klanglichkeit und seinem unverkennbaren „Perpetuum-mobile-Swing“) helles, flächiges, sonniges Musizieren ermöglichten.

Wunderbar die musikalische „Plauderei“ zwischen Oboe, Cello und Colascione im F-Dur-Concerto, subtil die Echowirkungen z.B. der Flöten (sozusagen mit Quadrophonie-Effekt beim Concerto in due cori A-Dur für 4 Flöten; vier Violinen, Orgel, Streicher und Basso continuo. Leichtfüßiges Figurenwerk der Orgel. Quellfrischer, kristallklarer Klang. Da ist nichts wattig, nichts parfümiert. Elegant gesetzte Akzente, ohne Ruppigkeit.

Naturgemäß mit etwas mehr gravitätischer Festlichkeit die beiden Händel-Concerti (grossi). Händel, der Vielschreiber und Vielfach –Verwerter, verwendete im sechssätzigen Concerto a due cori , HWV 333 nicht weniger als 6 Stücke aus Oratorien wie „Esther“ und auch dem berühmten „Messiah“.

Alle solistischen Einwürfe (von Flöte/Oboe, Fagott, bis hin zu  den beiden Konzertmeisterlichen Violinen) waren vom Feinsten. Besonders hervorzuheben dann beim abschließenden Händel die 4 Hornisten, die sich prächtig schlugen.

Also verdientes Pauschallob! Stark akklamiert wurde diese Matinee. Und das Publikum bekam auch eine Zugabe. Hinter festlich schreitenden Rhythmen versteckt sich das berühmte Chorstück  „Lift  up  your  heads“  aus dem 1741 komponierten „Messiah“. Bei der launig angekündigten Zugabe nannte Dubrovsky die Überschrift des Chorstücks und meinte dann scherzhaft: „Wer den Text kann, soll einfach mitsingen!“

Übrigens: Die nächste Sonntagsmatinee findet am 24.3. statt (Monteverdis „Marien-Vesper“ mit Solisten, „Chor ad libitum“ und Barocco unter Heinz Ferlesch, dem künstlerischen Leiter der Wiener Singakademie).

Empfehlung – zumal auch für Musikfreunde aus dem Wiener oder Salzburger Raum die Anreise per Eisenbahn sehr bequem und kundenfreundlich unkompliziert ist (durch ÖBB und Westbahn sowohl morgens wie nachmittags praktisch halbstündliche Intervalle zwischen Wien und Salzburg)!

Karl Masek

 

 

 


MARIBOR/Slowenisches Nationaltheater: DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL. Neuproduktion

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„Die Entführung aus dem Serail“ im Slowenischen Nationaltheater Maribor in einer überraschenden Neu-Deutung : Blondchen und Osmin feiern türkische Verlobung am Filmset in Istanbul .Besuchte Vorstellung am 17. Februar 2019

(zweite Vorstellung) Bericht von Sören Wicking

Nach ihrer kurzfristigen Absage für die Premiere, die in letzter Minute von Petya Ivanova als „Konstanze“ gerettet wurde, hat am Sonntag nachmittag in der gut besuchten Oper von Maribor endlich Andrea Zakonjsek Krt als geprobte „Konstanze“ in der zweiten Vorstellung debütieren dürfen und grossen Applaus geerntet. Die Sopranistin ist seit vielen Jahren festes Ensemble-Mitglied und konnte auch wieder in dieser Partie beweisen, wie technisch sicher sie ihre Stimme beherrscht und die Koloraturen fordernde Partie der „Konstanze“ souverän meistert. Besonders als mit sich selbst hadernde, innerlich zerrissene „Konstanze“ erntete die beliebte Sopranistin Applaus nach ihren Vorzeige-Arien „Kummer herrscht in meinem Herz“ und „Matern aller Arten“.

Bei Bruno Berger-Gorski fungiert „Bassa Selim“ als Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person. (Wunderbar textdeutlich und eindringlich im Spiel: Ivica Knez vom Schauspiel-Ensemble Maribor). Die berühmt-berüchtigte „Martern“ –Arie ist wie ein Streitgespräch a la Strindberg inszeniert, bei dem jedem klar wird, dass auch die private „Konstanze“ eigentlich den Darsteller des „Bassa Selim“ am Filmset liebt, aber ihrem Verlobten europäischem Kollegen „Belmonte“ treu bleiben möchte.

Durch den Chefdirigenten und Operndirektor Simon Krecic wird im beschaulichen Maribor ein rein slovenisches Mozart-Ensemble aufgebaut, dass sich nach einer bereits sehr erfolgreichen „Zauberflöte“ vor 4 Jahren wieder hören lassen kann. Alle Darsteller sind hervorragend rollendeckend besetzt und auch das Orchester unter der umsichtigen Leitung von Simon Robinson verzauberte mit einem berührenden Mozartklang im schön renovierten Opernhaus von Maribor. Weitere Vorstellungen werden sogar mit einer slovenischen Zweitbesetzung aufgeführt, bei der junge Sänger aus Lubljana bzw Chor-Solisten eine Chance bekommen.

Noch nie habe ich ein solches Finale in „Die Entführung aus dem Serail“ gesehen wie jetzt in Maribor, wo Regisseur Bruno Berger-Gorski die Handlung als klassische Opern-Verfilmung an einem heutigen Filmset in Istanbul spielen lässt und Bassa Selim als verführerischer Regisseur und Schauspieler auch privat die Darstellerin der „Konstanze“ zu fast hysterischen Ausbrüchen provoziert- ähnlich wie der türkische Darsteller des „Osmin“ das „Blondchen“ verführt und verwirrt. Die Regie konzentriert sich in diesem Konzept auf eine Art psychologische Paar-Analyse : wie bei „Cosi fan tutte“ kämpfen auch in der „Entführung“ beide Frauen als „Verlobte“ mit ihren Treue-Gefühlen zu ihren festen Partnern und fühlen sich aber eigentlich hingerissen zu den attraktiven Arbeits-Kollegen des fremden türkischen Kultur-Kreises.

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Copyright: SND/ Tiberiu Marta

In der beschrifteten Filmhalle lässt der geniale Ausstatter Marko Japelje ein Tor in der Rückwand der Filmhalle auffahren und das Publikum schaut auf den Bosporus, auf dem zum Finale sogar ein einfahrendes Kreuzfahrtschiff anlegen kann, um die europäischen Gast-Darsteller „Belmonte“ und „Pedrillo“ mit ihren Partnerinnen abzuholen. Das türkische Flair wird sowohl durch Gebetsteppiche wie auch durch die wunderbaren arabisch angehauchten Kostüme ( Luca Dall `Alpi ) betont und besonders Konstanze und Blondchen scheinen ganz dem Zauber von „1001 Nacht“ verfallen zu sein: sie tragen auch privat gerne türkisch-glitzernde Kostüme und scheinen sich im Gast-Land als scheinbar „Gefangene“ wohl zu fühlen. Im Gegensatz zu den freien Europäerinnen sind die verschleierten Frauen des „Serail“ ganz in schwarze Burkas gehüllt und werden von den Wachen kontrolliert – da wirkt es befreiend, wenn ihnen „Blondchen“ als Zeichen der westlichen Emanzipation einmal den Schleier abnimmt und einer arabischen „Serail-Bewohnerin“ subtil den Lippenstift aufträgt.

Freimaurerische Elemente wie Zirkel und Winkelmass verwendet der Bassa zuerst während der Overtüre und legt sie während der Baumeister-Arie „Belmonte“ zum Test vor, den dieser jedoch hervorragend besteht: Er nimmt die Haltung eines „Suchenden“ ein und steht als dritte Säule in der leuchtenden Mitte. Die Gast-Light-Designerin Vesna Kolarec aus Zagreb tauchte die Bühne immer wieder in magisches Licht und konnte auch LichtSäulen für die Freimaurer-Arie zaubern. „Konstanze“ ist bei dieser schweren Arie, deren gefürchtete Koloraturen Martin Susnik spielend meisterte, anwesend und bekennt sich offensichtlich zu ihrer Liebe zu „Belmonte“.

Nicht nur stimmlich ist Martin Susnik einer der interessantesten Mozart-Tenöre zur Zeit, sondern auch darstellerisch und in der Text-Genauigkeit kann er die verschiedenen Entwicklungs-Schritte, die gerade „Belmonte“ durchläuft, glaubwürdig verkörpern. Seine Stimme berührt in ihrem klaren Ausdruck, die Koloraturen gelingen mühelos und Martin Susnik wurde nach seinen Arien mit Bravos bedacht. Er soll auch bereits in der „Zauberflöte“ in Maribor als „Tamino“ gefeiert worden sein und tritt regelmässig im nahen Italien auf. Von diesem Tenor wollen und werden wir sicherlich noch mehr hören.


Copyright: Tiberiu Marta

Ein Geheimtipp scheint der bestechend schöne Koloratur-Sopran der sehr attraktiven jungen Nina Dominko als „Blondchen“ zu sein. Ihre Stimme trägt und durchläuft mühelos alle Klippen dieser Partie. Natürlich durften auch Video-Live-Übertragungen nicht fehlen und als ein Dreirad- Auto als Istanbuler Taxi auf die Bühne kommt, sind Lacher vorprogrammiert. „Konstanze“ wird vom Shopping zur Filmhalle zurückgefahren, wo sie wieder ihrem Kummer erliegt und ihre Arie mit einer tragischen Sonnenbrille singen muss, um offensichtlich Anti-Depressiva von Kollegin und Freundchen „Blondchen“ in der Garderobe gereicht zu bekommen. Beide Frauen machen ähnliches durch und verstehen einander. Wieder als Star-Sopranistin im türkischen klassischen Kostüm wirft dann „Konstanze“ ihre Shopping-Tüten sowie ihre Gefühle dem eifersüchtigen und sie bedrängendem Bassa-Darsteller vor die Füsse. Eine ähnlich emotial hoch aufgeladene Paar-Beziehung wie bei „Bassa“ und „Konstanze“ liegt auch zwischen „Osmin“ und „Blondchen“ vor, die sich immer abwechselnd einmal fetzend und dann wieder liebend in den Armen liegen.

Türkische Putzfrauen wie auch tanzende Flaschen am Filmset beim „VivatBacchus“ -Duett lassen schmunzeln und zeigen witzig die Hierarchie hinter der Bühne. Berger-Gorski und sein Ausstatter Marko Japelj lassen unter dem Regisseur „Bassa Selim“ im heutigen Istanbul spielen und im Finale werden die sozialen und finanziellen Unterschiede in der Bezahlung von europäischen und türkischen Mitarbeitern am Filmset deutlich: Osmin muss sich für seine Bezahlung in der türkischen Schlange anstellen, während Belmonte, Konstanze, Pedrillo und Blondchen mit ihren Schecks am fein gedeckten Premierentisch sitzen und mit ihren Roll-Koffern auf das Schiff warten, dass tatsächlich mit einer besteigbaren Reling einfährt. Während der Proben am Set stellen die europäischen Paare „Belmonte“ und „Konstanze“ genauso wie „Pedrillo“ und „Blondchen“ fest, dass ihre scheinbar harmonischen Paar-Beziehungen durch den Einfluss des charismatischen Darstellers des Regisseurs und „Bassa Selim`s“ in Personal-Union und durch den attraktiven türkischen Darsteller des „Osmin“ ins Wanken kommen. Blondchen erliegt genau wie das Publikum dem umwerfenden Charme des jungen slovenischen Bass-Bariton`s Tomaz Stular, der sich immer wieder den umgehängten Opern- Bauch des klassischen Osmin ablegt und als Latin-Lover mit behaarter Macho-Brust „Blondchen“ in der Garderobe verführt. Seine schöne, berührende Stimme sitzt wunderbar und wird technisch sauber geführt – er vereint intelligentes Spiel mit Charme und so überrascht es nicht, dass er mit seiner anziehenden Persönlichkeit am Ende „Blondchen“ so sehr verwirrt, dass sie im Finale anstatt Istanbul mit ihrem Verlobten „Pedrillo“ und den europäischen Kollegen zu verlassen, tatsächlich von der Reling zu den türkiischen Kollegen zurückläuft, um gemeinsam mit „Osmin“ eine türkische Verlobung am Film-Set zu feiern, während „Bassa Selim“ von der Beleuchterbrücke hinter Konstanze herschaut, die Istanbul mit „Belmonte“ und „Pedrillo“ Richtung Europa verlässt.


Blondchen und Osmin im Finale als Verlobungsfeier, im Hintergrund fahren Belmonte, Konstanze und Pedrillo nach Europa- Copyright: SND/ Tiberiu Marta

Durch das türkische Happy- End wirkt das gesamte Regie- Konzept eher wie eine Liebes-Erklärung an die islamische Welt, als eine Kritik an der arabischen Welt mit den brutalen Texten des Osmin, die normalerweise dazu verführen, die beiden Welten gegeneinander auszuspielen, als die gegenseitige Attraktivität zu betonen wie in Maribor. Diese Neu-Deutung überrascht zuerst, gibt aber Sinn und könnte eine neue Diskussion über weitere Interpretationen der „Entführung“ auslösen, in der bisher „Osmin“ leider häufig nur als brutaler Schlächter oder als Clown dargestellt wurde. Die Anreize der osmanischen Welt auf die euroäpischen Frauen, die in der Musik angedeutet werden, sind subtil herausgearbeitet und jeder begreift die inneren Kämpfe der beiden Frauen, die sich zu „Osmin“ und „Bassa“ hingezogen fühlen . „Osmin“ gewinnt zu Recht das Herz von Blondchen und das schlecht bezahlte türkische Personal scheint in seiner Lebensfreude das Leben zu geniessen, währed die gut bezahlten europäischen Kollegen emotional frustriert Instanbul gen Heimat verlassen. Konstanze reagiert sehr betroffen auf den Satz von Bassa Selim aus seinem BeleuchterTurm : „Mögen Sie es nie bereuen, mein Herz ausgeschlagen zu haben“.
Blondchen scheint dagegen von den Türken sowohl in Lebensfreude wie auch Herzensangelegenheiten gelernt zu haben.

