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MADRID/ Teatro Real: LA CALISTO von Francesco Cavalli. Kurzbericht von der Premiere

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Louise Alder (Calisto) und Monica Bacelli (Diana)

MADRID: Kurzbericht LA CALISTO Premiere– am 17. MĂ€rz 2019

Gestern Abend fand im Teatro Real de Madrid eine weitere Saison-Premiere statt, die Barock-Oper „La Calisto“ mit einem Prolog und drei Akten des italienischenKomponisten Francesco Cavalli. Im Jahre 1651 wurde sie in Venedig uraufgefĂŒhrt. Cavalli selbst saß damals am Cembalo. Die Madrider Produktion wurde nun von der Oper Köln ĂŒbernommen. Das Real hat ja kein eigenes Ensemble und kauft regelmĂ€ĂŸig Produktionen ein. David Alden ist der Regisseur, der damals unter Intendant Sir Peter Jonas in gewisser Weise der „Barock-Hausregisseur“ der Bayerischen Staatsoper war, aber auch den „Ring“ von Michael Wernecke ĂŒbernahm, der wĂ€hrend der Arbeit an der Tetralogie verstorben war.

Aldens bisweilen subtiles Regiekonzept mit beeindruckender und dem StĂŒck vollkommen gerecht werdender Personengie in einem grellbunten BĂŒhnenbild von Paul Steinberg und mit den dazu passenden und bisweilen ĂŒberaus fantasievollen KostĂŒmen und Allegorien von Buki Schiff sowie der Beleuchtung von Pat Collins ließen das nicht immer ganz rund laufende StĂŒck in einem frischen und unterhaltsamen Glanz erscheinen. Bei der UA-Serie im Teatro Sant’Apollinare war vielleicht nicht zuletzt das ein Grund fĂŒr den Misserfolg. Wer weiß?!


Jupiter und Merkur: Foto: Teatro Real

Der GMD von Madrid, Ivor Bolton, dirigierte mit viel FeingefĂŒhl das Ensemble Monteverdi Continuo und das Barock-Orchester von Sevilla sowie die Trompeter des Hausorchesters des Real. Unter den SĂ€ngern taten sich besonders die Titelheldin Louise Alder als Calisto, Luca Tittoto als Jupiter sowie der junge Countertenor Tim Mead hervor, gut einstudiert als Endimione, der sich am Ende mit seiner angebeteten Diana (v.a. darstellerisch gut: Monica Bacelli) auf eine platonische Liebe einlĂ€sst, bzw. einlassen muss, wĂ€hrend Calisto von Jupiter als Sternbild Großer Wagen an den Himmel gezaubert wird („alle stelle!“)



Louise Alder beim Schlussapplaus

Riesenapplaus im fast vollbesetzten Real besonders fĂŒr Alder, Tittoto und Mead sowie fĂŒr Bolton mit den Musikern. Ebenfalls starker Applaus fĂŒr das Regieteam.

Weitere AuffĂŒhrungen bis 26. MĂ€rz 2019. (Detaillierte Rezension folgt).

Klaus Billand ausMadrid

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STUTTGART/ Staatsoper: DER PRINZ VON HOMBURG von Hans Werner Henze. Premiere

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Bildergebnis fĂŒr stuttgart der prinz von homburg
Robin Adams als „Prinz von Homburg“. Foto: Wolf Silveri

Premiere „Der Prinz von Homburg“ von Hans Werner Henze am 17.3.2019 in der Staatsoper/STUTTGART

DIE MACHT DES SCHLAFWANDLERS

 Ingeborg Bachmann stellte einmal fest: „Alle MĂ€nner sind unheilbar krank„. Ihre Bearbeitung von Heinrich von Kleists Schauspiel „Der Prinz von Homburg“ ergĂ€nzt die Musik von Hans Werner Henze in idealer Weise. Der Prinz von Homburg lebt in tranceartigen TraumzustĂ€nden, die fast schon krankhaft wirken. So weiß man auch nie, wann der Prinz trĂ€umt und wann er wacht. Dadurch handelt er in der Schlacht gegen höchsten Befehl, fĂŒhrt sein Heer aber zu einem totalen Sieg. Im realen Albtraum wacht er jedoch auf – Befehlsverweigerern droht die Todesstrafe. Es geht laut Kimmig aber auch um ein krankes System, um MissstĂ€nde, eine Wunde. Die Funktionsweise von seltsamen Systemen wird eingehend untersucht. Der KurfĂŒrst fordert, dass derjenige, der eigenmĂ€chtig die Reiterei in die Schlacht gefĂŒhrt hat, vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt wird. Als der Prinz von Homburg ihm die SiegestrophĂ€en in Form von Fahnen ĂŒberbringt, lĂ€sst er ihn entwaffnen und gefangen nehmen. Zuletzt wendet sich das Blatt jedoch zum Guten: Dennoch nehmen ihn der KurfĂŒrst (der inzwischen ein Hemd mit der Aufschrift „Freiheit“ trĂ€gt), die KurfĂŒrstin, Natalie und alle anderen schließlich in ihre Gemeinschaft auf, nachdem der Prinz von Homburg einen LĂ€uterungsweg gegangen ist.

Die Inszenierung von Stephan Kimmig mit dem BĂŒhnenbild von Katja Haß und den KostĂŒmen von Anja Rabes sowie dem Video-Design von Rebecca Riedel ist schlicht. Man sieht eine Leiter und StahlgerĂŒste. In dieser seltsamen und kargen Umgebung wirken die Protagonisten wie Gefangene. Sie beschmieren sich mit Blut aus KĂŒbeln, als sie in die Schlacht ziehen mĂŒssen. Die unheilbare Krankheit der MĂ€nner nimmt hier ihren Fortgang, sie ist nicht mehr aufzuhalten. Das hat Stephan Kimmig eindrucksvoll gestaltet. Dies zeigt sich auch, als sich der Prinz in einer Art Glaskasten befindet. Ihre StĂ€rke besitzt diese Inszenierung nicht so sehr durch die Macht der BĂŒhnenbilder, sondern eher hinsichtlich einer ĂŒberaus konzentrierten PersonenfĂŒhrung, die der Musik in die HĂ€nde spielt. Immer wieder fĂ€llt ein „eiserner Vorhang“ herab, der die Figuren und den Raum in seltsam-surrealistischen Sequenzen beleuchtet und reflektiert. Die Video-Arbeit ist hier gelungen. Ebenso wird der Macht des Schlafwandelns breiten Raum eingerĂ€umt. Man hĂ€tte sich dabei zuweilen eine noch konsequentere szenische Weiterentwicklung gewĂŒnscht. Zuletzt wird das Publikum dann von großartigen Bildern ĂŒberrascht, wenn die Protagonisten mit SpruchbĂ€ndern ihre Forderungen postulieren: „Freiheit“, „Welt“, „Wir“. Es ist eine Freiheit, wie sie laut Ingeborg Bachmann noch nie in einem Staatswesen umgesetzt worden ist. Bei diesen zentralen Passagen erfĂŒllt diese Inszenierung ihren tieferen Sinn, besitzt sie eine klare und unmittelbare Aussage. Es ist eine Feier fĂŒr den Freimut.

Bildergebnis fĂŒr stuttgart der prinz von homburg
Foto: Wolf Silveri

Herausragend ist die musikalische Interpretation des Werkes durch den sensibel agierenden Dirigenten Cornelius Meister und das von ihm mit glĂŒhender IntensitĂ€t geleitete Staatsorchester Stuttgart. Knappe musikalische Formulierungen korrespondieren dabei mit einem differenzierten kontrapunktischen Element, das sich insbesondere in der GefĂ€ngnisszene offenbart. Da entzĂŒndet sich das harmonische Geschehen in feurigen Funken, die melodische Sprache redet gleichsam mit tausend Zungen. Gerade die kammermusikalische Orchesterbehandlung gelingt Cornelius Meister dabei ganz ausgezeichnet. Mit seinem hohen Bariton imponiert hier Robin Adams als Prinz von Homburg, der den kunstvollen gesanglichen Figurationen von Henze immer wieder neue Nuancen abgewinnt. Stefan Margita gestaltet den KurfĂŒrsten mit seinem ausgeprĂ€gten Heldentenor sehr voluminös und intensiv. Zwölftontechnik und serielle Arbeit korrespondieren dabei mit an Donizetti und Bellini geschulten Belcanto-Techniken, die sich ĂŒberaus kunstvoll verdichten. Die Schlachtmusik im zweiten Akt gerĂ€t zu einer Musik wie in einer HexenkĂŒche, die Zwölftonreihe zeigt erstaunliche Klangfarben und Facetten. Vieles klingt aber auch freitonal, brachial und kraftvoll. Der Prinz von Homburg gestaltet außerdem Glissando-Passagen ausdrucksstark, Flöte und Bratsche begleiten die Gesangsstimme mit filigranem Glanz. Unisono- und Ostinato-Passagen geben dem Ganzen einen brodelnden Untergrund, der sich auch auf die ĂŒbrigen Gesangsstimmen ĂŒbertrĂ€gt. Hier imponieren neben Helene Schneiderman als voluminöser und leidenschaftlicher KurfĂŒrstin vor allem Vera-Lotte Böcker als ungemein höhensichere Prinzessin Natalie von Oranien, Michael Ebbecke als markanter Feldmarschall Dörfling, Friedemann Röhlig als robuster Oberst Kottwitz und Moritz Kallenberg als prĂ€gnanter Graf Hohenzollern.


Robin Adams, Vera Lotte Böcker. Foto: Wolf Silveri

Außerdem ergĂ€nzen sich Mingjie Lei als erster Offizier, Pawel Konik als zweiter Offizier, Michael Nagl als dritter Offizier, Catriona Smith als erste Hofdame, Anna Werle als zweite Hofdame, Stine Marie Fischer als dritte Hofdame und Johannes Kammler als Wachtmeister gesanglich nahezu optimal. Insgesamt kann man bei dieser Produktion jedoch sagen, dass das musikalische Geschehen hier noch mehr ĂŒberzeugt als das szenische. Denn es gelingt Cornelius Meister zusammen mit dem exzellent musizierenden Staatsorchester, die harmonische Feingliedrigkeit dieser Partitur ausgezeichnet zu beschwören. Die stĂ€hlerne leere Quinte zu Beginn der Oper ergĂ€nzt den szenischen komplexen Entwurf treffsicher. Die Quinte und das Intervall der kleinen Sexte verdeutlichen dabei die StaatsrĂ€son, wobei Meister den geradezu virtuosen Umgang Henzes mit der Zwölftontechnik hervorragend verdeutlicht. Strenge Verfahren werden hierbei mit frei-tonaler Harmonik und Melodik kombiniert. Variationstechniken wie die der Passacaglia begleiten die kunstvoll verschrĂ€nkten Handlungen in geradezu verblĂŒffender Weise. Die zwölftönigen Passacaglia-BĂ€sse wirken dabei geradezu unheimlich und fast magisch. Den leidenschaftlich-enthusiastischen Fortuna-Monolog des Prinzen von Homburg am Ende der zweiten Szene gestaltet Robin Adams mit wild-glĂŒhender Emphase. HĂ€mmernde pianistische Doppelgriffe sowie Ordinario-Flageolett-Doppelgriffe der Streicher mit Tremolo-Effekten ergĂ€nzen den klanglichen Fluss mit bemerkenswerter IntensitĂ€t. Immer wieder bricht hier aber auch die Inspiration des Melodikers Henze durch, der in der Lage ist, das Orchester zu gewaltigen dynamischen Steigerungen zu fĂŒhren – wie dies beispielsweise auch bei seiner Oper „Die Bassariden“ der Fall ist. Melos und harmonische Struktur ergĂ€nzen sich vor allem bei den SĂ€ngerinnen und SĂ€ngern optimal. FĂŒr die artifiziellen Satztechniken hat Cornelius Meister als Dirigent einen besonderen Sinn, hier lĂ€sst er den Gesangssolisten auch immer wieder genĂŒgend Freiraum. Mit seiner unglaublichen Verzahnung kompliziertester Strukturen fesselt der gewaltige Klangapparat den Zuhörer. Selbst klangliche HomogenitĂ€t, romantischer Impetus und traditionelle Metrik werden nicht verleugnet.

Großer Schlussjubel.  

Alexander Walther

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WIEN/ Volksoper/ Staatsballett: ROMÉO ET JULIETTE. Wiederaufnahme

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Bildergebnis fĂŒr wien volksoper romeo et juliette
Foto: Ashley Taylor/ Wiener Staatsballett

Volksoper, 17.3.2019: Wiederaufnahme des Balletts „RomĂ©o et Juliette“ – ein Markenartikel von Shakespeares Gnaden

Es ist eine eigenartige dramaturgische Kombination, keineswegs eine kĂŒnstlerisch geglĂŒckte:

Nr. 1.: „The Tragedy of Romeo und Juliet“ von William Shakespeare, 1595 in London geschaffen und seitdem ein weltweit bestens verkaufbarer Markenartikel fĂŒr alle SchauspielhĂ€user.

Nr.2.: „RomĂ©o et Juliette“, von Hector Berlioz als ‚Symphonie dramatique“ mit Chor, drei Gesangssolisten und großem Orchester frei nach Shakespeares literarischer Vorlage als ein originĂ€res Monstrum komponiert und erfolgreich 1839 im Pariser Conservatoire zur UrauffĂŒhrung gebracht.

Nr.3.: „Berlioz ist wunderschön“, Ă€ußerte sich der MailĂ€nder Choreograph Davide Bombana zu dem Auftrag, fĂŒr das Wiener Staatsballett diese Mixtur aus Liebesdrama und Chorsymphonie als vertanzte NacherzĂ€hlung zu gestalten. Vorige Saison wurde dieser Ballettabend – mit Chor und Gesangssolisten neben den TĂ€nzern auf der BĂŒhne – erstmals prĂ€sentiert, und bei der Wiederaufnahme sind nun alternierende Besetzungen zu sehen.

Diese ĂŒberdimensionierte ‚Symphonie dramatique‘ in der Volksoper: AnstĂ€ndig musiziert vom Orchester unter Gerrit Prießnitz, bemĂŒht gesungen von Chor und den Solisten, sehr feinfĂŒhlig getanzt von Maria Yakovleva und Arne Vandervelde (RollendebĂŒt) und den TĂ€nzern dieser Abteilung des Wiener Staatsballetts, welche in der Volksoper ihre ProbestĂ€tte haben. Die modernistische Ausstattung von rosalie kann so gut wie zu allem oder zu nichts passen. Folgt man der Choreographie, so bietet Bombana ein wendiges, sehr geschmeidiges tĂ€nzerisches Allerlei in einer schon lĂ€nger anhaltenden aktuellen Tanzmode mit all deren zu Manier gewordenen Ingredienzien. Wohl den vorgegebenen Stimmungsbildern angepasst und um Poesie bemĂŒht, doch der ganze choreographisch Ablauf hat sein Eigenleben, ohne auf die noblen, wiederholt sehr originellen Details dieser hochromantischen Musik einzugehen. Der ganze motorische Bewegungsfluss wirkt ĂŒber die Musik gestĂŒlpt. Und, ebenfalls ein großes Problem: Berlioz gibt stets ausschweifende musikalische Perioden vor, lĂ€sst die Solisten lange, ĂŒberlange Sequenzen singen – und dann versagt die Einfallskraft des Choreographen.

Ketevan Papava als sich windende spinnenartige Königin Mab, Zsolt Török als pathetischer Pater Lorenzo, Alexander Kaden (Mercutio), Martin Winter (Tybalt), Gleb Shilov (Benvolio) sowie die Gesangssolisten Martina Mikelic, Mehrzad Montazeri und Andreas Daum haben das Publikum jedenfalls ansprechen können. Shakespeares Vorlage ist nun einmal ein merkantil wertvoller Markenartikel.

