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WIEN / Theater an der Wien: OBERON

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Alle Fotos: Copyright © Werner Kmetitsch 

WIEN / Theater an der Wien:
OBERON von Carl Maria von Weber
Eine Koproduktion mit der Bayerischen Staatsoper München
Premiere: 13. Mai 2019

Zu einem Abend wie diesem ist man um markige Formulierungen nicht verlegen. „Tumult im Narrenhaus“ sowieso, aber auch „Rollenspiele in der Psychiatrie“. Oder: „Der Chefarzt ist ein Fixer.“ Auf jeden Fall: „Was Regisseuren so alles einfällt.“ Anlaß solcher Spekulation: Carl Maria von Webers „Oberon“ im Theater an der Wien, eine Co-Produktion mit München, gestaltet von Nikolaus Habjan (was sicher stellt, dass seine für ihn unverzichtbaren Puppen dabei sind).

Man muss dem Theater an der Wien tief dankbar sein, dass es zur allgemeinen Kenntnis des „Freischütz“, der ja wirklich immer wieder einmal im Repertoire auftaucht, diese Spielzeit die Weber-Raritäten „Euryanthe“ und nun „Oberon“ geboten hat. Letzteres war Webers letztes Werk, eine „romantische Feen-Oper“, für London in dem dort typischen Patchwork-Stil gehalten (wo er doch lieber erneut eine „italienische Oper“ geschrieben hätte, wie es die „Euryanthe“ für Barbaja gewesen war). Da mischt sich Shakespeares Feenkönig samt Gattin, Puck und einigen Elfen mit einem Helden aus der Zeit Karls des Großen und einer orientalischen Kalifentochter, und bewiesen werden soll (wie immer) die ewige und unerschütterliche Liebe. Stilistisch sind es gesprochene Dialoge und eine Musik von solcher Pracht, dass eigentlich nicht einzusehen ist, warum „Oberon“ kaum je auf die Bühnen kommt.

Oder doch – denn auch Regisseur Nikolaus Habjan beweist wieder einmal die Angst der Regisseure vor dem Stoff. Nur im Kino kann man dem Zuschauer „Fantasy“ aller Art (und in allen Schattierungen der Dummheit) vorsetzen, auf der Bühne traut man sich nicht. Was tun? Die Geschichte verfremden. Ihr einen Rahmen geben, dass sie als Spiel im Spiel passiert, als solches ironisch kenntlich gemacht.

Nun ist die Psychiatrie als Schauplatz wahrlich keine neue Erfindung, schon bei Harry Kupfer war Orfeo im Krankenhaus, und wann immer an der Wiener Staatsoper „Parsifal“ gespielt wird, sind wir auf der Baumgartner Höhe. Da kann das Irrenhaus von Nikolaus Habjan nicht als besondere originell gelten, auch nicht in der Ausstattung von Jakob Brossmann, die ein groteskes Tohuwabohu bietet. Dass der Chefarzt und seine Frau sich streiten und die Frage von der standhaften Liebe als Rollenspiel von ihren Patienten abhandeln lassen… sei’s drum.

Die ironische Verfremdung ist jedenfalls gegeben: Wenn ein Löwe aus Pappe „erschlagen“ wird, sind die Lacher legitim (nähme man es ernst, wären die Lacher des Publikums höhnisch), und wenn dann noch die Habjan-Puppen die (stark reduzierten) Nebenrollen übernehmen, dann ist der Spielcharakter fest etabliert. Da muss man sich nur am Anfang daran gewöhnen, dass das Personal in Labormänteln flüsternd über Elfenzauber singt… aber man gewöhnt sich tatsächlich.

Man nimmt hin, dass vier auserwählte Patienten Hüon von Bourdeaux und Rezia sowie das Dienerpaar Fatime und Scherasmin spielen und singen, und drei Angestellte des Klinikchefs übernehmen in verschiedenem Puppen-Outfit die restlichen Rollen. Das alles stimmt in sich, wenn auch viel Blödsinn beschworen wird und dem Regisseur noch und noch einfällt (wenn Dr. Oberon in Feenwelten abdriften will, setzt er sich eben einen Schuß). Doch wenn man genau hinsieht, konzediert man dem Abend gern sein souveränes Handwerk. Es sind knappe drei Theaterstunden, die letztendlich funktionieren – außer man findet die (an sich abgeschmackte) Rahmenhandlung zu blöd und weigert sich, sich darauf einzulassen…

Als Mauro Peter 2014 im Theater an der Wien erstmals auffiel, da Nikolaus Harnoncourt ihn in den Tenorrollen seiner drei konzertanten Da Ponte-Opern einsetzte, war er noch ein viel versprechender schmaler junger Mann. Heute ist er ein „gestandener“ Tenor, der den Oberon mit stimmlicher und darstellerischer Kraft spielt – sowie die Gattin ihn eben aufkommen lässt: Im Original ist die Dame eher stumm, in dieser Fassung bekommt die Titania der Juliette Mars nicht nur zu singen, sondern auch weibliche Lästigkeiten zum Spielen.

Der Rest der Handlung konzentriert sich auf die vier Hauptfiguren, wobei man ein echtes Heldenpaar gefunden hat: Vincent Wolfsteiner singt an deutschen Häusern Wagner auf und ab, und er hat die helle, offensiv eingesetzte Tenorstimme, die hemmungslos schmettern kann, selten subtil oder raffiniert, aber immer effektvoll. Und Annette Dasch ist ja nun wirklich eine hochdramatische Wagner-Sängerin, die auch an den Anforderungen der Rezia (zwischen Mozart-artigem und der gewaltigen „Ozean“-Arie)  nicht ins Wanken gerät.

Von dem zweiten Paar hat Natalia Kawałek, aus der Kammeroper erinnerlich, als Fatime die bessere Rolle (nicht nur, weil sie Temperament zeigen und ihren Partner mit einem gezielten Tritt zwischen die Beine außer Gefecht setzen darf): Sie singt das ihr Anvertraute, gar nicht so Einfache mit beweglichem Mezzo. Daniel Schmutzhard spürte wohl, dass der Scherasmin für seinen kernigen Bariton nicht allzu viel hergibt und kompensiert mit seinem Spiel.

Was im Original Puck und verschiedenen Elfen anvertraut ist, wird hier unter Streichung aller anderen Rollen von Puck eins, zwei und drei übernommen, die die verschiedensten Puppen führen und stimmlichen Heckmeck dazu machen – die Leistungen von Manuela Linshalm, Daniel-Frantisek Kamen und Sebastian Mock, hintergründige Biester, diese drei, sind wahrlich nicht gering zu schätzen, ebenso wenig – wie immer – jene des Arnold Schoenberg Chors (geleitet von Erwin Ortner).      

„Oberon“ als Werk zwischen Mozart (dessen „Entführung“ auch handlungsmäßig zwischendurch immer wieder grüßen lässt – so, wie Knappe Scherasmin hier zwischendurch immer wieder Papageno-Züge zeigt) und Wagner ist hörbar und wunderbar. Von dem einen ausgehend, den anderen ermöglichend, hat Weber Arien geschrieben, die Wagner-Sänger fordern, instrumentale Effekte und Orchesterschwung von Brillanz und Schönheit geschaffen und auch die konzertante Musik (man denke an Mendelssohn oder Schumann) hörbar inspiriert. Das ist „große Oper“, und darum wunderte es, dass man keines der großen Orchester, sondern das Wiener KammerOrchester verpflichtete, das manchmal trockener klang als üblich und immer wieder „ruppig“ in der temperamentvollen Leitung von Thomas Guggeis, aber es gelang dem 25jährigen Dirigenten nicht nur stringente Sänger- und Chorbegleitung, sondern auch der geniale Schwung von Webers Musik.

Der Beifall fand keinerlei Widerspruch. Wenn man sich darauf einließ… ja, dann sah man „Oberon“ durch die Psychiatrie durchblinzeln.

Renate Wagner


MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: IM WEISSEN RÖSSL von Ralph Benatzky. SING ALONG UNTER MITWIRKUNG DES PUBLIKUMS

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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater:  Im Weißen Rössl – 11. Mai 2019 –  Singspiel von Ralph Benatzky u.a.                       

SING ALONG  =  Mitwirkung des Publikums. Originalfassung von 1930, Premiere 2012

Tritt ein – und vergiss deine Sorgen …“,  ein unbeschreiblich phänomenales Vergnügen!

Bericht von Tim Theo Tinn 

Die leichtere Muse im klassischen Musiktheater ist ein feingeistig zartes Gebilde – bei aller Qualität der Vorlage kann eine Inszenierung daneben gehen, wenn man die Übergangswiderstände zu unserem Zeitalter nicht beachtet. Es darf also weder eine Reminiszenz im Historismus noch eine überzogene Sichtung in eine unpassende Modernität sein. Sensibilität und Empathie sind die Schlüssel (6. Sinn!!!).

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Ensemble Gärtnerplatztheater © Thomas Dashuber

Der Sing Along Rössl – Abend im Gärtnerplatz Theater war in jeder Hinsicht so überbordend wunderwebend, dass ich mich beeindruckt mit Demut verneige. Als Rezensent will man ja immer befragen, das tue ich hier nicht, da sich Josef E. Köpplinger und seine Mannschaft mit diesem Erlebnis jeder Befragung entziehen. Ich empfehle folgende Eindrücke, die alle Worte aushebeln: 

11 Fotos: Sing Along – IM WEISSEN RÖSSL (hier auch Inhaltsangabe und Besetzung)

https://www.gaertnerplatztheater.de/de/news/sing-along-2018.html

Trailer 30 Sekunden

Stückeinführung 11 Min

https://www.youtube.com/watch?v=xpjc8DfLveM

Der inszenierende Intendant hofft in der Einführung auf wunderbaren Slapstick, pointierte Dialoge, effektvolle Tanznummern, schön gesungene Lieder – das Ergebnis hat diese ganzen Hoffnungen noch weit übertroffen. Jeder Superlativ ist zutreffend – das ist ein herzerfrischend überbordender Geniestreich, eine entstaubte, bebend wabernde optisch-akustische Eruption, Sensation mit angetipptem Tiefgang und Wehmut. Im Zusammenspiel mit Sing Along (zum 4. Mal), wird überschäumender Kult geprägt, der der kultigen „Rocky Horror Picture Show“ gleichkommt. Ohnehin ausverkauft, wird das Theater im nächsten Jahr sicher nicht mehr reichen, es sollte ein Open – Air auf dem gesamten Gärtnerplatz sein. Sing Along findet leider nur einmal jährlich statt.

Ohne Profilierungs-Neurose liste ich unvollständig auf: Jodeln, Folklore, Jazzband, Blaskapelle, Zither-Trio, „Lübke“ Englisch einer Reiseleiterin („Equal goes it loose“) artifiziell – satirische Postkarten-Idylle mit Laubsägearbeiten als Sägezahn-Wellen,  Bimmelbahn, Spielzeug-Flieger, Schiffsbug, Holzhackerbuam, Schnürlregen aus Gieskannen, Wilderer, finnische Turnertruppe, irische Großfamilie usw.