„Die Entführung“ in Maribor wird noch am 19., 21., 23. und 25. Februar gespielt.

Sören Wicking

BERLIN/ Staatsoper: DIE ZAUBERFLÖTE. Premiere

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Julian Prégardien (Tamino). Foto: Monika Rittershaus/Staatsoper

BERLIN/ Staatsoper: „DIE ZAUBERFLÖTE“ – Ein Trauerspiel in 2 Akten. Premiere am 17.2.2019

Braucht eine Stadt vier Zauberflöten? Nachdem jedes der drei Opernhäuser Berlins eine Inszenierung aus prominenter Regiehand sein Eigen nennen darf, gönnt sich die Staatsoper unter den Linden nun gar den Luxus einer Zweiten, die parallel zum Klassiker von August Everding im Schinkelschen Bühnenbild laufen soll. So richtig gewagt hatte Intendant Matthias Schulz die Absetzung dieses Publikumslieblings nämlich nicht, daher wohl der Kompromiss, der so dekadent wie unnötig scheint. Der Bayreuther Shootingstar Yuval Sharon, der mit seinem nachtblauen Lohengrin dem „grünen Hügel“ einen ordentlichen Erfolg verschafft hatte, bekam nun die fast unlösbare Aufgabe, Mozarts Unterhaltungsstück für Groß und Klein neu zu erfinden. Sein Konzept mag reizvoll klingen, die Ausführung und mitunter die Optik ist es allemal nicht. Das Publikum ist dazu verdammt, einer Schar Kinder dabei zuzuschauen, wie sie die Geschichte von Prinz und Prinzessin mit Marionetten und allerlei Spielzeug auf einem überdimensionalen Puppentheater aufführen.

Der geöffnete Vorhang gibt den Blick auf Tamino frei. Dieser baumelt an neongelben Seilen fast nackt in seinem hölzernen Körper als Marionette über die Szenerie. Später werden auch Pamina und Papageno auf diese Weise eingeführt, wo sie halsbrecherische Aktionen in schwindelerregender Höhe mitzumachen haben. Leider sind die Kostüme von Walter Van Beirendonck alles andere als ansehnlich und so mutiert das Liebespaar zu Manga-Horror-Püppchen ohne jegliche Mimik. Als wäre dies nicht genug Beschneidung der Ausdrucksmittel, werden zusätzlich den Darstellern, mit Ausnahme von Papageno, die Dialoge entzogen. Gelesen von Kinderstimmen aus dem Off (jedoch wesentlich zu lang) kommen Sie dennoch und ziehen den Abend unnötig in die Länge. 

In diesem Papiertheater wechselt nun Szenerie von einem Stilmix zum Nächsten, wobei letztendlich nur die Auftritte der Königin der Nacht vollends szenischen Eindruck hinterlassen und die Möglichkeiten der Bühnentechnik erahnen lassen. Mit der Feuer- und Wasserprüfung konnte Sharon offenbar wenig anfangen und ignoriert alle Möglichkeiten, die ein phantasievolles Puppentheater eigentlich zu bieten hätte. Seine Lösung ist gewollt intellektuell, für die sich wohl kaum eines der Kinder, die hier die Spielleiter sind, begeistern könnte. Pamina und Tamino müssen sich nämlich mit den Tücken des Alltags herumplagen und in einer Puppenstubenküche beweisen, dass sie auch irdische Alltäglichkeiten wie das Schnippeln von Gemüse als Paar des 21. Jahrhunderts bestehen. Prompt beschließt ein „Buh“ die Szenerie. Es sollte nicht das einzige bleiben. Bereits zur Pause lassen die Berliner ihren Unmut über den Inszenierungsversuch hören, was sich zum Schlussapplaus zu einer Wand der Ablehnung erhebt. So sieht wohl ein Flop aus, dem die Zuschauer so schnell als möglich entkommen wollen. Ein zweiter Solovorhang für die Sänger wirkt erzwungen, eigentlich ist das Spektakel da schon vorbei und die Berliner gedanklich auf dem Heimweg oder in die nächste Bar, um das Erlebte zu verdrängen und dem Abend einen Sinn zu geben.

Denn nicht minder unspektakulär geriet auch die musikalische Ausführung dieser Premiere. Nach dem Ausstieg von Franz Welser-Möst nur wenige Wochen zuvor, gehört der Taktstock nun Alondra de la Parra, einer in unseren Breitengraden noch recht unbekannten Mexikanerin, die aber, so wird zumindest medial suggeriert, auf der Überholspur zur Karriere ist. Brav, aber kantig schlägt sie den Takt, kann der Staatskapelle dennoch nur wenig zauberhafte Klänge entlocken. 


Florian Teichtmeister (Papageno). Foto: Monika Rittershaus/Staatsoper

Bei den Sängern sieht die Sache nur bedingt besser aus und man muss allgemein feststellen, dass das Niveau für eine Premiere an einem ersten Haus erschreckend niedrig ist und man selbst in Repertoirevorstellungen mitunter mehr verwöhnt wird. Julian Prégardien ließ zumindest einen schönen und textdeutlichen Tamino erkennen, von dem man sich jedoch geschmeidigere Höhen wünscht. Ihm zur Seite sollte eigentlich Ensemblemitglied Anna Prohaska als Pamina stehen, welche jedoch krankheitsbedingt ersetzt werden musste. Fragwürdig ist allerdings, dass die Hausleitung diese Aufgabe einem recht jungen und unerfahrenem Mitglied des Opernstudios anvertraut und so blieb es bei Serena Sáenz Molinero lediglich beim Versuch, in so grosse Fusstapfen wie die einer Tiana Lemnitz oder Dorothea Röschmann an diesem Haus zu treten. Sie schlug sich tapfer, ließ aber deutlich erkennen, wieso sie ursprünglich als Papagena in selbiger Produktion angesetzt war. Schade, dass das Haus da nicht auf bewährtere Kräfte zurückgreift. Der Vogelfänger wurde, auf Wunsch Welser-Mösts, vom österreichischen Schauspieler Florian Teichtmeister gegeben. Dirigenten und Regisseure berufen sich ja nur zu gern darauf, dass Uraufführungs-Papageno Emanuel Schikaneder selbst „nur“ Schauspieler gewesen sei, missachten offenbar aber die Tatsache, dass eine Ausbildung seinerzeit wesentlich spartenübergreifender war als heutzutage. Und so darf man von diesem Papageno auch keine gesanglichen Wunder erwarten, wenn er auch mikrofonverstärkt sein Bestes gibt. Was in den Solonummern tatsächlich zu funktionieren scheint, kommt in Duetten und Ensembles schnell an seine Grenzen. Hier konnte Teichtmeister nur schwer die Harmonien finden und mogelte sich unsicher durch die Nummern. Am Ende kassiert auch er dafür viele Missfallensbekundungen. Seine Dialoge allerdings waren klug angelegt und hinterfragend beleuchtet, was dem routinierten Zauberflöten-Besucher durchaus neue Facetten erkennen ließ. Als Sarastro bestätigt Kwangchul Youn leider den Eindruck, den man schon von seinem Banquo zuletzt bekam, nämlich dass hier eine Stimme ihren Abschied nimmt. Zu ausladend war das Vibrato und zu wenig fundiert und müde die Tiefe. Die junge Finnin Tuuli Takala, Ensemblemitglied der Semperoper Dresden, gibt abermals in Berlin die Königin der Nacht mit gestochen scharfen Koloraturen, aber all zu braver Stimme für die höllischste aller Mutterrollen. Florian Hoffmann singt seinen Monostatos rollendeckend, wohingegen von Sarah Aristidou als Papagena nur wenig zu hören ist. Ein stimmlich blasser Sprecher ist Lauri Vasar. Als ehemaliger Tamino steuert Stephan Rügamer in der Rolle des 1. Geharnischten ein paar schöne Töne bei. Die drei Damen in Gestalt von Adriane Queiroz, Cristina Damian und Anja Schlosser sind als Einheit mitunter einfacher zu ertragen, solistisch leider weniger. 

Abschließend wiederhole ich meine Frage: braucht eine Stadt vier Zauberflöten? Ich sage: Nein, diese hier ist überflüssig. Dem enttäuschten Zuschauer sei die Wiederaufnahme der Everding-Produktion am selben Ort ans Herz gelegt, die zum Teil auch mit besserer Besetzung punkten kann. 

Stefan Wieser

 

 

 

ATHEN/ Olympia – Städt. „Musiktheater Maria Callas“: DIE SCHÖNE HELENA

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Foto: „Musiktheater Maria Callas“

Olympia – Staedtisches Musiktheater Maria Callas, Athen: Die schoene Helena

Besuchte Vorstellung am 17. Februar 2019

Die liebestolle Heroine

Das Theater Olympia, welches bis zum Mai 2017 von der Griechischen Nationaloper bespielt wurde, ist seit dem vergangenen Dezember wiedereroeffnet. Die Stadt Athen betreibt das Haus nun als einen neuen Ort fuer Musiktheater und Konzerte. Die erste Buehnenproduktion galt Jacques Offenbach’s Meisterwerk „Orpheus in der Unterwelt“. Nun steht eine Inszenierung von dessen Operette „Die schoene Helena“ auf dem Programm, welche bereits im Openair-Theater Kolonos zu sehen war.

Isidoros Sideris, der auch die am selben Ort vorangegangene Offenbach-Produktion betreut hatte, entfacht auf der Buehne ein Feuerwerk an komischen Einfaellen, das mit Referenzen an die griechische Gegenwart nicht spart. Seine Inszenierung, die in der effektvollen, mit Videoprojektionen arbeitenden Ausstattung von Georgia Bourda daherkommt, zielt auf die Bilder resp. Imaginationen, die man sich von der Antike gemacht hat und noch immer macht. Sideris spannt dabei geschickt den Bogen von der idealisierten Antike vergangener Tage zu Strandszenen in der Gegenwart. Gleich das Eingangsbild, wo sich das weiss gekleidete und geschminkte Ensemble auf der Buehne zur Nachbildung antiker, griechischer Giebelskulpturen zusammenfindet, erntet Szenenapplaus. Die Darstellerinnen und Darsteller sind auch im folgenden gut gefuehrt und zeigen viel koerperlichen Einsatz. Man begreift als Zuschauer schnell, dass es bei dem Geplaenkel zwischen den Geschlechtern zuallererst und immer um Sex geht. Zwar ist die Zeichnung der Titelfigur als liebestolle Heroine bisweilen etwas zu drastisch geraten, im Ganzen entfaltet der Abend aber eine gute Wirkung und dekonstruiert die Helden auf durchaus koestliche Weise. So lernt man, um ein paar Beispiele zu geben, Menelaos als langweiligen Schlappschwanz, Paris als posierenden Potenzprotz und Achilleus als aengstliche Tunte kennen. Die eingespielten Videos liefern dazu satirische, zeitgenoessische Kommentare.

Die wesentlichen Schwachpunkte des Abend sind die Kollektive. Orchester und Chor der Stadt Athen vermoegen der Musik nur bedingt Esprit und Details einzuhauchen. Der von Stavros Beris einstudierte Chor ist ferner zu klein, um sich jederzeit ausreichend Gehoer zu verschaffen. Fotis Michalakis am Pult des Orchesters setzt kaum Akzente und ist vor allem darauf bedacht, den Laden zusammenzuhalten. Das Klangbild bleibt so leider allzu eindimensional. Bei den Saengern sieht die Sache besser aus. Despoina Skarlatou hat zwar nicht ganz das stimmliche Format fuer die Rolle der Helena, sie bemueht sich aber sehr um eine differenzierte Gesangsdarbietung. Nikos Stefanou gibt einen kraftvollen, heldisch anmutenden Paris, der gut mit Stamatis Beris‘ Menelaos kontrastiert. Die beiden Tenoere bewaeltigen ihre Partien gekonnt. Erfreuliche Leistungen zeigen auch Vangelis Maniatis, der dem Agamemnon mit seinem sonoren Bariton Gewicht verleiht, Christos Kechris, der als Achilleus eine treffliche, tenorale Charakterstudie abliefert, sowie Ioanna Kokovika, welche der Hosenrolle des Orestis einen schoen timbrierten Mezzosopran zuteil werden laesst. Ferner stehen Michalis Psyrras als Kalchas, Kostas Rafailidis als Ajax I und Euthykles, Giorgos Matthaiakakis als Ajax II, Maria Mavrommati als Parthenis und Eleni Barkagianni als Leaina auf der Buehne. Dank der turbulenten Inszenierung von Isidoros Sideris fallen die genannten musikalischen Schwaechen der Auffuehrung nicht so sehr ins Gewicht. Offenbach obsiegt allemal.