 

Meinhard RĂŒdenauer  

 

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DORTMUND/ Konzerthaus: ELEKTRA – konzertant

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Konzerthaus Dortmund. Elektra. hr-Sinfonieorchester Frankfurt mit Dirigent Andrés Orozco-Estrada und Elena Pankratova als Elektra. © Pascal Amos Rest

Dortmund Konzerthaus – R. Strauss Elektra – konzertant

grandioses Opernerlebnis am 17. MĂ€rz 2019

 In seiner Elektra folgte Textdichter Hugo von Hofmannsthal weitgehend klassisch-griechischen Vorbildern, etwa Sophokles, darin, daß die BĂŒhne oft nur eine Fassade oder einen Innenhof etwa eines Palastes darstellt und die dramatische Handlung wie Kampf, Hysterie und Mord nicht auf der BĂŒhne dargestellt sondern zum grossen Teil in Monologen und ZwiegesprĂ€chen erzĂ€hlt wird. Dadurch eignet sich diese Tragödie in einem Aufzuge  gut fĂŒr eine konzertante AuffĂŒhrung, in der abstruse RegiemĂ€tzchen  nicht die grausame schauerliche Handlung verfĂ€lschen oder abmildern können.

Auf der anderen Seite wird insbesondere fĂŒr die SĂ€ngerinnen die Aufgabe noch schwieriger, gegen das  auf der BĂŒhne platzierte Riesenorchester ansingen zu mĂŒssen. Erfand doch bekanntlich Richard Strauss anstelle des bei Sophokles die Handlung kommentierenden Chores  einen gewaltigen Orchestersatz mit  mehr aus vierzig dann noch variierten Motiven, das alles in kĂŒhnster Instrumentation und Harmonik. Weiter erschwerend kam  vor allem fĂŒr die drei grossen Frauen- Gesangspartien hinzu, daß gerade zwei Tage zuvor in derselben Besetzung auch mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von AndrĂ©s Orozco-Estrada Elektra  in der Alten Oper Frankfurt –  vom Hessischen Rundfunk ĂŒbertragen  – aufgefĂŒhrt worden war.

Trotzdem geriet die AuffĂŒhrung vor allem dank dieser drei zu einem grandiosen Opernerlebnis.

FĂŒr die Titelpartie verfĂŒgte Elena Pankratova Â ĂŒber die Riesenstimme, wie Strauss sie sich wohl fĂŒr die allerhochdramatischste SĂ€ngerin vorgestellt hat. Ohne SchĂ€rfe  und falsches Vibrato ĂŒberstrahlten ihre Spitzentöne das Riesenorchester –  hier sei als Beispiel das hohe c im ersten Monolog bei königliche SiegestĂ€nze genannt – begleitet auch von entsprechender Gestik. Im Rahmen des grossen Stimmumfangs ihrer Partie traf sie  auch  die tiefen Töne und war soweit ĂŒberhaupt möglich textverstĂ€ndlich. Dazu gelang es ihr, die StimmfĂ€rbung der jeweiligen GefĂŒhlslage anzupassen etwa Ironie auszudrĂŒcken beim GesprĂ€ch mit ihrer Mutter oder Aegisth. Sie konnte die Stimme auf kantable Legatobögen zurĂŒcknehmen, etwa,  als sie ihrer Schwester Hilfe beim EheglĂŒck versprach, oder  bei den  Orest-Rufen der Wiedererkennungsszene endend mit deutlichem Crescendo beim  dritten Mal – zum Weinen schön!.

Wie man nur mit stimmlichen und gestischen Mitteln  ganz ohne BĂŒhne einen hier psychisch abartigen Charakter vollendet darstellen kann, zeigte Michaela Schuster als KlytĂ€mnestra. Notengenau, textverstĂ€ndlich und in ausgereiftem Spiel besang sie ihre geistige ZerrĂŒttung, ihre verzweifelte Suche nach Linderung auch durch die verhaßte Tochter, ihren psychischen Zusammenbruch bei AnkĂŒndigung der Rache durch Orest und schließlich den Triumph bei Nachricht von dessen vermeintlichem Tod.. Als Bespiele seien genannt der lange p-Ton bei   was ist denn ein Hauch? oder ihr verzweifeltes  zerfallen wachen Sinnes wie ein Kleid zerfressen von den Motten?

Wohl eher kurzfristig ĂŒbernahm Allison Oakes  –  darin MET-erfahren  – die sympathische Rolle von ElektraÂŽs Schwester Chrysothemis. Da in dieser AuffĂŒhrung das Orchester manchmal zu laut fĂŒr ihre Stimme tönte, mußte sie dann forcieren. Sehr schön geriet ihr bei Darstellung der Freuden des normalen Frauenlebens die Vokalise auf Weiberschicksal.

FĂŒr den Orest war Michael Volle eine  Luxusbesetzung.  Völlig textverstĂ€ndlich brachte er mit klangvollem  Bariton die Ergriffenheit beim Wiedersehen mit Elektra, die Entschlossenheit  zum und auch den Schauder vor dem Muttermord zum Ausdruck. Sein Duett mit Elektra geriet so zu einem Höhepunkt des Abends.

Luxusbesetzung war auch Michael  Schade in der kurzen Rolle des Aegisth. Mit helltimbriertem Tenor machte er stimmlich und auch darstellerisch den selbstverliebten eingebildeten Charakter der Figur deutlich.

Die vielen Nebenrollen wurden passend gesungen, wobei unter den MĂ€gden Mandy Fredrich als fĂŒnfte und Elektra in Schutz nehmende Magd mit langem g auf königlich besonders punkten konnte. Alle SĂ€ngerinnen und SĂ€nger der Nebenrollen wirkten hinter der BĂŒhne bei den Orest-Rufen als Schlußchor mit.

Wenn in der Werbung fĂŒr die Veranstaltung zu lesen war, fĂŒr  AndrĂ©s Orozco-Estrada und sein (?) hr- Sinfonieorchester sei es ein besonderes VergnĂŒgen, sich mit einer konzertanten Oper austoben zu dĂŒrfen, war man betreffend LautstĂ€rke des Orchesters etwas skeptisch.  Das war zum grossen Teil unnötig, denn  Dirigent und Orchester versuchten soweit bei der Partitur ĂŒberhaupt möglich insbesondere die Stimmen der SĂ€ngerinnen nicht ĂŒbermĂ€ssig zu strapazieren. Dabei half, was man sonst kaum hört, aber  bei einer konzertanten AuffĂŒhrung zu sehen war, daß Richard Strauss etwa die 24 Geigen und 18 Bratschen in drei Gruppen eingeteilt hat, von denen teils nur eine oder zwei Gruppen spielen. In den Zwischenspielen konnten dann Instrumente solistisch und das Orchester insgesamt ihr Können zeigen, also hier sich austoben! Das galt fĂŒr die lautmalerischen Abschnitte etwa mit dem Klang der Rute in der Szene der MĂ€gde, dem Klirren der Talismane am Kleid KlytĂ€mnestras oder Elektras Graben nach dem Beil. Motivisch war die Vorherrschaft des Agamemmnon-Motivs immer deutlich und dann ganz schneidend zum Schluß zu hören. In der Erkennungsszene klangen Wagner-Tuben zu Orests erstem Auftritt und spĂ€ter die Trompeten mit dem Erkennungsthema wunderbar  rund und kantabel.

Richard Strauss schreibt die Tempoangaben hĂ€ufig auf Deutsch, italienisch und als Metronom-Zahl. Soweit zu hören  war hielt sich  AndrĂ©s Orozco-Estrada  in etwa daran. Beim grossen Schlußduett zwischen Elektra und Chrysothemis steigerte er Tempo und mit weniger RĂŒcksicht auf die SĂ€ngerinnen die LautstĂ€rke enorm. Elektras ekstatischer Schlußtanz war dann rhythmisch exakt  (marcatissimo  schreibt Strauss)  nochmals eine gewaltige Steigerung bis hin zu den beiden fff-Schlußakkorden.

Darauf konnte das Publikum nur mit fast schon hysterischem Applaus  und Bravogeschrei reagieren, besonders natĂŒrlich  fĂŒr die Darstellerinnen der  Hauptrollen, den Dirigenten und das Orchester.

Sigi Brockmann 18. MĂ€rz 2019

 

 

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WIEN / Staatsoper DON GIOVANNI von W.A.Mozart

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Peter Mattei als Giovanni Foto: M.Pöhn

PortrĂ€ts höchst widersprĂŒchlicher Charaktere
In der Wiener Staatsoper ging eine Serie von Mozarts DON GIOVANNI mit der
56. AuffĂŒhrung in der Inszenierung von Jean Louis Martinoty zu Ende

Sonntag, 17. MÀrz 2019                                                                           Von Manfred A. Schmid

 

Wer sich „an die Donna Anna wagt,“ dozierte der unerbittliche Eduard Hanslick im Jahre 1855, „muss der strengsten Anforderungen gewĂ€rtig sein. Wir verlangen ĂŒberwĂ€ltigende Leidenschaft und GrĂ¶ĂŸe, GenialitĂ€t beinahe.“ Kein Wunder, dass die damit konfrontierte Adressatin – eine gewisse Frau Tietjens – diese Gaben nur zum Teil erfĂŒllen konnte. AusnahmesĂ€ngerinnen dieses Kalibers gibt es eben nicht alle Tage. Das gilt auch fĂŒr Olga Peretytko, die fĂŒr die Gestaltung dieser Partie allerdings stimmlich und darstellerisch viel von dem mitbringt, was laut Hanslick Voraussetzung fĂŒr eine gelungene Donna Anna darstellt: StĂ€rke im Ausdruck und gesanglich große Bögen, die Koloraturen gelingen ihr mĂŒhelos, ihr Stimmumfang ist der Aufgabe angemessen und wird – anders als in der Lucia vor wenigen Wochen – nie bis zur Grenze ausgereizt. Die AmbiguitĂ€t in ihren Beziehungen zum VerfĂŒhrer und mutmaßlichen Vergewaltiger Don Giovanni und zu ihrem BrĂ€utigam Don Ottavio tritt klar zutage und bleibt bis zum Ende rĂ€tselhaft. Damit gelingt Peretyatko die Zeichnung einer komplexen, nie ganz durchschaubaren Figur. Und das macht den Reiz dieser von Da Ponte geschaffenen und von Mozart in ihrer seelischen Tiefe ausgeloteten Figur aus: Sie bleibt in ihrem Schmerz, in ihrer Leidenschaft und in ihrer Liebe bis zuletzt unfasslich.

Olga Peretyatko -Donna Anna im Zweifel ihrer GefĂŒhle Foto M.Pöhn

Das gilt auch fĂŒr ihre Leidensgenossin Donna Elvira, die von Don Giovanni schwer enttĂ€uscht und zutiefst verletzt worden ist und dennoch weiter an ihm hĂ€ngt und nicht von ihm lassen kann. Veronique Gens hat in dieser Partie bereits vor zwanzig Jahren unter Claudio Abbado auf sich als Mozart-SĂ€ngerin bei Festival von Aix-en-Provence aufmerksam gemacht. Ihrem Spiel merkt man die intensive Auseinandersetzung mit dieser Figur an, manche Spitzentöne verraten aber bereits einen scharfen Klang. Dennoch liefert sie insgesamt eine packende Donna Elivra, die unbeirrt und wider besseren Wissens einem mutwillig Treulosen bis zu dessen schauriger Höllenfahrt die Treue hĂ€lt.

Der Mittelpunkt in diesem Wirrwar aus erotischen Abenteuern, mit Gewalt gespickten VerfĂŒhrungen  und ertrĂ€umten Dauer-Beziehungen ist natĂŒrlich Don Giovanni. Peter Mattei bewĂ€ltigt die Titelpartie gesanglich gut, nur die Champagner-Arie klingt etwas zu salopp – um nicht zu sagen: schlampig – vorgetragen. DafĂŒr gelingt sein von der Mandoline auf der BĂŒhne begleitete StĂ€ndchen „Deh, vieni alla finestra“ zum Niederknien schön. Darstellerisch ist Mattei sehr prĂ€sent und weiß als kĂŒhner, verstörender wie faszinierender Freigeist die ihn ĂŒber den Weg laufenden Frauen zu betören und das Publikum zu begeistern.

Adam Plachetka in der Dienerrolle    Foto M.Pöhn

Die Rolle von Don Giovannis Diener Leporello, der seinen Herrn bewundert, davon trĂ€umt, auch einmal ein Herr zu sein, und der – in dieser vor allem ob des abscheulichen BĂŒhnenbilds von Hans Schavernoch viel gescholtenen Inszenierung von Jean-Louis Martinoty – bereits viel von seinem Herrn abgeschaut hat (vor allem die schlechten Angewohnheiten im Umgang mit Frauen) bereitet Adam Plachetka offensichtlich viel Freude. Die Registerarie trĂ€gt er nicht ohne Bewunderung fĂŒr seinen Herrn und auch mit einer Prise Neid vor, in den komischen Episoden kann er mit viel körperlichem Einsatz punkten.

Der Don Ottavio von Jinxu Xiahou liefert eine gediegene Leistung und weckt mit seiner hellen, gefĂŒhlvollen Tenorstimme Erinnerungen an Michael Schade. Don Ottavio ist hier kein Held. Er zĂŒckt zwar mehrmals das Schwert – oder vielmehr die Pistole, aber zur Aktion reicht es nie. Da ruft er doch lieber die Gerichte an. Darstellerisch hĂ€tte der ursprĂŒnglich in dieser Partie vorgesehene Rolando Villazon vermutlich fĂŒr mehr Aufsehen gesorgt, aber gesanglich möchte man ihn sich lieber nicht mehr vorstellen. Da ist man mit dem bewĂ€hrten Ensemblemitglied bestimmt besser bedient.

Daniela Fally ist eine entzĂŒckende Zerlina, die sich gesanglich – gemĂ€ĂŸ ihrer Rolle – stark zurĂŒcknimmt und ein naives BauernmĂ€dchen spielt, das angesichts der eindeutigen Avancen ihres Herrn in zunehmende Verwirrung gerĂ€t. Ihr BrĂ€utigam Masetto gibt dem vielseitigen Peter Kellner Gelegenheit, seine darstellerische Begabung und einen prĂ€chtigen Kavaliersbariton zur Schau zu stellen. Das noch junge Ensemblemitglied wĂ€chst mit jedem Einsatz. Man darf auf Kellners weitere Entwicklung gespannt sein.

Der Auftritt des Commendatore von Dan Paul Dumitrescu bei Don Giovannis Höllenfahrt fĂ€llt eher harmlos aus. Gar nicht harmlos, auch nicht routiniert, sondern höchst vital und zĂŒndend ist die musikalische Gestaltung des Abends durch Antonello Manacorda am Pult des Staatsopernorchesters. Namentliche ErwĂ€hnung verdient auch Stephen Hopkins am Hammerklavier fĂŒr die animierte Begleitung der Rezitative. Insgesamt ein erfreulicher Opernabend, der aus dem Alltag der Repertoirevorstellungen hervorragt und zu Recht eifrig beklatscht wird.

Manfred A.Schmid
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GENF/ Grand Théùtre de GenĂšve: GÖTTERDÄMMERUNG

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Markus Weinius (Siegfried) und die Rheintöchter Woglinde Polina Pastirchak, Wellgunde Carine Séchaye und Flosshilde Ahlima Mhamdi. Foto: Grand Théùtre de GenÚve /Carole Parodi

GötterdÀmmerung im Grand Théùtre de GenÚve vom 17.03.2019

Im Ring der Nibelungen erzĂ€hlt Richard Wagner seine eigene Geschichte, indem er Handlungselemente und Personen der germanischen Liedersammlung Edda und dem Nibelungenlied verwendet und sein eigenes Abenteuer entwickelt. Er erfand eine Welt von einem Herrscher, der an seinem Machtbegehren zu Grunde geht, Kampf zwischen MĂ€chtigen, welche die Welt knechten wollen und SehnsĂŒchtigen, die Liebe und Freiheit verwirklichen möchten. Am Ende bleibt alles unentschieden, weil die MĂ€chtigen Fallen und die Liebe und Freiheit verloren geht.

Atemberaubende Regie in harmonischen, in sich geschlossenen Bildern

Als sich beim Rheingold der Vorhang erhob war die BĂŒhne leer und als der Vorhang in der GötterdĂ€mmerung fiel, war die BĂŒhne erneut leer. Die Geschichte hat sich somit in sich selber geschlossen. Aus dem Nichts ist diese Traumwelt entstanden und im Nichts ist sie vergangen.

JĂŒrgen Rose und Dieter Dorn haben mit ihrem grossen Theaterkönnen ein Meisterwerk vollbracht, schlĂŒssig, in sich geschlossen bis zum letzten Ton ist diese Inszenierung und das BĂŒhnenbild.

