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DRESDEN/ Semperoper: „PLATÉE“ in der Inszenierung von Rolando Villazon

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Dresden / Semperoper: „PLATÉE“ IN DER INSZENIERUNG VON ROLANDO VILLAZÓN – 16.4.2019

 In Dresden ist jetzt „Platée“, ein Ballet bouffon von Jean-Philippe Rameau (auch als „comédie-lyrique“ oder Oper bezeichnet), Text: Adrien-Joseph Le Valois d’OrvilleIn, zum ersten Mal auf der Bühne zu erleben (Premiere: April 2019) und sorgt für mancherlei Verwirrung. Das 1745 in Paris anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten des französischen Thronfolgers mit einer spanischen Prinzessin (die für ihre Hässlichkeit berüchtigt war), uraufgeführte Ballett ist eines der ungewöhnlichsten Musiktheaterwerke des 18. Jahrhunderts voller Anspielungen und Kritik, vielleicht sogar das bedeutendste Werk Rameaus, eine Oper? – ein Ballett? – eine Persiflage?

Ungewohnt ist heutzutage die Handlung im Reich der antiken Götter, mit denen sich ohnehin kaum noch jemand beschäftigt, und die sich gern als deren „Ebenbild“ fühlende höfische Gesellschaft. In der Barockzeit waren solche Stoffe in adligen und Kunstkennerkreisen und später dem Bildungsbürgertum bekannt. Da verstand man auch eine Persiflage, wie das Sujet der hässlichen Sumpf-Nymphe „Platée, die meint, alle Männer sofort für sich zu gewinnen und letztendlich von Jupiter nur als Alibi für seine eifersüchtige Gattin Junon missbraucht wird. Wer hat aber jetzt noch Sinn für eine solche Parodie? Wer macht sich heute noch darüber lustig? Wer kennt diese Welt überhaupt noch? Wer das Sujet nicht (mehr) ernst nimmt, kann auch nicht über dessen Verulkung lachen.

Das Genre der Ballettkomödie ist jetzt vielen Besuchern weitgehend unbekannt. Was von diesem Werk eigentlich nur noch interessiert, ist die Musik Rameaus, die von den Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden vollendet und klangschön wiedergegeben wird, mitunter aber leider auch vom Trubel auf der Bühne leicht überdeckt wird. Die Musikalische Leitung hat der schottische Tenor und Dirigent Paul Agnew, ein Kenner der Alten Musik, insbesondere der französischen Barockmusik, der als Sänger selbst unzählige Male die Partie der Platée, die, um ihre Hässlichkeit zu unterstreichen, von einem Tenor gesungen wird, interpretiert hat und mit dieser Produktion erstmalig am Pult der Kapelle steht.

Die Inszenierung hatte Rolando Villazón übernommen, der sich jetzt als Allround-Genie auf allen Gebieten, auch auf dem der Regie, zu Hause fühlt. Seine stimmige Inszenierung von Giacomo Puccinis „La Rondine“ an der Deutschen Oper Berlin, wo er mit Geschick und Geschmack, die Handlung unverfälscht auf die Bühne bringt, ließ auch für Dresden einiges hoffen, aber er griff bei „Platee“ einfach nur in die „Mottenkiste“ anderer Regisseure.

Mit Puppen-Theater (hier sogar sinnvoll), Rollstuhl, Partyzelt, Jahrmarktsbuden, Zirkus, eingeblendeten Feuerwerk-Bildern, einem Kameramann, der den Jupiter (Andreas Wolf) filmt, um ihn nebenan auf einer großen Säule groß einzublenden und die arme Platée damit zu verwirren, die zu ihrem tristen alltäglichen Outfit in goldene Stöckelschuhe schlüpft und als Mann erstaunlich sicher darin läuft und sogar große Sprünge macht, und eine überdimensionale „Pop“-Figur, wie sie jetzt vielerorts auf den Straßen als Touristen-„Attraktion“ anzutreffen ist, als ihr begleitendes Monster (um ihre Hässlichkeit zu transponieren) immer mit sich führt, bringt er einen bunten Mix aus allem, was an Inszenierungs-Elementen nun langsam schon erschöpft ist, wenn auch mit kleinen witzigen Details, wie die Eule, die mit ihren großen Kulleraugen Heiterkeit auslöst (Bühne: Harald Thor).

Nicht genug dieser „Gags“, es gibt (jetzt als „neuesten Schrei“) auch transportable Toiletten als „Reisekiste“ (haha – welch ein Spaß!!!), z. B. für den wie Gottvater auf alten Gemälden mit einer Art Tiara und Flügeln ausstaffierten Amour (Tania Lorenzo) im reiferen Alter, Jupiters Diener auf den unmöglichsten Fortbewegungsmitteln, wie Steckenpferdchen, Kinderroller, Skier, Schwimmflossen und Schwimmring und Jupiter selbst mit Sonnenbrille, als würde ihn sein eigener Glanz blenden usw., und ohne Bedrohung mit der Pistole geht es scheinbar auch nicht mehr. Wer soll sich das aber immer wieder ansehen? Wer soll sich noch darüber amüsieren oder wenigstens schmunzeln? Müssen es denn immer wieder die gleichen Klischees sein? Man hatte wenigstens von Villazon als Persönlichkeit und Seiteneinsteiger erwartet, dass er den Mut hat, endlich einmal etwas wirklich Neues zu bringen.

Er transportiert das barocke Opernspektakel in eine postmoderne High School-Atmosphäre. Die im Original im „Prolog“ betrunkenen olympischen Götter, die ein zynisches Liebesspiel mit der sich maßlos selbst überschätzenden Platée beschließen, werden in Drogen konsumierende, rauchende und Karten spielende Schüler in kurzen Hosen (die kein Schüler mehr trägt) verwandelt (man denke dabei nicht an eine frühere „Lohengrin“-Inszenierung! ), wo Mobbing und Selbstsucht herrschen und Travestie und Transvestie (noch) als verachtenswert gelten.

Getanzt wird wenig, im Wesentlichen nur von den Schülern (Komparserie), die sich zu Rameaus Musik wie in einer Disco bewegen und von drei Grazien/Musen, die mit ihren Partnern – alle sechs mit roten (Knollen-)Pappnasen wie die Clowns, um etwaige Ernsthaftigkeit gleich wieder aufzuheben – einige Takte Gesellschaftstanz aufs „Parkett“ legen (Choreografie: Philippe Giraudeau).

Die Kostüme (Susanne Hubrich) sind nicht gerade neu und einfallsreich, wie immer sehr gemischt, von Alltagskleidung, die man nun wirklich nicht mehr sehen möchte, bis zum pomphaften Kostüm der La Folie, verkörpert von Inga Kalna, die mit zahlreichen Koloraturen und temperamentvoller Darstellung Leben in das Treiben bringt, und höchster Eleganz für die strahlend schöne Jupiter-Gattin Junon, als die Ute Selbig sowohl mit ihrem Gesang als auch ihrer äußeren Erscheinung als erfreulicher Gipfelpunkt des Ganzen Spektakels erscheint. In der Titelpartie gibt der französische Tenor Philippe Talbot sein Hausdebüt an der Semperoper und überzeugt mit guter Stimme und perfektem Gesang und humorvoller Darstellung.  

Am Ende lässt Villazón die Platée nicht wie im Original Rache schwören, sondern klagend schluchzen (gar nicht lustig!). Er wollte das arme Wesen nicht „niedermachen“ (Alice Schwarzer wäre entzückt, denn für sie ist jede Frau schön!).

Was bleibt, ist ein zwiespältiges Gefühl. Hinsichtlich Handlung war es viel Aufwand um nicht allzu viel Wirkung, ein Gag jagte den anderen. Musikalisch aber war es ein Genuss, zu dem neben der Staatskapelle auch der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: Cornelius Volke) beitrug. Mag sein, dass das Stück ursprünglich unterschwellig viel Gesellschafts- und andere Kritik enthielt, bei dieser Inszenierung war man zu sehr abgelenkt, um davon etwas zu spüren.

 

Ingrid Gerk

 


attitude – Ballet-Blog: This week’s recommendations: Apr. 17th, 2019

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attitude – Ballet-Blog: This week’s recommendations: Apr. 17th, 2019

And because a dancer at the Vienna State Ballet got an insulting message, in which she was told that „dance is caucasian“, I would like to dedicate this newsletter to her and remind the person that sent the message that Dance has nothing to do with prejudices and that reactions like this could have legal consequences!

Moreno & Chakiris: America (WSS)

Moreno_Chakiris_America_West-side-story.png

Watch the video now!

A marvellous photo! Just follow your dreams…

Watch it now!

Vitória…

Watch it now!

STUTTGART/ Kammertheater: CAFE POPULAIRE von Nora Abdel-Maksoud

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Felix Strobel. Foto: Bjoern Klein

„Cafe Populaire“ von  Nora Abdel-Maksoud am 21. April 2019 im Foyer des Kammertheaters/STUTTGART

DER KNOPF MUSS IN DIE KITA

 In der Inszenierung von Anja Schoenwald (Bühne: Saskia Bellmann; Kostüme: Ulf Brauner) wird ein humorvoller Blick auf schwierige Themenfelder wie Sexismus und Rassimus geworfen: „Der Rassismus ist am Telefon. Er möchte wieder kandidieren.“ Hospiz-Clown Svenja wird von Amina Merai mit viel Herzblut gespielt. Sie will die Kleinstadt Blinden zu einem besonderen Ort machen. Dafür betreibt sie jedoch einen V-Log und bewirbt sich mit ihrem illustren Unterhaltungsprogramm beim Gasthaus zur Goldenen Möwe: „Der Abend ist eine Verfehlung“. Das Hospiz wird zu einer Akademie. Mario Barth wird als Hurensohn bezeichnet – und Svenja möchte gerne online gehen, um gute TV-Karriere zu machen. Püppi mimt Felix Strobel voll hintergründiger Ironie, die als älteste Hospizhospitantin im Netz nach einem bolschewistischen Stahlarbeiter annonciert, während der von David Müller burschikos verkörperte Aram aus dem Dienstleistungsproletariat sich um alles kümmern muss. Die wohlstandsverwöhnten Blindener sind sich nämlich für vieles zu fein, was die Inszenierung rasant und skurril einfängt. Die Möwe sucht eine neue Pächterin, Humor ist hier immer wieder eine scharfkantige Waffe.


Amina Merai. Foto: Bjoern Klein

Trotz Max Frisch war die Show aber „scheiße“, so die Meinung von Svenja, die zuweilen ungehemmt herumpöbelt. Der Oberschichtenzirkus eskaliert zusehends: „Ich ruf‘ die Polizei!“ Trotzdem ist man für die Finanztransaktionssteuer. „Es gibt eine Hochkultur und es gibt eine Tiefkultur“, lautet das allgemeine Resümee. Svenja will sich krampfhaft rehabilitieren: „Ich möchte mich für meinen Ausrutscher beim Livestream entschuldigen!“ Sie echauffiert sich über die künstlich befruchtete Turbokuh mit entzündeten Eutern. Bei Püppi ist das Mikrofon kaputt und der „Penis-Propeller“ scheint auch nicht mehr richtig zu funktionieren. Man sehnt sich nach russischen Eiern in pikanter Füllung. Der Don entpuppt sich in der Darstellung von Valentin Richter als Egoist, für den Aram Abschaum ist. In der Anwesenheit des ominösen Don wird Svenja plötzlich ausfällig gegenüber der Unterschicht. Svenjas Klickzahlen steigen durch den seltsamen Don unwillkürlich an: „Das ganze Leben hast du mich verleugnet!“ Doch ein guter Clown würde die menschliche Natur nicht verleugnen, lautet Svenjas Motto. Gegen „Champagner-Sozialismus“ macht diese wilde Truppe mobil. Dann kommt heraus, dass man nicht genug verdient, um sein Kind in die Kita bringen zu können: Der Knopf muss jedoch in die Kita. Svenja wünscht sich das laptopfreie Podium herbei: „Ich bin nicht die rote Zora!“ Don mutiert außerhalb des Foyers zum libertären Hampelmann: „Svenja, was hast du mit mir gemacht?!“ Die Situation eskaliert. „Ich bin Wirtschaftspsychologe“, meint er. Svenja muss sich nun endgültig entscheiden, wie sie mit dem „Man in the Mirror“ umgehen soll, denn er hat ihr böse Gedanken eingeflüstert. Es kommt immer wieder zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch, bei dem auch Utensilien herumgeworfen werden. Püppi bricht schließlich zusammen, weil sie einfach keinen Erben für die Möwe findet: „Halt‘ die Schnauze!“

Zuletzt erfährt der verblüffte Zuschauer dann, dass Püppi im Scherenkostüm von einem Auto überfahren wurde, nachdem sie ihr kommunistisches Outfit abgelegt hat. Während der Ort mit Klebebändern abgesperrt wird, sinniert Svenja über „neue Brüste aus Presswurstimplantaten„. Die Inszenierung verliert sich zuletzt rettungslos im Klamauk – doch gibt es zwischen den Slapstick-Einlagen auch hintergründige Einfälle. RTL und SAT1 werden gründlich auf die Schippe genommen.

So entsteht auch Gesellschaftskritik. Und der Bezug ist aktuell: Gerade hat ein Komiker die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine gewonnen (musikalische Einrichtung: Meike Boltersdorf).  

Die 1983 in München geborene Autorin Nora Abdel-Maksoud ist auch Schauspielerin und Regisseurin.  

Alexander Walther         

STUTTGART/ Ballett: DIE KAMELIENDAME

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Elisa Badenes (Marguerite), Ciro Ernesto Mansilla (Armand) -Liebeserwachen. Copyright: Stuttgarter Ballett

 

Stuttgarter Ballett: „DIE KAMELIENDAME“ 21.4.2019 –  mit emotional überwältigendem Armand-Debut

Mit dem Engagement des 24jährigen Argentiniers Ciro Ernesto Mansilla ist Ballettintendant Tamas Detrich gleich für seine erste Spielzeit ein Glücksgriff gelungen. Ausfindig gemacht wurde er beim Uruguay National Ballett, wo er bereits in Hauptrollen, darunter auch „Onegin“, eingesetzt war. In Stuttgart startete er zwar als Gruppentänzer, doch bereits nach seinen ersten Solo-Auftritten in Natalia Makarovas „Königreich der Schatten“ Ende Dezember erfolgte die Ernennung zum Solisten. Nach dem jetzt absolvierten Debut als Armand würde es nicht wundern, wenn gar bald der Aufstieg zum Ersten Solisten ansteht, denn kurz zusammen gefasst darf über diese Vorstellung das Fazit gezogen werden, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen und sein Engagement von außen (die allermeisten Stuttgarter Tänzer werden aus der Schule oder zumindest aus dem Corps de ballet aufgebaut) in höchstem Maße rechtfertigt hat.

Bereits mit seinem stürmisch atemlosen Auftritt bei der Auktion des Nachlasses von Marguerite Gauthier lässt der Tänzer mit üppig dunklem Haarschopf spüren, dass da einer für das brennt, was er tut, dass hier einer  nicht mit einem lediglich einstudierten Spiel, vielmehr mit einer unmittelbar vereinnahmenden Identifikationskraft mitreißt. Die anfangs verwirrten Gefühle bei der ersten Begegnung mit Marguerite, das Ineinander von Liebeserwachen und aus Unsicherheit geborenem Zögern, das pure Glück ihrer Beziehung im ländlichen Liebesnest, die maßlosen Zorn auslösende Nachricht von ihrem  Rückzug, die verwirrende Wiederbegegnung, das nochmalige Aufrauschen ihres Verhältnisses, das unter Alkoholeinfluss stehende zynische Schmähen ihrer Liebesdienste mit Geld und schließlich das schmerzhafte Erinnern beim Lesen des Tagebuches – bei Mansilla gibt es keine Situation, keinen Moment, den er nicht mit intuitivem Verständnis und emotionaler Vertiefung nachvollziehbar werden lässt. Während des Lesens des Tagebuches am rechten vorderen Bühnenrand stehend schienen ihn die Gefühle so zu übermannen, dass ihm zu wünschen gewesen wäre, aus der ersten Zuschauerreihe hätte ihm jemand ein Taschentuch gereicht.