Am Schluss spendet das Publikum viel Beifall fuer alle Beteiligten.

Ingo Starz

 

STUTTGART/ Staatsoper/ Foyer: 4. LIEDKONZERT „Über Grenzen“

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STUTTGART/ Staatsoper/ Foyer: 4. Liedkonzert „Über Grenzen“ im Foyer der Staatsoper Stuttgart (18.2.2019)

ARIEN VOLLER LEIDENSCHAFT

Vier neue Sängerinnen und Sänger der Staatsoper Stuttgart stellten sich beim 4. Liedkonzert „Über Grenzen“ im Foyer in Zusammenarbeit mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie vor. Olga Busuioc (Sopran) aus Moldawien wurde bei Franz Schuberts „Ständchen“ aus dem „Schwanengesang“ von Alan Hamilton (Klavier) eindringlich begleitet. Der thematische und melodische Reichtum blühte hier auf. Der tschechische Tenor Petr Nekoranec gestaltete dann zusammen mit Olga Busuioc die „Zigeunermelodien“ op. 55 von Antonin Dvorak. Hier erfüllte er vor allem den Liebespsalm „Mein Lied ertönt“ mit geradezu leidenschaftlicher Emphase und weichem Timbre. Auch Olga Busuioc konnte dem Dvorak-Lied  „Als die alte Mutter“ großen Klangfarbenreichtum abgewinnen. Mit harmonischem Zauber und rhythmischem Geschick zeigte sich dabei der temperamentvolle slawische Charakter. Der polnische Bariton Pawel Konik gestaltete Lieder von Mieczyslaw Karlowicz mit feiner gesanglicher Ausdrucksdifferenzierung. Reife Seelentiefe offenbarte sich mit der sensiblen Begleitung von Alan Hamilton bei den einzelnen Liedern „Weine nicht um mich“, „Bevor die ewige Nacht antritt“ oder „In der Abendstille“. Pavel Valuzhin (Tenor) aus Weißrussland begeisterte mit einem riesigen dynamischen Radius bei den gewaltigen Liedern von Sergej Rachmaninow. Hier imponierte  die hervorragend gestaltete sinnliche Reizwelt der Fin-de-siecle-Kultur. Auch die berühmte slawische Melancholie kam bei einzelnen Nummern wie „Nachts im Garten“ oder „Der Traum“ nicht zu kurz. Der Pianist Alan Hamilton unterstrich dabei auch die kunstvollen thematischen Zusammenhänge. Berauschende Klangfülle und dekorative Pracht vereinten sich dabei im Zusammenwirken des Sängers mit dem versierten Pianisten, der auch den leisen Tönen in geheimnisvoller Weise nachlauschte. Zwischen den Akkordmassen wirkte der sinnliche Schmelz des Gesangs keineswegs sentimental oder aufgesetzt. Vielmehr triumphierte das sprühende Temperament. Kaskaden, Arabesken und Girlanden erreichten eine ungeahnte Intensität. Pawel Konik interpretierte dann im zweiten Teil „Auf der Lauer“ von Stanislaw Moniuszko, wo der Mazurken-Charakter immer wieder reizvoll hervorblitzte. Petr Nekoranec sang „Der verlassene Liebste“ und „Der traurige Liebste“ von Bohuslav Martinu, wo sich das böhmische Musikantentum auch mit Neoklassizismus paarte. Petr Nekoranec traf zudem den ungestümen slawischen Impetus ebenso beim Dvorak-Lied „Im Volkston“, während der herausragende Tenor Pavel Valuzhin das anonyme Volkslied „Ach du Seelchen“ aus Russland mit ungeheuren klanglichen Legato-Bögen in höhere Sphären emporhob. Nicht weniger eindrucksvoll präsentierte Olga Busuioc die Weise „Doina“ von Eugen Coca, wo sich Klavier und Singstimme ekstatisch trafen. Pawel Konik und Petr Nekoranec boten dann ausgezeichnet das Duett von Kecal und Jenik aus Bedrich Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ dar: „Nun mein Lieber höre doch“. Heiterkeit und Ausgelassenheit dieser Oper mit ihrem Fugato-Charakter und der tänzerischen Beschwingtheit übertrugen sich dabei voll auf die beiden Sänger. Und das Duett von Jolanthe und Vaudemont aus Peter Tschaikowskis Oper „Jolanthe“ zeigte die beiden ausgezeichneten Sänger Olga Busuioc und Pavel Valuzhin einmal mehr auf der Höhe ihrer Kunst. Die Crescendo-Steigerungen erreichten dabei ein mitreissendes Feuer und eine glühende Intensität. Vor allem das geheimnisvolle Drängen der Harmonik wurde in hervorragender Weise herausgearbeitet.

Jubel und Riesenapplaus. Grenzen wurden hier tatsächlich überwunden. 

Alexander Walther 

WIEN/ Theater an der Wien: „ELIAS“– Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium als Karton- und Schwarz-Weiß-Theater

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Foto: Werner Kmetitsch/Theater an der Wien

WIEN / Theater an der Wien: „ELIAS“ –

Felix Mendelssohn Bartholdys  Oratorium als Karton- und Schwarz-Weiß-Theater  (2. Aufführung der Neuinszenierung)

18.2. 2019 – Karl Masek)

Calixto Bieito hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten sein Image als Skandal-Regisseur redlich erarbeitet und mit gewalttätiger Zuspitzung bzw. einem bewusst sexualisierten Inszenierungszugang durchaus absichtsvoll vorangetrieben. Liest man aktuelle Interviews mit dem Katalanen, bekommt man mittlerweile das Gefühl, dieses Klischee werde ihm langsam lästig.

In letzter Zeit nähert sich der Absolvent einer Jesuitenschule mehr und mehr sakralen Werken, Oratorien. Diese seien nach seiner Meinung näher am Puls der Zeit als etwa Opern des 18. Jhts. Religiöse Rituale zu erkunden, sei spannend, gerade auch für einen bekennenden Atheisten und Ablehner kirchlicher Institutionen. Zusätzlich sei der Tiefenblick in die „Komponistenseele“ Mendelssohn Bartholdys lohnend, der Konflikt zwischen der jüdischen Herkunft und der christlichen Sozialisation – übrigens ganz ähnlich wie später bei Gustav Mahler …

Wieder einmal: Über die Ideen des Regisseurs zum Werk, seine Inszenierungsphilosophie, seine gescheiten und plausiblen Gedanken zur Verbindung eines  Oratoriums des 19. Jhts mit der Gegenwart erfährt man bei der Lektüre des Programmhefts ungleich mehr als man dann auf der Bühne sieht. Erstaunlich, wie wenig Bildmächtigkeit diese Szene ausstrahlt, enttäuschend wie sich fast alles auf ein Schwarz-Weiß-Theater reduziert. Ja, man hat schon verstanden: Schwarz-Weiß-Botschaften heutiger Führungsfiguren in Politik und Religion finden in den Bühnenbildern ihren Niederschlag.

Verblüffend, zugleich beklagenswert allerdings, wie wenig Kreativität viele heutige Bühnengestalter (gerade auch angeblich Prominente an so genannten „Großen Häusern“!) entwickeln. So wie diesmal Rebecca Ringst (Bühne). Da beherrscht ein Gewirr aus Gittergestängen die Bühne, die obsessiv-einfallslos von der Senkrechten in die Waagrechte (und zurück) fahren. Geradezu armselig die ewig gleiche Videoprojektion des Raben – gefühlt eine gute halbe Stunde in Permanenz fürs Finale (Video: Sarah Derendinger). Bei Mendelssohn ist z.B. im Chor Nr. 34 die Rede von Stürmen, Erdbeben und Feuer. Nichts davon findet auch bildliche Entsprechung. Seltsam hilflos Bieitos Personenführung der Massen, wenn  beim Regenwunder entfesselte Begeisterung ausbrechen sollte. Da beschränkt sich das Vokabular auf in die Luft geworfene Kleidungsstücke. Und wenn der Chor in kollektives Händeringen und Fäusteballen ausbricht: Ach, du meine Güte, das ist doch Theater aus der Mottenkiste! Aus ungezählten Produktionen wissen wir, wie spielfreudig, darstellerisch kompetent und auf der Höhe der Zeit  der Arnold Schoenberg Chor wäre! (Zur musikalischen Würdigung komme ich noch)

„Obadjah“ zieht mit höchster Anstrengung ein kirchenartiges Gebilde (entfernt an Romanik erinnernd) auf die Bühne. Maximilian Schmitt lässt dann auch einen Abend lang mit angestrengter Stimme Überdruck spüren. Sein schön timbrierter Tenor kommt an diesem Abend nur wenig zur Geltung. Das Volk Israel demoliert dieses Gebilde. Es ist aus Karton, der geräuschvoll (natürlich in die Musik hinein!) in seine Bestandteile zerrissen wird. Man wird unwillkürlich erinnert an einen in die Jahre gekommenen österreichischen Freistilringer, der als eine Art Weltmeister im Telefonbuchzerreißen eine zweifelhafte Alterskarriere gemacht hat. Die Bühne bleibt für den Rest des Abends mit den Karton-Bestandteilen zugemüllt. Manches wird von den Religions-Fanatikern als „Handwaffe“ benützt. Andere wiederum schnetzeln die Trümmer „auf ganz klein“…

Und die Kostüme (Ingo Krügler)?  Sehr heutig, natürlich! Eine „Stagione Schneiderei“ mit dem kuriosen Namen  Der fesche Ferdl  hat laut Programmheft die Kostüme hergestellt. Da stellt sich eher der Eindruck ein, der „Fesche Ferdl“ konnte für das Theater an der Wien sämtliche Ladenhüter der letzten zwanzig, dreißig Jahre loswerden…

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Foto: Werner Kmetitsch/Theater an der Wien

Dieses Karton- und Schwarz-Weiß-Theater verlockt mit Fortdauer des Abends zu einem „Ohren auf – Augen zu“. Aktivposten der immer wieder phänomenale Arnold Schoenberg Chor. Er beglaubigt im Kollektiv alttestamentarisches Pathos und die Manipulierbarkeit der Masse, aber auch die Hilfeschreie der hungernden und dürstenden Menge mit machtvollem Gesang und verstörenden Steigerungen. In der Herausschälung der einzelnen Charaktere zeigt sich natürlich die Stärke des Psychologen Bieito. Auch dies setzt der Edelchor schlussendlich exemplarisch um. Großer Jubel für eine grandiose Abendleistung und eine perfekte musikalische Einstudierung (Erwin Ortner und Roger Dìaz Cajamarca).

Auf der musikalischen Haben-Seite des Abends natürlich Christian Gerhaher . Sein „Elias“ hat zwar rein äußerlich so gar nichts „Prophetisches“. Aber er ist in jeder Faser der Charismatiker, der Massen mitreißen kann – und behaftet mit Glaubensfanatismus, Fehlern, Ängsten, Selbst- und Glaubenszweifeln, Depressionen mit dem Gefühl, ein Versager zu sein und unnütz gelebt zu haben (Berührend seine große Arie „Es ist genug“). Er besticht durch perfekte Wortbehandlung und dementsprechende Deutlichkeit. Auch wenn ich bestimmte Manierismen seines Gesanges (Leises bis fast zur Unhörbarkeit, dramatische Steigerungen ansatzlos und mir immer wieder zu „stoßweise“) nicht uneingeschränkt teile (aber das ist Geschmackssache!), gebe ich zu: Eine Rolleninterpretation, die derzeit kaum Konkurrenz haben dürfte. So wie sein machtvoller Bariton. Jubel für ihn.

Maria Bengtsson (die Witwe),  Kai Rüütel (Der Engel), Ann-Beth Solvang (Die Königin), Michael J. Scott (Ahab): Sie alle sind in den Ensembles und Arien (z.B. „Höre, Israel“!) von einnehmender Qualität. Carolina Lippo muss einen Abend lang als „Seraph“ die „Irre vom Dienst“ spielen, was auf die Dauer ziemlich nervig wird. Erst spät kann sie sich auch stimmlich profilieren.

Musikalisches Fundament ist einmal mehr das ORF Radio-Symphonieorchester. Es entwickelt immer mehr ein individuelles Timbre, überzeugt mit kompakter Tongebung, beste Anpassung an die akustischen Gegebenheiten des relativ intimen Theater an der Wien. Der finnische Dirigent Jukka-Pekka Saraste ist der gefeierte Debütant im Haus am Naschmarkt. Er macht Mendelssohns Stil zwischen Bach und, ja, Richard Wagner, deutlich. Vieles klingt „protestantisch“ durchpulst. Besser kann man Mendelssohn kaum spielen. Das „musikalische Fundament“ wurde vom Publikum dieser 2. Vorstellung gebührend akklamiert.

Ob diese szenische Fassung nötig war?  Nächste Werkbegegnung vielleicht doch wieder konzertant.

Karl Masek

 

WIEN/ Staatsoper: LUCIA DI LAMMERMOOR

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Olga Peretyatko und Chor. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Lucia di Lammermoor

Wr. Staatsoper, 18.2.2019

 

Die Neuinszenierung von Laurent Pelly ist unter Opernfreunden – gelinde gesagt – umstritten. Ich möchte einige Details, die mir aufgefallen sind, näher beschreiben.