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Sigrid Hauser (Rössl-Wirtin), Angelika Sedlmeier, Statisterie © Christian POGO Zach

Sing Along hat den Abend noch potenziert. Das Publikum war zum Mitsingen und Mitspielen aufgefordert – und damit stand das Haus nahezu Kopf. Im Foyer gabs Schuhplattler, vor dem Theater eine Blaskapelle, das Publikum wurde mit Requisiten und Regieanweisungen ausgestattet und dann gings los. Auf gut bayrisch: „A Hund is er fei scho! Der Herr Intendant“ Die universale Begabung von Josef E. Köpplinger (s. Fotos Sing Along) ließ ihn völlig selbstverständlich zum überragenden Moderator des Abends werden, der mit Akkordeon dem Publikum zunächst Gesangsunterricht und Anweisungen gab. Dann ging es los. Durch den ganzen Abend heizte er zum Agieren gem. Regieanweisung und Mitsingen an. Die Fotos sind zwar von 2018, es hat aber auch 2019 mindestens genauso gebrodelt.


Jeder Zuschauer erhielt diese Requisiten

Der Sing Along Rössl – Abend im Gärtnerplatz Theater war in jeder Hinsicht so überbordend wunderwebend, dass ich mich beeindruckt mit Demut verneige. Damit ist Alles zu Allen und Allem gesagt. Ein singuläres Theater-Ereignis als berückendes Beispiel, wie aus einem wunderbaren Gesamtkunstwerk erfüllende Gefühle, Emotionen erwachsen, ohne sich durch unwirkliche kognitive Zusammenhänge wurschteln zu müssen. Und das mit brillanter Unterhaltung in der leichten Muse.

Tim Theo Tinn 14. Mai 2019

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). Ist mit Begeisterung für singuläre Aufträge zu haben, nicht für Festengagements.

 

 

 

                                   

BORNA/ Kultursaal: SYMPHONIEKONZERT MIT DEM LEIPZIGER SYMPHONIEORCHESTER UNTER MANFRED MAYRHOFER

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Borna/Kultursaal: SYMPHONIEKONZERT MIT DEM LEIPZIGER SYMPHONIEORCHESTER UNTER MANFRED MAYRHOFER – 12.5.2019

Neben seinen Konzerten in Leipzig gibt das Leipziger Symphonieorchester auch regelmäßig Konzerte in der umliegenden Region. Das 5. Symphoniekonzert mit dem fantasievollen Titel „Von Märchen und Helden“ hatte der österreichische Dirigent Manfred Mayrhofer, dessen schwungvolle, mitreißende Dirigate immer wieder Publikum und Musiker begeistern, kurzfristig übernommen. Er ist bei diesem Orchester kein Unbekannter mehr, da er schon einige Symphoniekonzerte geleitet hat. Trotz knapper Probenzeit „kam, sah und siegte“ er, verstand es, die Musiker für sich zu gewinnen, das für die Besetzungsmöglichkeiten dieses aus Spargründen leider sehr reduzierten, aber dennoch leistungsfähigen und leistungswilligen Orchesters etwas „sperrige“ Programm aufzubereiten und zu erarbeiten und Qualität zu zaubern. Zwischen ihm und dem Orchester schien die Chemie zu stimmen. Die Musiker folgten jeder seiner Bewegungen und setzten das anspruchsvolle Programm in lebendige Musik um.

Eröffnet wurde das Programm mit einer sehr plastischen Wiedergabe der Konzertouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“ (op. 32 MWV P 12) von Felix Mendelssohn-Bartholdy, bei der förmlich das Wasser in den einleitenden und ausklingenden Takten naturalistisch perlend und „plätschernd“ zu hören war, die die mit temperamentvollem Schwung und entsprechender Dramatik illustrierte Handlung um den Mythos der schönen Meerjungfrau umschlossen.

Ein besonderes Merkmal der Konzertprogramme dieses Orchesters ist die Aufführung eines wenig bekannten oder selten gespielten Solokonzertes, wie das „Konzert für Flöte und Orchester“ D‑Dur (op. 283) des Romantikers Carl Reinecke (1824-1910), dessen Œuvre heute zu Unrecht eher vernachlässigt wird und nur hin und wieder mit einigen Werken im Konzertsaal vertreten ist. „Ihre Compositionen haben mir viel Freude gemacht. Sie haben ganz entschiedenes Talent zur Composition“ schrieb einst Mendelssohn dem 19jährigen Reinecke.

Die Solistin Katharina Böhm-Prokein, Flötistin im Leipziger Symphonieorchester, der Staatskapelle Halle und der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz sowie verschiedenen Barockorchestern, interpretierte das Werk in ihrer schlichten, eleganten und gewinnenden Art in sehr zügigem Tempo, perfekter Technik, virtuos und mit klarer Tongebung. Das aufmerksam zuhörende Publikum dankte es ihr mit herzlichem Applaus, wofür sie sich wiederum mit einer Temperamt-geladenen, rhythmisch betonten Zugabe, einem Stück von Heitor Villa-Lobos für Flöte und Violoncello mit heiter-fröhlichem Schluss in musikalischer Zwiesprache mit dem Solo-Cellisten des Orchesters bedankte.

Katharina Böhm-Prokei ist sozusagen mit der Flöte verwandt, ihr Ururur-Großvater war Theobald Böhm (1794-1881), der seinerzeit neben seinen sonstigen Tätigkeiten als Goldschmied, Eisenhüttentechniker, Pädagoge, Instrumentenbauer und Erfinder als führender Flötenvirtuose, als der „Paganini der Flöte“, galt und sowohl den Flötenbau, als auch das Flötenspiel revolutionierte. Mit der Entwicklung der konischen Ringklappenflöte und neu entwickeltem Griffsystem sowie der zylindrischen Bohrung schuf er die moderne „Böhm-Flöte“, die bis auf unwesentliche Änderungen auch gegenwärtig gebaut und weltweit gespielt wird, Außerdem schuf er die Altquerflöte.

In wesentlich kleinerer Besetzung als von Franz Liszt vorgehen, folgte dessen „Sinfonische Dichtung Nr. 4“, das sinfonische Gedicht „Orpheus“ mit längeren solistischen Harfen-Passagen (hier z. B. nur mit 1 Harfe statt 2) und solistischer 1. Violine in einer starken internen Steigerung mit allmählichem, stetigem Crescendo, dem ein ruhiges, lyrisches Ende folgte.

Von den sagenhaften Sujets führte das Programm schließlich zu dem eher zweifelhaften Helden „Peer Gynt“, dessen „Heldentaten“ wie „Brautraub“ und „In der Halle des Bergkönigs“ von Edvard Grieg genial in Töne gesetzt wurden und mit lyrischen Sätzen wie „Ases Tod“ und „Morgendämmerung“ oder dem temperametvollen „Arabischen“ Tanz“ und dem akzentuierten „Anitras Tanz“ korrespondieren, was sehr anschaulich wiedergegeben wurde. Mayrhofer sorgte mit dem Orchester für Kontraste, voller Vehemenz mit heftiger, harter Pauke, aber auch emotional betonten, sanften, lyrischen Passagen, bei denen das norwegische Kolorit durchschien, mit sauberen Bläsern und guter Soloflöte, bis hin zu einem leise und behutsam ausklingenden Abschluss mit „Solvejgs Lied“, gefühlvoll, versöhnend und mit „singenden“ Instrumenten, wofür der Teil „Peer Gynts Heimkehr“ mit tonmalerisch geschildertem Schiffbruch, Sturm und Tumult bis zum „Crash“ an schroffen Klippen vorgezogen wurde.

Ingrid Gerk

 

ZÜRICH: LA SONNAMBULA – konzertant. Dritte und letzte Vorstellung

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Vincenzo Bellini: La Sonnambula, Konzertante Aufführung, Opernhaus Zürich, 12.05.2019 (Abend)

 (3. Vorstellung seit der Premiere am 05.05.2018)

«Im Westen nichts Neues» oder Standing Ovations zum Dritten

Auch die dritte konzertante Aufführung von Bellinis «La Sonnambula» unter Leitung von Maurizio Benini vermochte das Auditorium voll und ganz zu begeistern.

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Foto: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Letztlich gibt es wenig Neues zu berichten: die Philharmonia Zürich und der Chor der Oper Zürich agierten weit über dem in letzter Zeit gewohnten Niveau. Bravo per tutti!

Pretty Yende als Amina bestätigte mit neuen Verzierungen und weit mehr Emotionen als in den ersten beiden Vorstellungen, als nicht nur mit den technischen Fähigkeiten sondern auch mit der Entwicklung innerhalb einer Woche, den Ausnahmerang ihrer Interpretation. Lawrence Brownlee als Elvino war ihr ein absolut ebenbürtiger Partner mit traumhaften Höhen und Kraftreserven.

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Foto: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Kyle Ketelsen sang mit wunderbar dunkler Farbe einen mustergültigen Conte Rodolfo und Sen Guo überzeugte mit Leidenschaft und Bühnenpräsenz. Frederika Brillembourg gab eine rollengerechte Teresa. Die Riege der Solisten ergänzten Ildo Song als Alessio und Omer Kobiljak als Notar.

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Foto: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

An Stelle einer konzertanten Belcanto-Oper gibt es in der kommenden Saison eine Operetten-Gala.

Keine weiteren Aufführungen.

13.05.2019, Jan Krobot/Zürich

WIEN/ Theater an der Wien: OBERON von C.M. von Weber. Premiere

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WIEN/ Theater an der Wien: OBERON von C.M. von Weber – „Enttäuschender Rettungsversuch“. Premiere am 13.5.2019

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Foto: Theater an der Wien/ Werner Kmetitsch

Die letzte Premiere der laufenden Spielzeit im Theater an der Wien galt Carl Maria von Webers „Oberon“: eine romantische Feenoper in drei Akten, uraufgeführt 1826 in London. Es handelt sich um eine Koproduktion mit der Bayerischen Staatsoper München.

http://www.operinwien.at/werkverz/webercm/aoberon.htm

Dominik Troger/ www.operinwien.at

WIEN/ Altes Rathaus: SALONKONZERT „Romantische Romanzen mit WISE“

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Salonkonzert im Wiener Alten Rathaus, 13.5.2019:

Romantische Romanzen mit WISE 

Die Bank Austria lässt das sich in ihrem Besitz befindliche Wiener Alte Rathaus von jüngeren Musikensembles bespielen. Das hat seinen Wert für die Musiker – junge Instrumentalisten wollen sich beweisen. Allerdings, jetzt von Auftritten in Musikverein oder Konzerthaus abgesehen, sind alle anderen möglichen Spielstätten in Wien eher schwer zu finanzieren und zu bewerben oder wenig attraktiv.