Zudem kann Mansilla die choreographischen Finessen seines Parts aufgrund einer sichtbar außergewöhnlichen technischen Ausrüstung mehr als die meisten Interpreten zur Geltung bringen – gipfelnd in den exzessiv weiten und hoch gedehnten Spreiz-Sprüngen im von der brieflichen Verabschiedung Marguerites ausgelösten Solo am Ende des zweiten Aktes. Auch als Partner zeigt er in den zunehmend komplizierteren  Hebungen und Verschränkungen der Pas de deux große Sicherheit, woraus auch deren fließender Ablauf zugunsten körperlicher Mitteilsamkeit resultiert.


Elisa Badenes (Marguerite), Ciro Ernesto Mansilla (Armand)  – unbeschwertes Glück. Copyright: Stuttgarter Ballett

Davon profitierte die ebenfalls debutierende Elisa Badenes  enorm, ihre Rollengestaltung vom bislang ungewohnt echt empfundenen Liebeserleben über die opfernde Entsagung bis zum krankheitsbedingt zunehmenden Erlöschen ihrer Kräfte hatte zwar noch nicht die zwingende Selbstverständlichkeit ihres Partners, aber einen im Wesentlichen glaubhaften Ansatz. Phasenweise noch im Ertasten der passenden Haltung, aber stets ohne aufgesetztes Minenspiel. Dass sie mit ihrem federleichten Bewegungsduktus, ihrer Agilität auf Spitze und ihrer wiederum hilfreichen Unterstützung des Partners Neumeiers komplexes choreographisches Gefüge locker und leicht umzusetzen vermag, war ohnehin zu erwarten.

Rund um dieses beglückende Hauptpaar stellten sich weitere TänzerInnen neuen Aufgaben: Matteo Miccini zeigte als Des Grieux sichere technische Form und Charakterfähigkeit. Nur dürfte er etwas größer sein, um die wieder charismatische und fein balancierende Manon der Hyo-Jung Kang  in den körperlichen Verschlingungen vorteilhafter tragen zu können. Adhonay Soares Da Silva ist der neue, noch etwas unbekümmerte, einfach gut gelaunte und mit gewohnter Sprung- und Dreh-Effektivität präsentierte Gaston Rieux, Jessica Fyfe eine spritzig aufgelegte, mit feiner Bein- und Fußarbeit auffallende Prudence.

Aurora De Mori hat als leichtfüßige Olympia inzwischen an verführerischem Profil gewonnen, ebenso Shaked Heller als Graf N. durch eine gesteigerte Note tragikomischer Züge.


Elisa Badenes (Marguerite), Roman Novitzky (Monsieur Duval) – unerbittliche Wende. Copyright: Stuttgarter Ballett

Roman Novitzky als Autorität und Mitgefühl vereinender Monsieur Duval, Angelika Bulfinsky als in allen Details verinnerlichte Annina und Matteo Crockard Villa als gestrenger Herzog komplettierten das Solo-Personal. Im Corps de ballet gab es kleinere temporäre Unstimmigkeiten bei der Landpartie, ansonsten eine geschlossene Leistung.

Andrej Jussow, Maria Kiosseva und Alexander Reitenbach sorgten dafür, den Stimmungsgehalt der Chopin-Kompositionen als wesentliche Essenz der Choreographie und ihrer Stationen zu entfalten, teilweise begleitet vom Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung von Wolfgang Heinz.

Der Beifall hätte zumindest für das Hauptpaar durchaus noch hervorstechend üppiger ausfallen dürfen, aber vielleicht waren große Teile des Stammpublikums an Ostern anderweitig „verpflichtet“….!

Udo Klebes

ERL/ Tiroler Festspiele: PARSIFAL im neuen Festspielhaus

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Gurnemanz Pavel Kudinov und der erlegte Schwan. Copyright: Xiomara Bender


OSTERN IN ERL: „PARSIFAL“ im neuen Festspielhaus

Auf zu neuen Ufern

20.4. 2019 – Karl Masek

Das Jahr 2019 bringt Neuerungen.  Am 1. September wird der Chef der Frankfurter Oper, Bernd Loebe, das Schiff „Tiroler Festspiele Erl“ als Intendant übernehmen. Als „Routinier und Retter in der Not“, wie die Zeitung „Der Standard“ im Herbst 2018 titelte, wurde er geholt. Schon in Frankfurt (hier läuft sein Vertrag noch bis 2023) hat er sich in den ersten Jahren als „Troubleshooter“ bewährt und „schwere Zeiten in gute verwandelt“.  Er will nun die Festspiele nach den bekannten #Metoo-Turbulenzen um den Gründer des Festivals, Gustav Kuhn, rasch aus den Negativschlagzeilen bringen. „ Auf zu neuen Ufern“, Vertrauen wiedergewinnen, lautet die Devise. Im kommenden Winterprogramm sollen Verbindungen zu seiner Tätigkeit als Intendant der Oper Frankfurt geknüpft und Synergie-Effekte hergestellt werden. Richard Wagner wird im Fokus bleiben, aber auch Opern, die man nicht unbedingt zum Kernrepertoire zählt, werden kommen. Zum Beispiel Humperdinks „Königskinder“ im Sommer 2020. Belcanto wird im Winter wie im Sommer Säulenfunktion haben.  Aufhorchen ließ Loebe mit einer Ankündigung für 2021: Brigitte Fassbaender, nach der Weltkarriere als Sängerin auch höchst erfolgreiche Intendantin des Tiroler Landestheaters und Regisseurin, soll einen neuen „ Ring des Nibelungen“ inszenieren. Der Vertrag mit  der Akademie von Montegral  läuft diesen Sommer aus.

Im Moment befindet man sich sozusagen in einer „Zwischenzeit“. Man bringt – einmal noch – die „Parsifal“-Produktion von Furore di Montegral, die im März 2018 erstmals im Festspielhaus gezeigt wurde. Einiges wurde da von einer früheren Produktion, noch aus dem Passionsspielhaus, integriert. Work in progress wird da gespielt.

Man konnte feststellen: Eine Arbeit, „nah am Werk“ in Szene gesetzt. Neu- und Umdeutungen blieben außen vor. Keine mutwilligen „Verortungen“. Kein „Wagner-Spital“, kein Chefarzt Gurnemanz, die Gralsritter sind keine Patienten, Kundry wird nicht im Gitterbett vorgeführt.

Eine sehr stilisierte Lesart wird hier gezeigt. Pathos in kleinen Dosen. Die Bühne wird von geometrischen Elementen beherrscht; Montsalvat ist halbkreisförmig angedeutet; der zentrale Tisch könnte Assoziationen ans „Letzte Abendmahl“ auslösen. Die Verwandlungen werden bloß angedeutet durch Metallskulpturen, welche sich langsam in Bewegung setzen. Im ersten Moment Irritation ob der Nüchternheit des Einfalls, jedoch: Der Fantasie des mündigen Publikums wird Platz gelassen – die Konzentration auf die genialen  Verwandlungsmusiken lässt diese besonders intensiv erleben.

Besonders auffallend: Furore di Montegral schien sich der besonderen Ästhetik der  stilbildenden Arbeiten des Robert Wilson und seines Zeitlupentheaters der 90er Jahre des 20. Jhts anschließen zu wollen. Eine  gekonnte, magisch – schöne Lichtregie (der Raumgestalter und Medienkünstler Peter Hans Felzmann ist dafür wie auch für die Bühnenbilder verantwortlich) erfreute mit Grün, Violett, Blau und  kühlem Abendrot das Auge. Die Magie setzte sich übrigens fort, als man um dreiviertelneun aus dem Festspielhaus kam: Ein Abendhimmel, der das Bühnenlicht nahtlos fortzusetzen schien ….

Aufgewertet wird der Schwan, den der törichte Knabe im 1. Akt erlegt („Im Fluge treff ich, was fliegt.“). Er wird von einer Balletttänzerin (Katharina Glas) dargestellt. Auch hier erschließt sich der Sinn dieses Einfalls nicht sofort, wenn man unwillkürlich denkt: Wird jetzt auch Schwanensee gespielt? Doch der Schwan mutiert in der Folge zum Engels-Symbol, das den hellsichtig gewordenen Parsifal im 2. Akt rettet. Im Moment, als  Klingsor den heiligen Speer nach ihm schleudern will, entwindet sie ihm diesen und übergibt ihn Parsifal. Ein verblüffend simpler  Effekt und kein (oft unbewältigter) Hokuspokus!

Wie man die Blumenmädchen-Szene so auf die Bühne bringt, dass es völlig  unpeinlich  ist, weiß ich nicht zu nennen. Die Kostüme sind hier in gebatikten Farben,  zwischen orange und pink changierend,  gehalten (Karin Waltenberger, da gab es keine Geschmacksentgleisungen!). Der Wiener Opernzeitzeuge fühlt sich an die Kostüme des Jürgen Rose aus der Everding-Inszenierung („Parsifal“ des Jahres 1979) erinnert. Das wurde damals als übler Kitsch gescholten. Was man in der Zwischenzeit da so alles zu sehen bekam! Man muss dem Altmeister Rose Abbitte leisten!

Auch für den Karfeitagszauber sorgt der Schwan – immerhin  schwänzt man hier nicht umdeutungsmäßig einen der poetischsten Augenblicke der gesamten Parsifal-Partitur.  Zurückgenommen, zögerlich, aber doch,  breitet sich die Farbe Grün aus; Zweige, Blätter, werden auf dem Bühnenboden drapiert, wenn die Oboe zum H-Dur-Blumenaue-Motiv ansetzt.

Insgesamt: Es ist keineswegs ein Jahrhundert-Parsifal, der für lange Zeit stilbildend wäre – aber über weite Strecken einer, mit dem man als mündiges Publikum „umgehen“ kann.

Bildergebnis für michael güttler
Michael Güttler. Foto: privat

Dass diese Wiederaufnahme zu einem bejubelten Publikumserfolg wurde, lag mehr noch an der musikalischen Wiedergabe. Ein neuer Dirigent musste nach Kuhns Hinauswurf her: Man konnte Michael Güttler gewinnen, einen souveränen „gewusst-Wie“-Gestalter, der durch oftmaliges, spektakuläres Einspringen, z.B. für Valery Gergiev, Furore machte. Er nützte den Bayreuth-Effekt des verdeckten Orchesters perfekt, bereitete den Sänger/innen auf der Bühne einen Klangteppich vom Allerfeinsten.

Schon das As-Dur-Vorspiel strömte in sanftem Legato und zerfiel nicht in seine Bestandteile, wie man das schon oft erlebt hatte, wenn die Wagnersche Tempobezeichnung Sehr langsam bis zur Stillstandnähe überdehnt wurde. Güttler war überwiegend zügig unterwegs, ließ die Musik aber natürlich atmen, setzte die Motive klar und bestimmt, ohne ihnen zu viel schwergewichtige Markigkeit zu verleihen. Herrlich transparent das Klangbild, an den „richtigen Stellen“ mit kammermusikalischer Delikatesse und impressionistischer Farbigkeit, welche Wagners direkte Vorläuferschaft für Debussy beglaubigte. Die Steigerungen wurden dann tatsächlich als solche empfunden und nicht als bloße Lautstärke-Exzesse.

Exzellent an diesem Abend das Orchester der Tiroler Festspiele Erl. Nicht immer spielen die Hörner im „Parsifal“ so unfallfrei (auch Weltklasseorchester nicht!), überhaupt alle Holz- und Blechbläser, sie spielten aus einem Guss. Von schlanker „Klangflächigkeit“, im Klingsor-Akt mit spannender  Nervigkeit, die Streicher. Die phänomenale Akustik im Festspielhaus tat das Ihre, dass man an diesem Abend wieder einmal das Suchtpotenzial dieses Wagnerschen Opus summum besonders spürte.

Gewisse Qualitätsschwankungen allerdings bei den Sängerleistungen:


„Zum Raum wird hier die Zeit“. Copyright: Xiomara Bender

An der Spitze Pavel Kudinov als herausragender Gurnemanz, der den 1. und 3. Akt beherrschte. Schlank, kernig und von farbenreichem Ausdruck sein Bass, der alle Schlüsselstellen bravourös aussang. Die langen Erzählungen wurden nicht langatmig. Weiters ist zu betonen, dass er die Entwicklung seiner Figur, und hier den alten Gurnemanz des 3. Aktes berührend spielte und dabei auch sensationell wortdeutlich war.

Den 2. Akt beherrschte die Deutsch-Spanierin Nicola Beller Carbone als Kundry. Mit glaubwürdiger Verführungs-Darstellung. Die Stimme ist ausdrucksstark und in der Höhe prachtvoll aufgehend, somit war sie eine Kundry mit allem Wutrasen, das Wagner ihr abverlangt („Den Weg, den du suchst … sollst du nicht finden; denn Pfad und Wege, die dich mir entführten, so verwünsche ich sie dir … Irre! Irre!…“). Die dienende Kundry war sie mit bewegend stummem Spiel.


„Den heil’gen Speer, ich bring ihn euch zurück“. Ferdinand von Bothmer. Copyright: Xiomara Bender

Ferdinand von Bothmer hat im letzten Jahrzehnt eine bemerkenswerte Entwicklung vom Tenore di grazia Rossinis und vom Mozartsänger in Zeiten der Wiener Volksoper zum dramatischen Fach und Wagner-Sänger vollzogen. An seinen Graf Almaviva (2008 an der VOP) habe ich keine Erinnerung behalten. Nun ist er ein jedenfalls beachtlicher Parsifal, wobei ihm der Bayreuth-Effekt zugutekommt, weil er nicht über Gebühr forcieren muss. Gewisser Überdruck macht sich nämlich bisweilen bemerkbar, der signalisiert, es handelt sich um eine Partie, bei der er ans persönliche Limit gehen muss.

Manfred Hemm, er ein guter alter Bekannter aus Wiener Opernzeiten (Ära Drese, das ist schon bald dreißig Jahre her!) gab einen markanten, gut hörbaren Titurel mit völlig intakter Stimme. Frederik Baldus war ein Klingsor, ziemlich bieder in seinem Outfit, auch stimmlich, jedoch nicht böse oder gar gefährlich.

Schwachpunkt des Abends war leider Adam Horvath als überforderter, steifstimmiger und somit bedenklich zum Distonieren neigender Amfortas. Da wird sich der neue Intendant für künftige Pläne andere Bariton-Alternativen überlegen müssen!

Die Knappen (die „mit den knappen Kappen“!), die Gralsritter, die Blumenmädchen: Mit ihnen konnte man zufrieden sein.

Man wünscht dem Festival Erl einen guten Neustart – auf dass man sich wieder positiv in den künstlerischen Schlagzeilen etablieren möge. Und damit eine gute Zukunft!

Karl Masek

 

Anbei der Erler Schlußapplaus 😉

https://www.facebook.com/watch/?v=567215107101168

 

 

 

 

WIEN/ Staatsoper: PARSIFAL – zweite Vorstellung der „Osterserie“ am Ostersonntag

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Parsifal und die Blumenmädchen: Simon O’Neill. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Parsifal von Richard Wagner

  1. Aufführung in dieser Inszenierung
  2. April 2019

Zum Spitalsraum wird hier die Zeit

Eine Zeitlang waren es die Zirkusarena oder der Boxring, die den Opernregisseuren bei ihrer Suche nach neuen Schläuchen für alte Weine zu Hilfe kamen, nun ist es offenbar das Krankenhaus. Einer der ersten war Claus Guth, der 2010 der Titelfigur seines Wiener Tannhäuser 2010 im letzten Akt kurzerhand ein Bett im von Otto Wagner erbauten Sanatorium Steinhof zuwies. Dort, wo auch die Pilgerschar in Zwangsjacken vorbei defiliert, liegt er im Koma. Das Ganze war von einer zwingenden Konsequenz und wirkte im Verlauf der Entwicklung, die Tannhäuser durchläuft, durchaus überzeugend. (Leider ist Tannhäusers Koma offenbar derart heftig ausgefallen, dass man ihn auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper schon lange vermissen muss. Das gilt leider auch für Wagners Meistersinger und Holländer, weitere schwere Versäumnisse der zu Ende gehenden Ära Meyer.)