  • Das Bühnenbild erinnert an eine Mischung der Produktionen von Eugen Onegin (auch hier schneit es), der Regimentstochter (wie dort auch ein kleiner Hügel, über den der Chor rauf und runter schreitet) und das stilisierte Schloss (?) im Hintergrund erinnert ein wenig an die Decker-Inszenierung der Pierrot-Szene aus der Toten Stadt
  • Wenn man die Regimentstochter gesehen hat sieht man Ähnlichkeiten bei der Personenführung des Chors (was dort funktioniert hat, aber die Darstellung der Hochzeitsgesellschaft ist leider misslungen)
  • Die Kulissen sind SEHR sängerunfreundlich
  • Wenn Edgardo im 1.Akt zum Abschied der Lucia einen Ring gibt – ja, das macht Sinn. Ein wenig seltsam ist es, dass sie dann in ihrem Wintermantel kramt und auch einen Ring für Edgardo herbeizaubert…
  • Die in schwarz gehaltene Hochzeitsgesellschaft geht ja überhaupt nicht – es wird davon gesungen, dass durch die Hochzeit der Clan der Ashtons mächtiger wird und sich alle darüber freuen. Das Ganze im Trauerflor?!??

Auf der anderen Seite hat Pelly intensiv mit der Darstellerin der Lucia gearbeitet – die Zeichnung der Heroine als Mädchen, das psychisch gestört ist, ist nicht gegen das Libretto. Lucia zeigt schon durch ihre Körpersprache von Anfang an, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Insofern kann man die Aussage Pellys nachvollziehen, dass Edgardo sie nur aus politischem Denken aus zur Frau nimmt. Es gibt auch in der gemeinsamen Szene kaum Körperkontakt. Ebenso glaubwürdig unter diesen Umständen ist, dass die Figur der Alisa als Gouvernante gezeigt wird, die sich intensiv um Lucia kümmert.

Zum Musikalischen – Olga Peretyatko hat es naturgemäß in Wien schwer – man ist einfach durch die vielen Auftritte von Edita Gruberova vorbelastet. Wie oben besprochen war ihre Darstellung außergewöhnlich gut – Oper ist ja Musiktheater und den zweiten Teil des Wortes erfüllte sie tadellos. Pelly zwang sie zu einer speziellen Körperhaltung, die die psychischen Störungen widerspiegeln sollte. Ein englischer Ausdruck fällt dazu ein – „She sees the world from a different angle“.    Leider merkte man, dass sie sich bei den Koloraturen plagte, von Leichtigkeit war nichts zu spüren. Und schon zum wiederholten Mal in dieser Serie misslang ihr der hohe Schlusston, was einen Schatten über ihre Leistung noch zusätzlich legte. Nichtsdestotrotz war der Publikumszuspruch besser – vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass es keine „Bravo“-Rufe gab, die andere Besucher dazu verführten mit „Buhs“ zu antworten.

Leonardo Navarro als Normanno und Virgine Verrez (Alisa) erfüllten ihre Parts zufriedenstellend. Das kann man leider von Lukhanyo Moyake nicht berichten. Sein Arturo klang gepresst und geknödelt. Für den Gesamteindruck der Aufführung wäre es von Vorteil gewesen, wenn Lucia ihn nicht erst zwischen dem zweiten und dritten Akt hingemetzelt hätte…

Über die anderen drei Interpreten gibt es viel Positives zu berichten. Jongmin Park hat sich in den letzten Jahren mit Recht zu einem Publikumsliebling entwickelt. Er hat eine profunde Tiefe und war ein idealer Darsteller des Raimondo.

Sehr angetan war ich an diesem Abend auch von George Petean, der nicht nur das Volumen und ein sehr angenehmes Timbre hat, sondern auch bombensichere Höhen vernehmen ließ. Seine Darstellung ließ keine Wünsche offen.

Den größten Applaus heimste Juan Diego Flórez als Edgardo ein. Seine Stimme ist noch immer nicht die größte, er klingt, obwohl er stimmlich etwas an Breite gewonnen hat, noch immer etwas „weiß“. Das macht er mit einer stupenden Technik und viel Gefühl in seinem Vortrag wett. Im Vergleich zu den ersten Aufführungen war er an diesem Abend noch einen Deut besser (und wieder ein Fun Fact – der Bart, den er noch letzte Woche getragen hat, ist nun wieder ab).

Evelino Pidó war ein stets aufmerksamer Dirigent, der das Orchester umsichtig leitete – und auch bei gewissen heiklen Stellen zum Wohle der Sänger die Lautstärke variierte. Der Staatsopernchor war von Martin Schebesta perfekt einstudiert.

Fazit – eine sehr gute Vorstellung, allerdings wäre es besser gewesen, hätte sich als Vorbereitung der Rezensent nicht die Gesamteinspielungen mit Callas, Gruberova und Sutherland angehört.

Kurt Vlach

WIEN/ Theater an der Wien: ELIAS von Felix Mendelssohn Bartholdy. Szenische Aufführung

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Foto: Theater an der Wien/ Kmetitsch

TadW: Felix Mendelssohn Bartholdy: ELIAS – 18.2. 2019

„Elias“, op. 70 (MWV A25), ist ein Oratorium über die Geschichte des biblischen Propheten Elia, der während der Regierungszeit der Könige Ahab (870-851 v. Chr.) und Ahasja (851-850 v.Chr.) im Nordreich von Israel wirkte. Sein Name bedeutet „(Mein) Gott ist JH(WH)“ und kombiniert als Bekenntnisname“ die Gottesbezeichnung El mit dem TetragrammJHWH (Jahwe), wodurch  die Hoffnung zum Ausdruck gebracht wird, dass „JHWH sich als persönlicher Schutzgott der so benannten Person erweisen möge“ (zitiert nach: Susanne Otto, in: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/17304/). Mendelssohn schöpfte für sein Oratorium in zwei Teilen im Wesentlichen aus den in 1Kg 17-19 sowie 2Kg 2 enthaltenen Elia-Erzählungen. Susanne Otto sieht im historischen  Elia einen mit mantischen und magischen Fähigkeiten ausgestatteten Regenmacher, der Regen herbeilocken, diesen aber auch durch Zauberei verhindern konnte (aaO). Im Alten Testament treten Propheten immer dann auf, wenn das Volk Israel vom Jahweglauben abfällt und andere Gottheiten wie Baal und Aschera anbetet. Solche Propheten sind keine Wahrsager, vielmehr warnen sie die Herrschenden und das Volk Israel vor der Strafe Jahwes, wenn diese ihren Glauben und den bereits unter Moses mit Jahwe geschlossenen Bund verraten. Während sich im ersten Teil des Oratoriums noch ein kämpferischer Elias gegen den Polytheismus der phönizischen Königin Isebel, der Tochter König Ittobaals und Gattin König Ahabs, wendet, wobei der dramaturgische Höhepunkt der Komposition im sogenannten „Regenwunder“ erfolgt, hat Elias im zweiten Teil bereits resigniert und ist seines Lebens überdrüssig geworden. Am Tiefpunkt erlebt er sodann eine Theophanie (Gotteserscheinung) und fährt in einem feurigen Wagen mit feurigen Rossen im Sturmwind gen Himmel (2 Kg 2,11). Ein idealer Abschluss für ein Oratorium. Mendelssohn ließ sich jedoch bereden, als „Anhang“ noch einen prophetischen Hinweis auf einen kommenden Messias (nicht zwingend auf Christus) zu komponieren, um eine Verbindung mit dem Neuen Testament zu erreichen. Das Werk wurde schließlich am 26.8.1846 im Rahmen des „Birmingham Triennial Music Festival“ in Bermingham in englischer Sprache uraufgeführt. Der englische Königshof feierte den Komponisten überschwänglich als den „Elias der Neuen Kunst“. Mendelssohn selbst hat jedoch eine Aufführung seines Oratoriums auf Deutsch nicht mehr erleben können.-

Vom spanischen Opern- und Schauspielregisseur Calixto Bieito konnte man in Österreich bislang nur seine Inszenierung von Shakespeares „Macbeth“ bei den Salzburger Festspielen 2001 sehen. Nun präsentiertesich der vor allem in Deutschland aktive Regisseur erstmals an einem Wiener Opernhaus. Und nach seiner Inszenierung von Monteverdis „Marienvesper“ am Nationaltheater Mannheim im Dezember 2018 ist es seine zweite Inszenierung eines Oratoriums. Das an der Dürrekatastrophe leidende Volk Israel lässt er zunächst um das papierene Modell einer Kirche, die dem Regisseur wohl als seine eigene poetische Klammer zum Neuen Testament dient, taumelnd im Kreis gegen den Uhrzeigersinn schreiten. Dieser Regieeinfall hat mich an Marco Arturo Marellis Inszenierung von Schönbergs „Die Jakobsleiter“ an der Wiener Staatsoper im November 2001 erinnert, nur dass sich das Volk damalsim Uhrzeigersinn Koffer schleppend über ab- und ansteigende Ebenen bewegte. Reminiszenzen hatte ich aber auch an Michael Heinickes Inszenierung von Kurt Weills jüdischem Oratorium „Der Weg der Verheißung“ an der Oper Chemnitz 1999. Bei Bieito schreibt Elias dann den unvokalisierten Eigennamen des Gottes Israels im Tanach, den normativen jüdischen Bibeltexten,mit den hebräischen Konsonanten JHWH von rechts nach links gelesen auf das Dach eines Kirchenmodells aus Karton, wobei ihm der erste Konsonant, das Jod, der kleinste Buchstabe im hebräischen Alphabet, nicht so recht gelingen wollte. Das aufgebrachte Volk zertrümmert dann stilvoll dieses Modell aus Pappe als Symbol des Abfalls vom Gauben an Jahwe. Alle handelnden Personen und der Chor dieses Oratoriums traten in von Ingo Krügler entworfenen Alltagskleidern auf. Rebecca Ringst stattete die Bühne mit abstrakten Gitterkonstruktionen aus, die sich immer wieder bedrohlich hoben und senkten. Während des „Regenwunders“ durfte es dann auch schon gehörig vom Schnürboden regnen und der gerade vom Tod durch ein  Gebet Elias wieder zum Leben erweckte Knabe tollte ausgelassen im Regen umher und bespritzte die im wahrsten Sinne des Wortes „Wartende“ von Anna Marshania. Am Ende des Oratoriums lugte zumindest einer der Raben (Video: Sarah Derendinger), die auf Jahwes Geheiß Elias am Bache Kerit mit Speisen versorgte (1 Kg 17,4), neugierig in die Szene. Elias fährt natürlich nicht mit einem Feuerwagen gen Himmel, vielmehr überschüttet ihn Obadjah, der gottesfürchtige Haushofmeister König Ahabs, mit Benzin und drückt dem lebensmüden Elias ein Feuerzeug in der Hand. Freilich wäre esbühnentechnisch leicht gewesen, sogenanntes „kaltes Feuer“ zum Einsatz zu bringen und so Elias als brennende Fackel, ähnlich wie die böse Haushälterin Mrs.Danvers im Musical Rebecca 2006 in Wien, vorzuführen. Auf so einen szenischen Reißer verzichtete Bieito aber und ließ den Prophet, im Wissen seiner bevorstehenden Entrückung, für dieses Mal noch sein Feuerzeug zuklappen…


Foto: Werner Kmetitsch

Der deutsche Bariton Christian Gerhaher, der in München auch eine  Professur für Gesang und Oratorium an der Hochschule für Musik und Theater in München bekleidet, war ein gesanglich wie darstellerisch überzeugender Gottesmann, glaubwürdig in seiner Verzweiflung über das gottlose Volk Israel, aber auch in seinem spöttischen Triumpf über die Baals Propheten, deren Kehlen auf der Bühne andeutungsweise aufgeschlitzt  werden. Neben dem handlungstragenden und bühnenbeherrschenden Elias von Gerhaher wirkten die übrigen Solisten eher wie Nebenpersonen und hatten auch wenig zu singen. Die Norwegerin Ann-Beth Solvang unterlegte die hysterischen Wutausbrüche der bösen Königin Isebel, der Gattin Ahabs, mit ihrem ausdrucksstarken Mezzosopran, während ihre nordische Kollegin, die Schwedin Maria Bengtsson, ihren gefälligen, etwas herben Sopran zur Charakterisierung der Witwe, die den Propheten verzweifelt anfleht, ihren verstorbenen Sohn zu erwecken, zum einem kurzen Einsatz brachte. Die Estin Kai Rüütel verlieh der Figur des schon rein äußerlich an seinem Flügelpaar erkennbaren Engel ihren wahrlich „engelsgleichen“ warm-timbrierten Mezzosopran. Die Italienerin Carolina Lippo geisterte als scheinbar wahnsinniger Seraph (Engel) mit einem bowler hat (Melone) auf dem Kopf über die Bühne und durfte erst am Ende des Oratoriums ihren lyrischen Sopran zum Einsatz bringen. Der ehemalige Regensburger Domspatz Maximilian Schmitt hatte seinen nicht immer höhensicheren Tenor als  Haushofmeister Obadjah nicht immer im Griff. Der US-amerikanische Tenor Michael J. Scott sang den Ahab mit lyrischemTenor, hatte aber beim  deutschen Text fallweise kleinere Ausspracheschwierigkeiten. Der österreichische Bassist Florian Köfler als der Verlorene, die georgische Mezzosopranistin Anna Marshania als Wartende, Antonio Gonzales als Suchender und Marcell Krokavay als Bittender, Letztere beide Mitglieder des Arnold Schoenberg Chores ergänzten stimmlich wie darstellerisch rollengerecht. Erwin Ortner hatden Arnold Schoenberg Chor in seiner vielseitigenspielerischen wiegesanglichen Ausdrucksfähigkeit wieder einmal mehr mit Verve einstudiert. Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien wurdevom finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste umsichtig geleitet, der in seiner Interpretation auch die  große musikalische Nähe von Mendelssohn zu den Passionen von Johann Sebastian Bach herausstrich. Der pausenlose Abend dauerte zwei Stunden und wurde vom Publikum durch starken Beifall für alle Beteiligten zu Recht gewürdigt.  