BrĂŒnnhilde nimmt Grane in die Arme, liebkost ihn ein letztes Mal und wirft sich ins Feuer, hin zu ihrem geliebten Siegfried, der Held, der durch die MachtgelĂŒste Hagens getötet wurde. Hagen, der am Schluss doch nicht im Besitz des so sehr begehrten Goldes wurde, fĂ€llt selbst zum Opfer und das glĂ€nzende Metall geht zurĂŒck an die Rheintöchter. Selten hat man soviel Harmonie verspĂŒrt, selten hat sich die Musik leichter angehört und selten waren die Stimmen schöner als in dieser RingauffĂŒhrung. Hier wurde tolles vollbracht. Dem Regieteam, den Musikern, dem Dirigenten, den SĂ€ngerinnen und SĂ€nger, den mythischen nordischen Göttern und Richard Wagner sie gedankt!

Eine Traumbesetzung das sich sehen lÀsst


Petra Lang (BrĂŒnnhilde) und Markus Weinius (Siegfried, aufbebahrt). Foto: Grand Théùtre de GenĂšve /Carole Parodi

Siegfried wird wieder von Markus Weinius dargestellt, hervorragend und unermĂŒdlich bis zum Schluss. Die glanzvolle Petra Lang die alle drei BrĂŒnnhilde in diesem Genfer Ring Zyklus gesungen hat gebĂŒhrt alle Ehre und grossen Respekt. Sie besitzt eine kraftvolle, betörend sichere Stimme und meistert die enorm schwierige Partie mĂŒhelos. Eine Luxusbesetzung ist Agneta Eichenholz als Gutrune. Mark Stone als Gunther, Tom Fox als Alberich und Jeremy Milner als finsterer Hagen sind exzellent. Sehr fein auch Michelle Breedt als Waltraute. Die Nornen, erste Norne Wiebke Lehmkuhl, zweite Norne Roswitha Christine MĂŒller, dritte Norne Karen Foster und die Rheintöchter Woglinde Polina Pastirchak, Wellgunde Carine SĂ©chaye und Flosshilde Ahlima Mhamdi fĂŒgen sich hier mitsamt dem bestens aufgelegten Chor in einen musikalisch grossen Abend.

Das Orchestre de la Suisse Romande unter der fabelhaften Leitung von Georg Fritzsch prÀsentiert sich im ersten Aufzug sehr konsequent. Die BlechblÀser sind gross, die Tuba pulsieren den ganzen Abend in schönster Pracht und die KontrabÀsse harmonieren glanzvoll.

Im zweiten Akt ist das Orchester immer noch in bester Form. Das Blech und die Hörner spielen sauber, auch im dritten Aufzug. In diesem finalen Aufzug erklingen die ĂŒber den Abend begeisternden KontrabĂ€sse hervorragend prĂ€zise. Insgesamt ist die Leistung des Orchesters unter ihrem Maestro sehr stark, ein riesiger GlĂŒcksfall fĂŒr Genf.

Bis zum ĂŒberwĂ€ltigenden Schluss ist das Orchester prĂ€zise, kraftvoll und enorm prĂ€sent. Die subtile und sublime Genauigkeit in der Musik ist mehr als nur berĂŒhrend. Die Streicher sind hervorragend. So schön kann ein Ende sein!

 

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WIEN / Leopold Museum: WIEN 1900

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WIEN / Leopold Museum:
WIEN 1900 – AUFBRUCH IN DIE MODERNE
Neue Dauerausstellung auf drei Etagen
Ab 16. MĂ€rz 2019

Das Museum innerhalb des Museums

 
Fotos: Wesemann

Vor nicht allzu langer Zeit hatte das Leopold Museum auf seinem vierten Stock eine Kostbarkeit zu bieten: eine Überblicksschau zum Thema „Wien um 1900“, die ihresgleichen suchte. Dann musste die PrĂ€sentation der „Wow!“-Heidi-Horten-Sammlung weichen. Nun aber ist „Wien 1900“ als Dauerausstellung wieder da. RĂ€umlich und thematisch breiter auf gestellt als zuerst. Man widmet dem Thema drei Stockwerke mit 1300 (!!!) Objekten: Das ist fast zu einem „Museum im Museum“ geworden. Und das Haus besitzt glĂŒcklicherweise noch genĂŒgend Raum fĂŒr weitere AusstellungsprĂ€sentationen.

Von Heiner Wesemann

Wien 1900 Aufbruch in die Moderne     Wahrscheinlich hat es Mitte der achtziger Jahre mit „Traum und Wirklichkeit“ so richtig begonnen: Der Traum vom Fin de SiĂšcle. Hans Hollein hatte fĂŒr eine Ausstellung des Wien Museums das KĂŒnstlerhaus in einen Feenpalast verwandelt. Das ganze Klimt’sche Gold schien sich auf die Epoche zu ergießen. Jugendstil und Secession wurden zum Export-Schlager und zu Quotengiganten bei Auktionen. Angesichts dĂŒsterer Epochen österreichischer Geschichte hatte man einen positiven Identifikationspunkt gefunden. Und tatsĂ€chlich kann man auch heute, aus der Distanz von mehr als einem Jahrhundert, nur Bewunderung fĂŒr eine Welt hegen, in der „Kunst“ in jeder Form das Leben durchdrang.

 

Das Vorher und das Nachher     Das Leopold Museum lebt von der kenntnisreichen Sammelleidenschaft seines GrĂŒnders, Dr. Rudolf Leopold. Wollte man sich nur auf Jugendstil, Klimt, Schiele und die mit ihnen assoziierte „Wiener WerkstĂ€tte“ beschrĂ€nken, man könnte ganze Ausstellungen fĂŒllen. (Und hat es schon getan.) Direktor Hans-Peter Wipplinger aber wollte ein in jeder Hinsicht breites Bild entwerfen. Vorgeschichte und Nachwirkungen gehören logisch dazu. Darum wird, mit roten VorhĂ€ngen fĂŒr Makart, zuerst der Historismus beschworen. Schließlich ist vieles im Widerstand gegen diese Welt bedenkenloser Opulenz entstanden. Und auch darum fĂŒhrt man die Entwicklung nach 1918 weiter. Das Ende des Habsburger Reichs bedeutete einen politischen, gesellschaftlichen und ideologischen Bruch, den die Kunst mit trug. Es ist also viel zu erzĂ€hlen in dieser Ausstellung.

 

Eine Welt von Geist durchdrungen   Wie kann man sich den Aufschwung des „Wien um 1900“ erklĂ€ren? Mit der wirtschaftlichen Potenz der Habsburger Monarchie? Mit der zweifellos vorhandenen LiberalitĂ€t, auch der jĂŒdischen Bevölkerung gegenĂŒber? Juden waren nicht nur, in ihrer Kernkompetenz, Ärzte, AnwĂ€lte und Bankiers, sie waren Musiker (Mahler), Wissenschaftler (Freud), Dichter (Schnitzler), eigentlich zum geringsten Teil Maler (Oppenheimer). Die „Traumdeutung“ von Sigmund Freud und der innere Monolog „Leutnant Gustl“ von Arthur Schnitzler erschienen im Jahr 1900 – Werke, die nicht nur Erregungen nach sich zogen, sondern auch Meilensteine waren. Eine eigene Wand listet die Prominenten der Zeit auf, eine stolze Sammlung großer Persönlichkeiten. Die Frauen werden nicht vergessen.

Alles ist Kunst    Das VerstĂ€ndnis, dass „alles“ Kunst sei, ist in diesem „Wien 1900“ fest verankert. Die Secessionisten malten, zeichneten, sie bauten, sie gestalteten den Alltag, sie schufen Plakate, die Kunst fĂŒr jedermann auf die Straße brachte. Ihre Zeitschriften waren Kunstwerke, ebenso ihre Möbel, ihr Geschirr. Die Wiener WerkstĂ€tte postulierte die Schönheit fĂŒr jeden Gegenstand. Die Mode befreite sich von Fesseln wie andere KĂŒnste auch. Und fĂŒr alles gibt es Beispiele in der Riesen-Schau des Leopold Museums.

Ein Spaziergang durch die Vergangenheit    Die Gestaltung ist nobel, großzĂŒgig, kombiniert GemĂ€lde mit Skulptur, „baut“ RĂ€ume. Wieder einmal ist ein Zimmer aus Gustav Klimts Wohnung zu sehen. Kolo Mosers prĂ€chtige Möbel kommen zur Geltung. Die Frauen erhalten viel Raum, die Schwestern Wiesenthal fĂŒr ihren Tanz, Emilie Flöge fĂŒr ihre Mode. Hoch elegant sind in stilsicheren Vitrinen die kostbaren „GebrauchsgegenstĂ€nde“ der Wiener WerkstĂ€tte ausgestellt. Und natĂŒrlich kann das Leopold Museum seine ganzen SchĂ€tze – darunter seine Gerstl-Sammlung – als Atout auf den Tisch legen (bzw. an die WĂ€nde hĂ€ngen). Aber es gibt auch Fotodokumente, manche imaginieren wandfĂŒllend eine Welt wie jene des Kaffeehauses. ErlĂ€uternde Texte arbeiten fĂŒr den Besucher unaufdringlich mit.

Fazit       Als man „Wien 1900“ vor dreieinhalb Jahrzehnten neu „entdeckte“, war es ein Ausstellungs-GlanzstĂŒck. Heute, nach allem, was wir dazu wissen, zusammengetragen in der Dauerausstellung des Leopold Museums, ist es unser Besitz. „Wien 1900“ hat hier eine international bedeutende PilgerstĂ€tte gewonnen.

Öffnungszeiten
TĂ€glich außer Dienstag: 10 bis 18 Uhr
Donnerstag: 10 bis 21 Uhr
Juni, Juli, August: tÀglich geöffnet!

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WIEN/ Staatsoper: CAVALLERIA RUSTICANA/ PAGLIACCI (3. Vorstellung)

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Elina Garanca, Zoryana Kushpler. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

CAVALLERIA RUSTICANA -PAGLIACCI – Wiener Staatsoper, 18.3.2019

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Wie oft ist man in den letzten Jahrzehnten, wenn dieser „Opernzwilling“ am Programm stand, eigentlich nur wegen des zweiten Werkes ins Haus gegangen. An diesem Abend war es anders, da ging man wegen der „Cavalleria“ und zwar weil Elina Garanca endlich auch in Wien die Santuzza sang. Und wie sie sie sang. Sie hat hier zweifelsohne eine neue Traumpartie gefunden. NatĂŒrlich, sie ist kein typischer italienischer Mezzo, wie wir sie kennen und schĂ€tzen, aber es gelingt ihr dank ihrer Technik und ihrer auch stimmlich gestalterischen FĂ€higkeiten ein völlig neues, aber nicht minder faszinierendes Rollenbild zu entwickeln. Ihre StĂ€rken sind ihre wunderbare, mittlerweile dunkler gewordene Mittellage und die strahlenden Höhen. Ihre Santuzza ist von Beginn an in sich gekehrt und einigermaßen angsterfĂŒllt, so als wĂŒrde sie das letale Ende schon ahnen. Da ist es nur folgerichtig, dass sie das „A te la mala Pasqua“ nicht herausschreit – was ĂŒbrigens heute fast keine SĂ€ngerin mehr macht – sondern fast wie beschwörend singt. Schon die „Preghiera“ zu Beginn singt sie mit wunderschön fliessender Stimme und das „Voi lo sapete“ rĂŒhrt zutiefst. In der Szene mit Alfio spĂŒrt man dann sofort, wie sie bereut, dass sie ihm die Wahrheit ĂŒber Turiddu und seine Frau gesagt hat. Eine ganz grosse Leistung.

Leider schaut es um sie herum traurig aus. Yonghoon Lee, dessen „Siciliana“ schlimmes befĂŒrchten liess, erfing sich zwar rasch, aber das war es dann auch schon. Er verfĂŒgt zwar ĂŒber eine intakte Höhe, aber kennt eigentlich nur eine LautstĂ€rke. Differenzierung ist seine Sache nicht und auch das Timbre ist ziemlich uninteressant. Paolo Rumetz ist sicher ein wertvolles Ensemblemitglied, aber mit dem Alfio erweist er sich keinen guten Dienst. Er hat leider wenig Durchschlagskraft – das Auftrittslied verschenkt er nahezu komplett – und er wirkt weder stimmlich noch darstellerisch wirklich bedrohlich. Zoryana Kushpler fehlt es als Lucia leider an Persönlichkeit. Stimmlich kann man zufrieden sein. Svetlina Stoyanova gibt als Lola eine Talentprobe ab.


Marina Rebeka (Nedda), Igor Onishenko (Silvio). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Auch im zweiten Teil des Abends hinterlĂ€sst die weibliche Hauptrolle den besten Eindruck. Marina Rebeka, sicher eine der wichtigsten Soprane unserer Zeit, ist stimmlich leider schon ĂŒber die Nedda hinaus. Das merkt man besonders im Vogellied, wo es leider an Leichtigkeit fehlt. Die Szene mit Silvio und vor allen Dingen das Finale liegt ihr dann wesentlich besser und kann sie hier ihre StĂ€rken ausspielen. Darstellerisch gefĂ€llt sie durchaus. Ihr am nĂ€chsten kommt George Petean als Tonio. Er ĂŒberzeugt durchaus mit dem Prolog, ohne jedoch die Brillanz zu zeigen, die man schon gehört hat. In jedem Fall ist er hier besser aufgehoben als bei Donizetti. Den Rest des Abends ist er zufriedenstellend und gelingt es ihm, den miesen Charakter der Rolle glaubhaft zu machen. Wirklich nicht glĂŒcklich wurde man an diesem Abend mit Fabio Sartori als Canio. Dass er nicht unbedingt ĂŒber eine QualitĂ€tsstimme verfĂŒgt, weiss man, aber er singt den ganzen Abend ĂŒber gleichförmig, ohne irgendwelche Akzente zu setzen. Dazu kommt ein phlegmatisches Spiel, wie man es in dieser Rolle noch selten gesehen hat. Gut, er muss nicht so einen realistischen Furor veranstalten, wie es einst Jon Vickers getan hat – Jeanette Pilou erzĂ€hlte einmal,  dass sie bei ihrer ersten Nedda mit ihm Angst gehabt hĂ€tte, er wĂŒrde sie wirklich umbringen – aber ein Minimum an Emotion wĂ€re doch wĂŒnschenswert. Orhan Yildiz hĂ€lt als Silvio leider nicht das, was man sich nach kleineren Rollen von ihm erwartet hat. Die Stimme klingt zwar in der Mittellage ganz ordentlich, aber in der Höhe wird sie eng. Jörg Schneider ist ein stimmlich und gestalterisch durchaus ĂŒberzeugender Beppo. Der Chor sang in beiden Werken gut. 

Nicht zufrieden war ich mit dem Dirigenten Graeme Jenkins. Sicher, die beiden Werke haben ein grosses Orchester, aber deshalb muss es trotzdem nicht so laut, ja manchmal knallig klingen. SubtilitÀt ist Herrn Jenkins Sache nicht.

Jeweils am Ende gab es verdienten grossen Jubel fĂŒr Elina Garanca, durchaus verdiente Zustimmung fĂŒr Marina Rebeka und George Petean, ansonsten unterschiedliche, nicht immer nachvollziehbare Reaktionen bei den ĂŒbrigen Mitwirkenden.

Zum Schluss noch ein Wort zur Inszenierung. Es war wohltuend beim Aufgehen des Vorhanges die stimmungsvollen Bilder und stilvollen KostĂŒme Jean-Pierre Ponelles zu sehen und nicht irgendwelche kahle RĂ€ume mit TĂŒren, Kuben, Schneelandschaften, MetallgerĂŒsten u.Ă€. Leider fehlen natĂŒrlich viele Details der szt. Regie, wobei manches auch seine Ursache im Sparwahn des vormaligen Direktors hat. An den zukĂŒnftigen Direktor sei die dringende Bitte gerichtet, auch diese Produktion in seine Liste der „denkmalgeschĂŒtzten“ Inszenierungen aufzunehmen. Vielleicht findet man auch noch einen ehemaligen Assistenten Ponelles und das seinerzeitige Regiebuch, um das Ganze aufzufrischen.