Es dauerte nicht lange, bis Stephen Langridge 2015 dem Amfortas in seiner Parsifal-Inszenierung an der Royal Opera Covent Garden Bettruhe in einem Krankenhaus verordnen sollte. Diesen Einfall aufgreifend,  verlegt zwei Jahre später Alvis Hermanis in seiner Wiener Inszenierung von Wagners Bühnenweihspiel gleich die ganze Handlung in ein – im Wiener Jugendstil erbautes – „Wagner Spital“, das sich architektonisch wie eine Mischung aus Otto Wagners  Stadtbahnstationen und seiner Kirche am Steinhof ausnimmt. Das wirkt scheint zunächst vielversprechend, erweist sich allerdings spätestens ab dem Klingsor-Aufzug als ein krampfhaft exekutierter, unpraktikabler Ansatz. Dem zauberhaften Bühnenweihspiel ist damit jedenfalls nicht beizukommen.

Musikalisch aber ist die derzeitige Aufführungsserie ein Gewinn. Das liegt vor allem am umsichtigen, kundigen und stets hellwachen Dirigat von Valery Gergiev. Er nimmt sich Zeit für den Aufbau dramatischer Spannungsbögen, ohne sich darin zu verlieren, und lotet auch die abgrundtiefen Zwischenspiele symphonisch aus. Hier entfaltet sich nicht nur berückender „Karfreitagszauber“, sondern das ganze Werk wirkt wie von geheimnisvoller Magie durchwirkt. An diesem Klangzauber hat auch der große – durch Extrachor und Opernschule verstärkte – Staatsopernchor seinen gebührenden Anteil; nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang auch die von Wagner vorgeschrieben vier großen Glocken.

In der Titelpartie des „tumben Tors“, der sich zum „aus Mitleid wissenden“ Helden mausert, ist der Neuseeländer Simon O´Neill zu erleben. Ein brillanter, helltönender Tenor, der zuweilen etwas nasal klingt und wie ein Rohdiamant wirkt, was zur Figur des Parsifal aber recht gut passt. Sein Spiel wirkt – vor allem im 3. Aufzug – etwas unbeholfen und zu unauffällig. Das ist aber zu einem Gutteil auch dem sterilen Ambiente des Krankenhauses geschuldet. Wie soll sich da ein Gralsmission ereignen?


Rene Pape (Gurnemanz). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Souverän und stimmlich wie darstellerisch stets präsent ist Kammersänger René Pape als Gurnemanz. Von eindringlicher Klarheit in der Diktion und mit wohlklingendem, sonorem Bass, strahlt er Autorität und Lauterkeit aus.  Als an seiner Verfehlung schwer leidender und sich selbst bezichtigender Amfortas tritt Thomas Johannes Mayer mehr durch sein Spiel als durch seinen Gesang in Erscheinung. Ryan Speedo Green ist ein nicht weiter bemerkenswerter Titurel, Boaz Daniel ein stimmlich gut disponierter Klingsor, der aber jegliche Gefährlichkeit und Bösartigkeit im Charakter vermissen lässt und so viel zu harmlos bleibt.

Starken, unter die Haut gehenden Eindruck hingegen hinterlässt hingegen Elena Zhidkova als Kundry, deren Hin- und Her-Gerissen-Sein zwischen ihrer Zugehörigkeit zur Höllenwelt Klingsors und dem Verlangen nach Erlösung sie in Klagen, Seufzern und dunklen Beschwörungen intensiv Ausdruck verleiht. Gut besetzt mit ebenso verlässlichen wie exzellenten Hauskräften sind die zahlreichen Knappen und Blumenmädchen, was auch für die beiden Gralsritter Leonardo Navarro und Clemens Unterreiner zutrifft.

Insgesamt eine bemerkenswerte, im Orchestergraben einheitlich exzellente, auf der Bühne sängerisch durchwachsene Aufführung, die – was bei einer Parsifal-Aufführung auch mindestens zu erwarten wäre – aus dem Repertoirealltag etwas hervorsticht, von einer Sternstunde aber weit entfernt ist.

Wie bereits gehabt und vermeldet: magere fünf Minuten Applaus eines offenbar doch merklich erschöpften Publikums.

Manfred A. Schmid

BASEL: MADAMA BUTTERFLY. Neuinszenierung. 5. Vorstellung nach der Premiere

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Giacomo Puccini: Madama Butterfly, Theater Basel, Vorstellung: 22.04.2019

 (5. Vorstellung seit der Premiere am 30.03.2019)

Pinkerton als Sextourist?

 Im Interview mit Regisseur Vasily Barkhatov erwähnt die Dramaturgie im Programmheft der Produktion den Begriff »Sextourismus», den die Kritik der Tageszeitungen dann natürlich begierig aufgenommen hat. Die Bilder, die das Schlagwort hervorruft, sind auf der Bühne des Theaters Basel nicht zu sehen. Die Geschichte der Frau Schmetterling wird von Barkhatov sanft aktualisiert und dazu hat er sich von Zinovy Margolin einen sich über die ganze Breite der Bühne erstreckenden, an ein Ferien-Resort erinnernden Bungalow auf die Bühne stellen lassen. Ein grosses Wohnzimmer, rechts ein Schlafzimmer und links das Zimmer Suzukis. Wenn Pinkerton im dritten Akt kommt, um sein Kind zu holen, werden die Wände nach oben gezogen. Der Bungalow ist nun offen einsehbar.


© Priska Ketterer

So werden, wo es nun Richtung Klimax des Stückes geht, die Wände des Bungalow nach oben gezogen: das Ganze wird für den Zuschauer noch naher, direkter erfahrbar. Und es zeigt, was der die Rückkehr Pinkertons für Butterfly bedeutet: Die letzte Sicherheit ist ihr, die bis dahin „ihrem“ Pinkerton vertraute und dann die Ernsthaftigkeit der Heirat glaubte, genommen.

Prunkstück des Wohnzimmers ist, wie in so vielen anderen auch, ein riesiger Fernsehapparat. In dieser »Blackbox des Erinnerns» laufen Clips, die mit Selfie-Stick und Handy live aufgenommen werden oder Clips aus der «Zeit, wo noch alles in Ordnung war». Für die Hochzeitsfeier hat sich Olga Shaishmelashvili (Kostüme) von verschiedenen asiatischen Kulturen inspirieren lassen. Sonst tragen die Künstler gängige Alltagskleidung.


© Priska Ketterer

In diesem Setting erzählt Barkhatov die Geschichte eng am Libretto (Standardfassung von 1907 mit Ergänzungen aus der Urfassung von 1904) entlang. Er zeigt plausibel dass die Thematik auch heute noch aktuell ist.

Talise Trevigne singt die Cio-Cio-San, Kristina Stanek ist ihre Dienerin Suzuki. Beide Künstlerinnen sind schauspielerisch mit dem geraden für diese beiden Rollen so wichtigen Engagement am Werk. Der gute Eindruck wird dadurch geschmälert, dass Trevigne nicht nur wie die Mutter Staneks aussieht sondern auch so klingt. Der Sopran besitzt alle notwendigen technischen Fähigkeiten, hat aber kaum Farben zu Verfügung und klingt schwer. Leidenschaft fehlt ihr völlig und auch Stanek vermag diese nur sehr dosiert zu verströmen. Otar Jorjikia als Pinkerton kennt keine konditionellen Probleme, woran dann aber auch eine differenzierte Gestaltung der Rolle leidet. Kaum Farben, kein Schmelz, «nur» Ausdauer ist für Puccini zu wenig. Karl-Heinz Brandt als Goro und Domen Križaj als Sharpless erledigen ihre Aufgaben ebenso zufriedenstellend wie Andrew Murphy als Bonzo und Vahan Markaryan als Yamadori.

Am Pult im Graben ist Leidenschaft und Leben leider ebenso Mangelware wie auf weiten Teilen der Bühne. Es fehlt die ordnende und führende Hand, nach der das Sinfonieorchester Basel geradezu ruft und Antonello Allemandi tritt in der ihm zugedachten Rolle so gut wie nicht in Erscheinung. Das Orchester deutet trotz der widrigen Umstände an, was möglich wäre. Und das scheint nicht wenig zu sein.

Es ist noch Luft nach oben. Viel Luft nach oben.

Weitere Aufführungen: Fr 26. April 2019, 19h30–22h15, So 05. Mai 2019, 18h30–21h15, Di 07. Mai 2019, 19h30–22h15, So 12. Mai 2019, 16h00–18h45, Mi 15. Mai 2019, 19h30–22h15, Sa 18. Mai 2019, 19h30–22h15, Sa 01. Juni 2019, 19h30–22h15, Sa 08. Juni 2019, 19h30–22h15, Di 11. Juni 2019, 19h30–22h15, Sa 15. Juni 2019, 19h30–22h15, Mi 19. Juni 2019, 19h30–22h15.

23.04.2019, Jan Krobot/Zürich

WIEN/ Staatsoper: SALOME

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Herodes (Herwig Pecoraro) beklagt den Tod des Narraboth (Jörg Schneider).
Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Ein Scherzo mit tödlichem Ausgang
Wiener Staatsoper: Salome von Richard Strauss in der 236.Aufführung
mit der Regie von Boleslav Barlog
 am 22. April 2019

 

Es hat schon einen eigenen Reiz, wenn auf den wagnerisch verschwurbelten Karfreitagszauber des Parsifal am nächsten Tag mit der Salome von Richard Strauss eine weitere Oper mit biblisch-historischem Hintergrund folgt und der Prinzessin von Judäa – auf ihr beharrliches Drängen hin – der Kopf des Propheten Jochanaan auf einem Silbertablett serviert wird. Der Dirigent Michael Boder, derzeit wohl begehrtester Dirigent für zeitgenössisches Musikdrama, sorgt am Pult des Staatsopernorchesters am Ostermontag für eine brillante Umsetzung der in knallig schillernden Farben kraftvoll und pastös hingepinselten Partitur, die hart an die Grenzen der Tonalität geht und so bereits bei ihrem Erscheinen die heraufziehende Moderne zur Zeit des fin de siècle deutlich ankündigte. Auch die Inszenierung von Boleslaw Barlog aus dem Jahr 1972, im jugendstilverbrämten, von der Ornamentik Klimts inspirierten, grün-blau-goldenem Bühnenbild von Jürgen Rose, verweist auf die schöpferisch so ergiebige Entstehungszeit der 1905 in Dresden uraufgeführten Oper. Wie Michael Boder den Schleiertanz, in dem Strauss kühn impressionistisch anmutende orientalischen Exotismen mit knallhartem Expressionismus vereint, zum Leuchten bringt, ist schon atemberaubend und stellt den musikalischen Höhepunkt einer spannungsgeladenen Aufführung dar. Auch die gestalterische Leistung von Gun-Brit Barkmin in der Titelpartie ist hier am überzeugendsten. Gesanglich bleibt die aus Deutschland stammende Sängerin, die schon seit einigen Jahren als gefragte Salome um die Welt reist, an diesem Abend allerdings einiges schuldig. Ihr flacher, timbremäßig obertonarm wirkender Sopran ist alles andere als intonationssicher. Wenn es allerdings um deklamatorische Passagen geht, weiß sie mit ihrer Wortdeutlichkeit und mit ihrem intensiven Ausdruck zu punkten.

Markus Marquardt (Jochanaan), Gun Brit Barkmin (Salome). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Blass und wenig durchschlagskräftig ist der Bariton Markus Marquardt. Den gewohnt selbstbewusst auftretenden, den frivolen Lebenswandel am Hofe des Herodias verdammenden Propheten und Mahner, der auch aus dem Brunnen noch vernehmlich und unbeirrt das Verhalten geißelt, verkörpert er jedenfalls nicht. Seine Stimme hat – zumindest an diesem Abend – nicht das geforderte Format und klingt vor allem in der Anfangsphase, wo er aus dem Verließ heraus zu singen hat, in der Höhenlage ziemlich unsicher.

Sehr gelungen ist hingegen Jörg Schneiders Gestaltung des in Salome hoffnungslos verknallten Narraboth. Sein glockenheller, ausdrucksstarker Tenor verleiht seiner Schwärmerei „Wie schön ist die Prinzessin Salome heute Nacht!“ ebenso aufrichtige Glaubhaftigkeit wie seinen an sie gerichteten, vergeblichen Warnungen, den Bogen nicht zu überspannen. Es wäre höchst an der Zeit, dieses Ensemblemitglied mit neuen Herausforderungen, die seinen Anlagen entsprechen, zu konfrontieren und ihm so weitere Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.

Herwig Pecoraro bringt – wie auch schon als Mime in Wagners Siegfried – das Kunststück zusammen, trotz hörbarer stimmlicher Grenzen seinem Herodes ein unverwechselbares Profil zu verleihen. Da kommt es auch nicht auf schönen Gesang an, streckenweise klingt es sogar wie eine Parodie, doch der Charakter des verängstigten, hypochondrischen und lüsternen Mannes, der zudem merklich unter der Fuchtel seiner Frau Herodias zu leiden hat, setzt sich hier, fein gearbeitet, durch. Da steckt jahrelanges Feilen an dieser Figur dahinter. Mit seinem eigen klingenden, brüchig gewordenen Charaktertenor und seiner stets wortdeutlichen und der Partitur strikt folgenden Phrasierungs- und Deklamationskunst setzt Pecoraro auch darstellerisch die komischen Akzente in dieser tragischen Geschichte und lässt so erahnen, was Richard Strauss wohl gemeint haben mag, wenn er seine Oper als ein „Scherzo mit tödlichem Ausgang“ bezeichnet hat.

Jane Henschel als Herodias hingegen kann nur noch giftig keifen und ihre Tochter mit rechthaberischen Zurufen ermuntern, von ihrem unseligen Vorhaben nicht abzurücken. Ein bisschen wenig, um sich nachhaltig einzumischen. Das gelingt anderen Mitwirkenden in weit weniger gewichtigen Rollen – zu nennen wären hier etwa Wolfgang Bankl als Soldat und die streitenden Juden Thomas Ebenstein, Leonardo Navarro, Carlos Osuna und Benedikt Kobel – um einiges besser.

Insgesamt: Das weitaus Beste an diesem Abend ist das, was aus dem Orchestergraben gekommen ist. Kurzer, nicht allzu heftiger Beifall für einen kurzen Opernabend.

Manfred A. Schmid


MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER

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Bildergebnis für bayerische staatsoper der fliegende holländer

München: Bayerische Staatsoper: „DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“, 22.04.2019:

Die Serie von Richard Wagners„Der fliegende Holländer“ in der Regie von Peter Konwitschny wurde von vielen Münchner Opernfreunden mit Spannung erwartet, insbesondere weil BrynTerfel in der Titelrolle eines seiner seltenen Gastspiele in München geben würde. So war das Nationaltheater zur Vorstellung am 22.04. natürlich ausverkauft, und alle warteten gespannt auf den Auftritt und den großen Monolog des Holländers. Die Enttäuschung war ziemlich groß, als BrynTerfel den ersten Akt mit nasaler, trockener und farbloser Stimme hauptsächlich laut und undifferenziert bestritt. Manche der lyrischeren Stellen des Monologs erkannte man gar nicht wieder! Auch darstellerisch verausgabte er sich nicht und stand in seiner – zugegeben – imposanten Erscheinung vornehmlich an der Rampe. Da konnte auch die gute Wortdeutlichkeit nicht mehr über den negativen Eindruck hinwegtäuschen. Im zweiten und dritten Akt fand Terfel dann zu einer differenzierteren Gestaltung, die dann auch einige schöne Piani und klangvolle Passagen enthielt. Insgesamt hatte man sich vom Auftreten dieses Weltstars in München jedoch einiges mehr erwartet.

Die anderen Solisten sangen dafür alle auf sehr hohem Niveau, so dass die Vorstellung insgesamt kein verlorener Abend war. Anja Kampe war als Senta einerseits eine sehr selbstbewusste und starke, andererseits aber auch empfindsame Frau mit großen Gefühlen. Sie machte dem Publikum das tiefeMitleid und die bedingungslose Liebe Sentas zum Holländer begreiflich und berührte die Zuschauer mit ihrer intensiven musikalischen und darstellerischen Gestaltung. Sie beherrschte die Partie ohne Mühe und sang mit großer, klarer, in der Höhe wunderbar aufblühender Stimme. Auch Wookyung Kim bewältigte die heikle Partie des Erik ohne Probleme. Er beeindruckte mit seinem eher dunkel gefärbten, angenehm timbrierten, kräftigen und strahlenden Tenor. Hans-Peter König sang den Daland mit profundem, klangvollem Bass und hervorragender Diktion. Dean Power als Steuermann und Okka von der Damerau komplettierten die hochkarätige Solistenschar.