‚Bank Austria Salon im Alten Rathaus‘ heißt es, und das WISE-Ensemble hat hier im historischen Wappensaal seinen Stammplatz. WISE = Wien International Soloists Ensemble. Internationale Musiker, welche in Wien studiert haben oder unterrichten. Und unter der künstlerischen Leitung von Geigerin Andrea Nicolic wird auf eine stimmige wie phantasievolle Programmgestaltung hingezielt. Mit Tourneen international ausgerichtet, offen gegenüber dem Publikum wie zeitgenössischer Musik. Umrahmt von Mozarts Kegelstatt-Trio und Schuberts D-Dur Notturno war an diesem Abend eine Folge von Romanzen zu hören – aus Robert Schumanns op. 28., von dessen Gattin Clara die Romanzen für Oboe und Klavier op. 22, Romanzen-Feinheiten von Ludwig van Beethoven. Reifes, perfektes Musizieren, zwei arrivierte Universitätsprofessoren gaben mit Solos oder im Ensemble den Ton vor: Pianistin Natasa Veljkovic (Musikuniverstät Wien) und Cellist Tobias Stosiek (Musikuniversität Graz) brillierten. „The Power of 12“ (mit „Wunderfrauen/Wonderwomen“ und jungen Komponistinnen) ist der diesjährige Zyklus des Ensembles benannt, und die WISE-MusikerInnen „…. bauen leidenschaftlich an unserer künstlerischen Welt weiter.“

Info: www.wisemusic.com

Meinhard Rüdenauer

WIEN / Kasino: SECHS TANZSTUNDEN IN SECHS WOCHEN

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Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Kasino des Burgtheaters:
SECHS TANZSTUNDEN IN SECHS WOCHEN von Richard Alfieri
Premiere: 11. Mai 2019,
besucht wurde die Vorstellung am 14. Mai 2019

Das war sie also tatsächlich, die letzte Premiere der Burgtheater-Ära von Karin Bergmann. Ein wenig staunen darf man schon. Es konnte ihr nie progressiv genug zugehen – und dann endet sie mit einer peinlich trivialen amerikanischen Schnulze? Aber man weiß ja, was beabsichtigt war: Es wird – der Titel ist Omen – getanzt in den „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen“, und nach der Vorstellung ist das Publikum aufgefordert, mitzutanzen. In die Zukunft. Leicht muss man sein, mit leichten Händen halten und lassen… ein beschwingtes Finale.

Na ja, wenn das Stück von Richard Alfieri (sein einzig „echter“ Erfolg übrigens) nur etwas besser wäre. 2001 herausgekommen, hat man es schon 2005 im Volkstheater gesehen (mit Toni Böhm und Ernie Mangold). Auch das Burgtheater hat für die Kasino-Aufführung optimal besetzt, wie auch anders. Aber es ist harte Mühe, sich durch die so billig spekulierte Sache durchzukämpfen – vor allem für die Schauspieler.

Sie ist eine einsame ältliche Witwe, aber „young at heart“, wie die Amerikaner sagen. Sucht Gesellschaft, lässt unter dem Vorwand von Tanzstunden, die sie nicht braucht, einen Tanzlehrer zu sich nach Hause kommen. Sie ist anfangs schroff, er hingegen überdreht, um zu verbergen, dass er nur ein armer, oft von den Mitmenschen verletzter Schwuler ist, der sich schützen möchte.

Und natürlich wird aus den Raufbolden des Beginns – eine wunderbare Freundschaft. Dann hören wir sie nach und nach, die Lebenslügen und die Tragödien, seine an Alzheimer verstorbene Mutter und seine Fehlschläge im Liebesleben, ihr schroffer Mann und die an einer Abtreibung verstorbene Tochter. Und am Ende ist sie – man glaubt es kaum – auch noch todkrank. Und er hält ihr Händchen.

Ja, und dazwischen wird getanzt, und darauf hat Regisseurin Martina Gredler besonderen Wert gelegt. Da gibt es nicht nur die „echten“ Tanzversuche in der Wohnung, da treten sie aus der Rampe und liefern zu Life-Musik wahre Show-Szenen. Schade nur, dass die meiste Musik zu den einzelnen Tänzen nicht wirklich gut gewählt ist. Vor allem beim Walzer hätte es tausend bessere Möglichkeiten gegeben, als die gesungene Version von „Mein Herr Marquis“ zu unterlegen…

Andrea Eckert ist die für eine Sechzigerin viel zu jugendlich wirkende Lily. Natürlich kann sie „alles“, die Kratzbürste und die Resignierte, die Gefühlvolle und die Traurige. Dergleichen spielt eine Schauspielerin ihrer Größenordnung vom Blatt, versprüht Charme und sieht in den dauernd wechselnden Kostümen von Lejla Ganic teils atemberaubend aus.

Nicht durchgehend überzeugend ist Markus Meyer als jener Michael Minetti italienischer Abstammung, der die Exzentrik – auch wenn sie, aus Unsicherheit geboren, also künstlich sein soll – dermaßen absichtsvoll überdreht, dass sie nichts mehr zum Charakter erzählt, sondern nur nervt. Er kompensiert aber vieles mit einem Tanzbein, das durch den ganzen Körper zu gehen scheint und die Eckert mitreißt. Da spielt sogar etwas Erotik mit – zwischen, brutal gesagt, der Alten und dem Schwulen… Alfieri hat offenbar schon zu Jahrtausendbeginn gespürt, dass in den Außenseitern starkes Potential steckt.

Während der Vorstellung hatte man nicht immer das Gefühl, dass das Publikum voll mitgeht, aber der Beifall im ausverkauften Kasino war stark. Wie’s dann mit der Burgtheater-Good bye-Disco weitergegangen ist, darüber kann die nichttanzende Kritikerin, die sich verzogen hat, keine Auskunft geben…

Renate Wagner

WIEN/ Staatsoper: MACBETH

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Ferruccio Furlanetto (Banquo).  Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIENER STAATSOPER: MACBETH am 14.8.2019

Die ziemlich misslungene Produktion – Regie: Christian Räth, Ausstattung: Gary McCann – kann in keiner Phase erklären, worum es bei dieser Oper geht. Königsmord im alten Schottland ist passee, da müssen ranghohe Offiziere in Phantasieuniformen in einer beliebigen Militärdiktatur der Gegenwart herhalten, um Texte von sich zu geben, die nun einmal aus einer anderen Zeit stammen. Diese radikalen Brüche mit herkömmlichen Werken sind offensichtlich auf längere Zeit unausrottbar. Zum Glück wagen Regisseure noch nicht, die musikalische Seite anzutasten, womit wenigstens teilweise große Oper stattfinden kann. An diesem Abend ist das großteils gelungen.

Das großartig spielende Orchester war bei James Conlon in besten Händen. Auch der Chor bot eine ausgezeichnete Leistung, bei dieser Oper ein wesentlicher Faktor. George Petean sang den Macbeth mit samtweicher Stimme, fast zu lyrisch, ab dem Bankett aber auch mit der nötigen Durchschlagskraft. Er spielte den von seiner Frau angestachelten Weichling sehr treffend. Die Lady war bei Tatjana Serjan nicht in besten Händen. Man hatte vor allem im ersten Akt das Gefühl, dass sie in der aktuellen Produktion ein Fremdkörper sei. Viele Einsätze kamen spät, viele Intonationsschwächen trübten den Eindruck, wenngleich sie mit totalem Stimmeinsatz zu retten versuchte, was zu retten war.

Der Turm in der Schlacht war Ferruccio Furlanetto als Banquo. Zwei Tage vor seinem unglaublichen Siebziger sang er die Rolle des – leider viel zu früh Ermordeten – mit Bravour und dem genau richtigen Gefühl für Dramatik und Kraft, seine enorme Bühnenpräsenz muss nicht eigens erwähnt werden. Als Macduff konnte man mit Jinxu Xiahou eine frische, gut geführte Stimme hören. Lukhanyo Moyake war als Malcolm nicht der Glänzendsten einer.

Irgendwo war an diesem Abend der zündende Funke abhandengekommen, das Publikum sparte beim Applaus gehörig.

Johannes Marksteiner

 


FRANKFURT/ Alte Oper: KONZERT City Of Birmingham Symphony Orchestra (Ligeti, Ravel, Schumann, Brahms). Mirga Gražinyte-Tyla: Kit Armstrong

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Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 14. Mai 2019

György Ligeti –  Concert Românesc
Maurice Ravel – Le Tombeau de Couperin

Robert Schumann – Klavierkonzert a-moll op. 54
Johannes Brahms – Sinfonie No. 2 D-Dur

Solist: Kit Armstrong

City Of Birmingham Symphony Orchestra

Dirigentin: Mirga Gražinyte-Tyla

Ganz im Zeichen der Frauen sollte das aktuelle Gastspiel des City Of Birmingham Symphony Orchestra (CSBO) unter der Leitung seiner litauischen Chefdirigentin Mirga Gražinyte-Tyla stehen. Die quirlige Dirigentin hatte als Solistin die chinesische Pianistin Yuja Yang vorgesehen. Aus Krankheitsgründen musste sie absagen. Für sie sprang Kit Armstrong ein. Eine sehr gute Wahl, wie der Abend zeigen sollte.

Zu Beginn spielte das CSBO eine Klavierkomposition von Maurice Ravel in der Orchesterfassung aus dem Jahr 1920. In seiner Komposition „Le Tombeau de Couperin“ (Das Grabmal des Couperins) verarbeitete Ravel höfische Tanzweisen des Barock-Komponisten François Couperin. Die einzelnen Sätze der Orchestersuite widmete Ravel Menschen, die ihm nahe standen, wie z.B. einem Kriegskameraden oder dem Musikwissenschaftler Joseph de Marliave.

Viel Gelegenheit für das CSBO also gleich zu Beginn ein duftiges Farbspektrum auszumusizieren. Das Wechselspiel der wogenden Streicher mit den kantabel intonierenden Holzbläsern geriet trefflich. Wunderbar das Oboensolo im innig vorgetragenem Menuett. Sehr keck und frech musizierte das CBSO in der mitreißenden Rigaudon, ein französischer Volkstanz. Mit viel Temperament und Esprit wurde dieser vorgetragen. Mirga Gražinyte-Tyla war eine sehr wache Interpretin dieser besonderen Musik, die es ausgezeichnet verstand, ihr Orchester zu motivieren.

Danach erklang Robert Schumann viel gespieltes a-moll Klavierkonzert. Das im Jahr 1845 uraufgeführte Werk geht auf einen fünfjährigen Schaffensprozess zurück und gilt zurecht als eines der Klavier Gipfelwerke in der Epoche der Romantik. Als Solist war der international sehr erfolgreiche Pianist Kit Armstrong zu erleben. Armstrong kann auf eine sehr beachtliche Karriere blicken. International war er bei vielen Orchestern bereits zu Gast und hat sich zudem auch in der Kammermusik einen Namen gemacht. Der große Alfred Brendel ist sein Förderer und Mentor. Bereits der energische Eingangsakkord des Orchesters gab den Interpretationsweg vor: Natürlichkeit! Armstrong hatte jede Note erkennbar tief verinnerlicht und begeisterte mit feinsinniger dynamischer Gestaltung. Immer wieder ließen kleine Rubati aufhorchen. Vor allem in der großen Kadenz des ersten Satzes und abschließenden Coda zeigte Armstrong dann sein großes technisches Können. In dem lyrischen Hauptthema des ersten Satzes und dem nachfolgenden Animato spielte Armstrong behutsam, ja geradezu anrührend.

Nach dem monumentalem ersten Satz wirkt der zweite Satz „Intermezzo“, wie eine musikalische Oase zum durchatmen. Das Klavier tritt hier eher in den Hintergrund. So war es dann vor allem das Dialogische zwischen Orchester und Solisten, was die Wirkung des Satzes besonders machte.