                                                                               Harald Lacina


LONDON / WIEN ROH im Kino: DON QUIXOTE

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LONDON / WIEN
ROH Covent Garden im Kino / UCI Kinowelt
Millennium City
DON QUIXOTE von Ludwig Minkus
19.
Februar 2019

Mit der Übertragung in 1139 Kinos in 26 Länder kann das Royal Opera House Covent Garden in London vielleicht nicht ganz mit der „Met im Kino“ mithalten, findet aber auch weltweit ihr Publikum. Vor allem, wenn es um Ballett geht (das ja in der Met gar keine Rolle spielt). Mehr als die Hälfte der Übertragungen des ROH pro Saison gelten Balletten, was auf den überragenden Ruf von „The Royal Ballet“ zurückzuführen ist.

Vor allem in den farbigen Handlungsballetten genießen die Londoner höchstrangige Reputation, und sie versuchen, diese auch zu halten – auch wenn man die Klassiker von Frederick Ashton und Kenneth MacMillan hegt und pflegt und immer wieder hervorholt, so wird auch Neues im „alten“ Stil gemacht. Was ein Publikum mit konventionellem Geschmack (und das findet sich ja nicht nur in London) begeistern muss. Das gilt mit Sicherheit für den „Don Quixote“ von Ludwig Minkus.

 
Foto: ROH

Der aus Kuba stammende Carlos Acosta (derzeit in dem biographischen Film „Yuli“ in den Kinos) hat an der Royal Opera als Tänzer große Karriere gemacht, ist aber auf vielen Ebenen als Choreograph tätig. Seine Fassung von „Don Quixote“ beruht auf dem Original von Marius Petipa, auf das sich ja auch Rudolf Nurejew bei seiner Wiener Premiere 1966 bezogen hat (und wie oft haben wir ihn als Basil gesehen, bewundert und vergöttert!)

Das Rahmenprogramm der Übertragung aus London (keine sonderlich begabten Moderatoren diesmal…) zeigte nicht nur seine Arbeit, sondern auch die Mühe, die sich etwa Ausstatter Tim Hatley mit der Szenerie oder Dirigent Martin Yates mit der Musik von Ludwig Minkus genommen haben. (Diesen hält man immer für einen Russen, tatsächlich war er ein Wiener, der die meiste Zeit seines Lebens in Russland gearbeitet und zahlreiche Ballette geschaffen hat, von denen „La Bayadere“ und eben „Don Quixote“ unsterblich wurden.)

Tatsächlich ist es das Ausreizen des spanischen Milieus berauschend, teils in der Optik (wogende bunte Volants der Röcke geben halt schon in der Bewegung so viel mehr her als Tütüs), teils in der Choreographie – das Akzentuierte des Tanzes, die winzigen Rubati in den Bewegungen, das stolze Schwingen von Hals, Schultern, Hüften… alles an diesem Abend sprüht vor Temperament und Kraft, die Musik, die Tänzer, der Gesamteindruck.

Der Japanerin Akane Takada passt das Gewand der Kitri wie angegossen, nicht zuletzt, weil ihre Bewegungen durch ihren extrem knochigen Körperbau wie „eckig“ wirken und damit perfekt den Stil treffen, der mit leiser Ironie durchwirkt ist. In ihren „weißen Szenen“ (die es natürlich auch hier, wie in jedem klassischen Ballett, geben muss) mögen andere sie an Eleganz übertreffen, aber der Gesamteindruck ist – auch durch die absolute Brillanz ihres Spitzentanzes – bestrickend.

Da kam ihr Partner, der Australier Alexander Campbell, in der (Nurejew-)Rolle des Basil nicht ganz mit. Man wird ihm erstrangiges Können nicht absprechen, aber zur Begeisterung reißt er nicht hin. Andere Herren taten sich da mit kraftvollen oder komischen Charakterstudien leichter, vor allem Valentino Zucchetti zog als rassiger Zigeuner Espada alle Blicke auf sich. Witzig war Thomas Whitehead als Kitris abgewiesener, dumm-tapsiger Liebhaber, und selbstverständlich sorgte auch der Sancho Panza des Philip Mosley für manchen Schmunzler.

Etwas Lyrik und Besinnlichkeit kommt in den vordringlich stürmischen Abend, der Solisten- und Corps-Virtuosität nur so durchpeitscht, von der Titelgestalt des Ritters Don Quixote. Obwohl Christopher Saunders nicht so alt und hager ist, wie man sich den Ritter von der traurigen Gestalt vorstellt, hat er eine ungemein liebenswerte Ausstrahlung. Wenn er auf seinem Strohpferd einreitet, weiß man, warum der Abend nach ihm – einer Nebenfigur ja nur – heißt…

Wer altmodisches Ballett mag, für den war es ein herrlicher Abend.

Renate Wagner

Film: HARD POWER

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Filmstart: 1. März 2019
HARD POWER
USA / 2019
Regie: Hans Petter Moland
Mit: Liam Neeson, Tom Bateman, Nicholas Holmes u.a.

Wahrscheinlich würde man einem Film wie diesem keine besondere Aufmerksamkeit zuwenden, hätte er nicht die allerschlimmste Publicity erhalten. Liam Neeson, in den letzten Jahren fast ausschließlich zum Action-Helden „herabgekommen“, spielt hier einen Vater, dessen Sohn im Auftrag eines Drogenbosses kaltblütig umgebracht wurde. Und er setzt nun („ein Mann sieht Rot“ ist ja allgemein verständliche Regung, wenn es um die nächsten und liebsten Menschen geht) zu einem brutalen Rachefeldzug an. Um dergleichen bei den Promotions-Gesprächen zu dem Film einsichtig zu machen, erinnerte sich Neeson, dass er selbst in seiner Jugend einmal Lust hatte, die Vergewaltigung einer Freundin zu rächen. Und er wollte das, da der Vergewaltiger ein Afroamerikaner war, an einem „schwarzen Bastard“ tun. Wenn es je einen Shitstorm gab…

Der Film hat kein Rassenproblem, Indianer sind so gut oder schlecht wie alle, nur eines mit bösen Menschen. Man erinnert sich übrigens an die norwegische Vorlage, „Einer nach dem anderen“ aus dem Jahr 2014, die man damals schon nicht übersehen konnte, weil Bruno Ganz darin einen alten Gangster spielte. Hans Petter Moland inszenierte damals mit Stellan Skarsgard in der Rolle des rächenden Vaters, und weil Hollywood dieses brutale Drama offenbar so gefiel, hat man den Norweger gleich für sein eigenes Remake engagiert. Nun ist „Hard Powder“ angesagt.

Schnee, hoher Schnee, riesig hoher Schnee ist ein dramaturgisches Element dieser Geschichte, die in dem Ort Kehoe in den Rocky Mountains spielt, und Nels Coxman, von Liam Neeson anfangs (und auch später) ruhig und undurchdringlich gespielt, ist Schneepflugfahrer. Das sind Riesendinger, mit denen man allerhand anstellen kann, wenn man denn will (und er will). Denn sobald Nels (der auch mit den Depressionen seiner von Laura Dern gespielten Frau zu kämpfen hat) an der Leiche seines Sohnes steht, der angeblich an einer Überdosis gestorben ist, obwohl er weiß, dass sein Sohn kein Rauschgift genommen hat… Er hat sich nur mit den falschen Leuten eingelassen. Da muss Nels (wie er meint), die Gerechtigkeit in seine eigene Hand nehmen. Niemand wird es angesichts der Macht, die der Drogenboß mit dem Spitznamen Viking (Tom Bateman) verkörpert, nämlich sonst tun…

Systematisch nimmt sich Nels (schaurig einfallsreich in den Methoden jedenfalls, gelegentlich an den tiefschwarzen Humor des norwegischen Originals erinnernd) einen nach dem anderen von der Bande vor, und zuerst verdächtigt ihn niemand. Da denkt man eher, die Indianer (die ihren eigenen Rauschgift-Vertrieb haben) könnten dahinter stecken: White Bull (Tom Jackson) war schon immer ein unguter Rivale von Viking. Ein bisschen mischt die Polizei mit, auch Nels’ Bruder (William Forsyth) spielt mit, aber sie bleiben am Rande.

Dann wird klar, wer sich hier um sich schlägt – spätestens als Nels den kleinen Sohn Ryan von Viking kidnappt. (Auge um Auge…) Nun ist der Kleine ein nicht nur liebenswerter, sondern auch kluger Junge (nicht nur, weil er klassische Musik liebt), um den einen bang wird. Andererseits hat Neeson natürlich die Ausstrahlung eines Mannes, der dem Kind nichts tun wird, aber was weiß man? Spannender als die Morde ist das, was sich zwischen Mann und Jungen abspielt, einem Kind, das sein Vater, wie Nels diesem ins Gesicht schleudern wird, nicht verdient… Davonlaufen aus Nels Hütte würde übrigens nicht funktionieren, der Junge würde erfrieren. Also baut man eine menschliche Verbindung auf – und der Entführer findet sich dabei, dem Kleinen eine Gute-Nacht-Geschichte vorzulesen… Der kleine Nicholas Holmes als Ryan ist zweifellos ein Star des Films.

In einer Welt, wo zwei Gangs und ein entschlossener Einzelner einander gegenüber stehen, kann es nur zu einem sehr blutigen Finale kommen, wobei der Bagger-Kran von Nels sich wieder ganz gut einsetzen lässt. Regisseur Hans Petter Moland hat in dieser seiner gnadenlosen harten. brutalen US-Fassung der Geschichte zumindest eine menschliche Gegenwelt aufgebaut. Leider scheint am Ende, wenn der echte Papa ins Gras (vielmehr in den Schnee) beißt, das Schicksal des Jungen ungewiß. Der Zuschauer wird verwirrt entlassen… weiß aber, dass ihn in dieser Schlachtplatte nicht zuletzt die Bilder der Schneelandschaft tief beeindruckt haben. Und dass es doch ein bisschen mehr und anders was als nur ein gewöhnlicher Gewalt-Krimi.

Renate Wagner

KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater: SERSE im Rahmen der 42. Händel-Festspiele

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Georg Friedrich Händel: Serse, 42. HÄNDEL-FESTSPIELE 2019, Badisches Staatstheater Karlsruhe

(am 24.2.2019 /4. Vorstellung seit der Premiere am 15.02.2019)

 

Pretty Woman Fashion and the „Frustrated Lovers“

Die Inszenierung von Händels «Serse» von Regisseur Max Emanuel Cencic ist schlichtweg als grandios zu bezeichnen. Cenci hat unter Berücksichtigung barocker Interpretationsgewohnheiten (biblische Symbolik des 18.Jahrhunderts)  hingeschaut und hingehört, welche Geschichte Händel erzählen will.

Alle Figuren des Stücks werden von Lastern getrieben, die die christliche Morallehre zu den Todsünden (Habgier, Trägheit, Wollust, Neid, Eifersucht, Zorn und Hochmut) zählt. Allen voran Serse, der schon alles hat und doch nicht genug bekommen kann. Gleich in seiner ersten Arie, dem berühmten Larghetto „Ombra mai fu“, spricht Serse das Thema der Oper an: das Schicksal. Als Urheber des unabänderlichen Schicksals galten in der Antike die Moiren/Parzen, im christlichen Denken ist es Gott. Das am Schluss der Oper alle wieder da sind, wo sie am Anfang standen, nimmt der Schlusschor auf: „Was Gott vorherbestimmt hat, kann der Mensch nicht ändern“. Xerxes Schicksal ist es König zu sein und nicht lieben zu dürfen (oder zu können) und Arsamenes Schicksal ist es nicht König zu sein, aber lieben zu dürfen. Die Oper zeigt, dass der Mensch, der das ihm zugewiesene Schicksal nicht annimmt, sich lächerlich macht. Im Lachen über sich selbst erfolgt die Katharsis.

Wo sind nun die von den Lastern getriebenen Menschen am besten zu beobachten? In einem Sünden-Babel (sic!). Für den barocken Menschen war dies Babylon, heute ist es Las Vegas. So erzählt Cencic die Geschichte mit Bildern, die der Zuschauer von heute versteht. Damit die innere Reinigung nicht zu grob und damit kontraproduktiv wird, ist die Handlung in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts angelegt.