Heinrich Schramm-Schiessl

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NÜRNBERG/ Staatstheater: NORMA mit „Meistersingerin“

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Staatstheater NĂŒrnberg: „NORMA“ am 17.3.2019

Szenenbild aus "Norma"
Foto: Staatstheater NĂŒrnberg/ Jutta Missbach

Dieses herrliche gallisch-römische Epos mit der sĂŒchtig machenden Musik des Sizilianers Vincenzo Bellini – dem „Novalis“ unter den Komponisten – steht ja leider viel zu selten auf den SpielplĂ€nen, ĂŒberhaupt nördlich der Alpen. Und der Ausflug nach Franken, in die „Meistersinger  Stadt“ lohnte sich absolut.

   Eine wirkliche „Meistersingerin“ war fĂŒr die Titelpartie aufgeboten: Ytian Luan aus China, die im letzten Jahr bereits als „Lucrezia Borgia“ und „Anna Bolena“ am Landestheater Niederbayern ĂŒberzeugte, sich auch nicht zu schade ist, zuletzt im MĂŒpa in Budapest di Mi im „Land des LĂ€chelns“ zu ĂŒbernehmen, und der man nach dieser Leistung jetzt getrost eine steile Karriere voraus sagen kann!  Es war erst ihre dritte „Norma“ – Vorstellung an diesem Abend – und die war so sicher, so ĂŒberzeugend interpretiert wie wenn sie schon etliche Produktionen bestritten hĂ€tte! Das bezog sich nicht nur auf Ihre BĂŒhnenprĂ€senz – sobald sie auftritt ist sie „da“, zieht in ihren Bann, erzeugt Spannung – sondern auch auf ihre raffinierte musikalische Gestaltung. Schon das große erste Recitativo wird gestaltet, modelliert, zeugt von VerstĂ€ndnis und Rollenidentifikation. Die „Casta  diva“ erklingt behutsam im piano, mit gut gefĂŒhrtem langem Atem und vielen Schattierungen, wĂ€hrend sie bei der Cabaletta so richtig auftrumpft, und das „C“ bombensicher im Haus steht. Ja und so geht’s weiter, ĂŒber die berĂŒhrende Szene mit den „figli“, mit den großen Duetten, dem Furor, wenn sie den treuelosen Pollione „entdeckt“, und ihre Hingabe im Finale, wo einem schon die TrĂ€nen aufsteigen. Ihr Sopran verfĂŒgt ĂŒber die Leuchtkraft, FlexibilitĂ€t und viele Schattierungen, weiters hat sie „Italianitá“ und große MusikalitĂ€t auf ihrer Habenseite – in keiner Sekunde denkt man daran, daß sie ja – ursprĂŒnglich – aus einem ganz anderen Kulturkreis kommt. Eine exzellente, stark bejubelte Leistung!

     Und mit Freude kann ich auch von der Adalgisa berichten: Almerija Delic bringt die positive sympathische Ausstrahlung fĂŒr die Adalgisa mit und ĂŒberrascht mit einem voluminösen Mezzo – Gott sei Dank wurde hier nicht der aktuellen Mode gefrönt und diese Partie mit einem leichten Sopran besetzt! Passend zu ihrer Stimme spielt sie die verfĂŒhrte Priesterin nicht als „Hascherl“, sondern als attraktive junge Frau, die getĂ€uscht wurde. Voll strömt ihr Mezzo, den sie auch wunderbar zurĂŒcknehmen kann und singt schöne Kantilenen. Ohne zu „drĂŒcken“ oder abdunkeln zu mĂŒssen steuert sie klangschöne tiefe Passagen bei. Und nach oben sind im  forte, das fast hochdramatisch klingt, ebenfalls keine Grenzen zu orten. Da bietet sich ein breites BetĂ€tigungsfeld fĂŒr die aus Bosnien gebĂŒrtige und in Essen – und kurzzeitig auch in Graz – studiert habende Mezzosopranistin an, die nach Dortmund nun hier in NĂŒrnberg im Ensemble ist und in der neuen „Butterfly“ die Suzuki sein wird. Aber in der Ferne lĂ€ĂŸt da schon Amneris und Ă€hnliches grĂŒĂŸen
GlĂŒcklich ein Haus mit solch einer „vocone“ im Ensemble!

     Schon der Beginn war erfreulich, als Orovesos Eingangsszene mit dem Chor durch die voll strömende Stimme des Litauers Tadas Girininkas das ihr zustehende Gewicht bekam. Mit markantem „basso profondo“ und einer imposanten BĂŒhnenerscheinung verlieh er dieser Vaterrolle WĂŒrde und PrĂ€senz, was nicht jedem Oroveso so selbstverstĂ€ndlich gelingt.

     FĂŒr den vorgesehenen, aber kurzfristig erkrankten Pollione wurde in letzter Minute aus dem Ulmer Ensemble Joska Lehtinen geholt, der sich gut aus der AffĂ€re zog, wenngleich sein eher heller, manchmal ein wenig greller, zwar durchschlagskrĂ€ftiger Tenor nicht unbedingt in dieser Partie am Besten aufgehoben scheint. Er meisterte diese sicher nicht einfache Aufgabe aber trotzdem sehr anstĂ€ndig und lieferte alle geschriebenen Noten ab, inclusive dem – notierten , aber auch von berĂŒhmteren Kollegen ausgelassenen – „C“ mitten in der Arie.

    Es komplettierten Nayun Lea Kim als Clotilde und Chang Liu als Flavio: beide mit angenehmen Stimmen, gut einstudiert und beide im Opernstudio, wo sie von niemand Geringerem als Siegfried Jerusalem betreut werden.

    Ausgezeichnet der Chor ( Tarmo Vaask)und auch die Staatsphilharmonie NĂŒrnberg, die echte ItalianitĂĄ hören ließ und offenkundig mit großer Freude musizierte. Ein weiterer Pluspunkt des Abends war Björn Huestege am Pult: von der ersten Attacke an konnte er einen Bogen spannen, ließ die Bellinische Partitur mit Brio funkeln und leuchten und war ein auf alle EventualitĂ€ten immer rasch reagierender Koordinator und „Mitatmer“ mit den Solisten!

    Ach ja, es gab auch eine Inszenierung
 Die Produktion hatte in NĂŒrnberg im Mai 2017 Premiere und ist eine Co-Produktion mit St. Etienne und dem „Theatre des Champs-Elysees“ . Das quasi EinheitsbĂŒhnenbild war immerhin akustikfreundlich, ein grauer Steinrahmen  war prĂ€gend, in der Mitte eine grosse drehbare Wand – fĂŒr Auftritte nutzbar, ein BĂ€umchen, das auf den Souffleurkasten gestellt wurde; nur im Schlußbild dann ein großer, ausladender Baum bot eine optisch ansprechende Szene dann. Pollione im Anzug kommt zum Duett mit Adalgisa als „Rosenkavalier“ mit einem Strauss roter Rosen, die er dann mal zornig auf den Boden wirft, Flavio fuchtelt wĂ€hrend seiner Szene mit einem Revolver herum, die Damen alle in blauen Kleidern ( Choristinnen und Norma und Adalgisa, nur Clotilde im „kleinen Schwarzen ), ein lĂ€cherliches HĂŒftschwingen der Chor -Damen zweimal – das wĂ€r nicht mal bei einer Fasnachtsitzung gut angekommen – ja, ansonsten wenigstens nichts, was besonders gestört hĂ€tte. Stephane Braunschweig fĂŒhrte Regie und zeichnete fĂŒrs BĂŒhnenbild verantwortlich, Thibault Vancraenenbroeck fĂŒr die KostĂŒme, und Johanne Saunier fĂŒr die sogenannte „Choreographie“.

    Großer Jubel des Publikums – erfreulich viele jĂŒngere Personen inclusive – fĂŒr die Protagonisten und den Maestro. Eindeutig hieß es :  prima la musica –dopo gli attori – dopo la scena!

 Michael Tanzler

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WIEN / Vienna’s English Theatre: CORPSE!

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WIEN / Vienna’s English Theatre:
CORPSE! von Gerald Moon
Premiere: 19. MĂ€rz 2019

Das Genre nennt sich „Comedy Thriller“, und man hat „Corpse!“ aus der Feder des englischen Schauspielers und Autors Gerald Moon mit der „Mausefalle“ der Agatha Christie, mit „Sleuth“, dem „Krimi-Klassiker“ von Anthony Shaffer, und mit Ira Levins „Death Trap“ verglichen. Alles zu hoch gegriffen – und Vienna’s English Theatre sollte es wissen, denn es hat dieses StĂŒck (das 1983 uraufgefĂŒhrt wurde) schon 1994 gespielt. Aber offenbar ist das BedĂŒrfnis nach Boulevard mit Krimi-Einschlag so groß, dass man auch zu Zweitklassigem greift.

„Corpse!“ heißt die Sache wohl zurecht, denn es kugeln jede Menge von Leichen herum, die sich dann wieder als lebendig herausstellen. Leider hat es der Autor nahezu mit diesem Running Gag bewenden lassen. Und mit einer Doppelrolle, um die sich Schauspieler reißen könnten. Denn der eine Zwilling, Evelyn Farrant, ist ein offensichtlich erfolgloser Schauspieler, der beschließt, seinen reichen Bruder Rupert ermorden zu lassen und dann in seine Rolle zu schlĂŒpfen. Klingt ja soweit logisch. Als Mörder hat sich Evelyn einen Ă€ltlichen Kleinkriminellen namens Ambrose erkoren, der sich als Major ausgibt und das ĂŒberkonstruierte, komplizierte Tat-Konstrukt ausfĂŒhren soll.

Am Ende des ersten Teils, der sich mit viel ĂŒberflĂŒssigem Gerede einigermaßen zieht, hat man dann eine Leiche, aber ist es auch der richtige tote Bruder? Im GesprĂ€ch mit der Hauswirtin, wo Ambrose im Halbdunkel den Toten als lebendig ausgibt, wird schon der komplett possenhafte Ton angeschlagen. Dieser beherrscht den zweiten Teil bis zur kompletten Blödel-Albernheit, aber immerhin hat der Autor dem Geschehen ein Motiv verliehen, auf das man nicht kommen konnte: Ein bisschen Überraschungseffekt gibt es also am Ende doch.

 
Foto: Vienna’s English Theatre

Regisseur Ken Alexander weist im Programmheft zurecht darauf hin, wie gnadenlos prĂ€zise StĂŒcke dieser Art (wo die Leichen immer wieder auferstehen) inszeniert werden mĂŒssen. Leider ist das nicht völlig gelungen – ein bisschen mehr eleganter Slapstick hĂ€tte geholfen. Und von Chris Polick hĂ€tte man erwartet, die beiden BrĂŒder doch genauer zu differenzieren und trotz gleichen Aussehens zwei wirklich verschiedene Menschen auf die BĂŒhne zu bringen. Und Major Ambrose wirkte in der Gestaltung von Moray Treadwell eher unsicher – nicht der Major des StĂŒcks, sondern der Interpret auf der BĂŒhne
 Kleine und effektvolle Rollen hatten Margaret Preece als Mrs. McGee, die lĂŒsterne Hauswirtin, und Richie Daysh als Hawkins, der naive Polizist.

Sicher zu den wirkungsvollsten Bestandteilen des Abends zĂ€hlte das BĂŒhnenbild von Terry Parsons – die Rumpelkammer des armen Bruders und das Apartment des reichen (mit raffinierter Bar fĂŒr Alkoholisches) verwandelten sich bemerkenswert hin und zurĂŒck. Und da der Autor mit Schlußpointen und katastrophalen finalen Effekten nicht knausrig war, zeigte sich das Publikum am Ende hoch vergnĂŒgt. Und so soll es ja auch sein.

Renate Wagner

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WIEN / Musikverein: FESTKONZERT 2019 MUSIKGYMNASIUM Neustiftgasse

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Chöre & Orchester des mgw, Elisabeth Schwarz, Richard Böhm, Drew Sarich als „Schwan mit Hut“ und Marco di Sapia

WIEN / Musikverein: FESTKONZERT 2019 MUSIKGYMNASIUM Neustiftgasse

Wenn das Musikmachen FlĂŒgel verleiht 


19.3. 2019 – Karl Masek

Der Streit um E-Musik und U-Musik – er wurde ewige Zeiten „mit heiligem Ernst“ ausgetragen. Ich erinnere mich an meine eigene Musikausbildung in den 70er Jahren im damaligen Konservatorium der Stadt Wien. Da gab es einen Lehrenden (u.a. Tonsatz und Instrumentenkunde), ich nenne seinen Namen nicht, Gott hab ihn selig, der sagte einmal in einer Seminarstunde zum Thema „Zupfinstrumente“, die fĂŒr  den Geiger und Pianisten alle bestenfalls zweitrangig waren: „Eine Zither gehört auf eine AlmhĂŒtte
“. WĂ€re die Rede auf Jazz, Musicals, Filmmusik, Rock & Pop gekommen, er hĂ€tte gesagt, das alles sei  U-Musik und könne an ernste Musik nicht heranreichen.  Keine Diskussion!

Leonard Bernstein rĂ€umte auf mit diesen vorurteilsbefrachteten Sichtweisen. FĂŒr ihn gab es nur gute oder schlechte Musik. LegendĂ€r sein Satz, die schönste Melodie seit Schubert sei „Yesterday“ von den Beatles. Er war ein Beispiel dafĂŒr, dass Musikmachen FlĂŒgel verleiht – wenn es gute Musik ist. Grund genug fĂŒr das Wiener Musikgymnasium Neustiftgasse, fĂŒr das traditionelle Festkonzert in diesem Jahr einmal kein Werk des klassisch-romantischen Kern-Repertoires auf das Programm zu setzen, sondern ein Bernstein-StĂŒck und eine UrauffĂŒhrung anzubieten. Um nach der Pause mit „Carmina Burana“ noch eins draufzusetzen.

„A Musical That Makes History“ , so lauteten Londoner Schlagzeilen 1985 nach der UrauffĂŒhrung von „Les MisĂ©rables“ von Alain Boubil und Claude-Michel Schönberg nach dem Roman von Victor Hugo. Mehr als 70 Millionen Menschen haben das Musical seither weltweit gesehen, in 52 LĂ€ndern und 22 Sprachen. FĂŒr dieses Konzert hat der  britische Musical-,  Filmkomponist  und Dirigent John Cameron (* 1944 in Essex), vielfach preisgekrönt bis hin zu Oscar-Nominierungen, 2018 eine Neufassung seiner „Les MisĂ©rables.Symphonic Suite“ fĂŒr Chor und Orchester geschrieben („Castle on a cloud“ wurde der Suite zusĂ€tzlich beigefĂŒgt, und so hatte auch der Unterstufenchor eine schöne, effektvolle Nummer darin zu singen. 

Camerons Musik bringt die bekanntesten Teile aus der Musical-Show, erweist sich als genial arrangiertes, effektvoll instrumentiertes Chor- und OrchesterstĂŒck, das „ins Ohr“ und „unter die Haut“ geht. Es ist eine herrliche Kombination aus Geschichte, einer Botschaft sowie einer Musik, die tatsĂ€chlich FlĂŒgel verleiht. Sie gibt dem Oberstufenchor Gelegenheit zu vielen Farb- und GefĂŒhlsnuancen. Von zart bis hart, von pathetisch bis innig. Und fĂŒrs Orchester eine FĂŒlle an Möglichkeiten, durch tollen Sound mit Steigerungen zu glĂ€nzen, schönen Klang zu erzeugen und sozusagen „unendliche Melodien“ auszukosten. Herrliche Soli fĂŒr das Cello, die Konzertmeisterin an der Violine, das Englischhorn, delikate Kombinationen der  Flöten mit den Harfen. Herausragend die Horngruppe, die Trompeten, die Posaunen, die Basstuba, das Schlagzeug, sie alle haben viel zu tun und zu zeigen.  Mit sicht- und hörbarem Enthusiasmus wird hier 35 Minuten lang das Musical- und Filmmusikgenre mit schönem Klang „geadelt“ – und das wirkt keine Sekunde schmalzig oder kitschig. Man ist ĂŒberzeugt, den jungen Musikern wird dann auch Klangsinnlichkeit bei Berlioz, Mahler, Richard Strauss, Schostakowitsch, Gershwin, 
 gelingen und Spaß machen! 

Schon die OuvertĂŒre zu Candide von Leonard Bernstein hatte Drive, Schwung, Witz –  und irgendwie verschwimmt auch hier auf geniale Weise das E-Musik-hafte mit Unterhaltungsmusik vom Allerfeinsten. Und es wurde mustergĂŒltig, blitzsauber musiziert.  