Herrlich dann das beschließende Allegro vivace des dritten Satzes, welches in seiner Lebensbejahung klar betont wurde. Armstrong agierte in diesem Satz variationsreich in seiner Dynamik, staunenswert virtuos und farbenreich. Immer war diese musikalische Struktur erkennbar nachzuvollziehen. Das Zusammenspiel der beiden Künstler war eine Freude.  Mirga Gražinyte-Tyla animierte ihr Orchester zu druckvollem Spiel, schuf zugleich aber auch stets notwendige Ruhepunkte, um neue Spannungsmomente entstehen zu lassen. Armstrong und Gražinyte-Tyla agierten dabei gut als harmonisches Team, so dass es eine schlüssige, überzeugende Interpretation das Publikum begeisterte. Und Kit Armstrong ließ sich nicht lange bitten und bedankte sich mit einer Zugabe für die entzückten Zuhörer. Er wählte dazu ein Wiegenlied von François Couperin, welches mit seinen vielen Verzierungen und endlosen Abfolgen von Trillern ein besonderer Abschluss der ersten Konzerthälfte war. Viel Begeisterung!

Nach der Pause dann stand mit der D-Dur Symphonie No. 2 von Johannes Brahms eines seiner beliebtesten Werke auf dem Programm. Die 1877 uraufgeführte Symphonie war von Anfang an ein großer Erfolg beim Publikum. Ihr Überschwang und das Lichtvolle waren von jeher stets Quell der Begeisterung. Die große Natürlichkeit und das Pastorale sind von besonderer Wirkung.

Das CSBO wurde auch hier wieder von seiner Chefin  Mirga Gražinyte-Tyla unter mächtigem Dampf gehalten. Unermüdlich trieb sie das Orchester an und achtete dabei höchst wachsam darauf, der Symphonie eine vielschichtig dynamische Gestalt angedeihen zu lassen. Getragen begann die Einleitung des ersten Satzes, um dann durch sprunghafte Accelerandi überzeugend aufgebrochen zu werden. Dazu gab es manchen besonders markanten, ja scharfen Bläsereinwurf. Im einleitenden ersten Satz intonierten schlank und sehr sauber die Hörner, bis dann die Streicher in leichten Wellenbewegungen das Hauptthema intonierten. Die Celli und Kontrabässe des CBSO sorgten dazu für ein warmes, profundes Fundament. Wunderbar arbeitete sie die Kantilenen  heraus, vor allem im elegischen zweiten Satz. Immer wieder eine Freude die hoch präzisen Holzbläser, die vor allem im dritten Satz begeisterten. Aber auch die Kollegen im Blech, vor allem Trompeten und Tuba musizierten mit viel Spiellaune und in der Schlusscoda mit spielerischer, überschäumender Verve, so dass das fanfarenartige Finale zu besonders großartiger Wirkung kam. Rhythmische Prägnanz gab es von der Pauke, die im ersten Satz im wieder für pochende Höhepunkte sorgte. Eine in ihren gestalterischen Verläufen sehr eigene, jederzeit unwiderstehliche Interpretation, die unvergesslich sein wird. Auch bei dieser Symphonie reagierte das Publikum sehr begeistert. Mirga Gražinyte-Tyla bedankte sich in einer kurzen Ansprache herzlich beim Publikum und nutzte die Gelegenheit auf das anstehende Jubiläum des Orchesters aufmerksam zu machen:“Kommen Sie alle nach Birmingham!“

Viel Freude also bei den Besuchern im gut besuchten Konzertsaal.

Dirk Schauß

MONTPELLIER : „A MIDSUMMERS NIGHT`S DREAM“ von Benjamin Britten

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Puck (Nicholas Bruder) schwebt wie ein witziger Kobold vom Bühnenhimmel hinunter und kommentiert die Handlung (unten der exzellente Kinderchor Choeur Opéra Junior)


MONTPELLIER/Opéra de Montpellier
„A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM“ von Benjamin Britten 

Freitag 10.Mai 2019    Von Waldemar Kamer – Paris     Alle Fotos: Marc Ginot

 Wunderbare Inszenierung des neuen „metteur en scène en résidence“ Ted Huffman

 

Sommerstimmung in Montpellier: auf der durch Palmen und Platanen umsäumten Place de la Comédie vor der wunderschönen Alten Oper wird temperamentvoll getrommelt und akrobatisch getanzt. Eine passende Einstimmung auf Brittens fröhlichen „A Midsummer Night’s Dream“ nach Shakespeare. Wir sind angereist für den jungen, inzwischen mit Preisen überhäuften Regisseur Ted Huffman, dem wir nie persönlich begegnet sind, der uns aber schon letztes Jahr beim Opera Forward Festival in Amsterdam positiv aufgefallen ist. Auch jetzt ist wieder seine Arbeit das meist Prägnante des ganzen Abends. Er beherrscht sein Handwerk so gut, dass er ohne großen Firlefanz auf einer fast leeren Bühne (Marsha Ginsberg), mit stilsicheren und klar charakterisierten Kostümen (Annemarie Woods), guter Beleuchtung (D.M. Woods), klug eingesetzter Choreographie (Sam Pinkleton) und vor allem einer gekonnten Personenregie die recht verschachtelte Handlung Shakespeares nicht nur mühelos nacherzählen, sondern auch auf eine poetische und zugleich witzige Weise inszenieren kann.

Der Abend beginnt mit Puck (Nicholas Bruder, fulminant), der vom Bühnenhimmel herunter schwebt und wie ein witziger Kobold die Handlung von oben kommentiert und auch manchmal eingreift, wenn zwischen den Menschen und Halbgöttern etwas nicht gut funktioniert. Das haben wir seit der epochalen „Sturm“-Inszenierung von Giorgio Strehler 1983 in Mailand mit dem unvergesslichen fliegenden Ariel so nicht mehr gesehen. Auch für die oft etwas kniffelige Theater-im-Theateraufführung von „Pyramus und Thisbe“ (nach Ovid) greift Huffman auf einfache und bewährte Theatermittel zurück: er lässt zwei riesige Marionetten auftreten (darin versteckt die Akrobaten Luc Berton und David Franc), mit zwischen ihnen nur Snout (Colin Judson), der einen großen Fächer aufschlägt und sagt: „I am the wall“. Shakespeare hatte als Regisseur auch nicht mehr nötig.

Ein Zaubertrank genügt und Königin Tytania (Florie Valiquette) verliebt sich in einen Esel (Luiz-Ottavio Faria als Bottom mit Eselsohren), während die vier Zauberknaben ihnen ein Ständchen spielen (Agathe Borges, Alma Courtois-Thobois, Marina Gallant und Robin Peyraud).

Die 15 Sänger und 5 Chorsolisten spielten und sangen so gut miteinander – sie „warfen sich richtig die Bälle zu“ -, dass man sie gar nicht einzeln nennen, sondern vor allem ihre Ensemble-Leistung würdigen will. Sie haben offensichtlich alle schon Erfahrung mit Benjamin Britten, zeigten sich spielfreudig und sangen in einem perfekten Englisch mit nirgendwo einem falschen Ton (wofür ich sie manchmal richtig bewundert habe). James Hall war vielleicht noch ein bisschen „grün“ als Oberon, wo wir noch James Bowman und Bejun Mehta im Ohr haben, doch die junge Kanadierin Florie Valiquette – unlängst eine glänzende Madeleine im „Postillon de Lonjumeau“ an der Opéra Comique – konnte als Titania ihren illustren Vorgängerinnen mühelos das Wasser reichen. Nur Lob für Richard Wiegold (Theseus), Polly Leech (Hippolyta), Thomas Atkins (Lysander), Matthew Durkan (Demetrius), Roxana Constantinescu (Hermia), Marie Adeline Henry (Helena), Luiz-Ottavio Faria (Bottom), Nicholas Crawly (Quince), Paul Curievici (Flute), Daniel Grice (Snug), Colin Judson (Snout), Nicholas Merryweather (Starveling) und Vincent Recolin, Guillemette Daboval und Guilhelm Rosa, die den 50-Köpfigen Kinderchor Choeur Opéra Junior exzellent vorbereitet haben. 

Amateur-Theater für die Herrschaften: Pyramus und Thisbe als riesige Marionetten (die Akrobaten Luc Berton und David Franc) und Snout (Colin Judson), der mit einem großen Fächer „die Wand“ spielt.

Die einzigen falschen Töne kamen aus dem Orchestergraben. Leider müssen wir sagen „wieder“, denn bei Schumanns „Manfred“ beklagten wir uns schon über das Orchestre national Montpellier Occitanie: „die Streicher waren oft unsauber und verpatzten hörbar einige Einsätze. Die Bläser waren dagegen viel feiner und die Solooboistin Tiphaine Vigneron spielte wirklich konzertreif.“ Dieses Mal waren die Streicher homogen und sauber, aber die Blechbläser „unter aller Kanone“. Da spielten die jungen Hornisten (13-16 Jahre alt), die ich letzte Woche in Saint-Etienne gehört habe, unvergleichlich viel besser. Und in der exzellenten Akustik der großen Oper aus 1888 konnte man jeden einzelnen Musiker genau hören, zumal Benjamin Britten jedem der nur 24 Musiker genau einer Rolle und einer Situation zugeordnet hat. Von ihm stammt wohl auch die originelle Orchesteraufteilung, wo z.B. die Flöten links und die Trompeten rechts im Orchestergraben sitzen. Der Dirigent Tito Munoz dirigierte deutlich und klar artikuliert, hatte sein Orchester rhythmisch im Griff, aber die Intonation war zwei Akte lang höchst problematisch, weil das Orchester nicht gut gestimmt war: die beiden Harfen waren z.B. unterschiedlich ge- eher verstimmt und nicht auf der gleichen Höhe mit dem Glockenspiel und der Celesta, mit der sie im Unisono spielten. Erstaunlich für ein „nationales Orchester“! Zum Glück ist dies nicht nur mir aufgefallen, denn in der Pause wurden die Harfen gestimmt und die beiden Trompeter, die wirklich jeden Einsatz verpatzt hatten (in letzter Sekunde eingesprungen?) anscheinend in den Probenraum geschickt. Nach der Pause spielten sie (nur) die Noten, die in der Partitur stehen, auch einmal piano und klang das ganze Orchester viel stimmiger, mit übrigens einem exzellenten Flötensolo. 

Der Stoff aus dem die Träume sind: Puck (Nicholas Bruder) hypnotisiert Chor und Solisten, so wie König Oberon es von ihm verlangt (James Hall, rechts hinten).

Doch das zahlreiche, gutgelaunte Publikum hat dies offensichtlich nicht gehört oder zumindest nicht gestört. Es gab anhaltenden Applaus für alle Beteiligten, am meisten für Nicholas Bruder als Puck. Nächste Spielzeit wird diese wunderschöne Inszenierung an der Deutschen Oper in Berlin wieder aufgenommen und werden wir Ted Huffman sicherlich wieder in Montpellier begegnen. Wir freuen uns schon!