Asher Fisch dirigierte mit sehr flotten Tempi und kreierte damit die stürmische, bedrohliche Stimmung des Werkes besonders effektvoll. Die lyrischeren und pathetischen Passagen standen dahinter in ihrer Wirkung ein wenig zurück.

Das Publikum spendete durchaus freundlichen, aber nicht besonders langanhaltenden Applaus.

Gisela Schmöger

WIEN / Freie Bühne Wieden: 5 MÄNNER

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Foto: Freie Bühne Wieden

WIEN / Freie Bühne Wieden:
5 MÄNNER von Gabriel Barylli
Uraufführung
Premiere: 23. April 2019,
besucht wurde die Generalprobe

Mit drei Männern („Butterbrot“) haben die Theatertriumphe von Gabriel Barylli einst begonnen. Das war 1988, der Autor war damals gerade über 30 Jahre alt. 31 Jahre später braucht er fünf Männer, um sein altes Thema abzuhandeln: Wie geht man mit den Frauen um?

In seinem luxuriösen orientalischen Salon (den Bühnenbildner Martin Gesslbauer am Uraufführungsort, der Freien Bühne Wieden, aufgebaut hat) begegnet man zuerst Manuel, einem Regisseur mittleren Alters, von dem man später erfährt, dass seine Frau ihn mit einem Jüngeren verlassen hat. Seither hat er sich als Alternative in die Arbeit gestürzt, und wer – eben erst – „Romeo und Julia“ inszeniert hat oder nun „Faust“ vorbereitet, landet leicht und locker bei den tiefen Sinnfragen des Menschen: Das ist mindestens so anstrengend wie Beziehungsprobleme, und Darsteller Marcus Strahl spielt lustvoll vor, wie sehr einen das Existenzielle beuteln kann…

Dann erscheint sein väterlicher Freund Friedrich (Rudi Larsen in der darstellerisch überzeugendsten Leistung des Abends), der so souverän in sich ruht wie nur ein Mann, der auf ein erfolgreiches Leben zurückblickt und weiß, dass man alles nicht so ernst nehmen darf.

Zur Sache geht es mit dem Auftritt von Robert, dessen Beruf nicht weiter definiert wird. Dafür darf Leopold Dallinger jetzt endlich das wahre Thema ansprechen. Barylli ist alt genug geworden, um das Thema Mann-Frau jetzt in Richtung Familie zu verschieben. Was geschieht, wenn die Frau – die Damen haben schließlich ihre Freiheit heutzutage – den Kinderwunsch einfach nicht zu erfüllen gewillt ist?

Und was kann passieren, wenn man sich tagtäglich für Frau und drei Kinder abstrampelt und dann vor die Tür gesetzt wird? Man versteht schon, dass der vierte Mann des Abends, Martin (Markus Schramm), da ziemlich tobsüchtig wird. Kurz gesagt, man hat’s nicht leicht.

Der fünfte Mann aber vergleichsweise schon. Denn der sympathische Suleiman (Tavakoli Suleinman), der das orientalische Abendessen serviert, hat an den demütigen Frauen seiner Gesellschaftsordnung offenbar nichts auszusetzen. Und die westlichen Herren, die eigentlich die allgemeine Freiheit verteidigen sollten, fänden es schon kräfteschonender, wenn die Frauen hierzulande nicht dermaßen ihren eigenen Willen haben dürften… Aber nein, ganz so ist es natürlich auch nicht.

Dass bei einer solchen Diskussion, wo die allgemeinen Argumente hin- und herjongliert werden (da gibt es Fakten, da gibt es Erkenntnisse, und da gibt es auch viel heiße Luft), nichts wirklich herauskommen kann, ist klar. Gabriel Barylli inszeniert seinen Boulevard stimmig mit vielen amüsanten Schlaglichtern, ob die Herren sentimental „Falling in Love with you“ singen oder ob sie versuchen, ob eine gute Havanna nicht eine Alternative zu Beziehungskümmernissen darstellen könnte…

Am Ende verdrückt sich einer nach dem anderen, und der Regisseur bleibt allen, der nach Goethe so klug ist als wie zuvor und in ein Alkmene’sches „Ach“ ausbricht. Und wie immer lässt man, zumal als Frau, die Barylli-Männer mit ihren wehleidigen Kümmernissen lächelnd zurück.

Renate Wagner

Vorstellungen 23/24/25/26/27/ 30. April und 1/2/3/4 7/8/9/10/11. Mai, 19.30

WIEN/ Staatsoper: FIDELIO

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Thomas J. Mayer (Pizarro), René Pape (Rocco). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 

WIEN / Staatsoper: Beethovens Fidelio nach der legendären Schenk-Inszenierung 1970

  1. Aufführung in dieser Inszenierung am 23.4. 2019

Fünf Rollendebüts – doch nicht alle überzeugen

Eine mit Spannung erwartete Aufführung von Beethovens Befreiungsoper mit – sage und schreibe -insgesamt fünf Rollendebüts!  Am besten also gleich in medias res: Anne Schwanewilms als Leonore ist in dieser Partie freilich nur für das Wiener Publikum neu. Die inzwischen vor allem als Strauss-Sängerin geschätzte Sopranistin hat ihre Gesangskarriere ursprünglich im Mezzofach begonnen und sich beim Umstieg in die höhere Stimmlage zunächst auf Rollen aus dem Zwischenfach konzentriert. Da kamen ihr Partien wie Wagners Senta und Beethovens Leonore, die sie 1999 zum ersten Mal konzertant im Hessischen Rundfunk gesungen hatte, gerade recht.

Jetzt, zwanzig Jahre später, versteht sie es, ihre große Stimme sorgsam zurückzunehmen und so die Figur mit jener Mixtur aus Kraft und Verletzlichkeit auszustatten, die für sie so charakteristisch ist. Schwanewilms besticht mit einer so gut wie vibratolosen Mittellage und fügt sich damit wunderbar in das liedhaft gehaltene Quartett „Mir ist so wunderbar“ im ersten Akt ein, gestaltet aber auch ihre große Arie „Abscheulicher! Wo eilst du hin?“, in der sie sich angesichts der mörderischen Absichten Don Pizarros selbst Mut zuspricht, zu einem ergreifenden Bekenntnis.


Brandon Jovanovich. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Der aus den USA stammende Tenor Brandon Jovanovich war an der Wiener Staatsoper schon als Don José sowie als vielbeachteter Enée in der umjubelten Premiere von Berlioz´ Les Troyens im Herbst vergangenen Jahres zu erleben. Als Florestan kommt er stimmlich etwas zu robust daher und hat zudem hörbare Defizite bei der Bewältigung des deutschen Texts. Die Arie im zweiten Akt singt Jovanovich wenig nuanciert, dafür aber vor allem laut. Sein Tenor wirkt ziemlich eindimensional und hat – für meinen Geschmack – einfach zu viel Vibrato. Da fällt es sogar der mit vielen Stimmfarben gesegneten Schwanewilms schwer, im Duett dagegen anzukämpfen.

René Pape, mit seiner wohlklingenden, mächtigen Basstimme meist in Partien eingesetzt, in denen er – wie eben erst als Gurnemanz in Parsifal – Autorität und Souveränität ausstrahlen kann, macht auch als moralisch schwacher, mit dem skrupellosen Machthaber Don Pizarro kollaborierender Kerkermeister Rocco eine gute Figur. Sein selbstentlarvendes Bekenntnis „Hat man nicht auch Gold beineben“ wird – neben dem Quartett-Kanon – zum Glanzstück des ersten Akts.

Eine Enttäuschung ist Thomas Johannes Mayer als Fiesling Don Pizarro. Sein Bariton klingt anfangs hohl und substanzlos, erholt sich im Laufe des Abends ein wenig, bleibt aber eine Zumutung. Das kann auch die recht gute darstellerische Gestaltung der Figur des bösen Widersachers von Florestan nicht wettmachen. Die Rachearie „Ha, welch ein Augenblick“ vermag daher nicht wirklich zu zünden.

Michael Laurenz, der bei den Salzburger Festspielen im Sommer und im Konzerthaus im Herbst als Josef K. in der konzertanten Aufführung von Gottfried von Einems Der Prozess mit tenoraler Strahlkraft und rhythmischer Gewandtheit aufhorchen ließ, ist ein liebenswerter Jaquino und empfiehlt sich – seit Saisonbeginn auch Ensemblemitglied – für weitere Aufgaben.

Schon Rollenerfahrung als Marzelline hat die vielseitig einsetzbare und immer wieder gern gesehene und gehörte Chen Reiss. Ihre Auftrittsarie „O wäre ich schon mit dir vereint“ singt sie mit klarer, sehnsuchtsvoller Sopranstimme und weiß auch sonst zu entzücken. Clemens Unterreiner, dem die Rolle des Don Fernando, der gerade zum rechten Augenblick ins Geschehen eingreift und die für ein Happyend sorgt, ebenfalls schon vertraut ist, ist ein elegant auftretender und ebenso singender Gesandter des Königs. So stimmgewaltig, wie man den Don Fernando normalerweise zu hören gewohnt ist, nimmt er sich allerdings nicht aus.

Besonderes Lob verdient der Männerchor der Gefangenen und ihre Chorsolisten Dritan Luca und Ion Tibrea. Mit ihrem innig vorgetragenen „Oh welche Lust“, beim unverhofften Spaziergang im Sonnenlicht des Gefängnishofes, berühren sie zutiefst. Diese Szene gehört ja seit jeher zu den ergreifendsten der Oper und ist gerade in der Inszenierung von Otto Schenk großartig angelegt. Das gilt freilich auch für die triumphale Schlussszene, bei der sich nach der Befreiung auch die Frauen hinzugesellen und in den Jubelgesang einstimmen. In seinen Massenszenen, in denen es bekanntlich immer so richtig „menschelt“, ist Otto Schenk einfach unerreicht, doch auch die Personenführung der zentralen Personen ist äußerst sängergerecht konzipiert und daher stets eine Freude. Sogar in der nunmehr bereits 242. Vorstellung, die natürlich wohl schon etwas verblasst ist. Und die daher auf dem Programmzettel nur noch unter „nach einer Inszenierung“ des Meisters firmiert…

Bleibt noch das unter der kundigen wie erfahrenen Leitung von Adam Fischer aufspielende Staatsopernorchester. Mit einem sich so uneigennützig in den Dienst der Musik stellenden Kapellmeister wie Fischer kann das nur gut gehen. Kein Wunder, dass die „Dritte Leonoren-Ouvertüre“, traditionell seit Mahlers-Zeiten vor dem Schluss eingeschoben, zu einem Konzertereignis wird, wenn auch das Blech – von der Begeisterung mitgerissen – in den dramatischen Höhepunkten vielleicht etwas zu dick und laut aufträgt.

Nicht einmal fünf Minuten Applaus gibt es am Schluss. Ist das Wiener Publikum dabei, das Klatschen zu verlernen?

Manfred A. Schmid

 

WIEN/ Staatsoper: PARSIFAL – dritte und letzte Vorstellung der „Oster-Serie“

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Die „andere“ Kundry der Elena Zhidkova Copyright M.Pöhn

PARSIFAL – WR. STAATSOPER, 24.4.2019

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Man glaubt es kaum und es stellt den Verantwortlichen des Hauses kein Ruhmesblatt aus, dass ein  so wichtiger Dirigent unserer Tage wie Valery Gergiev vor dieser Parsifal-Serie kein einziges Mal Oper in der Staatsoper dirigiert hat. Gut, Holender mochte ihn aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht, aber warum Meyer so lange mit einem Engagement zugewartet hat, bleibt unverständlich. Die etwas hilflose Begründung in der Staatsopernpostille ist nicht mehr als eine Schutzbehauptung. Ich verstehe eigentlich nicht, warum die Philharmoniker, die Gergiev sehr schätzen, da nicht mehr Druck gemacht haben.

Nun, an diesem Abend wurde einem bewusst, was man jahrelang versäumt hat. Es war einfach großartig was da aus dem Orchestergraben kam. Hier war von Anfang an der musikalische Aufbau klar erkennbar, die einzelnen Themen setzten sich logisch zueinander in Beziehung und der große Bogen über den ganzen Abend war vorhanden. Auch das einmal aufgenommene Zeitmaß wurde vom Anfang bis zum Ende durchgehalten. Dabei gab es einen vollkommen durchsichtigen Orchesterklang, egal z.B. ob die Verwandlungsmusiken den Zuhörer mit voller Wucht trafen oder der Karfreitagszauber zart und ungemein berührend gespielt wurde. Den Sängern war Gergiev ein sorgsamer Begleiter und keiner von ihnen wurde zugedeckt.

Die zweite großartige Leistung bot Elena Zhidkova als Kundry. Sie ließ ihren schönen Mezzo wunderbar strömen und hatte weder mit den extremen Höhen als auch den Tiefen Probleme. Die Klippen des zweiten Aufzuges meisterte sie inklusiv einem tadellosen „lachte“ ausgezeichnet. Darstellerisch war sie überzeugend, besonders was die Bewegungen betrifft. Im dritten Aufzug konnte man wirklich sagen „Wie anders schreitet sie als sonst!“ Der Dritte im Bunde, der diese Aufführung zu einem Erlebnis machte, war René Pape als Gurnemanz. Sein herrlich weicher Baß klang wunderbar und er sang mit einer derartigen Selbstverständlichkeit, als ob das die einfachste Sache der Welt wäre. Dazu kam eine sehr menschlich berührende Rollengestaltung.

Nicht ganz an die Leistung der beiden heranreichend, aber durchaus gut, war Simon O’Neill in der Titelrolle. Sein Problem ist, dass die Stimme kein schönes Timbre hat, aber was er tat, war ehrliche Arbeit. Er sang alles korrekt und hatte auch mit den extremen Stellen des zweiten Aufzuges keine Probleme. Zudem teilte er sich die Rolle klug ein, sodass auch für den Schluss noch genügend Kraft da war. Weniger Freude hatte man mit den beiden anderen tiefen Herrenrollen, wobei Boaz Daniel als Klingsor wenigsten eine gediegene Repertoireleistung bot, allerdings als Figur total blass und uninteressant blieb. Schlimm sah es um Thomas Johannes Mayer als Amfortas aus. Die Stimme klang, wenn überhaupt, fahl und flackerte mehr als deutlich. Außerdem bemerkte man kaum eine Rollengestaltung.

In den kleineren Partien waren die Damen den Herren eindeutig überlegen, wobei positiv anzumerken ist, dass unter den Blumenmädchen auch Spitzenkräfte des Ensembles (Olga Bezsmertna, Maria Nazarova und Szilvia Vörös) waren, wie es sich für ein Haus wie die Staatsoper gehört.

Großartig auch das Orchester. Die Musiker lasen dem Dirigenten jeden Wunsch von den Augen ab und spielten, wie ich es gerne nenne, auf der Sesselkante. Das bedeutet, sie waren ungemein konzentriert und bewiesen einmal mehr, dass sie das beste Opernorchester der Welt sind.

Auch der Chor (Leitung: Martin Scherbesta) legte sich voll ins Zeug und bot ebenfalls eine sehr gute Leistung.

Am Ende gab es viel Jubel für Gergiev, Zhidkova, Pape und auch O’Neill, allerdings auch – und das sage ich sehr ungern – verdiente Buhs für Mayer.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

STUTTGART/ Staatsoper: IPHIGÉNIE EN TAURIDE. Premiere

CHEMNITZ: DER RING DES NIBELUNGEN

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CHEMNITZ: DER RING DES NIBELUNGEN 18.-22. April 2019

 Zur „weiblichen Sicht“ auf den „Ring“

 Bekanntlich hat die Oper Chemnitz 2018, also im Laufe nur eines Jahres, die gesamte Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner auf die Bühne gestellt. Das ist für ein Haus solcher Größe eine nahezu unglaubliche Leistung, die kaum von großen A-Häusern erbracht wird. Zudem blickt man hier auf einen sehr erfolgreichen „Ring“ zurück, der auch von der internationalen Presse vielfach gelobt wurde. Nun entschied man sich, einen „weiblichen Blick“ auf den „Ring“ zu werfen – was immer das heißen mag – und nahm gleich vier Regisseurinnen für die vier Stücke unter Vertrag.