Das Ideenfeuerwerk, das Cencic nun im Bühnenbild Rifail Ajdarpasic abbrennt, zeigt wie genau gearbeitet wurde.

Bildergebnis für Badisches Staatstheater Karlsruhe SERSE
Foto: Falk von Traubenberg

Das Larghetto gibt Serse, hier Moderator einer Show für Nachwuchstalente, gleich selbst zum Besten und begleitet sich dazu selbst am Flügel. Während der inszenierten Ouvertüre hat Serse schon klargestellt, dass sein Verhältnis zur Haushälterin Amastre mit Liebe nichts zu tun hat. Vom flackernden Licht haben sich die beiden nicht stören lassen. Für die folgenden Bilder hat sich Cencic auf der Dreh-Bühne eine Konstruktion erstellen lassen, die die Villa Serses und andere Schauplätze darstellen kann.

Bildergebnis für Badisches Staatstheater Karlsruhe SERSE
Foto: Falk von Traubenberg

Sei es die Poolparty mit den Häschen, das Shopping der Schwestern Romilda und Atalanta im Pretty Women Fashion-Store (während die Herren sich im „The frustrated Lovers“ stärken) oder die Sitzung in der Zentrale des Plattenkonzerns mit dem Auftritt Heinos: Die Inszenierung bietet vier Stunden hervorragende, bestens ausgearbeitete Unterhaltung. Als Atalanta Serse anruft, klingelt das Handy. Erst beim zweiten Klingeln entdeckt man, dass das Orchester klingelt…

Bildergebnis für Badisches Staatstheater Karlsruhe SERSE
Foto: Falk von Traubenberg

Ein einziges Fest für das Auge (und die Sinne), sind die Kostüme von Sarah Rolke (Mitarbeit Kostüme Wicke Naujoks). Grandios, wie sie das hässliche Entlein Atalanta von ihrer Schwester Romilda absetzt, ohne Atalanta aber auch nur ansatzweise blosszustellen. Die Beleuchtung von Stefan Woinke und die Choreografie von David Laera unterstützen den überragenden Gesamteindruck

Keine Wünsche offen lässt die Gestaltung des Bruderpaares Serse und Arsamene durch die Counter-Tenöre Franco Fagioli und Max Emanuel Cencic. Beide sind in absoluter Höchstform zu erleben! Perfekte Technik und perfekte emotionale Durchdringung der Arien und keine Scheu vor schauspielerischen Aufgaben liessen die Darbietung der beiden Sänger, deren Stimmen perfekt harmonierten, zum wahren Vergnügen werden. Ihnen ebenbürtig die amerikanische Sopranistin Lauren Snouffer als Romilda und die Schottin Katherine Manley als Atalanta. Hervorragend, wie sie die Intrigantin Atalanta mit grosser Liebenswürdigkeit spielen konnte. Ariana Lucas in der Rolle der Haushälterin Amastre hatte schon nach der Ouvertüre alle Sympathien auf ihrer Seite. Pavel Kudinov als Ariodate und Yang Xu als Elviro lieferten ebenfalls hochstehende Rollenportraits ab.

Die Deutschen Händel-Solisten brillierten unter der musikalischen Leitung von George Petrou, den Händel-Festspielchor hatte Marius Zachmann vorbereitet

Ein Traum! Besser ist Händel im Moment wohl kaum zu erleben!

Weitere Aufführungen im Rahmen der 42. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2019:

Dienstag, 26.02.2019, 19:00

Weitere Aufführungen im Rahmen der 43. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2020 (Voverkauf hat begonnen!):

Mit David Hansen, Max Emanuel Cencic, Lauren Snouffer, Katherine Manley, Ariana Lucas u.a.

Freitag, 21.02.2020, 19:00

Sonntag, 23.02.2020, 15:00

Mittwoch, 26.02.2020, 19:00

25.02.2019, Jan Krobot/Zürich

Film: WIE GUT IST DEINE BEZIEHUNG?

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Filmstart: 1. März 2019
WIE GUT IST DEINE BEZIEHUNG?
Deutschland / 2019
Regie: Ralf Westhoff
Mit: Julia Koschitz, Friedrich Mücke, Michael Wittenborn, Michael Maertens u.a.

„Ich will, dass alles so bleibt, wie es ist“, sagt er zu ihr, und man könnte dies das Geheimnis einer guten Beziehung nennen. Aber es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt… und die Mitwelt kann an eine gute Beziehung wie jene von Carola und Steve einfach nicht glauben. Und als sein Freund Bob von seiner Frau verlassen wird, kommen Steve schwere Zweifel, ob seine Freundin wirklich glücklich ist, ob er auch alles richtig macht und was man sich noch so alles einreden kann…

Regisseur Ralf Westhoff hat vordergründig einfach eine Beziehungskomödie gedreht, tatsächlich aber leuchtet er – humorvoll und nachdrücklich zugleich – in die seltsamen Zwänge, die unsere Gesellschaft unbegreiflicherweise akzeptiert. Da engagiert eine funktionierende Firma eine Unternehmensberatung, um sich sagen zu lassen, was nicht stimmt. Keine Frage, dass die etwas finden (dafür werden sie ja bezahlt, sonst haben sie keinen Job) – und wenn sie es konstruieren müssen, auch gut. Da fragt eine verunsicherte Frau eine Verkäuferin, für wie alt sie sie hält – und diese bricht fast hysterisch zusammen, weil sie es für eine Test-Situation durch die Firmenleitung hält, um ihre Angestellten zu überprüfen. Da wird nach „Spiritualität“ gesucht, weil man gelernt hat, dem gesunden Menschenverstand nicht mehr zu trauen.

Die Sprüche überrennen nur so den Menschen und sagen ihm, was er zu tun hat: Raus aus der Komfortzone! Keine Angst vor Veränderung! Nicht kritikresistent sein! Fehler erkennen und daraus lernen! Erlebnisse schaffen! Schwingungen spüren! In einer Welt obsoleter Vorschriften und Ratschläge lässt man sich am Ende in etwas hineinhetzen und verliert den Boden unter den Füßen…

Das wird am Beispiel von Steve (Friedrich Mücke) gezeigt, der seine Carola aufrichtig liebt. Und sie ihn auch. Unaufgeregt. Alltäglich. Verlässlich. Aber seine Unsicherheit führt ihn (und leider auch das Drehbuch) zu den verrücktesten Aktionen – bis zur „Miete“ eines Guru, der seiner Freundin Avancen machen soll, damit er weiß, ob sie vielleicht unzufrieden ist… Der Hintergrund der Geschichte ist klüger als die Lustspiel-Aktion. Aber auch das funktioniert letztendlich.

Erstens dank Julia Koschitz, die als Carola einfach bezaubernd ist. Ihrerseits verunsichert, wenn Steve sich auf einmal so komisch benimmt, so überbemüht, so künstlich, mit Aktionen, die sie weder will noch braucht. Die mühevoll versucht, sich nicht blöd machen zu lassen, den gesunden Menschenverstand zu behalten, bis auch sie in den Strudel heutigen Beziehungsgeschwätzes hineingezogen wird. Das andere schauspielerische Juwel ist Michael Wittenborn als Wellness-Guru Harald: Die meisten Darsteller des Films sind braver, guter Durchschnitt. Wenn dann jemand kommt, der schon von seiner Theaterarbeit her weiß, wie man es wirklich macht, ist der Unterschied unübersehbar. Man braucht natürlich auch eine entsprechende Rolle: Auch Michael Maertens ist ein Theaterstar von Rang, aber in einer Büronebenrolle nähme man ihn nicht wahr, wenn man ihn nicht kennen würde.

Am Ende des Films weiß Steve, der sich in die abstrusesten Aktionen hineinhetzen ließ: Wenn ich gar nichts gemacht hätte, wäre alles gut. Die Amerikaner haben ein schönes Sprichwort: „If it ain’t broke, don’t fix ist“ – zu Deutsch etwa: Wenn es nicht kaputt ist, lass die Finger davon. Auch von Beziehungen. Zu viel Hinterfragen, zu viel Zeitgeist-Müll richtet nur Schaden an…

Renate Wagner

FRANKFURT/ Oper: DALIBOR von Bedrich Smetana. Premiere

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Izabela Matuła (Milada) und Aleš Briscein (Dalibor; kniend). Foto: Monika Rittershaus

Frankfurt: DALIBOR von Bedrich Smetana  24.2. 2019 Premiere

‚Dalibor‘ ist wohl als Hauptoper Bedrich Smetanas vielfach präsent, wird aber äußerst selten gespielt im Gegensatz zu seiner komischen Oper „Die verkaufte Braut“, die Smetana selber als ein Nebenwerk bezeichnete. Das ursprünglich deutsche von Josef Wenzig verfaßte Libretto wird aber nach einer zweiten tschechischen Fassung in deutscher Übersetzung von Kurt Honolka gespielt. Dalibor ist ein Ritter im Spätmittelalter, der brandschatzt und sich nicht einhegen läßt. Nach einem Mord an einem Grafen wird er auf dem Hradschin festgesetzt und zum Tod verurteilt. Es gibt aber eine starke Gegenbewegung, die sich auch auf die Bauern stützt, die die Befreiung des Ritters betreibt, und sich ähnlich wie bei Fidelio eine Frau ins Gefängnis einschleust. Die Flucht mißlingt aber wegen Verrats, die Frau Milada, die den Angriff auf die Festung angeführt hat, stirbt in den Armen ihres Geliebten Dalibor, der selber von der Übermacht der Soldaten getötet wird.

Smetana schreibt ein weitgehend durchkomponiertes, nur von rudimantären Rezitativen unterbrochenes Werk, das mit vielen ineinander verflochtenen Motiven arbeitet, die vielfach aus der tschechischen Volksmusik herkommen. Höhepunkt stellt der As-dur-Gesang Dalibors in der Gerichtsszene dar, bei der er sich herzergreifend verteidigt, er habe seinen lieben Freund Zdenko gerächt, der vom Grafen Prohaska gemeuchelt wurde. Hier klingen auch Wagnersche Aufschwünge an, die sogar an ‚Tristan‘ denken lassen. Ansonsten ist die Tonsprache Smetanas eher hell und klar gehalten, man denkt auch an Berlioz und seine ‚Troyens‘. Das wird vom Orchester trefflich musiziert, und die Harfe ist neben der Sologeige, die Dalibor spielte, das bevorzugte Instrument par excellence. Als Dirigent konnte Stefan Soltesz gewonnen werden, der das Werk ganz glitzernd gestaltet und in allen Teilen dabei auch tiefgründig aufbereitet. vermochte.


Gordon Bintner (Vladislav; links auf dem Stuhl sitzend) und Ensemble. Foto: Monika Rittershaus

In der Inszenierung sieht Florentine Klepper starke Verbindungen zu modernen Phänomenen, so ist die Gerichtsverhandlung als eine Live-TV-Show mit ausgewählten Zuschauern samt Videowänden dargestellt; zu einem Zuschauervotum, was das Urteil angeht, kommt es aber vorerst nicht, da der schwache König, hier als Showmaster in blauschillerndem Anzug, Zeit gewinnen will. Im Anklang an die Hamburger Ausschreitungen beim Weltwirtschaftsgipfel wird dann eine gewaltbereite vermummte Truppe gezeigt, die vor dem Gefängnistor randaliert. Der Aufbewahrungsort für Dalibor ist eigentlich die leere Bühne, wo er aber von einem Scheinwerferwald umgeben ist. Der Kerkermeister Benes sitzt vor einem riesigen Überwachungsapparat, der wie eine Flugzentrale wirkt. Die Wachen sind alle in gelbe Jacken gekleidet. Milada, die Schwester des Grafen, die die Anklage flammend wie eine Ortrud vorgetragen hatte und sich in den Ritter aber ebenso spontan verliebt hat, schlüpft als Wärtergehilfe in eine Art Blaumann über ihrem Satinkleid von der Verhandlung. In großen Farborgasmen (Feuerbrände) endet das Drama (Bb.: Boris Kudlicka, Kost.: Adriane Westerbarkey). Die Chöre erscheinen vornehmlich bei der Gerichtsszene in prononciertem Einsatz (Tilman Michael).

Den Dalibor gibt mit feinem aufblühendem dabei gut grundiertem Tenor bei berückendem Timbre Ales Briscein. Seine Milada ist Izabela Matula mit dunkel getöntem gut sitzendem und ausgreifendem Sopran. König Vladislav stellt Gordon Bintner mit eher hochgetöntem weichem Bariton, der in seiner swingenden Bewegung  in etwa an den Herodes in Jesus Christ Superstar erinnert. Simon Bailey setzt seinen imponierenden Baßbariton als Kanzler Budivoj ein. Den Benes gibt mit weichem voluminösen dabei  aber stark konturiertem Baß Thomas Faulkner. Das Paar Vitek & Jitka bei den Aufständischen wird fein dezidiert und mit Nachdruck tenoral von Theo Lebow und als Sopran von Angela Vallone gesungen.                                                

 Friedeon Rosén

 

Film: WIE ICH LERNTE, BEI MIR SELBST KIND ZU SEIN

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Filmstart: 1. März 2019
WIE ICH LERNTE, BEI MIR SELBST KIND ZU SEIN
Österreich / 2018
Regie: Rupert Henning
Mit: Valentin Hagg, Karl Markovics, André Wilms u.a,

André Heller, der Mann mit den undefinierbar vielen Talenten und Berufen, lässt uns immer wieder an seinem äußeren und inneren Leben teilnehmen, wenn auch die Biographie in seiner Erzählung „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ nur partiell stimmt. Aber das ist dichterische Freiheit, sich unter diesem gewundenen Titel genau so darzustellen, wie er es bzw. sich gerne sieht. Ein „Entwicklungsroman“, der sich abseits der üblichen Pfade bewegt.