Waldemar Kamer

 Info: www.opera-orchestre-montpellier.fr

 

WIEN / Burgtheater-Vestibül: ICH RUFE MEINE BRÜDER

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Foto: Burgtheater / Georg Soulek

WIEN / Vestibül des Burgtheaters:
ICH RUFE MEINE BRÜDER von Jonas Hassen Khemiri
Premiere: 14. Mai 2019,
besucht wurde die Vorstellung am 15. Mai 2019

Jonas Hassen Khemiri, Jahrgang 1978, geboren in Stockholm als Sohn einer schwedischen Mutter, verdankt seinen Namen seinem tunesischen Vater. Dieser hat ihm auch genügend „arabisches“ Aussehen mitgegeben, dass der Schwede in seiner Heimat (so liberal man in Skandinavien auch ist) doch immer wieder erlebt hat, wie das so ist, einer von „denen“ zu sein, die misstrauisch beäugt werden – zumal in Zeiten des Terrorismus. Wo man jedem, der nicht augenscheinlich genuin „hierher“ gehört, zumindest mit Vorbehalt begegnet…

Im Dezember 2010 detonierten in der Stockholmer Innenstadt Autobomben. Wie fühlt man sich da als Mann mit arabischem Aussehen? Das hat Jonas Hassen Khemiri erst in einem Essay behandelt, dann in einem Theaterstück, das 2013 in Schweden und schon 2014 in New York herauskam. Mehrere deutsche Bühnen haben es nachgespielt. Nun ist es im Vestibül des Burgtheaters gelandet. Leider in einer alles andere als überzeugenden Umsetzung.

Das liegt an verschiedenen Entscheidungen von Regisseurin Anne Sokolowski, wobei die erste und schlimmste daran besteht, die zwei Männer und zwei Frauen des Stücks ausschließlich von zwei jungen Frauen verkörpern zu lassen. Damit wird jene alberne Ideologie von heute bedient, die Gender-Gleichheit auf ihre Fahne schreibt – es gibt nicht mehr Mann und Frau, und Farben und Rassen gibt es sowieso nicht mehr, also können alle alles sein (und Filmstars und königliche Hoheiten machen den Blödsinn mit, erziehen ihre Kinder „genderfrei“, stecken Buben in Kleidchen – und das dritte Geschlecht, das gar keines mehr ist, haben wir auch. Weil niemand begreift, dass die einzige Gleichheit in der Gleichwertigkeit besteht – und dass das Nivellieren der Verschiedenheiten einfach Wahnsinn und totale Verarmung bedeutet…).

Abgesehen davon entschied sich die Regisseurin in einem Bühnenbild, das nichts bietet als ein Podest (Loriana Casagrande), zur absoluten Unklarheit und schlechten Unschärfe. An sich geht es um Amor, dessen „Migrationshintergrund“ hier überhaupt nicht kenntlich ist und auch nur in einem Nebensatz (man sei entweder auf der Seite der Moslems oder der Kommunisten) herauskommt. Amor konfrontiert sich, auf der Suche nach „Brüdern“, nach Leidensgenossen, mit allen Ängsten, die seinesgleichen nach dem Attentat bewegen – denn die Unschuldigen stehen ebenso unter Verdacht die die Schuldigen…

Die drei anderen Rollen sind sein Freund Shavi, mit dem nicht mehr viel anzufangen ist, seit er Vater geworden ist; seine Ex-Freundin Valeria, die im heimatlichen Tunesien auf irgendeinem Selbstfindungstrip bei öligen buddhistischen Weisheiten gelandet ist, die ihm nichts helfen; und schließlich die schon verstorbene Großmutter, die dennoch die wahren tröstlichen Worte bereit hält. Ja, und am Ende ist dann Shavi doch wieder für ihn da…

Das Stück könnte, glaubt man deutschen Kritiken, auch einen weit realeren Hintergrund haben, mehr Facetten der Wirklichkeit aufzeigen, als man im Vestibül sieht. Da tun nämlich nur zwei junge Frauen ihr Bestes – und man fragt sich immer wieder, warum keiner der vielen, vorzüglichen jungen Burg-Mimen als glaubhafter Amor auf der Bühne steht?

Dabei ist die 24jährige Lilly Epply, die man in Wien noch nie live gesehen hat (und in den vielen Fernsehrollen, die ihre Agentur aufzählt, ist sie noch nicht aufgefallen) schlechtweg vorzüglich. So gut, dass sie fast darüber hinwegspielt, eine zarte junge Frau und nicht ein optisch glaubwürdiger Migrant zu sein. Dennoch: Es stimmt nicht.

Den schwarzen Peter hat allerdings Alina Fritsch gezogen, die alle anderen Rollen spielen muss – und wenn sie breitbeinig-wiegend versucht, der angeberische Shavi zu sein, ist das eine quälend schlechte Parodie. Die Geliebte und die Oma am Telefon gelingen besser, sind aber im salbungsvollen Ton kaum differenziert und teils als Parodie, teils als Sentiment zu billig.

Das Stück von Jonas Hassen Khemiri hat man sicher nicht gesehen – das ist mit vollem Bewusstsein konzeptionell kaputt gemacht worden. Die Nöte, von denen zu erzählen gewesen wäre, teilen sich nicht mit.

Renate Wagner

WIEN/ Volksoper/Staatsballett: PETER PAN – May 14th, 2019, Vienna State Ballet (Volksoper)

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WIEN/ Volksoper/Staatsballett: PETER PAN,  May 14th, 2019, Vienna State Ballet (Volksoper)

It is a good feeling to start a review with positive words: What a delightful, entertaining evening!

Some people seem to have a kind of prejudice against the ballet „Dépendance“ of the Vienna State Ballet at the Volksoper. Why? If I may ask… A gifted, versatile Ensemble. Yes, I would like herewith to emphasize the versatility of the dancers. They master the different styles of musicals, Operettas, Operas, Modern and Classical Ballets and that is quite a range to be conquered. And the Ensemble proved yesterday evening once more its professionality and lack of „airs“. A real Ensemble that works together towards one target.

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Foto: Ricardo Leitner

https://www.attitude-devant.com/blog/2019/5/15/peper-pan-may-14th-2019-volksoper-vienna-state-ballet

„attitude“ – Ricardo Leitner

ZÜRICH: MANON von Massenet. Derniere

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Foto: TT-Fotografie  Toni Suter/Tanja Dorendorf

Zürich: MANON (Jules Massenet) – Dernière am 15.5.2019  

Qui ne fait pas de rêve?…

Die fünfaktige Oper Jules Massenets nach Abbé Prévost‘s Roman gleichen Titels ist im Gegensatz zu Puccinis Verismo-Schocker „Manon Lescaut“ eine Oper typisch französischen Zuschnitts. Das ist mal die traditionelle fünfaktige Form mit allen Elementen der Grand Opéra (Chor, Ballett, grosse Ensembles), aber Massenet dringt auch zum psychologischen Kern der Geschichte vor. Er zeichnet das Bild der unreifen, wankelmütigen Manon ebenso wie das des ebenso unreifen Chevalier des Grieux, die beide zwar ineinander verliebt sind, diese Liebe aber nicht „aushalten“ können. Die grossen Arien werden bei Massenet zum innersten Abbild der sich singend äussernden Person. „Adieu, notre petite table“ spiegelt auf schonungslose Weise das schlechte Gewissen Manons wider, wenn sie sich ein paar Minuten später für den Luxus entscheidet und somit Des Grieux verrät. Sein „Ah! Fuyez, douce image“ zeigt zwar seine Entschlossenheit, in den Orden einzutreten, aber seine Flucht vor sich selbst und auch seine Schwäche, bei nächster Gelegenheit wieder Manon zu verfallen. So werden in dieser meisterhaften Oper die beiden Protagonisten, die in den Strudel der Ereignisse geraten, von diesen fortgetragen und quasi fremd-bestimmt.

Der Regisseur Floris Visser hat eine leicht stilisierte, aber doch realistische Weise gewählt, die Handlung umzusetzen. Er versetzt die Story vom tändelnden Rokoko in die Belle Époque, als sich eine „heile“ Welt anschickte, aus den Fugen zu geraten und auf den ersten Weltkrieg zusteuerte. Ein Tanz auf dem Vulkan also. Die Gesellschaft ist verdorben und die Herrschenden sind korrupt. Ohne irgendwie zu übertreiben, gelingt es dem Regisseur Floris Visser mit dem Leading-Team (Dieuke van Reij: Bühnenbild und Kostüme, Alex Brok: Lichtgestaltung), diese besondere Atmosphäre bildhaft werden zu lassen.

Dazu braucht man natürlich auch ein Protagonisten-Paar, das dieses Versprechen einlösen kann. Es ist die bildhübsche Elsa Dreisig, die in allen Stadien der Manon glaubhaft ist: zuerst als sechszehnjähriges Mädchen, dann als Dame der Gesellschaft, später die Femme fatale im Spielsalon und am Schluss ein „Häufchen Elend“. Die Sängerin verfügt über ein wirklich idiomatisches Timbre, d.h. immer schlank im Klang, gut durchgebildet, eine sichere Höhe immerhin bis zum cis`, eine perfekte Diktion, eine natürliche Musikalität – was will man mehr. Als ihr Partner bringt Piotr Beczała, obwohl eigentlich fast über dieses Fach hinaus,  mit seiner wunderschön timbrierten Stimme von besonderem Schmelz alles in die Partie ein, was da eingefordert wird: Lyrismen, dramatische Zuspitzung, Beherrschung der voix mixte, herrliche Kopf-Pianotöne und ein der Rolle entsprechend edles Aussehen. Das Paar wirkte absolut glaubwürdig.

Als Manons Bruder Lescaut war Yuriy Yurchuk ebenso glaubhaft, hier aber nun als Vertreter einer verlogenen Gesellschaft. Der Sänger verfügt über einen kräftigen Bariton, gerade im  richtigen Mass für den Soldaten. Auch Alastair Miles als Vater Des Grieux war mit dem an den Vater Germont erinnernden, eines mit Sturheit Besessenen gut besetzt. Sehr pointiert charakterisierte Éric Huchet den heruntergekommenen, aber immerhin ehrlichen Guillot de Morfontaine. Sehr gut auch das „Damen-Trio“ mit Yuliia Zasimova (Poussette), Natalia Tanasii (Javotte) und Deniz Uzun (Rosette). In weiteren Partien alle überzeugend: Omer Kobiljak und Jamez McCorkle als Gardisten, Marc Scoffoni (Brétigny) und viele andere Ensemble-Mitglieder. Sogar eine Ballett-Einlage gab’s (Pim Veulings: Choreographie) – wie es sich für eine französische Opéra gebührt – und Chor (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) und die Philharmonia spielten mit Engagement unter dem Dirigat von Marco Armiliato auf. Ein ungetrübtes Vergnügen auf bestem Niveau!

Schade, wenn das wirklich die letzte Aufführung dieser schönen, „normalen“ Inszenierung von Massenets „Manon“ am Opernhaus Zürich gewesen sein soll.         