Genau das schwebte Katharina Wagner ja ursprünglich auch für den neuen Bayreuther „Ring“ 2020 vor. Mit Wotan könnte man in Chemnitz also immerhin schon sagen: „Heut‘ hast Du’s erlebt“. In Bayreuth 20 scheint es aber doch wenigstens eine Frau zu werden, Tatiana Gürbaca, die erste überhaupt für den „Ring“ auf dem Grünen Hügel. Was diese allerdings im Frühjahr 2018 mit einem dreiteiligen Verschnitt der Tetralogie „aus der Sicht der zweiten Generation“ am Theater an der Wien anstellte, war nicht unbedingt beglückend. Francesca Zambello ging es mit ihrem „amerikanischen „Ring“ in San Francisco vor einigen Jahren überhaupt nicht um spezifisch weibliche Sichtweisen, sondern eher um das Kopieren von Ideen europäischer Männer-Produktionen. Auch Rosamund Gilmore beabsichtigte mit einer guten Inszenierung in Leipzig in jüngster Vergangenheit scheinbar keine spezifisch weibliche Sicht. Die Neuproduktion von Jasmin Solfaghari in Odense 2018 enthielt im Finale der „Götterdämmerung“ etwas in dieser Hinsicht, aber dazu später. Im Mai wird eine Regisseurin in Bordeaux „Die Walküre“ in Szene setzen – eine signifikante Zunahme von Regisseurinnen, die sich nun Wagners „Ring“ annehmen, ist also unverkennbar. Worin könnte sich also eine spezifisch weibliche Sicht auf den „Ring“ darstellen, wenn man das ausdrücklich für eine Neuinszenierung postuliert, wie nun in Chemnitz?!


„Das Rheingold“. Guibee Yang (Woglinde), Sophia Maeno (Floßhilde). Foto: Kirsten Nijhof

„Das Rheingold“ übernahm die junge Regisseurin Verena Stoiber aus der Karlsruhe-Truppe um Peter Spuhler mit ihrer Bühnen- und Kostümbildnerin Sophia Schneider, dramaturgischer Betreuung von Carla Neppl und der Lichtgestaltung von Holger Reinke. Ich dachte zunächst, Stoiber stamme aus der Schule von Frank Castorf, der ja nach eigener Überzeugung seinen Bayreuther „Ring“ gegen die Musik inszenierte. Dann wurde klar, dass sie bei Calixto Bieito undJossi Wieler in Stuttgart assistiert hatte. So erschloss sich dann doch einiges ihrer trash-artigen und musikalisch ähnlich wie bei Castorf vorgehenden „Rheingold“-Produktion. Es ist eine weitgehend grelle Inszenierung, die streckenweise den Zaunpfahl über tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten unserer natürlich exklusiv als oberflächlich und gedankenlos gezeichneten Gesellschaft schwingt. Wieder einmal ein Versuch, dem Stück mit den Mitteln des sog. Wagnerschen Regietheaters beizukommen, das Theater mit einer ausgefallenen Regie also klar über den musikalischen Teil des Werkes zu stellen. Da gibt es Selfies en masse, selbst mehrere von Wotan mit Fasolt, der ihm als spießiger Bürokrat daraufhin die Leviten zur Vertragseinhaltung liest. Alberich, der wie ein priapismusverdächtiger vertrottelter alter Rübezahl mit Dauererektion daher kommt, holt sich das Gold mit den güldenen Perücken der Rheintöchter und zieht ein Bordell mit jungen Bikini-Mädchen auf. Diese bieten für einen wirklich konkurrenzlosen Flat-Tarif von € 9,99 Sex an, während im unteren Stockwerk des Aluminiumgehäuses die Nibelungen billige Turnschuhe mit Schnürsenkeln versehen. Das „Gold“ stellt sich später als ein Haufen leerer Pappkartons dar, die wohl nach dem hastigen Entleeren eines ostasiatischen Schiffskontainers mit dem entsprechenden Billiggut wie TV Screens, Haushaltsgeräten, Damenbekleidung übrig geblieben waren. Natürlich können mittlerweile als poststereotyp zu bezeichnende Inszenierungselemente wie der Putzeimer mit Bodenaufwischen ebenso wie das Outfit Donners und Frohs als Golfspieler und die weithin bekannte Bürokratiedemonstration des Walhall-Vertrags nicht fehlen. Die Akten werden aufgrund ihres Umfangs allerdings diesmal mit der Schubkarre herbeigefahren – das war neu! Fricka und Freia mustern bis zum Abwinken die von der Apfelgöttin mitgebrachten neuen Fetzen. Sollte das etwa spezifisch weiblich sein?!

Vieler, und bei weitem nicht aller Beispiele kurzer Sinn: Das passte meistens nicht zu Wagners Musik und schon gar nicht zur gesanglichen Aussage, ebenso wie die durchaus lebhafte, aber offenbar auch ohne Würdigung der dazu erklingenden musikalischen Botschaft, zumal der Leitmotive. Es führte trotz mancher guter Ideen, die aber selten schlüssig durchdramatisiert wurden, vielmehr zu einer oft fahrigen, ja bisweilen willkürlich anmutenden Dramaturgie, die sich zugunsten eines allzu aktuellen Stoffbezugs allzu leicht über Wagners Postulat des Gesamtkunstwerks hinwegsetzt und damit letztendlich im Flachwasser überzeugender Regiekonzepte bleibt. Ganz ohne Mythos geht es wohl auch in Wagners „Ring“ nicht, und den hat Stoiber wenige Male durchaus angesprochen, wenngleich diese Momente gegen die allgemeine Leichtfertigkeit  nicht ankamen. So wogen über den anmutig hereinschwingenden Rheintöchtern grüne Baumkronen. Und bei Erdas schicksalhaft vorgetragener Warnung kommt auch ein gealterter Wotan mit Augenbinde über die Bühne, der den „wagenden Gott“  warnt, den Wanderer schon vorweg nehmend. Auch sieht man in großen blauen Lettern das Wort „Love“, also Liebe, das die abgetakelten Rheintöchter im Schlussbild traurig in die Höhe halten – sicherein weiterer guter Punkt der Inszenierung.

Folgerichtig gehörte Bernadett Fodors mystischer Auftritt als Erda mit dunkel timbriertem vollem Mezzo auch zu den stärksten Momenten des Abends. Krisztán Cser war ein fescher, aber allzu oberflächlicher junger Gott im Businessanzug mit einem für den „Rheingold“-Wotan noch ausreichenden bassbaritonalen Volumen. Anne Schuldt sang mit einem klar intonierenden hellen Mezzo eine agile Fricka. Bernhard Berchtold war ein sehr aktiver und mit kräftigem tenoralen Ausdruck prägnant singender Loge, immer wieder auch zuerhöhter Deklamation neigend. Der altbewährteJukka Rasilainen war wie zu erwarten ein exzellenter Alberich, wenn auch nicht grade von Zwergengestalt. Er kennt seine Wagner Rollen in-und auswendig, natürlich auch den Wotan. Man merkte ihm die lange Erfahrung an. Magnus Piontek war eine voll tönender ausgezeichneter Fasolt, dem der alte Haudegen James Moellenhoff stimmlich kaum nachstand. Reto Rosin als Mime, James EdgarKnight als Froh und Andreas Beinhauer als Donner gaben gute Kostproben ihres Könnens bei den kurzen Auftritten. Franziska Krötenheerdt gab die Freia kindhaft und etwas zu albern mit hellem Sopran. Sylvia Rena Ziegler und Sophia Maeno sangen bestens als Wellgunde und Floßhilde, während die junge Koreanerin Guibee Yang mit der Woglinde etwas überfordert schien. Im „Siegfried“ wurde klar, dass der Waldvogel die passendere Partie für sie ist.


„Die Walküre“. Monika Bohinec (Fricka) und Aris Argiris (Wotan. Foto: Kirsten Nijhof

Monique Wagemakers, Regisseurin der „Walküre“, sagte in einem Interview mit dem Dramaturgen Lucas Reuter (Dramaturgie gemeinsam mit Susanne Holfter), dass sie nicht wisse, was das sei, der „weibliche Blick“. Sie habe bei ihrer Inszenierung des 1. Abends der Tetralogie aus „einem sehr starken Gefühl heraus gearbeitet“. Was der Unterschied zwischen einem „männlichen Blick“ und einem „weiblichen Blick“ sein soll, habe sie dabei nicht herausgefunden. Sie vermutet eine gewisse Tendenz, beispielsweise in der Beurteilung der Figur des Wotan, der bei Frauen wohl als arroganter Narziss gesehen werden könnte, bei Männern eher als positiv gescheiterter Held. Da ist möglicherweise was dran. Aber Wagemakers hat sich mit ihrer Bühnenbildnerin Claudia Weinhart, der sehr Phantasie- und geschmackvollen Kostümbildnerin Erika Landertinger, sowie der Licht- und Videogestaltung von Mathias Klemm und Constanze Hundt von solchen Festlegungen nicht leiten lassen. Ihr starkes Gefühl für das Stück hat sie offenbar ganz von selbst auf eine emotional intensive Lesart gebracht, wo Wagners Gesamtkunstwerk-Gedanke tatsächlich voll zum Tragen kommt. Hier stimmen Musik, Gesang und Bühnenbild stets überein und geben Wagemakers‘ Inszenierung große Fallhöhe. Im Vordergrund steht – wie bei Tatiana Gürbaca in Wien – die Perspektive der Kindergeneration und die Tatsache, dass Wotan seine Kinder Siegmund und Sieglinde sowie Brünnhilde nicht nur ausnutzt, um wieder an die absolute Macht zu gelangen, sondern sie dabei am Ende auch noch umbringt. Wagemakers sieht die „Walküre“ als Familientragödie, in der enge Beziehungen wachsen, wie zwischen Siegmund und Sieglinde, und gleich wieder zerstört werden. Das war ähnlich auch schon bei der „Walküre“ von Dietrich Hilsdorf 2009 in Essen zu erleben. Wagemakers bringt diese Zerrüttungen aber mit viel größerer Intensität und Plausibilität sowie einer ausgezeichneten Personenregie auf die Bühne als Tatiana Gürbaca 2018 in Wien. Dabei kommt ihr das Einheitsbühnenbild von Weinhart zugute, welches eine Art rechteckigen, aus Säulen und Bogen bestehenden Raum zeigt, welcher sofort an eine gotische Kirchenkrypta erinnert. Der Gedanke an Tod und Ende ist also schon in den Bildern manifest, die sich zudem aufgrund einer niemals übertrieben genutzten Drehbühne in immer neuen Konstellationen zeigen und damit sowie einer guten Lichtregie Stimmungen und Aussage der Szenen unterstreichen. Emotional besonders berührend sind die Momente, in denen Siegmund und Sieglinde sich selbst als Kinder wiedersehen, ein weiterer Verweis auf die Familiengeschichte der „Walküre“

Hier ging also fast alles zusammen, es wurde eine durchwegs eindrucksvolle „Walküre“ unter dem Vorzeichen der zerstörten Beziehungen von Wotan zu seinen Kindern und den Kindern untereinander, bis auf eine – m.E. schwerwiegende – Ausnahme: Die holländische Regisseurin zeigte kein Schwert! Da es für Siegmund und Sieglinde Hoffnung, Rettung und Vertrauen bedeutet, meint sie, dass man etwas anderes zeigen müsse als „das hilflose Hantieren mit einem großen Schaschlik-Spieß“. Und dieses andere war bei ihr ein schwarzer transparenter Vorhang, mit dem die beiden hantierten, um diese Tugenden auszudrücken. Dies erschloss sich ganz sicher nur dem, der das Programmheft las, und zwar vorher! Dass ein Vorhang ein Schwert ersetzt, ist kaum einleuchtend. Natürlich hat Wotan bei Wagemakers auch keinen Speer. Sollte hier vielleicht doch verborgen oder gar unbewusst ein „weiblicher Blick“ zu erkennen gewesen sein, dem sich gegebenenfalls auch als Phallus-Symbole zu interpretierende Requisiten wie Schwert und Speer verbieten?! Meines Erachtens wäre das schon aus Gründen der starken musikalischen  Akzentuierung dieser beide Requisiten nicht nachvollziehbar.

Wagemakers und ihrem Team kam bei ihrer dennoch gelungenen Inszenierung ein Sängerensemble zugute, welches sich manches große Haus nur wünschen könnte und diesen Abend zu einem Wagner-Gesangsfest machte. Dabei schließe ich ganz bewusst die Wiener Staatsoper mit ein, insbesondere mit Hinblick auf die Besetzung des Wotan, der mit der ebenfalls exzellenten Brünnhilde, die man hier hörte, ja zentralen Figur der „Walküre“.Und auch diese war absolut Wien-fähig! Der Grieche Aris Argiris spielte den Göttervater, der er hier ja nun mal ist, mit enormer Souveränität, jedem in seinem Umfeld einflößendem Respekt und einer typischen „Walküre“-Wotan-Stimme. Sein kerniger und alle Höhen und Tiefen der Rolle mühelos meisternder Bassbariton machte Argiris zum jederzeit äußerst präsenten und ruhenden Mittelpunkt dieses Abends. Stéfanie Müther stellte sich schon mit einem kraftvollen „Hojotoho“ vor und begeisterte in der Folge mit sehr agilem Spiel sowie einem klangvollen, schon über jugendliche Dramatik hinausgehenden Sopran bei guter Diktion und Phrasierung. Man könnte sagen, mit Fug und Recht, ein neuer Stern ist vom Brünnhilden-Himmel gefallen! Viktor Antipenko, den ich hier auch zum ersten Mal hörte, war ein kraftvoll intonierender und ebenso klangschöner Siegmund und legte auch das nötige Charisma dieser Rolle an den Tag. Seine Partnerin Astrid Kessler als Sieglinde passte ideal zu ihm und überzeugte mit einem hellen, ausdrucksstarken Sopran und sowieviel Empathie in der Rollendarstellung. Magnus Piontek spielte seine fast schwarzen Bassfarben für den Hunding voll aus. Anne Schuldt sang diesmal eine noch überzeugendere Fricka, die mit sich nicht scherzen ließ. Auch alle acht Walküren waren jeden großen Hauses würdig. Entsprechend wurde dieses erstklassige Sängerensemble auch vom Publikum gewürdigt. Irgendwie hatte man jetzt schon der Eindruck, dass dieser Abend der Höhepunkt der Chemnitzer Tetralogie war.


„Siegfried“. Der Wanderer und Alberich. Foto: Nasser Hashemi

Im „Siegfried“, inszeniert von Sabine Hartmannshenn, kam dann nicht nur der dem „Ring“ innewohnende Mythos zu seinem Recht. Sie fand auch Zugang zu einer spezifisch „weiblichen Sicht“, wenngleich es ähnlich auch in Inszenierungen männlicher Regisseure vonstattengeht, ohne dass es dort einer erklärenden Hervorhebung bedarf, ja sogar in der Konzeption des „Siegfried“ bei Wagner selbst. Hartmannshenn hebt in Bezug auf den 1. Aufzug hervor, dass es „weiblich“ und „männlich“ zur Aufzucht der Jungen geben muss. Man denke nur an Mimes Spruch: „Ich bin dir Vater und Mutter zugleich.“ Noch bedeutsamer ist jedoch Hartmannshenns Hervorhebung der Beschreibung der Liebe durch Richard Wagner, die Siegfried ja im Finale erlebt, als das ‚ewig Weibliche selbst‘, denn das ist wohl kaum zu widerlegen. Wir hörten es als allgemeine Weisheit ja schon bei Loges Erzählung im „Rheingold“ – insofern also nicht etwas ganz Neues. Aber es ist wohl schon eine Form „weiblicher Sicht“, wenn die Regisseurin Wagner folgendermaßen zitiert: „Nicht Einer kann Alles; es bedarf Vieler und das leidende, sich opfernde Weib wird endlich die wahre wissende Erlöserin, denn die Liebe ist eigentlich ‚das ewig Weibliche‘ selbst.“

Anders als Wagemakers bei Siegmund hat Hartmannshenn kein Problem mit einer vermeintlich zu männlichen Ausstrahlung eines Schwertes, lässt den Wanderer dafür aber mit einer Art Leuchtstoffröhre durch den Wald wandeln, während sie ausgerechnet Alberich den Wotan-Speer verpasst. Also Lichtalbe gegen Nachtalbe, durchaus sinnvoll. Eine Spitze an des Wanderers Speer wär ohnehin nutzlos gewesen. Die Szene zwischen ihm und Alberich im 2. Aufzug wurde damit, auch weil sie von den zwei alten Wotan-Recken Jukka Rasilainen und Ralf Lukas gespielt wurde, zu einem der Höhepunkte des Abends. Und das ist sie nicht oft.