Der Dirigent des Festkonzertes 2019 ist diesmal Richard Böhm. Wenn man sich diese musikalische Vita ansieht: Ein „Rundum“- KĂŒnstler, ein Alleskönner von geistlicher Musik, Chorleitung, Liedbegleitung, Korrepetition  bis hin zum Musical (Masterclass fĂŒr Musical im Londoner Westend ). Er leitete den Abend mit in sich ruhender  SouverĂ€nitĂ€t, Sicherheit ausstrahlend.

Carl Orffs  Geniestreich aus dem Jahr 1937, „Carmina Burana“, ist natĂŒrlich ein ideales StĂŒck fĂŒr jugendliche musikalische „Überflieger“. Hat man durch vielleicht zu viele AuffĂŒhrungen des Werks in den letzten Jahrzehnten mitunter das GefĂŒhl bekommen, die „Cantiones profanae cantoribus 
“ aus Benediktbeuern hĂ€tten sich fast schon totgespielt (das mag aber einer Routine im schlechten Sinne und sehr „gesetzten“ AuffĂŒhrungen erwachsener Profis geschuldet sein): Wenn es  s o  jugendlich-authentisch rĂŒberkommt, s o mitreißend,  s o  packend, dann ist begeisterter Jubel eines hingerissenen Publikums garantiert.  

Was die wunderbaren MusikpĂ€dagog/innen da immer wieder hinkriegen – es ist seit dem Jahrzehnt, in dem ich als Beobachter dabei bin, von gleichbleibend erstklassiger HomogenitĂ€t, als wĂŒrden da Chöre und das Orchester seit vielen Jahren „zusammengewachsen“ sein. Jedoch, es sind immer wieder neu nachrĂŒckende SĂ€nger/innen und Orchestermitglieder. Man mag die „Carmina Burana“ fast nicht mehr von Erwachsenenchören hören, so absolut  passend ist das Klangbild, das da gezaubert wird.  Man glaubt den jungen MĂ€dchen, wenn sie etwa bei „Chramer, gip die varwe mir“ eine perfekte Mischung aus Unschuld und Erotik umsetzen oder den Burschen, wenn sie sich beim (ersten?) liederlichen Leben  („In taberna
“)  in doppeltem Wortsinn „in einen Rausch singen“. Poesie pur mit hellen, natĂŒrlichen Stimmen kam vom Unterstufenchor beim „Amor volat undique“. Das Orchester kann es mit dieser Leistung durchaus mit renommierten Profiorchestern aufnehmen! Einstudierung: Monika Arbeiter-Salzer, Monika Feninger, Roman Hauser, Johannes Kerschner, Georg Kugi, Elisabeth Lampl, Andreas Pixner, Thomas Reuter. Ihnen allen großes Kompliment!

Schließlich die 3 Solist/innen, allesamt vom „WĂ€hringer GĂŒrtel“: Sie rundeten den stĂŒrmisch gefeierten Abend mit ausgezeichneten Leistungen höchst animiert ab: Die Einspringerin Elisabeth Schwarz mit himmlischen Sopranhöhen beim „Dulcissime“, der Volksopernbariton Marco di Sapia lief mit Fortdauer des Abends zur Hochform auf und Drew Sarich, der Musicalstar der Wiener Volksoper (und in diesem Fall auch Vater von mitwirkenden Jugendlichen) sang den gebratenen Schwan mit exzentrischer Tenor-Komik, wie man es wohl kaum noch gehört hat. 

Der helle Jubel brachte die Karyatiden im Musikverein beinahe zum Wackeln. Das mit dem FlĂŒgel-Verleihen: Es möge fĂŒr alle in der Neustiftgasse mit der gleichen Begeisterung weiter gelingen!

Karl Masek 

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ZÜRICH: LUCIA DI LAMMERMOOR. Derniere

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ZÜRICH: Premiere: LUCIA DI LAMMERMOOR 14.09.2008, besuchte 6. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 22.02.2019) am 19.3.2019

Nello Santi macht nicht Musik, er ist Musik

Nach einer Wiederaufnahme bestenfalls auf Hauptprobenniveau nun das: ein Abend, an dem alles stimmte. Zwei neue Solisten, sonst war alles gleich. Aber nun von Anfang an.

Wie eigentlich immer, wenn er in ZĂŒrich dirigiert – das tut er nun seit 60 Jahren, was, allein auf weiter Flur, die Sonntagszeitung mit einem wunderbaren Interview zu wĂŒrdigen wusste -, wurde Maestro Nello Santi begeistert vom Publikum empfangen. Es war ein krĂ€ftiger, langer Applaus. Lang war er. Mit knapp 90 Jahren kann der Weg durch den Graben dauern
 Aber dann! Der Maestro zeigt, warum er eine lebende Legende ist. NatĂŒrlich ist da seine Erscheinung
 Sein photographisches GedĂ€chtnis
 Die Erfahrung eines fast 70 Jahre wĂ€hrenden Dirigentenlebens
 Ein Markenzeichen des Maestros ist die Demut vor dem Werk, die genaueste Kenntnis der Partitur. Und an diesem Abend zeigt, er, was das genau heisst: die Oper so zu dirigieren, dass alle Beteiligten zu ungeahnten Leistungen beflĂŒgelt werden und jeder Einzelne, trotz allfĂ€lliger Defizite, brillieren kann.

Bildergebnis fĂŒr zĂŒrich lucia di lammermoor
Foto: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Da wĂ€re einmal die Philharmonia ZĂŒrich. Schon in der Wiederaufnahme hat sie hervorragend gespielt und sich nun nochmals gesteigert. Traumhaft!
Nina Minasyan sang wieder die Lucia di Lammermoor und war nur schwer wiederzuerkennen: Die Höhen waren da und nun auch eine BĂŒhnenprĂ€senz, die im Verlauf des Abends immer stĂ€rker wurde. Die Stimme bleibt eher schwer, vermochte aber je lĂ€nger je mehr zu ĂŒberzeugen. Im Zusammenspiel mit ihrem Edgardo Ismaele Jordi waren dann plötzlich auch Emotionen da: wunderbar, wie sie im 4. Bild, als Edgardo der Hochzeitsvertrag gezeigt wurde und er sie verstossen hat, versucht nochmals seine Hand zu greifen, bevor er von Enrico und Arturo zusammengeschlagen wird. Bei Jordi bleiben die fehlende Technik, schlechte Atmung und dadurch herausgepresste Phrasen, und die fehlende Höhe, aber da er viel vom Piano her gearbeitet hat und, wie man es so schön nennt, sĂ€ngerfreundlich dirigiert wurde, waren die Defizite weit weniger auffĂ€llig. Roman Burdenko gab mit grosser Stimme und guter Technik einen herben Enrico Ashton mit dem notwendigen Schuss Boshaftigkeit. Omer Kobiljak sang einen hervorragenden Arturo und Jamez McCorkle wĂ€re mit etwas weniger Vibrato ein sehr guter Normanno. Wenwei Zhang war Raimondo und grossartig bei Stimme: hier ist die Luft nach oben im Bereich der Diktion. Gemma NĂ­ Bhriain als Alisa und Ginger Nicole Wagner Die weisse Frau ergĂ€nzten das Ensemble.
Mit grosser Spielfreude aktiv war der Chor der Oper ZĂŒrich, vorbereitet von Janko Kostelic.

Die Beobachtungen sind nun berichtet, die Defizite aufgezÀhlt. Entscheidend ist aber der Gesamteindruck des Abends und der war hervorragend. Hier wurde Belcanto auf hohem Niveau geboten und es war beeindruckend, wie das Gelingen der Oper von jedem Einzelnen abhÀngt und die Beteiligten gegenseitig zu Höchstleistungen gebracht haben.

Standing Ovations am Schluss. Nicht nur, aber vor allem fĂŒr Nello Santi.

Keine weiteren AuffĂŒhrungen in der Saison 2018/2019.

Aber: GemĂ€ss Interview in der Sonntags-Zeitung ist ein Vertrag unterschrieben und Santi dirigiert 2020 den Liebestrank. Die ZĂŒrcher Opernfans wĂŒnschen ihm Gesundheit und hoffen auf ein Wiedersehn!

22.02.2019, Jan Krobot/ZĂŒrich

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WIEN / Literaturmuseum: WIEN – EINE STADT IM SPIEGEL DER LITERATUR

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WIEN / Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek im Grillparzer Haus:
WIEN – EINE STADT IM SPIEGEL DER LITERATUR
Vom 12. April 2019 bis zum 16. Februar 2020

Der kritische Blick

So richtig „schön“ war Wien nur in den Filmen der FĂŒnfziger Jahre und ist es heute noch in der Tourismus-Werbung. Dass gerade die Dichter diese Stadt kritisch hinterfragen, verwundert niemanden. Das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek hat fĂŒr die Ausstellung „Wien. Eine Stadt im Spiegel der Literatur“ jede Menge Dichtermeinungen zusammen getragen. Wien als Reibebaum der Schreibenden, die es – wenn sie nicht ohnedies hier leben – dennoch immer wieder hierher gezogen hat.

Von Renate Wagner

Raumgreifend      Man weiß, dass die Österreichische Nationalbibliothek ungewöhnlich viele Dichter-NachlĂ€sse besitzt (und schon „VorlĂ€sse“ von Lebenden kauft), also verwundert es nicht, dass man ĂŒber 300 Objekte fast ausschließlich aus eigenen BestĂ€nden zusammen tragen konnte. Auch das Bildarchiv steuerte bei, Fotos und Zeichnungen spielen fĂŒr die Wien-Reflexion eine Rolle, Filmausschnitte laufen: Die von Bernhard Fetz und Katharina Manojlovic kuratierte Ausstellung hat stellenweise Installationscharakter, umkreist ihr Thema aus vielen Blickwinkeln. Über 40 Namen sind vertreten, und es sind die ganz Großen, Doderer und die Bachmann, Bernhard und Handke, Jandl und Sperber, Spiel und Zeemann, und viele andere mehr. Jeder wird persönliche Lieblinge finden.

Kritisch und gar nicht liebevoll     Nein, wenn man sich so umsieht und „anliest“, was an Texten geboten wird – eigentlich hat keiner der Dichter, die hier zu Wort kommen, Wien gemocht, im Gegenteil: kritisch bis bösartig stehen sie der Stadt gegenĂŒber. Einen „Hymnus an den Kahlenberg“ dichtet keiner mehr. Emotional und real herrscht DĂŒsternis.

Mit der Bachmann beginnt’s       Die KĂ€rntnerin, die in Rom starb und manisch unterwegs war, ist doch in ihren jungen Jahren in Wien gelandet, hat hier gelebt, ist erwachsen und zur Schriftstellerin geworden. Dabei wollte sie – wie man aus EntwĂŒrfen zu dem sieht, was spĂ€ter als „Malina“ berĂŒhmt wurde – die Stadt auch mit dem Blick der Fremden, quasi touristisch sehen. Die Nationalbibliothek kann hier erstmals ein Originalmanuskript ausstellen, Fans werden andĂ€chtig sein. Manche, die das Thema „Stadt“ grundsĂ€tzlich in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellten, sind hier gleichfalls vertreten, wie der 2010 im Wiener Exil gestorbene Serbe Bogdan Bogdanović – die Kuratoren spannen den Bogen weit.

Erwanderte Topographie     Die einen sind „Geher“ – Thomas Bernhard, Peter Handke, nehmen wahr und schreiben nieder. Andere hören zu, auch viele Frauen – die Marzik, die Nöstlinger geben die Sprache wieder, die nicht zu den noblen Bezirken gehört. Andere wieder, die sonst auch schreiben, fotografieren – Robert Menasse warf seinen Blick in den 79er Jahren auf „G’stetten“, wie es sie in allen VorstĂ€dten gibt. Wien ist groß, wenn man es von einem Ende zum anderen ausschreitet. Man kann – manchmal blinzelnd – nachlesen, was Dichter niederschrieben. Man kann es auch ansehen.

Dreharbeiten: „Der dritte Mann“ Filmszene am Neuen Markt, dahinter sichtbar Kriegszerstörungen. Foto: Ernst Haas

Der Wien-Krimi       Den Wien-Krimi gibt es, es ehrt eine Ausstellung, dass sie nicht nur hohe Literatur berĂŒcksichtigt, sondern auch, was (viel gelesen) Autorinnen wie Edith Kneifl schreiben. Aber am spannendsten war Wien ja – und da wird es Grau in Grau pittoresk – in der Nachkriegszeit, in der Welt des „Dritten Mannes“: Da legt die Nationalbibliothek auch Graham-Greene-BĂŒcher hin, hĂ€ngt ein Filmplakat auf, bringt Fotos von den Dreharbeiten. Ja, und dann hat ja Josef Haslinger Mitte der neunziger Jahre geplant, die Besucher des Opernballs allesamt glatt umzubringen. Zu seinem „Opernball“-Roman gibt es interessantes Recherche-Material. Alles noch auf Papier – was heute fast nur noch im Computer ist.

„Vergessenshauptstadt“   Robert Schindel prĂ€gte den Begriff ĂŒber die Vertriebenen. Hilde Spiel ist aus der Emigration zurĂŒckgekehrt, nicht ohne Schauder. Frederic Morton, Amerikaner geworden und geblieben, blickt zurĂŒck. Ruth KlĂŒger tut es auch. Keiner mit SentimentalitĂ€t oder Liebe. Aber sie tun es. Ein Buch von Friedrich Heer, der auch an dieser Stadt gelitten hat, liegt am Ende. Der Titel könnte bezeichnender nicht sein: „Scheitern in Wien“. Moloch einer Stadt und ihrer Bewohner, ohne den Kaiserstadt-Glanz und Nostalgie. Dichter sind oft erstaunlich nĂŒchtern. Und begreiflich böse.

Manuskripte, Typoskripte     Die Ausstellung gibt auch einiges zu denken, nostalgisch gewiß, aber nicht ohne Berechtigung. Wenn man hier Handschriften (!) sieht, wo durchgestrichen und eingefĂŒgt wird, maschinengeschriebene Texte mit handschriftlichen Korrekturen, dann wird der dichterische Prozeß weit fĂŒhlbarer als heute, wo der Computer jede Korrektur definitiv macht und die vorangegangene Fassung (die ja auch interessant ist) tilgt. Die ganze alte Liebe zum Papier, die mancher in der digitalen Welt vergessen hat, kann man hier wieder entdecken


Literaturmuseum Wien im Grillparzer Haus
Wien – Eine Stadt im Spiegel der Literatur
Vom 12. April 2019 bis zum 16. Februar 2020
Oktober bis Mai: Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Montag geschlossen
Juni bis September: tÀglich 0 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr

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MÜNCHEN/ CuvilliĂ©stheater: MAVRA / IOLANTA – Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. Premiere

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MĂŒnchen: “Mavra/Iolanta” – Opernstudio der Bayerischen Staatsoper – CuvilliĂ©s-Theater 15.04.2019, Premiere  – Zauberhaft

Einen zauberhaften Abend beschert Regisseur Axel Ranisch mit dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper dem begeisterten Publikum mit zwei russischen Einaktern: der komischen Oper Mavra von Igor Strawinsky und der lyrischen Oper Iolante von Peter I. Tschaikowsky.

Das sind zwei Werke, wie man sie sich gegensĂ€tzlicher kaum vorstellen kann: Mavra mit ihren grob gezeichneten Charakteren, die alltĂ€gliche Probleme diskutieren – die Köchin ist gestorben, die junge Parascha jubelt ihrer strengen Mutter ihrem Geliebten Wassili in Frauenkleidern als neue Köchin unter, damit sie ungehemmt mit ihm zusammen sein kann – und das MĂ€rchen Iolanta, in dem die Liebe zum edlem Ritter VaudĂ©mont eine blinde Prinzessin wieder sehend macht. Wer nun erwartet hat, dass diese beiden Werke brav nacheinander aufgefĂŒhrt werden, hat die Rechnung ohne Ranisch gemacht: er verschrĂ€nkt beide Opern miteinander, Mavra wird zum Puppenspiel der Prinzessin, die mit Parascha und Wassili ihre geheimen WĂŒnsche und SehnsĂŒchte darstellt. Die Handlung von Iolanta fungiert als Rahmen, der immer wieder vom Puppenspiel unterbrochen wird. Am Ende fĂŒhren die Puppen die Menschen: denn bei Ranisch wird Iolanta nicht wirklich sehend, sondern spielt das nur vor, um ihren Ritter vor dem Tode zu retten. Der merkt das als einziger und blendet sich selbst. Parascha und Wassili setzen am Ende den beiden ihre Puppenköpfe auf und machen sie so sehend. Zwei glĂŒckliche Paare entliehen zu Strawinskys jazzhaften KlĂ€ngen in die Freiheit.