Uli Brée und Rupert Henning, die früher so viel zusammen gearbeitet haben, machten aus dem Roman ein Drehbuch, engagierten eine Menge erstklassiger österreichischer und einige internationale Schauspieler – und los ging’s. Rupert Henning drehte als Regisseur den Film, und als einen der Schauplätze wähle man immerhin die Hermesvilla. Immerhin.

Einen kleinen Palast wie diesen, den Franz Joseph einst für seine Sisi bauen ließ, bewohnt für diesen Film Monsieur Roman Silberstein. Auch wenn sein etwa zwölfjähriger Sohn Paul die Hauptperson ist, um den wüsten Vater (von dem man nicht weiß, wieso er so reich ist) dreht sich manches – und Karl Markovics zeigt sich in der Rolle zu Exzessen bereit, die jede Glaubwürdigkeit vertreiben. Das ist ein Teufel aus dem Bilderbuch.

Man lernt ihn in ausgesprochener unsympathischer Manier kennen, als er am Attersee rudert und nach seinem Sohn, der ins Wasser fällt, noch mit dem Ruder schlägt – dass der Kleine nicht schwimmen kann, stört ihn nicht. Dass der nun opiumsüchtige Roman Silberstein Jude einmal war, lebt er nur in einem Keller nach, wo er (wir sind im Wien der fünfziger Jahre) ein ehemaliges Nazi-Paar auspeitscht (Petra Morzé und Christoph Krutzler müssen das geschehen lassen). Im übrigen ist er Ritter der französischen Ehrenlegion, Uniform inklusive, gar nicht erstaunt, wenn General de Gaulle am Apparat ist. Und selbstverständlich schiebt er seinen jüngeren Sohn zu den Jesuiten. Die Gattin (kühl und ätherisch: Sabine Timoteo) behandelt er verächtlich, den älteren Sohn (Nikolaas von Schrader) nimmt er kaum wahr, und er stirbt beim Betrachten alter schwarzweißer Porno-Filme mit Hilfe eines alten Projektor…

Erst als bei seinem Begräbnis drei Brüder aus allen Teilen der Welt auftauchen, wird Söhnchen Paul klar, dass er Jude ist. In Gestalt von André Wilms, der ihm vom Holocaust erzählt, und von Udo Samel sowie Marianne Nentwich als alter  Tante, die in Fotos und Erinnerungen wühlt, ziehen die schönen alten Juden-Verwandten vorbei.

Wenn man – entschuldigen schon – bisher keinen Grund sah, sich mit dem Privatleben von André Heller zu befassen, dann nimmt man die Geschichte von Paul (egal, wie autobiographisch) so, wie sie ist. Der Jungspund muss, es ist Vaters entschlossener Wille, zu den Jesuiten, die natürlich nicht sehr gemütlich sind, denen er aber gewaltigen Widerstand entgegen setzt (inklusive einem Fetzen mit Kotze, den er einem der würdigen Herren ins Gesicht schmeißt). Im Krankenbett erotisiert er eine Nonne (Gerti Drassl), die ihm ihre Haare zeigt, und wieder zu Hause pflegt er die Romanze mit einem gelähmten Mädchen. Ein Tagebuch, in das er seine „Sünden“ einschreiben sollte, wird ihm mit farbloser Tinte (nämlich Wasser) zum Kompendium seiner Phantasien – und ja, gegen Ende des allzu langen Streifens verwandelt er sich dann in den entfesselten Clown, der schon immer in ihm wohnte und der von keinem katholischen Fundamentalismus zu unterdrücken war. Die Kindheit hat er gewissermaßen in die Tasche gesteckt – eine gute Methode, sich als Erwachsener alles leisten zu können…  

Valentin Hagg spielt diesen Paul Silberstein, obstinat und schwierig, aber glaubhaft in seinen geistigen Höhenflügen und krausen Gedankenkonstrukten. Am Ende galoppiert ein weißes Pferd durchs Bild (gerade, dass ihm das Einhorn fehlt). Für den Regisseur war es wohl ein Synonym für Poesie. Andere Leute nennen einen Buben wie Paul einen „Spinner“. Aber wenn es ihm – wie man weiß – gelingt, seine Phantasien so glänzend zu vermarkten… dann wird man ein André Heller.

Renate Wagner

Film: EIN KÖNIGLICHER TAUSCH

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Filmstart: 1. März 2019
EIN KÖNIGLICHER TAUSCH
L’Échange des princesses / Frankreich / 2017
Regie: Marc Dugain
Mit: Lambert Wilson, Igor van Dessel, Anamaaria Vertolomei, Juliane Lepoureau u.a.

Was sind das für süße Kinder, die kleinen Infantinnen, Prinzessinnen, Erzherzoginnen, wie sie von den Gemälden herabblicken – die Bilder, die Velasquez von Infantin Margarita Teresa von Spanien gemalt hat, erzählen nur von Niedlichkeit. Nicht davon, dass diese Kinder gehandelt wurden wie Aktien, hin- und hergeschoben zwischen Ländern, um Bündnisse zu schließen, weggeworfen, wenn man sie nicht mehr brauchte…

Die Historikerin Chantal Thomas ist einer spanisch / französischen Doppelhochzeit nachgegangen, die auf beiden Seiten schlecht ausging – und junge Mädchen wurden nicht als Menschen betrachtet, sondern als Dinge, die man zurücksandte, wenn man sie nicht brauchte.

Ein bisschen Geschichte: Die Franzosen hatten den Habsburgern Spanien abgejagt, nun saßen die Bourbonen auch dort auf dem Thron. Das garantierte keinesfalls dauernden Frieden, zumal der spanische König Philipp V. ebenso ein Enkel des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. war wie sein Cousin, der nun als Kind als Ludwig XV. den französischen Thron bestieg. Um jegliche Ansprüche der Spanier a priori abzupreschen, wurde eine Doppelhochzeit vereinbart.

Die 12jährige Louise Élisabeth d’Orléans, Cousine von Ludwig XV., sollte den 14jährigen spanischen Thronfolger Don Luis von Asturien heiraten, während man dessen Halbschwester, die erst vierjährige (!) spanische Infantin und Königstochter Mariana Victoria, als Braut für den zehnjährigen Ludwig XV. nach Paris schickte. 1721 wurden an der Grenze zwischen den beiden Ländern das Kleinkind und das junge Mädchen „ausgetauscht“ und beide in eine ungewisse Zukunft geschickt.

Sie sind nicht die einzigen, die dieses Schicksal erlitten (Maria Theresia hat später drei Töchter zu ihnen unbekannten Männern in eine ungewisse Zukunft nach Frankreich, Sizilien und Parma geschickt). Dieser Film fragt danach, wie Kinder sich angesichts der aufgezwungenen Beziehungen fühlen mussten, wie es den Mädchen in der Fremde ging, wie die jungen Männer auf die „Bräute“ reagierten…

Dieser Film ist ein Kostümdrama, das Fragen stellt. Es ist ein Seelen- und Nervenspiel, das sich da entfaltet, wobei Regisseur Marc Dugain auch die Welt der Höfe zeichnet. In Spanien drehte sich alles um den bigotten König Philipp V. (Lambert Wilson) und seine stumm ergebene Gattin Elisabeth Farnese (Maya Sansa). Der Thronfolger Don Luis (eine wunderbare Studie der Schüchternheit: Kacey Mottet-Klein) hatte es mit der Französin nicht gut getroffen: Annamaria Vartolomei (die allerdings eher wie 20 wirkt, die sie tatsächlich ist, als wie 14) spielt die übel gelaunte, störrische, widerspenstige Prinzessin, die überhaupt nicht bereit ist, sich in die spanische Welt und in ihr Schicksal zu fügen. Erst kurz, bevor es zu spät ist, gelingt dem geduldigen Gatten die Annäherung – aber da stirbt er an Pocken. Sie überlebt, keiner braucht sie, keiner mag sie. Und auch, als man sie in die Heimat zurück schickt, wird sie überflüssig sein…

In Paris gab es einen Jungen als König (eine Meisterleistung von Igor van Dessel, der so unsicher und fragend in die Welt blickt), den alle zu manipulieren suchten, vor allem sein Onkel, der Regent und Vater von Louise-Elisabeth (Olivier Gourmet). Hierher kommt das kleine spanische Kind, hinreißend verkörpert von Juliane Lepoureau, die mit ihren Puppen spielt, liebevoll versucht, das Herz des kindlichen Gemahls zu gewinnen, und von Liselotte von der Pfalz (die Mutter des Regenten nennt sich ein „Relikt aus der Ära des Sonnenkönigs“ und wird von Andrea Ferreol verkörpert) vergöttert wird, weil sie so entzückend ist. Es hat ihr nichts genützt – man befand, dass der König nicht mindesten noch ein Dutzend Jahre warten konnte, bis seine Braut auch seine Frau sein konnte, verpackte das kleine Mädchen und schickte sie zurück…

Ein königlicher Tausch, schief gelaufen. Ein Toter, eine unnütze Frau, die nie wieder heiratete und jung starb. Immerhin, Ludwig XV., später berühmter Frauenheld, heiratete die polnische Prinzessin Marie Leczinska (und bekam nicht nur von seiner Frau viele Kinder), ebenso wie die kleine Mariana Victoria, die später Königin von Portugal wurde.

Höfe mit ihrem Prunk und ihrer Korruption, Intrigen, letztendlich hilflose Herrscher, in Zeremonielle gepresst, versuchte Manipulation, Menschen, nach deren Bedürfnissen niemand fragt – der Film zeichnet eine Welt, die niemanden auf die Idee bringen würde, es sei begehrenswert, „Prinzessin“ zu sein. Normale Menschen haben es leichter, und ihre Chancen auf Glück sind erheblich höher…

Renate Wagner


Wien/ Staatsoper/Staatsballett: SCHWANENSEE

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Staatsoper, 25.2.2019: „SCHWANENSEE“ – spitze auf der Spitze

‚Erste Solotänzerin‘, ‚Erster Solotänzer‘ im Wiener Staatsballett klingt schön, macht stolz! Doch in der Realität …. bei einem derartigen Überangebot an ‚Ersten‘ im Ensemble? Kein gar so angenehmer Job – für die reiferen, nicht mehr so hoffnungsvollen Solisten jedenfalls. Also, bitte, zur nächsten Besetzung in dieser Aufführungsserie, „Schwanensee“-Abend Nummer 241 seit der Einstudierung dieser brillanten Version durch Rudolf Nurejew im Jahr 1964. Liudmila Konovalova aus Moskau ist seit 2010 im Haus und bietet als wahre Virtuosin des klassischen Balletts absolut perfekten Spitzentanz. Auf der Bühne ist sie in den letzten Jahren nicht allzu oft zu sehen gewesen. Als bereits erdenferne Schwanenkönigin, als eine der Menschheit schon Verlorene, hat Konovalova ihr stupendes Können präsentiert. Vielleicht nicht so ganz voll herausgefordert von den sie diskret, sehr feinfühlig begleitenden Roman Lazik. Ein Prinz Siegfried in stimmiger Weichzeichnung. Er ist Senior unter den Ersten Solotänzern, seit 2007 in Wien und ein sensibler, äußerst dezenter, sich nie aufdrängender hochseriöser Partner.  

Das Orchester unter Paul Connelly hat wieder effektvoll, diesmal jedoch etwas ruppiger geklungen, weniger poesievoll als an anderen Abend. So hat es auch auf die Tänzer gewirkt: Es ist ein leicht unterkühlter, doch nach den Bravourszenen und den eindrucksvollen Schwanenreigen stark akklamierter Abend gewesen. Halt! Da sind doch noch auch richtige Arbeitsbienen – Pardon, Arbeitsschwäne – im düsteren Reich des Zauberers Rotbart (Andrey Teterin, durchaus suggestiv) zu erwähnen. Die stets hochelegante Oxana Kiyanenko wechselte mehrmals die Rollen, mutierte von der Mutter des Prinzen zu einem der Großen Schwäne; Alice Firenze musste sich vorerst als Kleiner Schwan, hierauf als rassige Ungarin präsentieren; Anita Manolova und Richard Szabó verstanden, sich als Gefährten des Prinzen wie als flotte neapolitanische Tänzer in Szene zu setzen. Jedenfalls wieder, alles zusammen: In Schönheit auf Spitze getanzt.  

 

Meinhard Rüdenauer

BERN/ Konzert Theater: FIERRABRAS von Franz Schubert

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Franz Schubert: Fierrabras, Konzert Theater Bern, Besuchte Vorstellung: 26.02.2019

 (4. Vorstellung seit der Premiere am 27.01.2019)

Einer mag es laut. Viel zu laut.