John H. Mueller       

 

 

WIEN / Josefstadt: RADETZKYMARSCH

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Theater in der Josefstadt:
RADETZKYMARSCH
Nach dem Roman von Joseph Roth,
Dramatisierung von Elmar Goerden
Premiere: 16. Mai 2019

Man darf annehmen, dass das Wiener Theaterpublikum nicht nur ein Haus besucht. Wer also das Bedürfnis gehabt haben mag, Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ dramatisiert auf Bühnenbrettern zu sehen (was immer ein skelettierendes Abenteuer ist), der konnte das im Dezember 2017 in einer Inszenierung von Johan Simons im Burgtheater tun. Eineinhalb Jahre ist ja nicht so lange her, dass man den Trottas schon wieder auf der Bühne begegnen müsste. Aber das, was man einst „Wiener Dramaturgie“ nannte (sprich: Komm mir bei meinem Spielplan nicht in die Quere), gibt es ja längst nicht mehr – sonst wäre Dürrenmatts „Alte Dame“ auch nicht gleichzeitig (als Maria Happel) auf der Bühne des Burgtheaters und (als Andrea Jonasson) in der Josefstadt zu sehen gewesen…

Simons hatte für Roths Roman eine sehr abstrahierte (mit Luftballonen spielende), menschlich und auch optisch sehr „hässliche“ Aufführung auf die Bühne gebracht. Da ist man in der Josefstadt ästhetischer, man würde fast sagen „josefstädtischer“, falls es diesen Begriff noch gäbe (aber den hat Direktor Föttinger ja mit Lust verjagt). Jedenfalls geht es dem Bearbeiter Elmar Goerden, der auch sein eigener Regisseur ist, nicht in erster Linie um Denunziation. Das sieht man auch daran, dass einem ein debiler Kaiser Franz Joseph im Nachthemd erspart wird – die „Audienz“ des alten Trotta zu Gunsten seines Sohnes dauert hier keine Sekunde. Und das ist auch gut so.

Natürlich geht es auch Elmar Goerden darum, wie die Trottas mit der Monarchie untergehen – nur bietet er es in nicht ganz zwei pausenlosen Stunden quasi in einer „Light“-Version an. Das Geschehen wird weniger gespielt, als immer wieder erzählt – von allen, die nicht wirklich in ihren Rollen stehen (mit Ausnahme des armen jungen Leutnants Carl Joseph Freiherr von Trotta und Sipolje), sondern ebenso (nach Roth-Originaltext) berichten, was sie tun.

Anfangs scheint es sogar, als habe Andrea Jonasson, als eine Art „Madame la Mort“ verkleidet, die Conferencier-Funktion, wenn sie Carl Joseph gleich zu Beginn sein tödliches Ende voraussagt. Dann aber wird das Erzählen den ganzen Abend lang auf alle Figuren verteilt, was den nicht so günstigen Nebeneffekt hat, dass alles ziemlich beiläufig wirkt – die Figuren werden nicht echt und plastisch, sie „huschen“ vorbei.

Das liegt auch an der sehr „choreographischen“, von der Realität locker abgehobenen Regie von Goerden, die in einem abstrakten, gerüstartigen Bühnenbild (Silvia Merlo, Ulf Stengl) stattfindet, das sich als lockerer Aufbau oft dreht und dessen weiße Wände sich papieren erweisen: Das kann man, wenn es auf das letale Ende zugeht, einfach demolieren… Eine Theaterwelt nur, kein Versuch ehrlicher Vergangenheitsbeschwörung.

Am Anfang wirkt der Abend, als sei er als Alptraum des jungen Carl Joseph Trotta gedacht, der mit staunenden Augen seinem eigenen Schicksal zusieht: Florian Teichtmeister wirkt allerdings inzwischen nicht mehr wirklich jung, dafür überzeugend müde, gestresst, von Anfang an einer, der keine Zukunft haben wird. Eingezwängt in das Korsett der Familientradition (der Großvater war „der Held von Solferino“, der in dieser Schlacht angeblich dem Kaiser das Leben gerettet hat) und eines hier im schlimmen Sinne starr kaisertreuen Vaters (man könnte die Figur auch positiver sehen, ihrer Haltung mehr Würde geben), taumelt er gewissermaßen durch sein Schicksal. Das man, wenn man es wieder und wieder sieht, fürs Theater dann doch nicht so schrecklich  interessant findet, ist es doch eine lapidare Abfolge von Frauengeschichten und Problemen beim Militär…

Joseph Lorenz ist als Bezirkshauptmann- Vater fast eine Statue, nur – wenn überhaupt – zu negativen Ausbrüchen fähig. Michael König ist nicht nur der großväterliche „Held von Solferino“, ihm wurden auch alle „alten“ Rollen zugeteilt, manche (der sterbende Diener) überdreht, manche (für ein paar Sekunden der Kaiser) dankenswert diskret.

Wie auch bei Simons im Burgtheater raffen sich die Frauengestalten bei einer Interpretin zusammen, Pauline Knof, nur eine von ihnen (man hätte sie auch der Knof gegönnt)  darf Alexandra Krismer übernehmen (die nebenbei als „Erzählerin“ viel leistet). Der Rest sind Nebenrollen – einen jüdischen Militärarzt hat man schon überzeugender gesehen als hier von Peter Scholz, Alexander Absenger und Oliver Rosskopf verwalten schrill das diverse militärische Personal.

Ja, und Andrea Jonasson – sie ist nicht nur die schwarz-moderierende Unglücksbotin, sie schlüpft auch in die schillernde Figur des Grafen Chojnicki und sagt der Monarchie ihren Untergang dämonisch-düster voraus.

Aber wirklich unter die Haut gegangen ist dieser brave Abend nie. Und die Notwendigkeit, warum schon wieder dieser Roman von Roth gespielt wird, hat sich wahrlich nicht aufgetan.

Renate Wagner

WIEN/ Staatsoper: LE CORSAIRE – Staatsballett

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Wiener Staatsballett in der Staatsoper: „LE CORSAIRE“, 15.5.2019 – erfolgreich in der Serie 

 

Diese Aufführungsserie des französischen Ballettklassikers „Le Corsaire“ (Jahrgang 1856) an acht Abenden im Mai tut gut: Dem Publikum wird auf angenehme, wohl eher anspruchslose Art und mit gefälliger Musik – Adolphe Adam und dazu etliche melodische Schmankerln anderer Ballettkomponisten – die Illusionswelt des romantischen 19. Jahrhunderts vorgeführt. Und das Wiener Staatsballett kann seinen sich zur Zeit auf hohem artistischen Niveau befindenden technischen Standard demonstrieren. Arbeitsmäßig übermäßig gefordert werden allerdings die Mitglieder des Corps. Und die führenden Solisten müssen sich im natürlich gegebenen Wettbewerb mit ihren Kollegen um Auftrittsmöglichkeiten ständig Spitzenleistungen abringen, ohne dass sie in ihren Wunschrollen auch genügend oft auf der Bühne stehen dürfen.

Abringen? Ja, so manche Ballerina präsentiert trotz schmerzhafter körperlicher Probleme strahlend lächelnd dem Publikum. Nun, brilliert habe sie aber alle an diesem Abend: Nina Poláková als Médora (voll ambitioniert), Natascha Mair (Gulnare, sehr feenhaft unter diesen orientalischen Brutalos), die beiden technisch so virtuosen Denys Cherevychko und Davide Dato. Brillant könnte auch das Opernorchester aufspielen – wurde aber vom nüchtern dirigierend Valery Ovsyanikov nicht zu poesievollem Romantisieren verführt.

 

Meinhard Rüdenauer      


FRANKFURT/ Alte Oper: HR-SINFONIEORCHESTER/ Susanne Mälkki /Gil Shaham (Lindberg/Prokofiev/Sibelius)

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Frankfurt/ Alte Oper: HR.SINFONIEORCHESTER am 16.5.2019

Magnus Lindberg: PARADA

Sergej Prokofiev
Violinkonzert No. 2 g-moll op. 63

Jean Sibelius
Symphonie No. 2 D-Dur op. 43

Solist: Gil Shaham, Violine

HR-Sinfonieorchester
Musikalische Leitung: Susanne Mälkki

Besuchtes Konzert am 16. Mai 2019, Alte Oper Frankfurt

Diese Woche in der Frankfurter Alten Oper steht im Zeichen zweier Dirigentinnen, die mit ihren außerordentlichen Fähigkeiten nachhaltig überzeugten. Nach dem Gastspiel des City of Birmingham Symphony Orchestras unter der Leitung von  Mirga Gražinyte-Tyla, gastierte nun die finnische Dirigentin Susanna Mälkki beim HR-Sinfonieorchester.

Im aktuellen Konzertprogramm traf Finnland auf Russland. Das erste Werk des Abends stammte vom finnischen Komponisten Magnus Lindberg. Er widmete sein 2002 uraufgeführtes Werk „Parada“ seinem Kollegen und Dirigenten Esa-Pekka Salonen. In einer knappen Viertelstunde erlebt der Zuhörer neben schwebenden Streicherakkorden, schroffe Bläsereinwürfe mit allerlei Schlagzeugfärbungen. Viele rasche musikalische Farbwechsel, dann aber auch wieder Ruhepunkte, die manchmal einen Hauch von Sibelius erahnen lassen.

Ein forderndes Stück, eine intensive Klangreise….für Orchester, Dirigenten und die Zuhörer! Das HR-Sinfonieorchester kam mit den Anforderungen ausgezeichnet zurecht. Gast-Dirigentin Susanne Mälkki agierte hier mit äußerst sicherer Zeichengebung und wirkte vor allem als völlig souveräne Klang-Koordinatorin. Das Orchester musizierte mit äußerster Präzision und Hingabe. Bereits nach dem ersten Stück applaudierten die Orchester Mitglieder ihrer Gast-Dirigentin.

Mit Gil Shaham hatte das HR-Sinfonieorchester einen fabelhaften Violin-Virtuosen verpflichtet, der dem 1935 entstandenen 2. Violinkonzert von Sergej Prokofiev viel eigenes Profil gab. Das Konzert wirkt geradezu neo-klassizistisch. Shaham suchte immer wieder einen natürlichen Tonfall und arbeitete zudem die kantablen Elemente im zweiten Satz mit großer Ruhe heraus. Bereits die beginnende Solo-Intonation sorgte für große Aufmerksamkeit. Das liedhafte Hauptthema kam mit Shaham prägnant zur Geltung. Immer wieder faszinierten seine virtuosen Möglichkeiten, die dann vor allem im beschließenden Allegro Satz mit zu bestaunen waren. Hier ergaben die klappernden Kastagnetten ein besonderes Kolorit. Zuvor war aber im erhabenen Andante des zweiten Satzes der emotionale Höhepunkt realisiert. Hier verschmolzen Solist und Orchester zu einer beeindruckenden Einheit..

Shaham profitierte von seiner langen Erfahrung mit diesem Werk. Seine positive Abgeklärtheit war ein wichtiger Garant, um ihn spielsicher in die anspruchsvollen rhythmischen Strukturen des Werkes zu führen. Es war eine besondere Freude, ihn bei seiner überschäumenden Spielfreude zu beobachten. So ansteckend, so positiv war sein inneres Erleben der Musik. Susanne Mälkki begleitete mit dem aufmerksamen HR-Sinfonieorchester gekonnt den Solisten. Sie setzte vor allem rhythmische Akzente, so z.B. in den Einwürfen der Trompeten im zweiten Satz, die an einen Marsch denken ließen. Das Publikum zeigte sich hörbar erfreut. Gil Shaham bedankte sich mit einer Zugabe: Eine Gavotte, die er zusammen mit dem Konzertmeister des HR-Sinfonieorchesters darbot.