Iolanta (Mirjam Mesak ) sitzt in ihrem goldenen KÀfig und spielt mit den Puppen Parascha (Anna El-Khashem) und Wassili (Freddie De Tommaso)         © Wilfried Hösl

Falko Herold, verantwortlich fĂŒr BĂŒhne und KostĂŒme, stellt fĂŒr Iolanta einen goldenen KĂ€fig auf die DrehbĂŒhne des CuvilliĂ©s-Theaters, innen Schlafzimmer und Garten der Prinzessin, außen Schauplatz fĂŒr das Techtelmechtel zwischen Parasha und Wassili oder Auftrittsort fĂŒr Ritter und König. Der KĂ€fig öffnet sich am Ende, wenn Iolanta sich fĂŒr sehend erklĂ€rt. Die Figuren in Mavra tragen große Puppenköpfe aus Drahtgeflecht, die die Stimmen erstaunlicherweise ĂŒberhaupt nicht behindern.

Die Solisten des Opernstudios, die im großen Haus immer nur die kleinen Rollen singen, zeigen großartige Gesangskunst und eine ĂŒberwĂ€ltigende Spielfreude. Allen voran Mirjam Mesak als Iolanta mit sĂŒĂŸem, lyrischem Sopran, in der Höhe wunderbar aufblĂŒhend. Ihr Puppen-Pendant steht ihr in nichts nach: Anna El-Khashem als Parascha hat ein etwas erdigeres Timbre, ebenfalls eine bewegliche Stimme, was fĂŒr den Strawinsky auch nötig ist, hat er der Parascha doch ziemlich komplizierte Gesangslinien geschrieben. Großartig auch Long Long als VaudĂ©mont, er klingt als sei die Partei fĂŒr ihn geschrieben, meistert mit Leichtigkeit alle Höhen, lĂ€sst edle Piani hören und kann in seine Stimme alle Emotionen des romantischen Liebhabers legen. Die Figur des anderen Liebhabers, des Husaren Wassili, ist bei Freddie De Tommaso in etwas gröberen HĂ€nden: er sing meistens eindimensional laut, was sich aber auch gut anhört.


Gleich werden die Puppenköpfe getauscht: Wassili (Freddie De Tommaso) und Parascha (Anna El-Khashem) mit Vaudémont (Long Long) und Iolanta (Mirjam Mesak)         © Wilfried Hösl

Auch die tiefen Stimmen konnten ĂŒberzeugen, vor allem der hĂŒnenhafte finnische Bass Markus Suihkonen als König RenĂ©. Samtschwarz strömt seine Stimme, auch in den höheren Passagen nie eng werdend. Das hat sich schon in der einen Zeile, die er als Herold in Otello zu singen hatte, abgezeichnet. Man darf sich auf grĂ¶ĂŸere Rollen dieses SĂ€ngers freuen!


Sieht aus wie Siegfried, singt wie König Philipp: Markus Suihkonen           © Wilfried Hösl

Noa Beinart in der Doppelrolle als Iolantas Amme und Paraschas Mutter konnte mit warm strömendem Alt ĂŒberzeugen. Natalia Kutateladze als Nachbarin in Mavra und Laura in Iolanta ließ einen schönen Mezzo hören.

Herzog Robert wurde von Boris PrĂœgl mit markantem Bariton gesungen. Oğulcan Yilmaz als arabischer Arzt Ibn-Hakia konnte da nicht ganz mithalten, sein Bariton klang etwas trocken und schwach. Caspar Singh als Almerik, Oleg Davydov als Bertrand und AnaĂŻs MejĂ­as als Brigitta vervollstĂ€ndigten das Ensemble.

Die Musikalische Leitung lag in den HĂ€nden von Alevtina Ioffe. Sie sorgte fĂŒr flotte Tempi und einen schönen, elegischen Fluss in Tschaikowsky Musik. Den Beginn der OuvertĂŒre, wenn die tiefen HolzblĂ€ser eine todtraurige, in den Harmonien an Markes Klage aus dem Tristan erinnernde Melodie spielen, kostet sie besonders schön aus. Ein bisschen mehr Piano hĂ€tte der Iolanta vielleicht noch gutgetan, das kam in der direkten Akustik des CuvilliĂ©s-theaters schon manchmal etwas zu knallig daher. Vielleicht wird an der Balance noch gearbeitet, auch bei den SĂ€ngern erschienen manche Stimmen schon zu groß fĂŒr das kleine Theater. Strawinsky hat seinen Einakter kammermusikalisch besetzt mit einer Violine, einer Flöte, zwei Klarinetten, einem Kontrabass und einem Klavier. Das wurde hier als BĂŒhnenmusik geboten, die Musiker saßen angetan mit weißen StrubbelperĂŒcken auf der BĂŒhne.

Ein sehr unterhaltsamer Abend, bei dem das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper wieder einmal seine QualitĂ€t zeigen konnte. Großer Jubel im Publikum.

 

Susanne Kittel-May

 

 

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STUTTGART/ Liederhalle/ Beethovensaal: STAATSORCHESTER-KONZERT (Sciarrino, Romitelli, Beethoven)

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STUTTGART/ Liederhalle: 5. Staatsorchesterkonzert im Beethovensaal der Liederhalle am 15.4.2019

EINE IMAGINÄRE REISE

Das Radio zieht in Salvatore Sciarrinos „Efebo con radio“ (1981) fĂŒr Stimme und Orchester einen kleinen Jungen in seinen Bann. VielfĂ€ltige KanĂ€le verursachen hier ein mysteriöses Rauschen, das die ausgezeichnete Altistin Stine Marie Fischer mit strahlkrĂ€ftigen Intervallspannungen noch befeuert. AnklĂ€nge an Ravels „La Valse“ und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ verleihen dieser Musik etwas Überirdisches und Rauschhaftes. Es vollzieht sich dabei ein effektvoller Blick auf den Klang des Italiens der FĂŒnfzigerjahre. Der 1988 in Teheran geborene Dirigent Hossein Pishkar mischt dieses trĂŒgerische Kindheitsidyll allerdings deutlich mit Visionen von Angst und totaler ÜberwĂ€ltigung. Aber auch der schwungvolle Humor kommt hier nicht zu kurz. So entsteht zwischen SĂ€ngerin und Dirigent sogar ein witziger Dialog. „Audiodrome – Dead City Radio“ nennt Fausto Romitelli sein diffiziles StĂŒck fĂŒr Orchester, das auf dem Einfall einer fiktiven RadioĂŒbertragung beruht. Hossein Pishkar stellt das Hauptthema aus der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss dabei in geheimnisvoller Weise heraus. Dieses Thema gerĂ€t dann in unheimlicher Weise in den Sog eines gewaltigen Strudels. Das Klangbild wird in raffinierter Art verzerrt und entstellt. Fremde Klangtexte und sinnentleerte Wiederholungen beherrschen das harmonische GerĂŒst bemerkenswert. Es kommt zu gewaltigen BlechblĂ€ser-Eruptionen. E-Gitarre und Synthesizer sorgen fĂŒr weitere irritierende Verfremdungseffekte. Der Klangraum weitet sich ins wahrhaft Monströse aus. 

Das Staatsorchester Stuttgart musiziert die vierte Sinfonie B-Dur op. 60 von Ludwig van Beethoven unter der inspirierenden Leitung des iranischen Dirigenten Hossein Pishkar wie aus einem Guss. Mit tatkrĂ€ftiger Energie vereint sich hier ausgelassener Schwung. Die bestechenden geistvollen Einzelheiten der thematischen Einheit blitzen klar hervor. Das zeigt sich sogleich bei der geheimnisvollen Adagio-Einleitung, aus deren erregender Spannung das Hauptthema leuchtkrĂ€ftig hervortritt. Kaum zu bĂ€ndigen ist der Übermut, mit dem sich dieses Thema bei der Wiedergabe durchsetzen kann. Aber auch besinnlichere Momente kommen bei dieser konzentrierten Interpretation keineswegs zu kurz. Der Sonatensatz behauptet sich mit ungestĂŒmer Energie und großer harmonischer Kraft. Eine Melodie voller trĂ€umerischer Vergangenheit arbeitet der umsichtige Dirigent Hossein Pishkar mit dem ausgezeichneten Staatsorchester Stuttgart geradezu visionĂ€r heraus. Die abgewandelte Umkehrung in der Klarinette blitzt brillant hervor. Zwischen Dur und Moll kann sich das Lied intensiv durchsetzen. Beim ausgelassenen Allegro vivace ist Hossein Pishkar dann ganz in seinem Element, denn dessen feuriges Kopfthema besitzt bei dieser Wiedergabe klare Konturen. Besinnlichere Töne schlagen dann die HolzblĂ€ser im Trio an. Schelmisch antworten darauf die Geigen. Und die knisternden Streicherfiguren des Finales reissen die Zuhörer hier geradezu mit. Da besitzen auch die PaukeneinsĂ€tze einen wunderbar elektrisierenden Biss und wuchtige Schlagkraft. Das alles erinnert bei dieser Wiedergabe auch etwas an Mozart. Es kommt zu zahlreichen dynamischen und harmonischen Eigenwilligkeiten und facettenreichen Überraschungen, die die spieltechnischen VorzĂŒge des Staatsorchesters Stuttgart einmal mehr beweisen. Als sich bei den Akkorden eine HĂŒrde aufbaut, stockt auch der thematische Ablauf jĂ€h. Diese strukturellen Besonderheiten der Partitur erfasst Hossein Pishkar ganz hervorragend. Bis in die Schlusstakte hinein reissen die Finten nicht ab.

Die ZauberkunststĂŒcke dieser Beethoven-Partitur aus dem Jahre 1806 ĂŒberwĂ€ltigten das Publikum im Beethovensaal. Es honorierte diese Wiedergabe mit „Bravo“-Rufen. 

Alexander Walther

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BADEN-BADEN: „PATRICIA KOPATCHINSKAJA – BERLINER PHILHARMONIKER – KIRILL PETRENKO“

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Foto: Monika Rittershaus

Baden-Baden: „PATRICIA KOPATCHINSKAJA –  BERLINER PHILHARMONIKER –

                         KIRILL PETRENKO“  –  15.04.2019

Gleich eines Paukenschlags eröffnete das Festspielhaus seine konzertanten „Osterfestspiele 2019“ mit den Berliner Philharmonikern welche ohnedies das immense Programm mit wechselnden Dirigenten bewĂ€ltigen. Am Pult waltete der designierte Chefdirigent des Orchesters Kirill Petrenko, wie man im Verlauf des Abends auf beglĂŒckende Weise erleben durfte war es sicherlich die beste Wahl der Philharmoniker diesen außergewöhnlichen Dirigenten zu ihrem Chef zu kĂŒren.

Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja war zu Gast mit dem expressiven „Violinkonzert“ von Arnold Schönberg. Wenn der Tonsetzer gar selbst die Äußerung fallen ließ, dass das Zwölftonsystem „Privatsache des Komponisten“ sei, hatte nicht als Theoretiker, sondern als Komponist gesprochen, welcher vom sich Zurechtfinden im neuen Heim seiner Musik in Anspruch genommen, sich von jedem eingehenden Verallgemeinern fernhalten wollte. Dank der inzwischen gewonnenen Zeitperspektive wird ziemlich unbefangen bemerkt: Das Zwölftonsystem ist die TonalitĂ€t selbst in einer neuen Phase ihrer Entwicklung.

Nach wie vor erscheint jedoch diese Musik nicht in allen Ohren Zutritt, ich muss gestehen mein Gehör empfand sie zwar interessant aber keineswegs schmeichelhaft. Einige empfindsame Konzertbesucher verließen wohl deshalb auch vorzeitig den Ort des Geschehens. Gewiss streichelte ich öfters den Hundekopf meines Gehstocks beruhigend, damit er nicht aufjaulte – aber nun im Ernst und Spaß beiseite, dachte ich so manchmal melodische Konzerte kann fast JEDER spielen, jedoch ein derart extrem-komplexes Werk in brillanter Formation zu prĂ€sentieren, das ist die absolute hohe Kunst.

Mit welcher Emphase, fein filigraner Spieltechnik eröffnete Patricia Kopatchinskaja die ersten Takte des Sonatensatzes des poco allegro, die Expositionen der Reihe verschiedenartiger Tonika-Wiederholungen. Ob im folgenden Andante oder dem weitlĂ€ufigen finalen Allegro zur höchst virtuosen Kadenz, welche in ungeheuer komplexem Tonansatz erklang, die extravagante und charismatische KĂŒnstlerin verstand es zu fesseln nicht nur zu barfĂŒĂŸigen SprĂŒngen, rhythmisch-grazilen Bewegungen oder energischem Stampfen und mimischer Pointierung. Nein vielmehr verstand es die exzellente Geigerin mit eruptiven Tönen, die expressiven Strukturen, die ungewöhnliche Fraktur dieser Komposition experimentell in brillanter, tontechnischer Variation und bestechender Akkuratesse auszuloten.

Derart konstruktive Freisetzung von Zwölftonreihen im Mikrokosmos heftigster Energien fand auch im in den Reihen der Berliner Philharmoniker unter der famosen umsichtigen Leitung von Kirill Petrenko eindrucksvollen Wiederhall und vortreffliche instrumentale Begleitung.

Die publikumswirksame Resonanz bedankte die gefeierte KĂŒnstlerin, inzwischen wieder in die Schuhe geschlĂŒpft unterstĂŒtzt vom Klarinettisten Andreas Ottensamer mit dem kurzen musikalischen Spaß Jeu aus der „Suite op. 157b“ (Darius Milhaud).

Nach der Pause erlebte ich einen meiner Komponisten-Favoriten Peter I. Tschaikowsky völlig neu und wĂ€hnte die „FĂŒnfte Symphonie“ nach unzĂ€hligen Malen wĂ€hrend der letzten Jahrzehnte „erstmals“ zu hören! Wie in der Vierten liegt auch in der emotionsreichen FĂŒnften der poetische Grundgedanke des Schicksals zugrunde, dessen pathetische Expressionen, welche das Werk eröffnen und von Tschaikowsky selbst als Motiv der vollstĂ€ndigen Beugung vor dem Schicksal gedeutet wurde und in allen vier SĂ€tzen ausdrucksstark wiederkehren.

Leise, versonnen, wie aus einer anderen Welt empor getragen ließ Kirill Petrenko das motivische Thema des Andante – Allegro con anima von den Klarinetten in tiefer Lage angestimmt erklingen. Der versierte Dirigent nahm dem Satz in sensibler Artikulation die sonst gewohnte Schwere, ließ schier anmutig aufspielen und steigerte sich allmĂ€hlich mit dem prĂ€chtig aufblĂŒhend musizierenden Berliner Eliteorchester in jene bedeutungsvollen Strukturen schwerblĂŒtiger KlangfĂŒlle.

Sehnsuchtsvoll, elegisch zum Weinen schön erhob sich das traumverlorene Horn-Solo welches das romantische Andante cantabile einleitete. Die Violinen schwelgten, die HolzblĂ€ser formierten sich tonschön zur intensiven Entwicklung, schemenhaft steigerten sich nach und nach die Seitenthemen zum Tutti  um im Fortissimo regelrecht zu explodieren. Petrenko beleuchtete formell weiche Konturen, nahm den EcksĂ€tzen die sonst verwendeten SchĂ€rfen, setzte zwar zielstrebig Kontraste, kehrte jedoch immer wieder zu beruhigendem Intonieren zurĂŒck und im ĂŒberwĂ€ltigen Pianissimo klang der Satz aus.

PrÀgend animierte der Klangzauberer sein qualifiziertes Orchester im Allegro moderato zur choralartigen Einleitung der tiefen Streicher im Wechselspiel der Oboen, Celli und Violinen steigerte sich zu pastoraler IntensitÀt und entwickelte sich drÀngend zur dramatisch hereinbrechenden Introduktion. Transparent, virtuos, kapriziös erklang die Valse-Melodie des Ecksatzes.