Wie vor sechs Jahren bei «Fidelio» hat sich Dirigent Mario Venzago eine eigene Version der Oper geschaffen. Auf dem Besetzungszettel wird diese nicht einmal ausgewiesen. Mit «gewissen Transformationen», sprich Kürzungen oder Straffung der Dialoge oder Umformung der Dialoge in Rezitative, hofft Venzago das Opernhafte hervorzuheben. Heute werde der hohe Ton der Deklamation nicht mehr beherrscht. Nun gut, die Sänger haben ihm durchs Band das Gegenteil bewiesen, denn in den Dialogen waren sie wesentlich besser verständlich als in Begleitung des Orchesters. Dieser eklatante Unterschied liegt daran, das Venzago mit dem Berner Symphonieorchester dermassen durch die Partitur gedröhnt ist, dass mehrfach Instrumental-Soli schrill und scharf wurden oder sich der Ton überschlagen hat.

Den ganzen Abend über mussten der Chor Konzert Theater Bern (vorbereitet von Zsolt Czetner) und Solisten gegen die schiere Lautstärke ansingen und waren so kaum verständlich. Der A cappella-Chor der Gefangenen und die wenigen, nicht im Fortissimo gespielten Stellen zeigten deutlich, dass es nicht an der Diktion lag. Andris Cloete scheint keine Idealbesetzung für die Rolle des Titelhelden Fierrabras zu sein. Seine normalerweise leichte, helle und agile Stimme klang ungewohnt spröde und schwer. Der Sopran von Elissa Huber als Emma wurde in den lauten Stellen, und das waren ja nicht wenige, schrill und scharf. Mit am besten gegen die Gewalt aus dem Graben durchsetzen konnten sich Todd Boyce als Roland und Kai Wegener als König Karl und konnten ihre Partien ansatzweise auch stimmlich gestalten. Erwartungsgemäss wenig Probleme hat Uwe Stickert als Eginhard und er schien auch am wenigsten durch das Orchester eingeschränkt. Evgenia Grekova als Florinda und Claude Eichenberger als Maragond schlugen sich trotz aller widrigen Umstände hervorragend. Nazariy Sadivskyy als Ogier, Young Kwon als mächtig orgelnder König Boland und György Antalffy als Brutamonte ergänzten das Ensemble.

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Foto: Tanja Dorendorf

Der auf dem Besetzungszettel als verantwortlich für die Regie ausgewiesene Elmar Goerden bezeichnet seine Arbeit als «musikalisches Inszenieren». Es sei wichtig, dass nichts von aussen hinzuerfunden werden müsse, es kein Brimborium im Raum gebe. Hinzuerfunden hat er zum Glück nichts. Dass das Inszenieren in der Oper musikalisch sein sollte, ist eigentlich selbstverständlich. Brimborium auf der Szene, in Form von permanentem Heben und Senken der schwierig zu bestimmenden Ausstattungsteile (Bühne: Silvia Merlo und Ulf Stengl) hat es doch gegeben. War da, im Bestreben «möglichst viel in die Sänger, die Situationen und die Musik zu legen», ein Horror Vacui im Spiel? Ideen, wie zum Beispiel den in der Schlacht gefangenen Fierrabras überdeutlich als leidenden Christus darzustellen, sind nicht nachvollziehbar. Die Kostüme von Lydia Kirchleitner changieren zwischen mittelalterlicher Ordenstracht, wie man sie wohl auch in den Fünfzigern im Theater erleben konnte, und russischer Volkstracht für die Damen und langen Unterhosen oder Bodys in Kombination mit Lederstiefeln für die Herren (erinnert an den Westernheld, den der Sheriff bei der Regulierung des Hormonhaushalts gestellt hat).

Weitere Aufführungen:

Di, 26. Februar 2019, 19:30 – 22:30

Do, 07. März 2019, 19:30 – 22:30

So, 17. März 2019, 18:00 – 21:00

Do, 18. April 2019, 19:30 – 22:30

Sa, 27. April 2019, 19:30 – 22:30

Mi, 05. Juni 2019, 19:30 – 22:30

Di, 11. Juni 2019, 19:30 – 22:30

 

27.02.2019, Jan Krobot/Zürich

WIEN / Kammeroper: L’ ENFANT ET LES SORTILÈGES / OLYMPIA

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
L’ ENFANT ET LES SORTILÈGES von Maurice Ravel
OLYMPIA Zweiter Akt aus Les contes d’Hoffmann von Jacques Offenbach
Premiere: 26. Februar 2019

Die Kammeroper hat in den letzten Jahren immer wieder Anlässe geliefert, über Programmwahl und „Bearbeitungen“ den Kopf zu schütteln. Und dann steht man – obwohl man den „Olympia“-Akt in „Hoffmanns Erzählungen“ eigentlich für ein großes „Chor-Stück“ hält – auf einmal vor einem rundum stimmigen, witzigen, klugen, sympathischen Abend, wie man ihn selten erlebt. Und eine (kleine) Huldigung zum Offenbach-Jahr ist er auch noch geworden…

Denn E.T.A.Hoffmann bekommt gewissermaßen noch eine Erzählung seines Lebens dazu. Wenn er (ja, Offenbachs Hoffmann ist gemeint) so durch einen Rummelplatz schlendert und in ein „Peep-O-Rama“ mit magischem Auge gerät – ja, da steht er plötzlich in seinem Kinderzimmer. Sieht sich selbst als ganz kleinen (Samuel Wegleitner) und dann als halbwüchsigen Jungen. Und der randaliert in seinem Zimmer – im Protest gegen die Mutter und überhaupt – so herum, wie es in „L’ enfant et les sortilèges“ der Colette zu Musik von Maurice Ravel (einer seiner berühmtesten Einakter, den anderen, „L’heure espagnole“ hat die Kammeroper schon gespielt) eben zugeht.

Schon da ist man glücklich mit der Inszenierung der gebürtigen Tschechin Barbora Horáková-Joly, die zwar mit Regisseuren wie Bösch oder Bieito gearbeitet hat, aber offenbar trotzdem willens ist, zuerst ein Werk und dann erst (wenn überhaupt) sich selbst zu inszenieren. Nun ist der Wirbel auf der Bühne – wenn Möbel und Geschirr und Tiere und Allegorien wie das Feuer sich zu bewegen beginnen – groß genug, würde man sich darüber hinaus etwas einfallen lassen, man könnte die Geschichte des Kindes, das mit den „Elementen“ nicht fertig wird, kaum erzählen…

Nochmals kommt Hoffmann – diesmal ganz sein Offenbach’sches Selbst – in das „Peep-O-Rama“, und dass sein jugendliches Selbst nun seine Muse ist, ist eine besonders schöne Idee (auch wenn sich die beiden bekämpfen). Offenbar ist die Welt der Puppen und Kunstgeschöpfe die seine geblieben, hier gerät er nun zu Spalanzani und Olympia und erlebt den zweiten Akt seiner Oper. Um am Ende allein und verzweifelt zurück zu bleiben (da könnte ihn die Muse schon trösten…).

Und wieder wird, der Zusammenhalt der beiden Teile ist wunderbar gelungen, eine überzeugende Geschichte erzählt, an der nur auffällt, wie viel man daran musikalisch nicht kennt. Aber schließlich versichert das Programmheft auch, dass es absolut keine definitive Fassung des Werks gibt, und so verfährt man praktisch überall mit dem Material nach Belieben (Hier stammt die Orchesterfassung von Leonard Eröd). Die große Olympia-Arie im Zentrum klingt wie immer – und da kommt es ja nur darauf an, dass sie gut klingt.

I
Ilona Revolskaya

Also bewundere man gleich die Russin Ilona Revolskaya in dieser Rolle (im ersten Teil war sie Feuer, Prinzessin und Nachtigall), ein perlendes Koloraturen-Talent, die allerhöchsten Töne vielleicht ein wenig gequietscht, aber richtig erreicht. Außerdem ist sie so puppenhaft, wie man wenige erlebt hat, und ganz außerordentlich, sozusagen hintergründig komisch, wenn sie zwischendurch ganz unpuppenhaft Hoffmann verführen möchte…

 
Quentin Desgeorges , Tatiana Kuryatnikova

Der junge französische Tenor Quentin Desgeorges, der im ersten Teil nur schweigend seine Vergangenheit betrachten darf (schauspielerisch ist er aber präsent), gibt dann Offenbachs Hoffmann schön gesungen mit kraftvollem, metalligem Tenor. Dass er äußerst verwirrt durch sein Schicksal stolpert, versteht sich. Und, wie gesagt, er als halbwüchsiges Kind (bei Ravel) und dieses sein jüngeres Ich jetzt als seine Muse – das sind gleich zwei große Rollen für die russische Mezzosopranistin Tatiana Kuryatnikova, die sie mit leuchtender Stimme und viel Temperament absolviert.

Große Rollen gibt es im „Hoffmann“-Akt noch für den fabelhaften rumänischen Baß Dumitru Madarašan als Bösewicht Coppelius (im ersten Teil war er Sessel und Baum) und den als Spalanzani ganz vorzüglichen Johannes Bamberger (im ersten Teil viel beschäftigt als Teekanne, Kleiner alter Mann und Frosch – nicht dass man ihn und alle anderen in ihren Masken und Kostümen immer gleich erkennen würde).

Die Regisseurin hat (in der bunten, aber nicht überladenen Ausstattung von Eva-Maria van Acker und mit Hilfe des Choreographen James Rosental) den für Offenbachs Stück auf vier Herrschaften verkürzten Chor im Zuschauerraum platziert, wo sie prächtig Radau machten, bevor sie sich wieder auf die Bühne begaben und mitspielten. Juliette Mars (im ersten Teil auch Mutter), Ghazal Kazemi, Jenna Siladie und Georg Klimbacher sind wichtiger Bestandteil des Abends, den das Wiener KammerOrchester und Dirigent Raphael Schluesselberg harmonisch zusammen fügten.

Ein großer Erfolg. Und ein verdienter dazu.

Renate Wagner

WIEN/ Staatsoper/ Staatsballett: SCHWANENSEE

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WIEN/ Staatsoper/ Staatsballett: Peter Iljitsch Tschaikowski: »Schwanensee – 25.2.2019

»Schwanensee«, 3. Akt: Das corps de ballet des Wiener Staatsballetts © Wiener Staatsballett/Ashley Taylor
Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Mit der diesjährigen Serie des Schwanensee nähern wir uns der vierteltausendsten Aufführung in Rudolf Nurejews Choreographie. Seit ihrer Première im Oktober 1964 steht sie fast durchgehend auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper. Schwanensee gehört damit seit über fünfzig Jahren zum Kern-Repertoire des Wiener Balletts.

http://www.dermerker.com/index.cfm?objectid=CD3894D0-39FC-11E9-9FE0005056A64872

Ulrike Klein/ www.dermerker.com

WIEN/ Theater an der Wien: ELIAS. Derniere

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Foto: Theater an der Wien/ Werner Kmetitsch

27.02.2019   Theater an der Wien   „Elias“ – Derniere

Mendelssohns Oratorium – der Begriff „Oper“ scheint mir unpassend – hätte sich eine normale, soll heißen konzertante Aufführung verdient. Es mag sein, dass man für Auflockerung eines doch langen Werkes sorgen wollte. Erreicht wurde aber nur, dass man von der schönen Musik abgelenkt wurde. Regisseur Calixto Bieito kann man nicht Überfluss an Einfällen vorwerfen, und die, die er hatte, waren nicht geeignet, der Handlung Lebendigkeit zu verleihen. Im Verein mit Bühnenbildnerin Rebecca Ringst, gelang da nur sehr wenig. Der arme Chor musste gefühlte 60 Minuten eine kleine, aus einem Holzgestell mit Papier verkleideten Kirche umkreisen – sicher wohlüberlegt gegen den Uhrzeigersinn -, ehe die Dauerläufer den Bau genüsslich zerstören konnten. Die Videosequenzen (Sarah Derendinger) waren auch nicht dazu angetan, Licht ins Geschehen zu bringen, weder Elias‘ Kopf noch ein paar Riesenvögel beeindruckten nachhaltig.

Musikalisch stand der Abend aber unter einem gottlob anderen und viel besseren Stern. Das RSO, neben dem wie immer fabelhaften Arnold Schönberg-Chor unter Erwin Ortner, spielte das Werk unter der sicheren Leitung von Jukka-Pekka Saraste mit traumhafter Präzision. Mendelssohns Melodienreichtum, hier noch erweitert um durchaus dramatische Passagen, kam unter diesem Klangkörper nahezu perfekt zur Geltung. Die Solisten konnten diese Qualität nicht in gleichem Maße bieten. Christian Gerhaher in der Titelrolle ist ein perfekter Oratoriensänger, Wortdeutlichkeit und Durchschlagskraft waren seine Stärken, an nobler Stimmführung mangelt es aber doch. Auch Maximilian Schmitt konnte als Obadjah nicht begeistern, sein Tenor klang nicht frei und gelegentliche Probleme mit der richtigen Phrasierung und Intonation trübten seine Leistung. Maria Bengtsson sang die Witwe mit in der Mittallage makellosem Sopran, in der Höhe wurde es dann mitunter eng. Die vielen kleineren Rollen waren ausnahmslos gut besetzt. Das Publikum spendete reichlich Applaus für das Ensemble und die Gelegenheit, ein rares Meisterwerk kennengelernt oder wiedergehört zu haben.

Johannes Marksteiner

 

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