Nach der Pause musizierte das HR-Sinfonieorchester die zweite Symphonie von Jean Sibelius. Eine  der von Susanne Mälkki am häufigsten dirigierten Symphonien, so z.B. auch bei den Berliner Philharmonikern. Mälkki sieht sehr viel Licht und Hoffnung in dieser so beliebten Symphonie. Ihr ist es sehr wichtig, das Fröhliche und Offenherzige zu betonen. Zu oft und zu schnell wird Sibelius mit Dunkelheit und depressiver Grundstimmung stigmatisiert.

Die Symphonie wurde in ihrer finalen Version 1903 uraufgeführt. Sie umfasst traditionell vier Sätze. Eher ungewöhnlich der nahtlose Übergang vom dritten in den vierten Satz. Beeindruckend ist die emotionale Bandbreite dieser Musik, die sehr bildhaft wirkt und oft an Naturschilderungen denken lässt. Und natürlich verfehlt der Schlusssatz mit seinen strahlenden Trompeten seine Wirkung nicht, vor allem auch deshalb nicht, weil die pathetische Coda am Schluss der Symphonie den Zuhörer unweigerlich in höchste Höhen des Lichts aufsteigen lässt.

Reichlich Gelegenheit also für das HR-Sinfonieorchester seine Könnerschaft eindrucksvoll zu demonstrieren. Es erklang äußerst animiert und sattelfest. Mit Meisterschaft und Hingabe setzte es alle Vorgaben seiner Gast-Dirigentin um. Intensive Holzbläsereinwürfe spielten mit den maximal geforderten Streichern. Den Streichern und ihrer Klangentwicklung widmete Mälkki besondere Aufmerksamkeit. Dies verwundert nicht, denn die Dirigentin war zuvor Cellistin beim Sinfonieorchester in Göteborg.

Dazu müssen die Blechbläser häufig schwierige Intervalle realisieren, um dann am Schluss in einer gewaltigen Steigerung alles hineinzulegen, was die Lungen hergeben. Und die Blechbläser nutzten ihre spieltechnischen Möglichkeiten, um die Anforderungen zu überwältigenden Klangeffekten zu gestalten. Großartig! Mälkki wirkte stark mit der Musik ihres Landsmanns verbunden. Auch hier war das Streben um rhythmische Prägnanz und Durchhörbarkeit zu erleben. Und doch gab sie den Ruhepunkten genügend Raum, damit sich neue Spannungsmomente aufbauen konnten. Mystisch anmutende Schwebeklänge ließen die Zeit still stehen. Wunderbar phrasierte sie die Steigerungen des Finales aus und so blieb der besonders lichtvolle Moment der Überwältigung in der beschließenden Coda auch nicht aus. Eine berstende, ja leuchtende Intensität, die sich wie ein gewaltiges positives, dynamisches Ausrufezeichen in das Ohr der Zuhörer einbrannte. Diese konnten zunächst nicht applaudieren: Stille, dann aufbrandende Begeisterung! Ein großer Abend!

Die Alte Oper war sehr gut besucht. Das Publikum reagierte mit Enthusiasmus.

STUTTGART/ vor dem Schauspielhaus: Ausstellung PROBEGRUBE von Tobias Rehberger

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Bildergebnis für stuttgart schauspielhaus probegrube
Foto: Björn Klein

Ausstellungseröffnung „Probegrube“ von Tobias Rehberger am 16.5.2019 vor dem Schauspielhaus/STUTTGART

VERKNÜPFUNGEN IN DER STADT

Wie bei einem Mosaik werden hier Farbstrukturen miteinander verbunden. Diesmal wird das Gelände im Schlossgarten um ein ungewöhnliches Projekt bereichert. Der Künstler Tobias Rehberger (seit 2001 Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Frankfurt) und sein Studio haben für das Schauspiel Stuttgart ein Projekt über das utopische Potenzial der mit Stuttgart 21 zusammenhängenden Stadtentwicklung kreiert – die „Probegrube“. Rehberger transformiert ein Modell des neuen Rosensteinquartiers in ein Amphitheater im Oberen Schlossgarten gegenüber dem Schauspielhaus. Dabei nimmt er Bezug auf die benachbarte Baugrube von Stuttgart 21. Über der Erde wird die Grube hier zum Bauwerk, der Ort gewinnt eine paradoxe Aura. Das Grubenbauwerk beinhaltet eine Modellwelt des Rosensteinquartiers. „Wem gehört die Stadt?“ steht dabei als zentrale Frage im Mittelpunkt. Mitte der 90er Jahre gab es die erste Ausschreibung über die Entwicklung des Rosensteinareals. Viele weitere folgten und jetzt geht der städtebauliche Wettbewerb ins Finale. 2027 steht in der StadtRegion Stuttgart die Internationale Bauausstellung an. Das Thema Stadtentwicklung ist dabei bestimmend für Stuttgart.

Darauf gingen auch Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski und Oberbürgermeister Fritz Kuhn ein. Kuhn meinte, dass es auch „Möglichkeitssinn“ geben müsse, wenn es „Wirklichkeitssinn“ geben würde – frei nach Robert Musil. Der frühere Direktor der Stuttgarter Staatsgalerie, Christian von Holst, betonte, dass dieses „Grubenerlebnis im Theater“ in jedem Fall ein „Hauptgewinn für die Stadt“ sei. Ein Geländer in Blau umrahme die Gitterstrukturen. Aquarelle würden hier ins Überdimensionale emporgejagt werden. Man arbeite außerdem mit Camouflagetechnik. So entstehe eine arenahafte Situation. Die Vielfalt einer Stadtstruktur werde dabei sichtbar. Es sei eine Grube, die in die Höhe wachse: „Wir wollen kein Europaviertel“. Im Dritten Reich sei zudem geplant gewesen, den Stuttgarter Bahnhof zugunsten von Aufmarschalleen verschwinden zu lassen. Paul Bonatz habe dies als Architekt abgelehnt. Der Klassizismus eines Nikolaus Thouret sei prägend für die Stadt gewesen. Andreas Hofer ging als Architekt und Intendant der Internationale Bauausstellung 2027 auf Veränderungsprozesse in der Stadt und in der Kunst ein.
Die Ausstellung („New landscapes show up in the unlikeliest places“) dauert noch bis zum 5. Juli 2019 und ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. 

Alexander Walther

WIEN / Belvedere: WIENER FÜRSTENFIGUREN

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Alle Fotos: Belvedere

WIEN / Unteres Belvedere / Prunkstall:
WIENER FÜRSTENFIGUREN
GOTISCHE MEISTERWERKE DES STEPHANSDOMS
Vom 14. Mai 2019 bis zum Ende des Wien Museum Umbaus

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Sie stehen auf dem Stephansdom, die Kopien der Statuen von Rudolf IV., seiner Frau, seiner Eltern und seiner Schwiegereltern. Aber so hoch, dass man sie nie richtig sehen kann. Und, wie gesagt, sie sind nicht die echten. Als man in den Jahren 1858 und 1870/71 am Dom restaurierte, erkannte man schon die (heute noch viel virulentere) Gefahr der Umweltverschmutzung, brachte die Originale ins Museum und ersetzte sie durch Kopien. Im Wien Museum blieben sie unbeachtet im Depot. Nun, da das Haus umgebaut wird, hat das Belvedere einen Coup gesetzt: Es lud die sechs berühmten Statuen ein, in ihrem Mittelalter-Museum – dem Prunkstall im Unteren Belvedere – nun Aug in Aug mit dem Betrachter an die Öffentlichkeit zu treten. Ein scheinbar kleines, aber großes Unternehmen.

Von Heiner Wesemann

Rudolf der Stifter   In letzter Zeit ist er immer wieder im Gespräch, jener Rudolf von Habsburg mit der Zahl „der Vierte“, der nur so kurz „regierte“ und in seiner Zeit so viel unternommen hat. Geboren 1993 in Wien, übernahm er nach dem Tod seines Vaters Albrecht II. die Habsburgischen Lande. Davor schon hatte sein Vater sich der Gunst von Kaiser Karl IV. versichert, sich Belehnung und Gerichtshoheit von Österreich (das damalige Nieder- und Oberösterreich), Steiermark, Kärnten, Krain und der Vorlande bestätigen lassen. Und er arrangierte die Hochzeit seines 15jährigen Sohnes Rudolf mit der um vier Jahre jüngeren Tochter des Kaisers, Katharina von Luxemburg. Rudolf war 19, als er die Herrschaft der Habsburgischen Lande übernahm, und sofort wurde sein Ehrgeiz sichtbar: Dass Karl IV. den Habsburgern in der „Goldenen Bulle“ nicht die Kurwürde übertragen hatte (jene Kurfürsten, die für die Kaiserwahl zuständig waren), unterlief er mit der Herstellung gefälschter Dokumente, dem „Privilegium maius“, das alte Vorrechte der Familie bis in die Römerzeit behauptete. Obwohl die Fälschung nicht durchging – das Kunsthistorische Museum hat die Dokumente im Vorjahr in einer Sonderausstellung gezeigt – , schaffte Rudolf die Erhöhung zum „Erzherzogtum“. Dazu erfand er sich die Zackenkrone, um diese Würde zu bestätigen.

Das eigene Bild, das eigene Gedächtnis   Er war es auch – und das Dommuseum zeigt stolz dieses singuläre Bild – der sich als Erster in einem Porträtgemälde darstellen ließ. Dass sein Schwiegervater 1348 in Prag die erste deutschsprachige Universität gegründet hatte, ließ ihm keine Ruhe: Rudolf gründete in Wien 1365 seinerseits eine Universität, die als „Alma Mater Rudolphina“ heute noch seinen Namen trägt. Ja, und schließlich hat er noch Tirol für die Habsburger requiriert, ein früher Fall von „Tu felix Austria, nube“, denn seine Schwester Margarethe war mit Meinhard von Tirol, dem Sohn von Margarethe Maultasch, verheiratet, die Rudolf nach Meinhards Tod ihr Land überschrieb…

Der Stephansdom     Schließlich dachte Rudolf, jung wie er war, bereits an seine eigene Grablege. Und er wusste auch, dass Stein die Menschen überdauert: Der romanische Bau des Stephansdoms existierte seit dem 12. Jahrhundert. Rudolf ließ nun 1359 den Grundstein für die gotische Erweiterung des Baus legen. Hier wollten er und seine Gemahlin begraben sein (sind es auch in der so genannten Herzogsgruft – wobei man bei Katharina, die nach Rudolfs Tod noch einen Wittelsbacher heiratete, nicht ganz sicher ist, ob sie wirklich hier liegt). Vor allem aber wollte Rudolf sich, der Gemahlin, den Eltern und den kaiserlichen Schwiegereltern steinerne Denkmäler setzen – und das geschah auch.