Siegfrieds Selbsterkenntnis findet hier  in einem mythisch wirkenden Bühnenbild von Lukas Kretschmer aus eckigen in Grün und Bläulich gehaltenen Baumstämmen statt, in dem er als Choreograf eine kaum wahrnehmbare Gruppe von Menschen agieren lässt. Hartmannshenns interessante Idee dazu ist, dass das Erwachsenwerden Siegfrieds sich nicht nur mit Mime allein bewerkstelligen lässt, es bedarf auch anderer dazu, natürlich am Schluss der Liebe Brünnhildes. So permutieren diese Statisten im 2. Aufzug zu einem bestechend choreografierten Fafner mit Goldmasken auf ihren verhüllten Gesichtern. Als Siegfried den „Drachen“, der übrigens perfekt verstärkt war, was nicht allen Häuser4n gelingt, klassisch per Schwert besiegt hat, wird klar, dass er und damit der Schatz aus einer unterdrückten Menschenmasse, einer „Verhandlungsmasse Mensch“ besteht, die er nun befreit hat und die ihm deshalb auf seinem weiteren Weg zum Brünhilden-Felsen folgen wird. Ein guter Regieeinfall, der Erinnerungen an den sog. „Colón-Ring“ in Buenos Aires 2012 und den laufenden „Ring“ in Kassel wachruft. Damit charakterisiert die Regisseurin bereits in einem frühen Stadium die Sozialisierung Siegfrieds, an der auch der mädchenhafte und perfekt gesungenen Waldvogel von Guibee Yang eine wesentlichen Anteil hat, die ihm jedoch nicht die Gefahren des Bösen nahebringt, weshalb er später immer noch naiv in die Fänge der Gibichungen geraten wird, wo er sonst aber wahrscheinlich gar nicht erst hingekommen wäre.

Mit der Siegfriedschen Naivität geht die Kostümbildnerin Susana Mendoza zumindest beim Titelhelden zu weit, wenngleich alle anderen Outfits angemessen bis interessant erscheinen. Siegfrieds knielange kurzen braunen Hosen lassen ihn eher wie einen Deppen aussehen als den zwar naiven, aber doch immerhin Enkel eines Gottes. Auch dass er beim Aufstieg auf den Brünnhilden-Felsen Blinde Kuh spielen muss, wirkt doch etwas störend angesichts der dazu erklingenden Musik. Interessant ist dagegen die fantasievolle Körperzeichnung auf der entblößten Brust des Wanderers, die wohl aufgrund des fehlenden Speeres seine Weltrunen darstellen soll. Es sieht jedenfalls gut aus. Runen zeichnen Siegfried und Mime auch auf einige Bäume im 2. Aufzug, hier auch wieder an den Mythos appellierend, der gerade durch den unheimlichen Wald so intensiv mit dem Scherzo des „Ring“ verbunden ist. Mathias Klemm schuf dazu die stets passende subtile Lichtregie. Und man kam ganz ohne die albernen Rucksäcke aus, die Sänger und Publikum in Wien seit Jahren ertragen müssen!

Der Chemnitzer Siegfried „vom Dienst“, Daniel Kirch, hatte an diesen Tagen in Amsterdam als Tannhäuser zutun, sodass der aus dem Sofia-„Ring“ wohlbekannte Martin Iliev für die Titelrolle einsprang. Allerdings singt er dort nur den „Götterdämmerung“-Siegfried, denn er ist eher der geschlagene depressive Held, der ihn auch zu einem guten Siegmund und Tristan macht. Die jugendliche Behändigkeit des jungen Siegfried ist darstellerisch und bis zu einem gewissen Grad auch gesanglich seine Sache nicht so ganz. Aber Iliev überzeugte über langen Stecken mit seinem klangvollen Heldentenor mit schönem Timbre sowie einer interessanten baritonalen Abdunkelung. Arnold Bezuyen gab eine Charakterstudie des Mime mit unglaublicher Spielintensität und Mimik. Sein vokaler Vortrag war nicht unbedingt Schöngesang, muss es für den Mime auch nicht sein, aber es gab doch einige Vokalverfärbungen, was bei seiner Rollengestaltung aber kaum ins Gewicht fiel.

Sowohl Ralf Lukas als auch Jukka Rasilainen, der den kleinen Hagen dabei hat, obwohl der so alt wie Siegfried sein müsste und ihm mal eben zeigt, wie man eine Frau vergewaltigt, waren als Gegenspieler Wanderer und Alberich um den Ring Extraklasse, wenngleich Lukas bei der Erweckung Erdas in der stimmlichen Dynamik an seine Grenzen geriet. Diese wiederum wurde von der bewährten Simone Schröder mit ihrem klangvollen Alt souverän gesungen. Sie tauchte immer wieder auf, ein weiteres Element von „weiblicher Sicht“ in dieser Inszenierung, zu der sicher auch die letzte Geste um Hilfe des Waldvogels (diesmal exzellent: Guibee Yang) bei ihr gehörte, nachdem dieser vom Wanderer tödlich verletzt worden war (!). Warum Erda eine Dornenkrone trug und man gar Blutfluss gewahrte, bleibt wohl ohne genauere Orientierung durch die Regisseurin unerklärlich… Der schon als Hunding beeindruckende Magnus Piontek sang mit prägnantem Bass einen stimmstarken Fafner.


„Götterdämmerung“. Hagen (Marius Bolos) und die Gibichungen. Foto: Kirsten Nijhof

Elisabeth Stöpplermit dramaturgischer Unterstützung von Susanne Holfter und einer guten Lichtgestaltung von Holger Reinke inszenierte schließlich die „Götterdämmerung“ und stellt gleich zu Beginn im Prolog durch die Nornen klar, dass es hier um den Weltuntergang, „Dystopie allerorten“ geht. Denn wir erleben die drei Wissenszuträgerinnen Erdas in vereistem Umfeld, als Charaktere kaum noch erkennbar und sich in dicken Fellen schwerfällig bewegend. Das passt natürlich zu ihrem Bericht vom Untergang der Natur, der sinkenden Weltesche und dem Austrocknen des heiligen Quells, an dem Wotan sich einst ein Auge ausgestochen hatte, um die Weisheit zu gewinnen, die „Ursuppe“zu einer sinnvollen und geregelten Welt zu gestalten. Annika Haller wartet mit einem kontrastreichen Bühnenbild auf und unterstützt damit die Absicht Stöpplers, einerseits die langsam verkommende Natur anhand eines eisigen und mythisch anmutenden Brünnhildenfelsens zu zeigen, der langsam aber imposant aus dem Nornenbild entsteht. Auf ihm entwickelt Brünnhilde mit ihrer reinen Liebe zu Siegfried gleichwohl noch einmal letzte Kräfte der Menschlichkeit und Empathie, weil sie diese nicht nur bei Siegmund und Sieglinde zuerst erfahren, sondern in der Beziehung zu Siegfried noch weiter ausgebaut hat.

Noch kann Brünnhilde deshalb dem Naturverfall und damit dem drohenden Verlust ihres Mediums trotzen, während Stöppler die Bühnenbildnerin eine Gibichungenhalle bauen ließ, die die Wotanstochter im 2. Aufzug in eine hedonistische Welt voller Oberflächlichkeit, Überdrüssigkeit und Orientierungslosigkeit eintreten lässt, die schockierender für sie kaum sein kann. Nachdem sie durch ein geschickt gelöstes Betrugsspiel von Siegfried und Gunther, die beideidentisch wie Weltraumfahrer – in allerdings hellgelben (Neid/Neidspiel?) – Anzügen aussehen, kommt sie in einen eleganten, holzgetäfelten Salon, in dem die wesentlichste Beschäftigung darin besteht, sich von Hagen hochprozentige Drinks machen zu lassen. Wenn die Mannen, natürlich ohne Bewaffnung, und die Frauen kommen, wird einem schnell klar, dass dies eine Welt ist, die auf reinem Schein, menschlicher Missachtung und der Suche nach dem eigenen Vorteil basiert. Gesine Völlm hat nicht nur hier Gelegenheit, ihre facettenreiche Phantasie als Kostümbildnerin zu dokumentieren.

Stöppler zeigt an Hagen eindrucksvoll, wie sehr auch er von seinem Vater benutzt wird, um den Ring der ultimativen Macht zurück zu gewinnen und daran eigentlich schon im 2. Aufzug zerbricht. Siegfried hat er zuvor noch mit einer Droge das Gedächtnis dermaßen zersetzt, dass dieser ständig weiteren Stoff braucht und nie mehr Herr seiner selbst wird, bis zum finalen Gesang auf Brünnhilde, die ihn dabei wie zum Tode vorbereitet. Als Kehrseite der feinen Welt der Gibichungen sieht man die verkommenen Rheintöchter im verschlungenen und verdreckten Geäst der Versorgungsrohre der Gibichungenhalle. Diese Produktion lebt dramaturgisch und optisch von starken Kontrasten, die sich aber immer stringent in der Ausdruckswelt Richard Wagners bewegen.

Wenn es bei Elisabeth Stöppler neben ihrer starken Zeichnung der Brünnhilde als liebender und letztendlich dominanter Frau einen Versuch gab, eine „weibliche Sicht“ auf den „Ring“ zu werfen, dann entstand er aus ihrer Feststellung, dass nirgendwo in der Tetralogie die Mütter der zahlreichen Töchter auftreten, bei denen sich Rheintöchter, Nornen und Walküren, aber m.E. auch Sieglinde, trösten könnten, insbesondere bei der Urmutter Erda. So kommt es im Finale zur großen Wiederbegegnung von Erda mit ihrer Tochter, den Rheintöchtern, der 1. Norn (die anderen beiden waren ja hier im 3. Aufzug anderweitig besetzt), und aus der Ferne auch Gutrune. Erda umarmt Brünnhilde herzlich, ein noch weiblicherer Schluss, zumal angesichts der dazu erklingenden Melodie der Sieglinde zur Mutterliebe, ist wohl kaum denkbar, aber auch nicht ganz neu. Barry Kosky ließ in Essen seine nackte, weit über 80jährige Erda, zu den Schlussakten vom Souffleurkasten ins Publikum starren. Und bei Jasmin Solfaghari waren in Odense 2018 am Schluss die Frauen auf der Bühne, die in den letzten Szenen beteiligt waren, also die trauernde Gutrune, die Rheintöchter und Brünnhilde. Diese luden dann immerhin die bei Wagner vorgesehenen „Männer und Frauen“, also das überlebende Volk (bei Solfaghari der Herrenchor der „Götterdämmerung“) zu sich. So fanden sich in Odense eine Göttin, Nixen, eine Königstochter und das Volk zusammen. Ein wohl auch als „weiblich“ zu charakterisierender Schluss, aber wohl eher im Sinne Richard Wagners als jener in Chemnitz. Denn nur aus Frauen kann sich nun mal keine neue Welt entwickeln. Und dass sie bei aller Mutterliebe ganz untergeht, wollte Wagner ja am Ende doch nicht…

Martin Iliev merkte man an diesem Abend an, dass er sich mit dem „Götterdämmerung“-Siegfried wohler fühlt als mit dem jungen. Er konnte auf seine klangvolle, baritonal abgetönte Mittellage vertrauen und sorgte auch darstellerisch für eindrucksvolle Momente. Stéphanie Müther war wieder eine starke Brünnhilde, sowohl schauspielerisch wie stimmlich, wenn auch manches an diesem Abend etwas metallisch geriet. Sie wurde der am Ende alles Wissenden voll gerecht. Jukka Rasilainen verkörperte den alternden Alberich im Einreden auf seinen Sohn nachdrücklich, und die Fricka der Abende zuvor, Anne Schulte, beeindruckte als emotionale und dramatische Waltraute. Die Sieglinde der „Walküre“, Cornelia Ptassek, war nun auch eine stimmlich wie darstellerisch überzeugende Gutrune. Pierre-Yves Pruvot gab einen etwas unauffälligen Gunther. Der noch recht junge Rumäne Marius Bolos verkörperte eher einen Hagen light, blieb der so zentralen Figur in der „Götterdämmerung“ einiges an Bedeutungsschwere und stimmlichem Volumen schuldig. Aber das passte auch wieder zu der hier gewählten Rollenkonzeption einerseits als Barkeeper und andererseits als vom Vater völlig gebrochener Sohn. Anja Schlosser, Sylvia Rena Ziegler und Cornelia Ptassek waren stimmschön agierende Nornen, und die Rheintöchter Guibee Yang, Sylvia Erna Zieglerund Sophia Maeno verliehen ihrer Enttäuschung über den Geiz des Helden angemessenen stimmlichen Ausdruck. Die von Stefan Bilz einstudierten Damen und Herren des Opernchores und Chorgäste sangen kraftvoll und waren sehr phantasievoll und dynamisch choreografiert.

Der Spanier Guillermo Gracía Calvo, seit der Spielzeit 2017/18 Generalmusikdirektor an den Theatern Chemnitz, leitet diesen „Ring“, der nicht sein erster ist. Er hat auch die Stabführung der Tetralogie am Teatro Campoamor in Oviedo und bereits über 200 Aufführungen an der Wiener Staatsoper dirigiert. In Wien studierte er auch an der Universität für Musik und Darstellende Kunst. Nach einigen anfänglichen Nervositäten im „Rheingold“, die zu einem guten Teil wohl auch der unruhigen Regietheater-Produktion von Verena Stoiber geschuldet sind, lief der junge GMD mit der gewohnt guten Robert-Schumann-Philharmonie zu einer außergewöhnlichen Hochform auf. Man merkte ihm an, dass ihm Richard Wagner etwas ganz Besonderes bedeutet, auf das ich im nächsten Heft bei Wiedergabe eines Interviews mit ihm noch näher eingehen werde. Calvo wurde ab dem „Siegfried“ zu den  jeweils 3. Aufzügen mit großem Auftrittsapplaus bedacht. Und das völlig verdient. Er wusste ebenso große dynamische Steigerungen auszuformen und dabei hohe Transparenz der einzelnen Gruppen zu wahren, wie auch die kontemplativen und ruhigeren Passagen ausmusizieren zu lassen. Ein guter Kontakt mit allen Sängern sicherte große Harmonie zwischen Bühne und Graben. Man kann die Theater Chemnitz zu diesem Engagement nur beglückwünschen. Von diesem Musiker wird noch einiges zu erwarten sein, und wohl nicht nur in Chemnitz.

Gibt es also nun eine spezifisch „weibliche Sicht“ auf den „Ring“?Muss es überhaupt eine „weibliche Sicht“ gegenüber einer „männlichen“ geben?! Nach allem, was zuvor und nun in Chemnitz zu erleben war, denke ich, dass Wagner auch diese Komponente in sein Riesenwerk eingebaut hat, zumal das Weibliche ihm doch nur allzu hold war. Es ist eigentlich nur eine Frage, ob,wie und in welcher Intensität man diese Elemente dramaturgisch und konzeptionell hervorhebt bzw. hervorheben will. Und das kann, wie ich glaube, bei gutem Studium dieses Werkes sowohl ein Regisseur wie eine Regisseurin…   

Klaus Billand

WIEN, LONDON / ROH im Kino: FAUST

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WIEN, LONDON / Royal Opera House Covent Garden
Im Kino, UCI Vienna Millennium City Handelskai
FAUST von Charles Gounod
30.April 2019

Gleich zu Beginn ehrlich gesagt: Eigentlich war man vor allem auf die erste Marguerite der Diana Damrau neugierig – schließlich ist sie eine Sängerin mit besonderer Stimme, besonderer Virtuosität, besonderem Einsatz (man denke nur an ihre hinreißende  Juliette an der Met). Aber mit einem Bandscheibenvorfall (das ist es wohl, was die englische Presse unter Slipped Disc als Absage-Grund vermeldete) kann man nicht singen, und so kam die Damrau um ein optimales Ambiente, in dieser Rolle, die ihr so gut in der Kehle liegen müsste, zu debutieren.