In beschwörender Hymne eröffnete wiederum das Schicksalsmotiv das finale Andante maestoso, in wogenden Triolen repetieren sich Sequenzen, drĂ€ngend erhob sich der Streichersatz. Drohend erklang der stampfende Marsch, die HolzblĂ€ser appellierten das Seitenthema, in spannender voranstĂŒrmender Entwicklung entfalteten die Blechfraktionen in akkurat geschmetterten LĂ€ufen den Ruf des Schicksals, der komplexe Apparat schien in unbĂ€ndiger Wildheit zu bersten und strebte in höchst prĂ€ziser Interpretation, in einem an Brillanz unĂŒbertroffenen glanzvollen Trompetenwirbel seinem Finale entgegen.

In einem Aufschrei aus hunderten von Kehlen, BravostĂŒrmen und in ĂŒberschĂ€umender Begeisterung feierte das Publikum den Maestro und die Berliner GĂ€ste.

Wie schon so oft nach derart nachhaltigen Konzert-Events dachte ich so bei mir: dafĂŒr gebe ich gut und gerne jede Menge halbherziger Opern-AuffĂŒhrungen hin.

Gerhard Hoffmann

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BADEN-BADEN/ Osterfestspiele/ Festspielhaus: OTELLO

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Foto: Lucie Jansch

Giuseppe Verdis „Otello“ am 16. April 2019 im Festspielhaus/BADEN-BADEN

MAGIE UND KNAPPE FORM

 Der Sturm nimmt bei dieser minimalistischen Inszenierung von Robert Wilson einen sehr breiten Raum ein. Man sieht hinter geheimnisvollen VorhĂ€ngen einen riesigen sterbenden Elefanten (Video: Tomasz Jeziorski). Es ist ein Synonym fĂŒr den mĂ€chtigen afrikanischen Feldherrn Otello, der zu Beginn von Verdis Oper „Otello“ auf der Insel Zypern vom Volk beobachtet wird, wie er als venezianischer Gouverneur nach seinem Sieg ĂŒber die tĂŒrkische Flotte gegen einen gewaltigen Sturm ankĂ€mpft. Robert Wilson taucht die BĂŒhne hier in blau-magische Bilder, die zwischen unheimlichen NebelbĂ€nken immer wieder schemenhaft aufleuchten. Dazwischen sieht man auch elektrisierende Blitze. All dies wird der knappen Kompositionsform Verdis durchaus gerecht. Nach dem Sturm schwören sich Desdemona und Otello ihre gegenseitige Liebe. Doch Jago ist auch hier von Anfang an ein dĂ€monischer Störenfried, der in seinem nihilistischen „Credo“ die NichtswĂŒrdigkeit des Menschen beschwört. Er redet dem unter krankhafter Eifersucht leidenden Otello ein, dass seine Frau Desdemona ihn mit Cassio betrogen habe. Dabei verwandelt sich immer wieder die SĂ€ulenhalle mit ihren historischen venezianischen Motiven (Co-Regie: Nicola Panzer; Co-BĂŒhnenbild: Serge von Arx; Co-Lichtdesign: Solomon Weisbard). Auch die KostĂŒme von Jacques Reynaud und Davide Boni unterstreichen den unnahbaren Charakter der einzelnen Figuren, was von Manuela Halligans Haar- und Make-up Design noch intensiviert wird. Der am Horizont zu sehende Mond fĂ€rbt sich blutrot und dann wieder schwarz, einzelne Teile der SĂ€ulenhalle fliegen plötzlich unvermittelt im Raum herum. Stark ist die Szene in Desdemonas Gemach im vierten und letzten Akt. Da wölbt sich in fast gespenstischer Weise ein riesiger Vorhang im Hintergrund, denn es weht bei dieser Szene ein seltsamer und tödlicher Wind. Man sieht Otello, der aus dem Hintergrund heranschleicht und der erwachenden Desdemona eröffnet, dass er sie töten werde. Sie liegt auf einer Art Schrein – zunĂ€chst ganz im Gebet versunken. Doch auch spĂ€ter bleiben die Emotionen eher spĂ€rlich. Der Mord an Desdemona wird nur zaghaft angedeutet. Auch der anschließende Selbstmord des verzweifelten Otello zeigt sich in schemenhaften Hinweisen. Eine starke Position bekommt jedoch Emilia, die die Machenschaften ihres intriganten Gatten Jago lĂŒckenlos aufdeckt.

NatĂŒrlich vermisst man in dieser Inszenierung von Robert Wilson zuweilen die psychologische PersonenfĂŒhrung und die Emotionen der Protagonisten untereinander. Immerhin haben wir es hier mit einem Drama von William Shakespeare zu tun, fĂŒr das Arrigo Boito ein fesselndes Libretto geschrieben hat. Doch Magie und knappe Form entschĂ€digen den Zuschauer bei dieser ungewöhnlichen Inszenierung immer wieder. Ein weiterer positiver Aspekt sind die Berliner Philharmoniker unter der souverĂ€nen Leitung von Zubin Mehta, der das Meisterwerk betont langsam dirigiert. DafĂŒr blĂŒhen die unvergleichlichen Schönheiten der Partitur aber voll auf, was auch den SĂ€ngerinnen und SĂ€ngern zugute kommt. Die Idealform der durchkomponierten Oper kommt hier nicht zu kurz. Der vergeistigte Charakter der harmonischen Struktur erhĂ€lt so neue Akzente. Zwischen den vielen strukturellen Gliederungen besteht bei Zubin Mehta durchaus ein Band des inneren Zusammenhalts. Deklamation und Arioso verschmelzen bei den einzelnen gesanglichen Leistungen in dieser Vorstellung problemlos. Luxuriös und makellos klingt die opulente Besetzung der tiefen BlĂ€ser bei den Jago- und Otello-Sequenzen. Und auch die Streicher erstrahlen bei Desdemonas Auftritten mit ĂŒberirdisch-sphĂ€renhafter Leuchtkraft. Und die Wucht von Otellos „Liebestod“ besitzt eine unmittelbare Klarheit und Leuchtkraft.


Stuart Skelton, Sonya Yoncheva. Foto: Lucie Jansch

Trotz mancher IntonationstrĂŒbung gelingt es dem Tenor Stuart Skelton als Otello, die ungeheure Strahlkraft seiner Partie in den Spitzentönen zu beschwören. Noch ĂŒberzeugender ist Sonya Yoncheva als Desdemona, die die bewegenden Klangfarben ihrer Rolle vor allem bei der Sterbeszene fesselnd herausarbeitet. Vladimir Stoyanov kann als Jago die DĂ€monie seiner Rolle gut beschwören, wĂ€hrend Anna Malavasi mit ihrem robusten Mezzosopran die ungeheure Verzweiflung seiner Frau packend verdeutlicht. Auch Francesco Demuro ist ein eindrucksvoller Cassio, der den VorwĂŒrfen aber weitgehend machtlos  gegenĂŒbersteht.

In weiteren Rollen ĂŒberzeugen Gregory Bonfatti als Rodrigo, Federico Sacchi als Lodovico, Giovanni Furlanetto als Montano und Mathias Tönges als Herold.


Sonya Yoncheva, Stuart Skelton. Foto: Lucie Jansch

Zubin Mehta hebt als Dirigent die Gesangslinien der einzelnen Partien sensibel hervor, die Berliner Philharmoniker sind hier immer ein hilfreicher Begleiter. Die KlangflĂ€chen besitzen etwas Durchsichtiges und Übersinnliches. Auch der gewaltige Beginn der Sturmmusik mit den Tönen C-Cis-D beschwört bei dieser Wiedergabe eine unmissverstĂ€ndliche Klarheit, die den spĂ€teren tiefen Fall des Titelhelden irgendwie schon unsichtbar andeutet. Der Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh) sowie der Kinderchor des PĂ€dagogiums Baden-Baden (Einstudierung: Uwe Serr und Anja Schlenker-Rapke) bieten eine voluminöse Leistung mit imponierender Intonationskraft. Als Desdemona den Namen „Cassio“ ausspricht, brechen die Erinnerungen des Chores deutlich ab. Otellos Seele wird wieder vollkommen bezaubert, was Stuart Skelton ĂŒberzeugend betont. Die modalen Wendungen und der aus Terzen aufgebaute Akkord im Sturm und im Flammenchor werden von Zubin Mehta geradezu genĂŒsslich ausgekostet, die Berliner Philharmoniker folgen ihm hier in allen Details. Parallele Akkorde unterstreichen die „Eifersuchts“-Passagen sehr prĂ€zise. Vor allem die harmonische Entwicklung erhĂ€lt hier immer wieder einen unaufhaltsamen Fluss, der die SĂ€nger trotz der langsamen Tempi ungemein beflĂŒgelt. Dies zeigt sich ebenso in der BĂŒndelung der dissonanten Sturmmotive in einer a-Moll-Melodie. Sonya Yoncheva vermag ihrer schmelzenden Kadenz im Zusammenhang mit Cassio ungewöhnlichen Farbenreichtum zu verleihen. Auch die fallenden Nonen der vier gedĂ€mpften Celli vor dem Liebesduett und das Kussmotiv im Orchester besitzen minuziöse PrĂ€zision. Zubin Mehta seziert Verdis Partitur bei vielen Passagen, entschlĂŒsselt geheimnisvolle Tonsymbole neu und entlockt dieser Musik zwischen fragenden SpaltklĂ€ngen ungewöhnliche Antworten.

Das Publikum im Festspielhaus feierte vor allem den Dirigenten und die SĂ€nger mit „Bravo“-Rufen und BeifallsstĂŒrmen.

Alexander Walther     

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WIEN/ Staatsoper: TURANDOT

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WIENER STAATSOPER: „TURANDOT“ am 16.4.2019

 Marco Arturo Marelli war in den letzten Jahren so was wie der Hausregisseur, wurde auch Ehrenmitglied der Staatsoper. Nun, an dieser Produktion wird es sicherlich nicht gelegen haben. Die quasi Übernahme von den Bregenzer Festspielen wurde auf die GrĂ¶ĂŸe der Staatsoper zusammengestutzt – dies ist zwar gelungen, allerdings inszenierte Marelli oft gegen das Libretto, was wirklich sehr Ă€rgerlich ist.

Beispiele gefĂ€llig? Turandot wird vom Chor als eine in weiß gekleidete Prinzessin geschildert. Hier tritt sie abwechselnd in blau, rot und schwarz aus. Weiß ist in fernöstlichen Kulturen die Farbe des Todes – da haben sich die Librettisten sicherlich was dabei gedacht! Calaf tritt wiederum in weiß auf


Im dritten Akt sitzt Calaf gefesselt auf einem Bett wĂ€hrend Turandot singt, dass er sie nicht berĂŒhren soll
 Das mach ĂŒberhaupt keinen Sinn.

Weiters fĂ€llt auf, dass Liu vor der Pause eine Art Hose anhat, danach allerdings in einem Kleid auftritt (mit den Zöpfen wirkt sie dann wie eine Version der Dorothy aus „Wizard of Oz“).


 und braucht man wirklich Figuren, die im Libretto nicht vorkommen – wie zum Beispiel den weißen Clown (ĂŒbrigens sehr gut dargestellt von Josef Borbely) ?

Aber nun genug ĂŒber die Produktion gemotzt – kommen wir zum musikalischen Teil des Abends. Domingo Hindoyan stammt aus Venezuela. Sein Werdegang fĂŒhrte ihn ĂŒber die Schweiz nach Deutschland, wo er Assistent bei Daniel Barenboim war. An diesem Abend schien es, als ob Hindoyan nur eine einzige LautstĂ€rke kennt – Fortissimo. Er zwang dadurch alle SĂ€nger zum Forcieren – was besonders bei den lyrischeren Stellen (ja, die gibt es in diesem Werk auch) enorm störte.

Als Turandot war Anna Smirnova zu hören – warum sie, die eine ausgezeichnete Mezzosopranistin ist, ins dramatische Sopranfach wechselt, bleibt wahrscheinlich ihr Geheimnis. WĂ€hrend sie naturgemĂ€ĂŸ in den tieferen Registern keine Probleme hatte, tremolierte sie in der Höhe – allerdings in einem noch ertrĂ€glichen Ausmaß. Die Frage ist halt, wer (neben Nina Stemme) heutzutage diese Rolle ĂŒberzeugend bewĂ€ltigen kann. Eine neue Birgit Nilsson ist leider weit und breit nicht in Sicht.

Alfred Kim verkörperte den tatarischen Prinzen. Sein Timbre ist nichts Besonderes, allerdings hat er die Kraft, ĂŒber drei Akte hinweg ĂŒber das Orchester hinweg zu singen – was bei der oben angesprochenen LautstĂ€rke eine Kunst war. Er begann etwas verhalten und wirkte bei den tieferen Tönen viel angestrengter als in der Höhe. „Nessun Dorma“ klang als wie von zwei verschiedenen SĂ€ngern interpretiert – wĂ€hrend er beim ersten Teil der Arie verkrampft wirkte, konnte er zum Schluss mit klaren Spitzentönen ĂŒberzeugen. Was an diesem Abend angenehm war – die Vorstellung wurde danach nicht durch Applaus unterbrochen!

Überzeugend an diesem Abend war Dinara Alieva in der Rolle der Liu. Die – meiner Meinung nach – einzige SympathietrĂ€gerin der ganzen Oper wurde von Alieva ausdrucksvoll dargestellt. Das Timbre ist zwar nicht so mĂ€dchenhaft, wie man es sich vielleicht wĂŒnschen kann, sie trotzte aber auch erfolgreich den vom Dirigenten herbeigeschworenen Klangmassen des Orchesters.

Samuel Hasselhorn, Carlos Osuna und Leonardo Navarro waren sehr gute und spielfreudige Minister, Paolo Rumetz ein Mandarin, der nicht weiters auffiel. Ich kann mich vielleicht irren, aber begeht im Originallibretto Timur Selbstmord? Nicht nur, dass er im letzten Akt plötzlich sehen kann (vielleicht eine Spontanheilung, nachdem sein Sohn die drei Fragen erfolgreich beantworten konnte?) und den Dolch, mit dem sich Liu entleibte, von Boden aufhob, schnitt sich der wie immer sehr verlÀssliche Dan Paul Dumitrescu beim Abgehen noch die Pulsadern auf.

Apropos Dolch uns Liu-Selbstmord. Da dĂŒrfte ein kleines Hoppala passiert sein. Ich nehme mal an, dass der Farbbeutel fĂŒr das Blut schon frĂŒher geplatzt war und so musste die Liu schon ihre Schlussarie mit blutendem Herzen singen. Konsequenterweise hat sie sich dann den Dolch in den Unterleib gerammt und war sofort tot.

Benedikt Kobel als Altoum sah nicht nur sehr gebrechlich aus, er klang auch so. Ob gewollt oder ungewollt – wer kann das schon sagen?

Die Leistung der beiden MĂ€gde Younghee Ko und Irena Krsteska war tadellos.

Beim Schlussapplaus erhielt Dinara Alieva die grĂ¶ĂŸte Zustimmung, gefolgt von Alfred Kim und Anna Smirnova. Es war insgesamt ein solider Repertoireabend, der aber durch diverse RegieeinfĂ€lle getrĂŒbt war.

Vor der Pause war der Stehplatz voll, nach der Pause nur noch zur HĂ€lfe – das sieht man leider immer wieder und ist schade. Insofern ist es gut, dass ab nĂ€chster Saison die Preise fĂŒr die StehplĂ€tze angehoben werden. Heutzutage kostet eine regulĂ€re FĂŒhrung durch die Staatsoper fĂŒr Erwachsene 9 Euro, fĂŒr Studenten 4 Euro. Da ist eine Stehplatzkarte fĂŒr Balkon und Galerie billiger, man sieht die RĂ€ume der Oper und nimmt quasi im VorĂŒbergehen auch noch einen Akt einer AuffĂŒhrung mit


Kurt Vlach

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WIEN/Theater an der Wien: „ORLANDO“, diesmal von Georg Friedrich HĂ€ndel

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Foto: Monika Rittershaus

WIEN/Theater an der Wien: „ORLANDO“, diesmal von Georg Friedrich HĂ€ndel

Rasender Roland, ein irrer Stalker

16.4. 2019 – Karl Masek

Wo Claus Guth draufsteht, ist Claus Guth drin. Klar, dass im Falle „Orlando“ nicht der Ritter Roland, Krieger aus dem Heer Karls des Großen, gezeigt wird. Klar, dass da nicht das Epos, wie es Librettist Ludovico Ariostokreiert hatte, vom Blatt gespielt wird. Klar, dass hier mit dem speziellen und mittlerweile altbekannten szenischen Vokabular, das dem zweifachen Faust-PreistrĂ€ger, Philosophen, Germanisten und Theaterwissenschaftler eigen ist, operiert wird: Die Geschichte wird in die Gegenwart verlegt und geografisch aus dem SĂŒden Europas (Spanien) in eine noch sĂŒdlichere Gegend Lateinamerikas (Mexiko?) „verortet“, wie das dann immer so schön heißt. Figuren werden hinzu erfunden (5 Statist/innen bekommen mehr zu tun als ĂŒblich), mit Doubles wird gearbeitet.  Ein besonderer DejĂĄ-vĂč-Effekt bei Claus Guth, der schon reichlich Patina angesetzt hat in all den Jahren seines regielichen Wirkens.