 

Die Familie     Da stehen sie nun nebeneinander, die sechs Statuen, vor roter Wand inmitten der mittelalterlichen Schätze des Belvederes, von Kuratorin Veronika Pirker-Aurenhammer optimal präsentiert. Ein ideales Ambiente für sie alle. Die Löwen, auf denen sie stehen, repräsentierten Macht. Wie wichtig Familie und Herkunft waren, wusste man immer. Also legte Rudolf Wert darauf, nicht nur sich und Katharina, sondern auch die Eltern und die kaiserlichen Schwiegereltern zu verewigen. Man kennt die Künstler nicht, doch die Statuen scheinen aus einem Guß, ein Künstler, eine Werkstatt. Und man kann nur die (spät)gotische Eleganz bewundern, mit der die drei Damen durchwegs in elegantem Hüftschwung an der Seite der Gatten stehen. Rudolf selbst, der schon 1365 (bei einem Aufenthalt in Mailand) mit noch nicht ganz 26 Jahren starb, wirkt – wie auch auf seinem Porträt – älter, doch schlank und beschwingt, mit Krone, lockerem Umhang. Die junge Gattin Katharina (1342-1395, wahlweise als „von Luxenburg“, die Familie des Vaters, oder „von Böhmen“ genannt, wo sich der Herrschersitz des kaiserlichen Vaters befand) ist die hübscheste der Frauen, ohne Krone, aber mit exquisiter Lockenfrisur und einem Gewand aus offenbar dünnem Stoff, denn das vorgestellte Bein zeichnet sich darunter ab. Der Zahn der Zeit hat Rudolf eine Hand gekostet, Katharina büßte beide ein (und bei ihrer Mutter geht ein Bruch durch den Kopf…).

Die erlauchten Beziehungen Links von den beiden stehen Albrecht II. von Österreich (1298-1358) – ein Enkel des legendären Rudolf von Habsburg (man erinnere sich an „König Ottokars Glück und Ende“) – und seine Gattin, Johanna von Pfirt (1300-1351) aus dem Elsaß (das sie in die Ehe mitbrachte). Rechts von dem zentralen Paar ist Kaiser Karl IV. (1316-1387) zu finden, mit Krone, Szepter und Reichsapfel, und an seiner Seite seine erste Gattin, Blanche de Valois (1316-1348), die früh starb und der noch drei weitere Gattinnen folgen sollten. (Albrecht III., der den früh verstorbenen Rudolf folgte, war übrigens auch mit einer Tochter von Karl IV. (aus dessen dritter Ehe) verheiratet.) Es ging darum, die Habsburgische Herrschaft fest in den europäischen Kontext einzubetten – was Rudolfs Nachfolger alle beherzigt haben… Und eines ist Rudolf IV. jedenfalls gelungen: Er hat sich vielfach in das Buch österreichischer Geschichte eingeschrieben.

Belvedere / Unteres Belvedere / Prunkstall:
Wiener Fürstenfiguren.
Gotische Meisterwerke des Stephansdoms
Ausstellungsdauer: Während der Restaurierung des Wien Museums
Täglich 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr

WIEN / Theatermuseum: DIE SPITZE TANZT

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WIEN / Theatermuseum:
DIE SPITZE TANZT
150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper
Vom 16. Mai 2019 bis zum 13. Jänner 2020

Von Fanny bis Manuel

 
Fotos: Wagner

Nicht auszudenken, was das für eine Ausstellung hätte werden können, wenn dem Theatermuseum mehr als nur zwei Räume zur Verfügung gestanden hätten. Denn „150 Jahre Wiener Staatsoper“ bedeutet auch 150 Jahr Wiener Ballett, und dazu gäbe es wohl Unmengen von Material. So musste sich Kuratorin Andrea Amort (immerhin läuft im Parterre ihre Parallel-Ausstellung „Alles tanzt. Kosmos Wiener Tanzmoderne“, was das Thema auffettet) darauf beschränken, überall die Schwerpunkte zu setzen.

Von Renate Wagner

Schon der Kaiser…   Bevor man in die Ausstellungsräume im Halbstock rechts kommt, grüßt Kaiser Leopold I. im Theatergewand – in Österreich tanzten auch die Kaiser in Aufführungen. Immerhin war die Konkurrenz zu Ludwig XIV. in Frankreich stark, und die Parallele „Paris und Wien“ zieht sich durch die Geschichte – auch Nurejew, Liebling in Wien, hat das Pariser Ballett geleitet, und Manuel Legris, der uns nun zehn Jahre Modernes, aber vor allem Klassik bietet, ist Franzose. Er ist übrigens stark in der Ausstellung vertreten – verständlich, prägt er doch derzeit stark das Gesicht des Wiener Ensembles. Wie anders alles künftig werden wird, hat ja schon der Name seines Nachfolgers signalisiert.

 

Höhepunkte anno dazumal    Wenn man nur wenig Platz hat, muss man Schwerpunkte setzen. Da kommt man in Wien um Fanny Elßler (1810-1884) nicht herum (die zu ihrer Zeit so berühmt war, dass noch in Havanna eine Gedenktafel an ihr Auftreten erinnert): Sie wurde Inbegriff der „Ballerina“ auf Spitzenschuhen. Allerdings kann die Ausstellung an „Hardware“ nur ein rotes Stiefelchen von ihr bieten – und das berühmte Kleid, das sie bei ihren „Cachucha“-Tanz trug… Ein anderer Höhepunkt des Wiener Balletts im 19. Jahrhundert war jene „Puppenfee“ von Josef Hassreiter (1888), die von Diaghilew bewundert wurde und noch bis tief ins 20. Jahrhundert auf dem Spielplan stand – Kindheitserinnerung von manchem späteren Ballettfreund.

Moderne: Gewinne und Verluste     Die Parallel-Ausstellung im Parterre befasst sich mit dem Wiener Tanz der Moderne, der hier auch vertreten ist, vor allem rund um Richard Strauss, der ja selbst gern für das Genre komponierte. Dass man in Wien Uraufführungen nicht auswich, beweist ein Plakat, das etwa an Bienerts „Alpenglühn“ (1984) erinnert. Natürlich liegt ein Schwerpunkt auf Nurejew – und auf Legris. Aber es wird nicht nur gejubelt, man vergisst nicht auf jene Künstler, die Opfer des Dritten Reichs wurden (wenn einige, wie Margarete Wallmann, glücklicherweise auch zurückkehrten). Am Ende kann man noch per Video Einblicke in die Welt des Staatsopern-Tanzes gewinnen. Das Thema wäre einen großen Katalog wert gewesen – eine kleine Broschüre ist es geworden.

Theatermuseum im Palais Lobkowitz:
Die Spitze tanzt.
150 Jahre Ballett an der Wiener Staatsoper
Bis 13. Jänner 2020.
Täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr

WIEN / Albertina: HERMANN NITSCH

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Fotos: Wagner

WIEN / Albertina / Basteihalle:
HERMANN NITSCH: Räume aus Farbe
Vom 17. Mai 2019 bis zum 11. August 2019

Der Maler, der Musiker…

Eine Ausstellung wie diese ist auf Überwältigung angelegt. Die Albertina hat ihre prachtvolle Schau moderner Kunst im Untergeschoß ausgeräumt und etwas nicht weniger Spektakuläres dafür in die Räume „eingepasst“: den Maler Hermann Nitsch, großformatige Werkzyklen, die in Farbigkeit aber auch Formenreichtum gewaltig auf den Betrachter zukommen. „Nitsch: Räume aus Farbe“ nennt die Albertina diese Ausstellung, die Direktor Klaus Albrecht Schröder zum 80. Geburtstag des Künstlers ausgerichtet hat.

Von Renate Wagner

Hermann Nitsch    Er ist ein Aufreger für seine Umwelt, eine Reibebaum für alle, für seine ekstatischen Bewunderer ebenso wie für seine Zweifler. Vor allem ist Hermann Nitsch, geboren am 29. August 1938 in Wien, als „Aktionist“ bekannt, Veranstalter seiner unikaten, mit katholisch-religiösen Accessoires bestückten Orgien-Mysterien-Spiele. Und vielfach herrscht auch die Meinung, seine „Schüttbilder“ (Blut auf Leinwand) seien willkürlich und ohnedies immer „dasselbe“. Mit dieser Ausstellung, die sich auf seine Malerei (plus Musik) konzentriert, will Klaus Albrecht Schröder (Kuratorin: Elsy Lahner) klar machen, wie vielfältig der Zugang Nitschs zur Malerei an sich ist. Der Künstler selbst bedankte sich bei der Pressekonferenz sehr für diese „Konzentration auf das Optische“, unabgelenkt von den üblichen Diskussionen.

 

Malerei pur     Also zeigt die Ausstellung nur Bilder, alle im Riesenformat, Zyklen, und lässt das übliche Beiwerk von Nitsch-Ausstellungen bewusst vermissen. Mit Ausnahme einer Videowand in einem Seitenraum, wo man dann Eingeweide und Blut aus den Aktionen betrachten kann – der typische Nitsch, den diese Ausstellung transzendiert. Im übrigen erlebt man ihn nun in einer Farbigkeit, die über das „Rot“ von „Blut“ oder „blutrot“ weit hinausgeht, da bestrickt Schwarz ebenso wie Gelb, und selbst dort, wo Farbe zuerst auf Leinwand „aufrinnt“, hat der Maler ihr dann noch (und sei es mit den Fingern) bewusste Bearbeitung zukommen lassen. Die oft geäußerte Idee, Nitschs Werk sei „unveränderlich“, will Schröder hier als Vorurteil weggewischt finden.

Verschiedene Ereignisse      Saal für Saal kann man an den Wänden lesen, in welchem Kontext – Malaktionen, Theateraktionen, Relikte, Springbrunnenbilder – die einzelnen Werkgruppen entstanden sind. Man umfasst hier mit rund 100 Werken nicht weniger als die Zeitspanne von den sechziger Jahren bis heute. So zeigt sich etwa die „Kathedrale der Farben“ (im Rahmen seiner bisher größten Malaktion, 2009 in seinem Museum in Mistelbach) in einer Buntheit, die man nicht mit dem doch schon recht verfestigten Nitsch-Klischee verbinden. Da wird nun „Sprengungs“-Arbeit geleistet. Besonders wichtig ist, abgesehen vom historischen Zusammenhang der Entstehung, für den Besucher aber der Stimmungsgehalt der Werke: Das ist es, was letztlich überwältigt.

Und der Musiker…   Wie wichtig ihm immer die Musik sei, betonte Nitsch auch bei der Pressekonferenz. All seine Aktionen sind mit Musik begleitet, er selbst ist Komponist, freut sich darauf, dass die Albertina im Rahmen dieser Ausstellung am 29. Mai sein „Streichquartett Nr. 2“ uraufführen wird, ein Werk, dem besondere „Sprengkraft“ vorausgesagt wird. Entscheidend zum Eindruck der „Bilder“-Ausstellung trägt aber bei, dass in allen Sälen (in unterschiedlicher Lautstärke) Nitsch-Musik läuft und den Betrachter nicht nur in Farben, sondern auch in Klänge eintaucht.

Albertina / Basteihalle:
NITSCH. Räume aus Farbe
Bis 11. August 2019, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr

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