Denn die alte Inszenierung von David McVicar gibt dem Theater, was des Theaters ist, statt das Publikum mit Kopfgebilden zu quälen. Die „Faust“-Handlung spielt dennoch in einer Art Theaterwelt, in der Üppigkeit der Belle Epoque (in die Gounods Oper, 1859 uraufgeführt, schon hineinragt), mit unverschämten Ideen, etwa die Szene rund um den „Mephisto“-Walzer in einem Nachtclub „L’enfer“ spielen zu lassen und die Choreographie – Michael Keegan-Dolan – dem CanCan anzunähern. Ähnlich krass-unverschämt ist die Walpurgisnacht gehalten, ein Alptraum des Faust (dem man kurz davor zugesehen hat, wie er sich eine Spritze setzt – da ist er schon ziemlich abgewrackt), dem ein grotesk-hässliches, schwangeres Marguerite-Zerrbild vor der Nase herumtanzt… Ähnlich exzessiv die Volksszenen (der Royal Opera Chorus ist hochrangig), die schaurige Horror-Movie-Szene in der Kirche, wie überhaupt Religiöses einen starken Stellenwert hat, und nur etwas Ruhe in der Liebesszene (wenn auch da, wie vorgesehen, eine exzentrische Marthe mit Mephisto stört).

Dass das Ganze Show-Charakter hat, zumal durch die Ausstattung von Charles Edwards (Szene) und Brigitte Reiffenstuel (Kostüme), korrespondiert voll mit Gounods Effektmusik, die man in London keinem Franzosen, sondern dem kraftvoll zugreifenden, dabei ungemein elastisch agierenden Dan Ettinger anvertraut hat. Solcherart gewinnt der Abend einen ungewöhnlichen Drive, der bis zum triumphalen Finale durchgehalten wird (und das bei dreieinhalb Stunden Spieldauer).

Ein Glücksfall war die Besetzung – es ist ideal, wenn Sänger im richtigen Alter die richtigen Rollen singen, wenn Stimme und Erfahrung, Technik und Können so richtig „sitzen“. Wir haben Ewin Schrott schon 2011 in Wien als Méphistophélès gesehen, aber er konnte (auch infolge der Wiener Nicht-Inszenierung) damals noch bei weitem nicht diese Wirkung erzielen wie nun in London. Hier bekommt er nicht nur in jeder Szene ein anderes Kostüm, ob Gentleman der galanten Epoche, ob im Frack, ob als Soldat bei Marthe oder als Guru-Erscheinung, wenn er die Seelenqualen der armen Marguerite geradezu folternd verstärkt, ob als groteske Drag Queen in der Walpurgisnacht oder als eine Art Flaneur im Finale, wo er selbst nicht weiß, ob er das Spiel nicht vielleicht doch verloren hat… Man kennt die sprühende Theaterpersönlichkeit von Schrott, der hier alle Nuancen von Boshaftigkeit bis Bösartigkeit ausspielen kann, und er singt mit unerschöpflicher Kraft, ohne durchwegs stimmlich „brutal“ zu agieren – nur dort, wo es der Komponist vorsieht. Das ist (neben dem Scarpia) wohl derzeit seine ideale Rolle.

Auch Michael Fabiano hört sich für den Faust vorzüglich an, ein kraftvoller Tenor, der losschmettert und doch über alle Nuancen verfügt, inklusive der angesetzten Falsett-Töne. Er ist höchst eindrucksvoll als wankender Greis mit zitternden Händen zu Beginn (und dann kurz wieder am Ende), so dass man sich darstellerisch im Ganzen mehr erwartet hätte. Dazwischen allerdings benimmt er sich wie ein gestriger Tenor, steht herum und singt schön.

A scene from Faust by Gounod @ Royal Opera House. Directed by David McVicar. Conductor, Dan Ettinger. (Opening 11-04-19)

Irina Lungu hätte ein paar Vorstellungen nach der Damrau hinterher singen dürfen. Sie nützte die Chance und machte sich selbst zu einer ersten Wahl. An sich hat die sympathische Russin keinerlei Glamour-Charakter, aber das kommt dem blonden Gretchen im braven Kleidchen (die in ihrer ersten Szene nicht ganz logisch als Kellnerin agiert…) im Grunde zugute. Es ist bemerkenswert, wie sie die Stufen der Rolle erklimmt, die Entwicklung zeigt, die Sehnsucht, die durch den Schmuck hervorgerufen wird, die Liebe, der sie sich nach glaubhaftem Zögern hingibt, die Verzweiflung der schwangeren Verlassenen – und am Ende eigentlich nicht der Wahnsinn: Diese Frau im Gefängnis versteht, was vorgeht, und sie ruft die Engel gegen Méphistophélès mit ergreifender Stärke und Überzeugungskraft an. Gesanglich makellos und nie überanstrengt, war sie eine Marguerite, die keine Sehnsucht nach einer anderen aufkommen ließ.

In den Nebenrollen sympathisch Marta Fontanals-Simmons als Siebel, witzig-schrill Carole Wilson als Marthe und schließlich der einzige Franzose weit und breit, Stéphane Degout als Valentin (der später auch als blutiger Zombie durch die Walpurgisnacht geistert): Seine Stimme ist von bekannter Trockenheit, aber gewaltige Intensität wird ihm keiner absprechen.

Eine Intensität, die auch dem ganzen Abend innewohnte, der vom Londoner Publikum nicht erst am Ende, sondern bei jeder sich bietenden Gelegenheit schon während der Vorstellung bejubelt wurde. Durchaus zurecht – kamen doch Gounod und jeder einzelne Sänger in dieser Produktion zu optimaler Wirkung.

Renate Wagner


NEW YORK/ Metropolitan Opera: WAGNERS RING – DAS RHEINGOLD und DIE WALKÜRE

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Liebe Online-Merker-Leser!

Wir haben uns nach Gotham City aufgemacht, um die legendäre Inszenierung einmal direkt zu begutachten. Mit gut, (auch szenisch!) einstudierten Darstellern wirklich ein großer Genuß!

Petra und Helmut Huber

Wagners Ring in New York – Wiederaufnahme und Neueinstudierung von Robert Lepages Inszenierung.

Vorabend und „Walküre“

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Tomasz Konieczny (Alberich), Norbert Ernst (Loge). Foto: Ken Howard/Metopera

Für ein paar Sekunden herrscht wirklich komplette Finsternis in der heiligen Halle an der Lincoln Plaza, während Philippe Jordan unfallfrei seinen Weg zum Pult findet – kein Auftrittsapplaus soll die Sammlung vor den mythischen Rheinklängen stören (Claus Peymann hätte Freudentränen in den Augen gehabt).

Die unglaubliche Bühnenmaschine (Carl Fillion – samt ebenso hochgestochenen Projektionsfantasien von Boris Firquet, Licht Etienne Boucher), die das Herzstück der Inszenierung bildet, hat gleich einmal einen ebenso stimmungs- wie eindrucksvollen Auftritt: Die quicklebendigen und stimmlich sehr gut disponieren Rheintöchter (Amanda Woodbury, Samantha Hankey und Tamara Mumford) verwedeln mit ihren Schwanzflossen den Sand am Flußgrund und produzieren beim Gesang Luftbläschen. Noch wirkt das verspielt, aber das – bislang technisch makellos und lautlos agierende – Werkl kann natürlich auch ganz anders…!

Tomasz Koniecznys Alberich ist stimmlich und auch in der Diktion großartig, und seine Verbissenheit, mit der er zuerst den Nickern und dann dem Gold nachstellt, einfach köstlich. Natürlich ist Michael Volle als Göttervater sein mindestens adäquater Gegenspieler, der nicht nur im dritten Akt der „Walküre“ den Saal beherrscht und bewegt. Fricka (Jamie Barton) kann ihn nicht immer ganz herausfordern, wirkt im „Rheingold“ stimmlich mitunter angestrengten als die ausgesprochen samtig auftretende Freya von Wendy Bryn Harmer.

Norbert Ernst feiert als Loge sein Met-Debut und kassiert für seine sängerisch wie als Schauspieler (und auch körperlich) anspruchsvolle und überzeugende Leistung als komplexer Ränkeschmied Jubel des Publikums. Günther Groissböck ist ein prachtvoll fundierter Fasolt und Hunding, dessen Drohung für den nächsten Morgen Gänsehaut macht. Fafner Dimitry Belosselskiy liegt da einen Tick dahinter (aber auf so hohem Niveau jammern zu können ist eigentlich schön…).

Erda haben wir schon dämonischen erlebt als hier von Karen Cargill.

Gerhard Siegel liefert in Nibelheim schon eine mitreißende Gestaltung des Mime und erregt Vorfreude auf den „Siegfried“-Abend.

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Die Walküre / 1. Akt: Stuart Skelton, Eva Maria Westbroek, Günther Groissböck. Foto: Ken Howard/ Metopera

Brünnhilde Christine Goerkes erstes Hojotoho! kommt noch etwas verhalten, dann aber trifft sie das wilde, unbekümmerte Mädel, Vatis Liebling und schließlich die verzweifelt im tiefen Konflikt notgedrungen Abtrünnige hervorragend in Darstellung und Stimme, der man höchstens dann und wann einen Hauch von kehliger Färbung ankreiden könnte – aber sie ist, auch stimmlich, ein Energiebündel, das absolut rollendeckend den Abend mitdominiert. Der bunte Haufen der „anderen acht“ Walküren hatte und bereitete in Gesang und Gestaltung ebensolche Freude.

Siegmund Stuart Skeltons baritonal fundierter Tenor ist im zweiten Walkürenakt in seinem Element, die „Wälse!“-Rufe dürften aber die Wände von Hundings Hütte nicht wirklich durchdrungen haben (gut, Wotan erscheint daraufhin eh nicht). Aber der Lenz erblüht in seiner Kehle in perfekter Lyrik. Weniger als die Mehrheit des Publikums einverstanden waren wir mit EvaMaria Westbroeks Sieglinde: betontes Vibrato, stimmlich eher Typ schwere klassische Wagner-Heroine, nicht das schlecht verheiratete junge Wälsenmädel – unter all den natürlichen sonstigen Rollenbildern ein Fremdkörper.

Einen durchaus interessanten und unterhaltsamen Kontrast bilden die „konservativen“ Kostüme (Francois StAubin) mit dem hochtechnischen Hintergrund. Aber auch letztere modernen Elemente können, teils unterstützt durch akrobatische stuntmen, absolut magische Momente erzeugen, wie etwa den Weg nach Nibelheim oder den Einzug nach Walhall – und natürlich als vorläufigen Höhepunkt Brünnhildes Versteinerung.

Der Dirigent weiß mit Wagners Partitur wunderbar umzugehen – Tempi und Dynamik sind absolut überzeugend, das Zusammenspiel mit der Bühne perfekt. Das Orchester kommt allerdings nicht immer ganz so makellos über die Runden wie wir das z. B. aus Dresden und dem heimatlichen Linz gewöhnt sind.

WIEN / Burgtheater: ZELT

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Alle Fotos: Burgtheater / Reinhard Werner

WIEN / Burgtheater:
ZELT von Herbert Fritsch
Uraufführung
Premiere: 27. April 2019
Besucht wurde die Vorstellung am 1. Mai 2019

Karin Bergmann hat zum Ende ihrer Ära als Direktorin des Burgtheaters noch schnell jene Regie-Namen herbeigeholt, mit denen sie das Haus nahtlos und unterscheidungslos an die deutsche Regietheater-Landschaft anschließt. Es gab auch andere Zeiten, da war das Burgtheater etwas Besonderes, unverwechselbar und auch solcherart anerkannt und bewundert. Individualität eines Hauses vor Uniformität des Angebots. Aber das ist lange her.

Herbert Fritsch, von dem man schon – mit bescheidenem Vergnügen – an der Burg „Der eingebildete Kranke“ und „Die Komödie der Irrungen“ gesehen hat, zählt (wie etwa auch Christoph Marthaler) zu jenen Regisseuren, die ihren gnadenlosen „Stil“ entwickelt haben. Da ist es doch allemale gescheiter, sie entwickeln dafür ihre eigenen Projekte, statt damit Klassiker zu verhunzen. In diesem Sinn kann man für „Zelt“ dankbar sein.

Es ist kein Stück – sollte es, wie es heißt, je Text gegeben haben, so hat man ihn fallen lassen. Was geboten wird, ist eine eineinhalbstündige pantomimische Grotesk-Show, die das Wiener Publikum durchaus an die Zeiten des einstigen Serapionstheaters gemahnt. Nur dass dort immer zumindest andeutungsweise eine Geschichte dahinter stand. Damit hat sich Herbert Fritsch nicht abgegeben. Er entwickelt einfach Bewegungsabläufe und Bilder und entfesselt dabei etwas, was man als groteskes Gaudium betrachten kann oder als sinnlose Belästigung. Sprachlos, wenn auch voll von Geräuschen und einer Art „Musik“ (Matthias Jakisic löst sich als „Musiker“ aus dem Ensemble), die mit durchaus quälendem Effekt (und vermutlich  in solcher Absicht) eingesetzt ist.

Was sieht man? Zuerst eine Putzkolonne. Rhythmisch agierend, könnte man eine Studie von Gruppenverhalten erwarten, aber dieses „Vorspiel“ bietet letztlich nichts weiter als die „Pointe“, dass die nassen Putzfetzen mit erotischem Enthusiasmus ausgewrungen werden…

Dann kommt das titelgebende Thema „Zelt“. Wenn Hermann Scheidleder in komödiantischem Alleingang das erste Zelt aufgebaut hat, klettern alle aus einer Versenkung: Die uniformen Putzer haben sich jedoch in eine schrill-bunte Menge verwandelt, die Frauen mit blonden Zöpfchen und schrecklich grellfarbigen Puppenkleidern, die Männer in stilisierten Trachtenanzügen: Des deutschen (österreichischen) Menschen Kuriositäten-Show… Sie wollen auch ihre eigenen Zelte, wie das schon so ist – und diese clowneske, chaplineske, Slapstick-getriebene Horde ist nun gymnastisch am Werk, um erst Zelt zu bauen und bald in ihre endlose Konzert-Session zu verfallen (zu rhythmischen Geräuschen auf Instrumenten und offenbar als Pop-Star-Parodien).

Das streift die Frage, wie viel sich ein Theaterpublikum an sinnlos-lautem, wenn auch zugegeben brillant gemachtem Selbstzweck bieten lässt. Die ersten Zuschauer gingen erstaunlicherweise erst nach 40 Minuten, danach bröckelten immer wieder welche ab (meist paarweise), aber weniger als zu erwarten war. Der bunte „Stummfilm mit Geräusch-Untermalung“ hat offenbar genügend Event-Charakter und beansprucht das Hirn so gar nicht, dass viele sich gerne von der (immer wieder brillant beleuchteten) Flut von Bewegung füttern ließen…

Als die Zelte, an fast unsichtbaren Stricken hoch gezogen, scheinbar zu schweben begannen, konnte man für einen Moment staunen – und wenn nach eineinhalb Stunden die Köpfe der Protagonisten aus dem Bühnenboden ragen, als wären sie von einer Guillotine-Schlacht übrig geblieben, da hat es das Publikum fast überstanden. Aber nein, auch die Verbeugung wird noch einmal zur Blödel-Show, und schließlich muss man die zwei Dutzend Darsteller, die sich hier in aufopferndster Weise verbogen haben, auch würdigen. Wenn man auch nur ganz wenige von ihnen erkannt hat – Ruth Brauer-Kvam mit blonder Schmolle etwa (von ihr hört man auch durchdringende Töne, denn wenn es auch keinen Text gibt, geräuschvoll darf man lange Zeit schon sein), Petra Morzé, der man einen „persönlicheren“ Abschied vom Haus gewünscht hätte, Dorothee Hartinger oder Sabine Haupt … aber eigentlich versinken sie alle in „Masse“, was immer sie alle in dieser Funktion bedeuten sollen. Schlimmstenfalls gar nichts.

Was einen Teil des Publikums nicht hinderte, heftigen Applaus zu spenden. Den Zorn der anderen hörte man noch in der Straßenbahn: „Nichtssagende Perversität!“ Man kann allerlei Meinungen zu ein- und derselben Sache haben… und diejenigen, die hinter der handwerklichen Brillanz keinen Sinn zu entdecken vermochten, sind vielleicht dem ganzen Spektakel bloß nicht auf den Leim gegangen.

Renate Wagner

Film: DER FLOHMARKT VON MADAME CLAIRE

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Filmstart: 3. Mai 2019
DER FLOHMARKT VON MADAME CLAIRE
Le dernier vide-grenier de Claire Darling / Frankreich / 2018
Regie: Julie Bertuccelli
Mit: Catherine Deneuve, Chiara Mastroianni u.a.