Nun denn: Orlando, von Kriegserlebnissen schwer traumatisiert, zieht sich in sein frĂŒheres Leben zurĂŒck. Er ist nicht mehr „kompatibel mit der normalen Welt, hat seine moralischen Proportionen verloren“, wie sich der Regisseur im Programmheft ausdrĂŒckt. Die besitzergreifende Liebe zu Angelica ist erstrebenswerter als ein zweifelhafter (Nach)ruhm eines Kriegshelden, der womöglich  sein Leben hergegeben hat. Diese Angelica ist aber mittlerweile dem jungen Medoro zugetan. Und auch eine gewisse Dorinda gibt es, die ihrerseits Medoro liebt. Zoroastro ist nach Guths Willen kein „Zauberer“, sondern eine Figur, dieerfolglos versucht, Orlando wieder fĂŒr den Dienst mit der Waffe zu gewinnen. Dazu wechselt er einen Abend lang stĂ€ndig Rolle und Outfit, ist einmal korrekter, knochentrockener „BĂŒrokrat“, dann wieder ein schmuddeliger, stĂ€ndig sternhagelvoller Obdachloser.

Ausgangslage also fĂŒr eine Story mit den ĂŒblichen Konflikten, Verwicklungen, Liebeswirrnissen, krankhafter, tobender Eifersucht (die „Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft“!) und der gewissen barocken „UmstĂ€ndlichkeit“ des ausufernden ErzĂ€hlens. Orlando ist nicht rasender Roland, sondern irrer Stalker mit (Selbst)zerstörungstendenz, letztlich willens, sich selbst und alle(s) abzufackeln.

Ausstatter Christian Schmidt stellt eine hĂ€ssliche, heruntergekommene, seltsam monumentale Betonkonstruktion auf die BĂŒhne. Ein Wohnbereich wie ein lĂ€ngst nicht mehr bewohntes Plattenbau-Appartmenthaus.  Bar jeder Einrichtung ist dieses Obergeschoss. Darunter eine Garage. Eine Limousine, die trotz aller BemĂŒhungen nicht reparabel scheint.. An der Wand steht: „PROHIBIDO FUMAR“ – es wird allerdings tĂŒchtig geraucht und gezĂŒndelt an diesem Abend! Die DrehbĂŒhne ermöglicht BlickfĂ€nge zu einer Imbissbude, welche die junge Dorinda betreibt. „SchĂ€ferin“ – das war frĂŒher! Dorthin kommt auch ein Kunde, derrein optisch an die „Alltagsgeschichten“ der Toni Spira erinnert. Dann wieder ein offenes Stiegenhaus, indem sich waghalsige Verfolgungsjagden und Kletterpartien abspielen, wenn sich das Geschehen mehr und mehr zuspitzt. An der Bushaltestelle wiederum kommen die verlorenen Seelen zusammen. „THAT’S LIVE“ ist hier zu lesen. Eine Bierwerbung. Vergeblich schaut Dorinda beim Fahrplan nach, wann denn der nĂ€chste Bus (nach nirgendwo?) kommt. Der Obdachlose bietet der Traurigen Bier aus der Dose an 


Guth will – wie ĂŒblich – die Geschichte anders, sprich: heutig, erzĂ€hlen, dem heutigen Publikum nĂ€herbringen, er erklĂ€rt uns die (Opern)welt, wozu es natĂŒrlich „heutige“ Menschen mit „heutigen“ Emotionen braucht. Orlando ist ein Macho, der gewohnt ist, dass ihm gehört, was er erkĂ€mpft hat. Angelica irrlichtert zwischen den beiden MĂ€nnern hin und her, bringt Orlando zum Wahnsinn, setzt sich ĂŒber das AufklĂ€rungs-Ideal „Vernunft ĂŒber alles“ konsequent hinweg, ist den horizontalen Freuden und der PromiskuitĂ€t nicht abgeneigt, krallt sich den Automechaniker Medoro, auch in Erwartung einer Liebesreise mit dem Luxusschlitten. Koffer (!) sind schon bereit. Die einfach gestrickte WĂŒrstelstandbesitzerinDorinda scheint bis zum lietofinebei Medorokeinen Meter zu machen. Bis die nach dem WĂŒten Orlandos totgeglaubte Angelica diesem wieder erscheint, auch alle anderen Gestalten erscheinen wieder – und sich schließlich alles zum Guten wendet. „Die RealitĂ€ten driften auseinander und setzen sich neu zusammen“, heißt es lakonisch in der Inhaltsangabe des Programmhefts. Und man kann als Publikum die Beziehungs-Puzzleteile neu zusammensetzen 


Höchste Zeit fĂŒr die Musik! „Orlando“, 1733 entstanden, scheint nach dem Höreindruck des 1. Aktes ein etwas schwĂ€cheres StĂŒck des großen Hallensers zu sein. Da gibt es doch ziemliche LĂ€ngen,  mit dem subjektiven GefĂŒhl verbunden: Nach einer Stunde hab ich auf die Uhr geschaut, und es sind 20 Minuten vergangen. Somit ist eine Inszenierung, in der sich „etwas tut“, sehr willkommen! Und derlei reichert Guth mit gekonnter PersonenfĂŒhrung natĂŒrlich an.  Licht (Bernd Purkrabek) und Videozuspielungen (rocafilm) inbegriffen.

Trumpf-As des Abends war freilich das Orchester Il GiardinoArmonico. Ihm hörte man mit nie erlahmender Aufmerksamkeit, ja mit steigender Begeisterung, zu. Das klang „mit der wilden Frische von Limonen“,  angesichts der dramatischen Steigerungen, da grollte das Orchester auch schon mal mit gefĂ€hrlich klingendem Bass-Fundament, aber auch sanfte Farben kamen, wenn sich die Protagonist/innen in ihren GefĂŒhlen verlieren. Giovanni Antoniniwar der Animator am Pult, der auch selbst zur Blockflöte griff wenn es galt, besonders schöne und sinnliche Klangfarben zu malen!

Christophe Dumauxwar der atemberaubende, tobende Stalker. Staunenswert, was heutige OpernsĂ€nger/innen heute mit ihrer Körperbeherrschung und offensichtlichem Hochleistungssport alles leisten!  Dumaux ist SĂ€nger, Darsteller, Stuntman. Das alles mit einer Counterstimme, die bisher ungeahnte, virtuose Registerwechsel mit grĂ¶ĂŸter SelbstverstĂ€ndlichkeit und MĂŒhelosigkeit hörbar macht.

Anna Prohaska als weibliches Objekt der Begierde, Angelica: Respekt fĂŒr ihre sing-darstellerische Leistung! Sie hat glaubhafte BĂŒhnenprĂ€senz, somit das Potenzial, gleich 2 MĂ€nner um den Verstand zu bringen. Rein sĂ€ngerisch bewegte sie sich allerdings einen Abend lang am Limit.

Am besten gefiel mir die junge, aufstrebende italienische Sopranistin Giulia Semenzato. Sie verlieh ihrer Figur erdige HemdsĂ€rmeligkeit, sang die Rolle mit mĂ€dchenhaft naiver Unschuld, aber auch mit resoluter SchĂ€rfe (die unfehlbare Intonation nahm zusĂ€tzlich fĂŒr sie ein!).

Der zweite Counter, Raffaele Pe, bewĂ€hrte sich als Liebhaber mit schöner Figur, als Automechaniker, der mit Wagenheber und Werkzeugkasten authentisch umzugehen verstand, aber auch mit hĂŒbscher Stimme, die allerdings ob der körperlichen Anstrengungen mitunter auf der Suche nach der richtigen Tonhöhe schien.

Ja, und der angebliche Zauberer Zaroastro: Florian Boesch – er war schon im Vorjahr ein  toller „Saul“ in Guths Lesart – holte sich als Sandler Zoroastro mit einer virtuos besoffen geröhrten Arie den ersten Szenenapplaus des Abends. Er musste monatelang in der Szene studiert haben, so perfekt bis ins kleinste Detail der Körpersprache spielte er einen, der auf  ParkbĂ€nken ĂŒbernachtet. Ob es mit HĂ€ndels Oper  „kompatibel“ ist? Einige gerĂŒmpfte Nasen im Publikum wollten das nicht unbedingt beglaubigen!

Allerdings, nach 200 Minuten „Orlando“:  UngetrĂŒbte Zustimmung des Publikums bei dieser 1. Reprise,  Akklamation, Jubel.

Karl Masek

 

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WIEN / Theater an der Wien: ORLANDO

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Fotos: Monika Rittershaus

WIEN / Theater an der Wien:
ORLANDO von Georg Friedrich HĂ€ndel
Premiere: 14. April 2019,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 16. April 2019

Orlando liebt Angelica. Diese ihrerseits liebt Medoro. Und diesem hat auch Dorinda ihre GefĂŒhle zugewendet. Man hat also ein Quartett, wo ausgerechnet der Titelheld – das ist natĂŒrlich „Orlando“ in der Oper von Georg Friedrich HĂ€ndel aus dem Jahr 1733 – in Sachen Liebe gar nichts abbekommt. Das ist gegen jede Opernregel, aber folglich ist es wirklich kein Wunder, dass er – wie’s in allen Vorlagen steht – „furioso“ wird. Befrieden kann seinen Ausbruch aus Zorn, Wut und Frustration, wo er allerlei in StĂŒcke zerlegt. den Rivalen  und die ihn VerschmĂ€hende umbringt, nur der Zauberer Zoroastro, dessen Wunsch es auch ist, Orlando endlich wieder zu dem zu machen, was er von Berufs wegen sein soll: ein Krieger. Die Oper hindurch jammert er ja nur hinter seinen GefĂŒhlen her


Dabei hat HĂ€ndel viele Rezitative auch vom Orchester begleiten lassen, was damals ungewöhnlich war, schrieb einige Virtuosenarien, aber auch viel gedehnt Lyrisches, und krönt das seltsame Happyend (die Toten erstehen auf, Orlando verzichtet auf die Liebe und wird wohl wieder das Schwert fĂŒhren) mit einer musikalisch schlechtweg prachtvollen Ensembleszene.

Dennoch ist die ganze Oper, verglichen mit den berĂŒhmten HĂ€ndel-Werken, inhaltlich eigentlich dĂŒrftig und wiederholt ihre Motive ununterbrochen, und es verwundert nicht, dass sie eher zu seinen unbekannteren Schöpfungen zĂ€hlt. Allerdings war sie 2013 in einer popig-punkigen AuffĂŒhrung in der Kammeroper, die auch die starke Naturbezogenheit von Handlung und Arien thematisierte, besser aufgehoben als derzeit im Theater an der Wien. Da wirkt der dreieinhalbstĂŒndige Abend oft wie „viel LĂ€rm um nichts“.

Zu „Orlando“ muss man sich etwas einfallen lassen, und das ist Regisseur Claus Guth fraglos gelungen. NatĂŒrlich wollen wir keinen Ritter aus dem Heer von Karl dem Großen mehr auf der BĂŒhne sehen und auch keine SchĂ€ferinnen. Wenn die Handlung allerdings hier und heute in irgendeinem schĂ€bigen Wohnblock in Mexiko spielt, muss man sich als Zuschauer / Zuhörer darauf einlassen, dass ausgerechnet diese Leute HĂ€ndel singen. Dass alles, was in dem Werk an „Zauber“ passiert, nur Wahn ist. Dass am Ende offenbar selbst heilende KrĂ€fte wirken, sonst kann nicht plötzlich alles „gut sein“.

Aber man will es glauben, einfach weil Guth die gĂ€nzlich neue Welt, die er fĂŒr das Werk kreiert, mit Hilfe von Ausstatter Christian Schmidt durchzieht. Einmal nicht eine der faden Zimmerdekorationen. Vielmehr steht – allerdings sehr an Castorf-Ambiente gemahnend – ein klobiger Betonbau auf der DrehbĂŒhne, hat vier Seiten, das Untergeschoß ist eine Garage (Medoro werkt da auch, kann den Wagenheber bedienen, wenn man sich nicht irrt, riecht es tatsĂ€chlich nach Schmieröl), außerdem steht da ein Imbiß-Bus; weiter gedreht gibt es eine Bushaltestelle; wieder gedreht einen leeren Raum im Obergeschoß; noch einmal gedreht jene Außentreppen, wie man sie vielfach aus den USA kennt, aber nicht aus Eisen, sondern auch als Beton (und eine Zumutung fĂŒr die SĂ€nger, die Schwieriges zu singen haben und noch Treppen laufen mĂŒssen. Gut, sie sind alle einigermaßen jung, aber trotzdem
). Ja, und irgendwo klebt ein Plakat, auf dem „Mexico“ steht. Das spielt aber fĂŒr den Schauplatz keine weitere Rolle.

Hier laufen die Darsteller in heutiger Kleidung herum, wobei Orlando und Medoro einander so Ă€hneln (Bart, Frisur, Kleidung), dass man anfangs, wo sie einem noch nicht so vertraut sind, Gefahr lĂ€uft, sie zu verwechseln. Was bei den doch sehr verschiedenen Damen nicht passieren kann. Warum Florian Boesch sich aus dem „Zauberer“ Zoroastro, den er an sich als humorlosen Sklaventreiber anlegt, zwischendurch in einen Sandler verwandeln muss (pinkeln gehört heutzutage einfach dazu), bleibt unklar wie vieles andere auch. Aber das haben heutige Inszenierungen so an sich: Sie sind nicht zwingend. Alles kann so sein, könnte auch anders sein und spielt keine Rolle. Ob Guth da noch seltsame Nebenfiguren einbringt, die man nicht identifizieren kann, oder ob er, wenn von Pluto die Rede ist (nĂ€chster Umweg vom Orkus nach Mexico) Statisten mit Anubis-artigen Hundeköpfen auf die BĂŒhne schickt
 mein Gott, ist halt so in der Betonwelt.

Aber zumindest macht dieses ganze wehleidige Liebesgedöns in Guths Regie einigermaßen Sinn, und die fĂŒnf SĂ€nger spielen mehr oder minder ĂŒberzeugend, was man ihnen sagt. Dabei muss man „Orlando“ Christophe Dumaux noch zu seiner Wendigkeit gratulieren, er ist fast am eindrucksvollsten, wenn er im BĂŒhnenbild herumturnt und herumspringt, als ob es nichts kostet und ein paar Schreckensmomente erzeugt. (Ein Deja vu-Moment hat man als Theater-an-der-Wien-Besucher ĂŒbrigens bei der Stelle, wo Orlando sich mit Benzin ĂŒbergießt und ein Feuerzeug schwenkt – hatten wir das nicht gerade erst bei „Elias“?)

Im ĂŒbrigen kann man allen SĂ€ngern leider nachsagen, dass sie keine aufregend schönen Stimmen haben und HĂ€ndel nicht mit jener VirtuositĂ€t exekutieren, die nun einmal dazu gehört – nicht die Countertenöre Christophe Dumaux und Raffaele Pe, noch weniger die Damen Anna Prohaska und Giulia Semenzato, beide schon eher ĂŒberfordert mit den Koloraturen, auch nicht Florian Boesch mit grobem Bassbariton.

Il Giardino Armonico klang so harmonisch, wie es bei alter Musik auf alten Instrumenten nur gelingen kann, und Dirigent Giovanni Antonini war bei den dramatischen Sequenzen weit ĂŒberzeugender als bei den lyrischen, die manchmal unertrĂ€glich geschleppt wirkten.

Das Publikum schien keinerlei EinschrĂ€nkungen zu hören und zu sehen, auch die zweite, voll besetzte AuffĂŒhrung des Werks wurde ehrlich bejubelt.

Renate Wagner

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