Als Filmfreund hat man ein langes Leben mit Catherine Deneuve, Jahrgang 1943, verbracht. Sie war eine der hinreißendsten, schönsten jungen Blondinen, die man je gesehen hat (nur Grace Kelly kam da mit), damals noch an der Seite ihrer dann früh verstorbenen Schwester Françoise Dorléac in „Die Regenschirme von Cherbourg“. Sie zeigte sich früh experimentierfreudig (in Polanskis „Ekel“, 1965, oder Bunuels „Belle de Jour, 1967), aber auch durchaus mainstreamfreudig (als Mary Vetsera in einem prunkvollen „Mayerling“-Kitsch 1968). Ihr Abstecher nach Hollywood blieb rudimentär, sie war durch und durch Europäerin, drehte bemerkenswerte Filme mit ihren französischen Kollegen Alain Delon, Yves Montand, Gerard Depardieu („Die letzte Metro“, 1980) oder Philippe Noiret und war in Prestige-Produktionen wie „Indochine“ mit dabei. Unter „Acht Frauen“ war sie der strahlende Mittelpunkt, hat aber dann in ihren späteren Jahren auch viel Belangloses gedreht, sich an den seichten französischen Lustspielen beteiligt.

Kurz, man wartet auf die große Altersrolle, und man fragt sich, ob die Madame Claire in dem Film „Der Flohmarkt von Madame Claire“ Anspruch darauf erheben kann. Die Rolle hat es in sich, das Thema auch – wenn nur die Ausführung durch Regisseurin Julie Bertuccelli ein bisschen weniger behäbig und repetetiv gewesen wäre…

Die Deneuve, 76jährig, weißhaarig, rauchend, unverändert attraktiv, ein wenig verwirrt und dann wieder fest entschlossen, spielt jene Madame Claire, die sich einbildet, das Ende ihres Lebens sein gekommen. Jetzt. Heute abend noch. Und vorher will sie Ordnung machen.

Es ist ein Gefühl, das vermutlich viele alte Leute kennen. Sie sind umgeben von den Dingen ihres Lebens – im Fall von Madame Claire wahre Kostbarkeiten, ob Möbel, Antiquitäten, Tiffany-Lampen, altes Spielzeug, Schmuck, besondere Bücher. Das letzte Hemd hat keine Taschen, was will sie noch damit? Und doch zeigt der Film, wie schmerzlich es ist, alles vors Haus schleppen zu lassen (die Geschichte spielt in einer kleinen französischen Stadt) und einen Flohmarkt zu veranstalten?

Es wird klar, wie viel Erinnerungen an diesen Dingen hängen – und was alles hervorgerufen wird, wenn die entfremdete Tochter (gespielt von Chiara Mastroianni, die auch im Leben die Tochter von Catherine Deneuve ist) herbei geeilt kommt und die Frauen manches an verdrängtem Schmerz und selbst verschuldeter Fremdheit aufarbeiten müssen. Wenn Madame Claire einem Priester mit seinen Phrasen heftig Paroli bietet, ist das noch stark – wenn dann im und am Spitalsbett die Sentimentalität ausbricht, überzeugt die Sache schon weniger.

Es ist die Schwäche des Films, dass er so langsam läuft und vor allem zu wenige Impulse bietet, die Geschichte bleibt die längste Zeit einförmig dieselbe. Bis zu einem überraschenden Ende, das mehr oder minder offen bleibt (und das man aus „Spoiler“-Gründen nicht verraten darf, obwohl man seine Berechtigung gern diskutieren würde): Was da eigentlich geschehen ist, macht der Film, der so vielfach in der Luft hängt, dann doch nicht klar.

Aber die Deneuve zwischen dem Schwinden der Kräfte und dem Mobilisieren letzter Entschlossenheit zum Abgang – das ist schon etwas.

Renate Wagner

HOHENEMS/ SCHUBERTIADE: Liederabend mit Schubert, Brahms und einer Uraufführung

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SCHUBERTIADE / HOHENEMS: Liederabend mit Schubert, Brahms und einer Uraufführung

„Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort“

 30.4. 2019 – Karl Masek

Zitat Oskar Werner. Treffender kann man es fast nicht ausdrücken. Was wäre als Motto passender, wenn 2019 die Hohenemser und Schwarzenberger Tore zu den „Schubertiaden“ wieder geöffnet werden?

Die legendär ungezwungenen musikalischen Treffen im Wiener Biedermeier mit Franz Schubert und seinen Freunden warteten naturgemäß hauptsächlich mit Uraufführungen auf. Von Mal zu Mal wurden sie mit Ungeduld erwartet. Die „Locations“ waren brechend voll, wie die damaligen „Reportage-Gemälde“ eindrucksvoll belegen.

 Der Markus-Sittikus-Saal war an diesem Abend nicht ausverkauft. Und das war sehr schade. Man konnte wieder einmal vermuten, da hatten etliche  Schwellenangst vor der Moderne, vor zeitgenössischer Musik und vor dem „Ungewohnten einer Uraufführung“. Was natürlich nicht nur die Schuld eines konservativen Publikums ist, das sich nur auf Altbekanntes und oft schon Gehörtes einlassen will. Natürlich trugen auch Komponisten aus dem „Elfenbeinernen Turm“ und mit bewusster musikalischer Unzugänglichkeit zum Eindruck selbsterfüllender Prophezeiung bei nach dem Motto, das atonale Zeug könne man sich doch nicht anhören.


Kit Armstrong, auch ein Origami-Falter! C: Gesine Born

Eindrucksvoller als mit gleich zwei Kompositionen von Kit Armstrong konnte das Klischee, zeitgenössische Musik sei unzugänglich und nicht publikumswirksam, nicht widerlegt werden wie an diesem Abend! Die Multi-Hochbegabung, mittlerweile 27 Jahre, hat sich von den Wunderkindzeiten (Kompositionen mit 5, frühe Sensationen am Klavier, Studien von Mathematik, Physik, Chemie im Grundschulalter,… längst frei gestrampelt, sich nicht auf Dauer als Genie vermarkten und bestaunen lassen. Er pflegt inzwischen vielfältige musikalische Partnerschaften als Kammermusiker und Liedbegleiter und begibt sich damit immer wieder auf neues, spannendes Terrain. Und er beweist in seiner Weiterentwicklung als Komponist eindrucksvoll: es ist noch lange, lange nichts alles „wegkomponiert“!

Schon der 14-Jährige bestach damals, 2006,  mit einer gekonnten instrumentalen Version von „Der Struwwelpeter“ (!) für Viola und Klavier. Das achtteilige Werk (2006) erzählt die Geschichten vom Hans Guck-in-die-Luft, vom Suppen-Kaspar, vom Fliegenden Robert,…ohne Worte, aber mit „sprechendem“ Ausdruck. Mit der jungen Bratschistin Barbara Buntrock (die Wuppertalerin ist Tochter eines Geigenbauers und einer Cellistin) hat er eine kongeniale, virtuose Partnerin. In der „Geschichte vom wilden Jäger“, in welcher der Schwächere, nämlich der Hase, siegt, toben sich beide musikalisch so richtig aus. Der Jubel galt einem gekonnt gemachten Stück mit Sarkasmus und parodistischem Witz, so als würde Schostakowitsch ums Eck schauen. Naja, und die Gedanken, dieses erfolgreichste Kinder-Bilderbuch des 19.Jhts mit fürs 21. Jht steinzeitlichem pädagogischen Ansatz, sei heutzutage völlig unzeitgemäß, blieben für 20 Minuten ausgeblendet.

Ebenfalls mit Jubel akklamiert wurde die Uraufführung „Selig sind die Enttäuschten“ ,Lieder nach Gedichten von Ulla Hahn (Jg. 1946). Tiefsinnige Gedanken zu Lebenserfahrungen von Frau und Mann. Von Zweifeln, von der Desillusionierung vom wieder-zu-sich-Finden. Sehr hintergründige Texte. Mit subtilen Farben für Klavier, Viola, Mezzosopran und Bariton, arbeitet hier  der Komponist Armstrong. Ein klangsattes, kunstvolles, polytonales Kompendium beziehungstechnischer Erfahrungswerte.


Barbara Buntrock (Viola), Sophie Rennert, Benjamin Appl. C: Schubertiade Hohenems

Die aus Graz stammende Sophie Rennert, aufstrebend in der Opern- und Liederszene, noch keine 30, und der gebürtige Regensburger Benjamin Appl, er ein Mittdreißiger und schon mittendrin in der Weltkarriere, beeindruckten mit kluger Textdurchdringung und warmgetönter Stimmästhetik. Das finale Duett der beiden,  „Morgenlob“,  war Poesie pur, mit prachtvoller Viola-Grundierung durch Barbara Buntrock.

Und natürlich Schubert! Benjamin Appl befasste sich mit Jugendwerken frühester Zeit, den Liedern „An den Mond“ des 18-Jährigen sowie den Geniestreichen „Schäfers Klagelied“, op.3/1 und „Meeres Stille“, op. 3/2. Atemberaubend, wie Schubert, der damals 17-Jährige glatte Meeresfläche, ungeheure Weite, „Todesstille“,  musikalisch umsetzt! Sebastian Appl, ungemein textdeutlich, hier mit verinnerlichten Pianissimotönen. Um beim „Erlkönig“, op.1, sein interpretatorisches Meisterstück an diesem Abend abzuliefern. Er war Erzähler, Vater, Kind und Erlkönig. Mit „vier Stimmen“ – und dem Sog eines unheimlichen Accelerandos samt dem Zusammenbruch des Vaters beim Anblick des toten Kindes. Da bricht sogar dem Erzähler bei „ …in seinen Armen das Kind war tot…“  die Stimme. Ein Moment mit Gänsehaut-Effekt …

Sophie Rennert überzeugte mit weichem Timbre, schwebender Tongebung. Diese schöne Stimme mit besonderen Legato-Qualitäten und der silbern lyrischenTönung scheint mir in Richtung Sopran zu tendieren. Abgeklärt das Brahms-Lied des 60-Jährigen,  „Gestillte Sehnsucht“;  mild strömend und innig im Ausdruck „Geistliches Wiegenlied“ (Text: Emanuel  Geibel, nach Lope de Vega). Kit Armstrong,  er ist einen Abend lang ein differenzierter, hellwacher, ausdrucksstarker Liedbegleiter.

 Eine japanische Miniatur, schwerelos wie Origamikunst: Toru Takemitsus Poem „A bird came down the walk“,  für Viola und Klavier (aus dem Jahr 1995),  rundete diesen so abwechslungsreichen und spannend programmierten Abend trefflich ab.

Karl Masek

 

WIEN / Staatsoper : Giuseppe Verdi RIGOLETTO

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„Lassu in cielo“ Christopher MALMANN mit Andrea CAROLL Foto: Copyright M.PÖHN

Maltmann: Der Rigoletto aus dem Globe Theatre
Hässlich lastet diese Inszenierung des RIGOLETTO auf der Wiener Staatsoper,
und schäbig ist sie auch noch dazu. Eines der Erbstücke für die neue Direktion.

Mittwoch, 1. Mai 2019           26. Aufführung in der Inszenierung von Pierre Audi

 

„AUSVERKAUFT“ prangt es über der Kassa, das heißt die Touristensaison hat voll eingesetzt und auf den seitlichen Stehplätzen biegt sich das Geländer. Jetzt soll der Bezug der Stehplatzkarten zum alten Preis nur mehr im Vorverkauf möglich sein, während die Gelegenheitsbesucher und Touristen aus den Autobussen mit Sack und Pack und Kindern ihren Sightseeing-Trip im Haus am Ring nur mehr mit teureren Karten durchführen können. Das ist gut so, auch wenn man an Details in der Abwicklung noch feilen wird müssen.

Es war auch gestern wieder ein trostloser Anblick, als Massen von den Galerieplätzlern schon in der ersten Pause die Garderoben stürmten, vorbei an der Warteschlange für das Damen-WC. Letzterer Umstand ist tatsächlich auch ein ernsthaftes Anliegen an die Verwaltung der Bundestheater, die Kapazität dieser genannten Einrichtungen bei den oberen Stockwerken zu erweitern. Auch das zählt zu den Errungenschaften eines modernen Opernhauses 4.0.

Als Grund für den allabendlichen Publikumsschwund nach der ersten Pause sei aber auch auf die illusionslosen Sichtverhältnisse in einem Logentheater höfischer Prägung hingewiesen. Die Wiener Staatsoper ist so ein Haus. Es scheint sich die Mehrheit der Regisseure einig zu sein, erst dann genial zu wirken, wenn sie die volle Bühnenbreite ausnützen und gerade dort in diesen seitlichen Winkeln wesentliche Handlungselemente situieren. Hat schon einer dieser Leute die Bretter, die die Welt bedeuten, von so weit oben und  von so seitlich besehen? Auch hat sich kein direktorialer Mitarbeiter je noch aus seiner Loge heraus bequemt, um ein Bühnenbild oder eine Regie auf passable Sichtverhältnisse von den seitlichen Galerien und Balkonen aus zu kontrollieren.

Mit den Tücken des ersten Bildes kam Giampaolo Bisanti, der Dirigent des Abends und europaweit gefragter Maestro im italienischen Fach vorerst nur mit dem ganzen Einsatz seiner Routine zurecht. Und für das Bühnenorchester sollte man einen besseren Standort wählen, die klang mickrig leise hinauf in den Zuschauerraum und drückte die Stimmung dieser turbulenten Szene, wie sie von Verdi musikalisch wohl gedacht war. Ab dem zweiten Bild nahm aber das Dirigat Fahrt auf – wenn auch manchmal mit unruhig wechselnder Agogik, so dass der musikalischen Wiedergabe insgesamt der „Guss“ mangelte.

Er ist zwar eine Figur von Viktor Hugo hatte aber in der Darstellung schon die Züge eines großartig scheiternden, shakespearhaften Helden. Denn Briten – und der Hausdebütant als Rigoletto, Christopher Maltmann ist ja einer, genauso wie der, seiner Rollenauffassung ähnliche Keenlyside – die müssen offenbar so spielen, mit dem großen Dramatiker auf den Schultern oder im Nacken, wie aus dem Globe Theatre direkt nach Mantua geschickt und mit einem Schuss Verdi versehen. Er geizt nicht mit großen Ausbrüchen und Anklagen gegen die Höflinge und gegen sein Schicksal, mit ganzer Ausdruckswucht und nicht mit Schögesang. Aber er geizt nicht mit manchmal auch zarten Tönen für seine Bühnentochter Andrea Caroll, die diesmal statt der vorgesehenen Aida Garifullina sang. Beide jungen Damen aus dem „Opernstall“ Meyer aus der Staatsoper machten Wien diesmal Ehre: Die eine hier in Mantua als Rollendebütantin für die Gilda mit bereits erstaunlich dramatischem Aplomb. Die andere stand diesmal statt der erkrankten Netrebko auf einer Konzertbühne in Berlin. Der Rollentausch war durchaus gelungen.

Christopher MALTMANN und Joseph CALLEJA Foto: Copyright M.PÖHN

Ein etwas ungeschlachter Bursche , dieser Herzog des Joseph Calleja, gut passend zu dem Milieu der Inszenierung. Sein aufdringlich viriles, weil vibratogeschärftes Tenormaterial wäre ja bezüglich Lautstärke einigermaßen raumfüllend, die Behandlung der Gesangslinie aber ist eher befremdlich brutal, zu wenig belkantesk eingesetzt, am wenigsten jedoch bei den von der Gesangslinie abgesetzten Piani.

Da waren noch der schönstimmige aber etwas statuarisch singende Jongmin Park als Sparafucile, fernöstliche Ruhe eher ausstrahlend und die quirlige Maddalena, die ein erfreuliches Wiedersehen und -hören mit Nadia Krasteva brachte.

Margaret Plummer als Giovanna und Alexandru Moisiuc als Monterone ergänzten verläßlich, Igor Onishchenko als Marullo und Leonardo Navarro als Borsa hatten in der Schar der kleineren Partien ihr Rollendebüt.

Sparsam war das Publikum während der Vorstellung mit dem Applaus, erst nach dem, vom Maestro dramatisch zugespitzten Finale kam es zu ganzen sechs Minuten Jubel.

Peter SKOREPA

 

 

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