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Film: ANNA

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Filmstart: 19. Juli 2019
ANNA
Frankreich / 2019
Regie: Luc Besson
Mit: Sasha Luss, Helen Mirren, Luke Evans, Cillian Murphy u.a.

Frankreichs Luc Besson hat zugegeben im Lauf seiner Karriere den einen oder anderen interessanten Film gemacht. Inzwischen aber steht er längst für ein eigenes Genre – den „Euro-Krimi“, der in der Rasanz der Action durchaus nach amerikanischem Vorbild verfährt und im übrigen kein Klischee auslässt, um dem Besucher anspruchslos Spaß zu bereiten. Vieles davon – die „Transporter“ (mit Jason Statham)- oder die „Taken“-Filme (mit Liam Neeson als eiskaltem Vater) hat er nur produziert, aber sie tragen ebenso seine Handschrift wie jene, die er inszeniert. Wenn er nicht, wie vor zwei Jahren, mit dem seltsamen Sci-Fi-Streifen „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ etwas ganz Anderes (aber auch nichts wirklich Anspruchsvolles…) macht.

Für „Anna“ führt er wieder einmal Regie und erfüllt konventionelle Männer-Träume alten Stils: Was ist das für eine Frau, schön wie ein Model und offenbar ein solches, aber von Zeit zu Zeit wendig wie ein Ninja herumhüpfend, Waffen in beiden Händen, souverän killend? Mit der 27jährigen Russin Sasha Luss, tatsächlich Supermodel (die er in seinem „Valerian“-Film schon in einer kleinen Rolle eingesetzt hat), fand Besson die blonde, kalte Schöne, die vom bösen KGB gezwungen wird, für sie zu arbeiten, und die von Auftragsmord zu Auftragsmord nichts anderes will, als aus dem erzwungenen Gewerbe wieder auszusteigen. Dabei glaubt man ihr Intelligenz und Skrupellosigkeit. Nicht, dass sie besonders menschlich und sympathisch wäre. Aber überzeugend darin zu vermitteln, dass sie so trickreich ist, wie es ihr das trickreiche Drehbuch abverlangt…

Die Story springt zwischen einzelnen Zeitebenen hin und her, tut dies aber überzeugend – sieht man gewisse Ereignisse wieder, erscheinen sie mit neuem Wissen in neuem Licht, und wie das schon so ist bei Spionen und Geheimdienst – nichts ist eben, wie es auf den ersten Blick scheint. Dass es dieser Anna gelingt, sowohl ihren KGB-Betreuer wie den CIA-Agenten, der sie auch anwirbt, total verliebt zu machen, glaubt man sofort: Luke Evans als Alex Tchenkov und Cillian Murphy als Lenny Miller geben sich nur so cool, in Wirklichkeit zappeln sie hoffnungslos in Annas Netz. Und weil die Euro-Trash-Krimis von Besson immer besonders gut besetzt sind (er weiß schon, wie viel das bringt), liefert die große Helen Mirren die hinreißende Klischee-Figur einer bösen KGB-Hexe, der zuzusehen geradezu genussreich ist.

Wenn man jegliche höheren Ansprüche zuhause lässt und sich nur in den Kinosessel plumpsen lässt, um sich einfach blind und blöd zu unterhalten, ist man hier richtig. Gut gemacht, gut gespielt, geradezu ein Schulbeispiel für „Kintopp“.

Renate Wagner


Film: DER KÖNIG DER LÖWEN

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Filmstart: 17. Juli 2019
DER KÖNIG DER LÖWEN
The Lion King / USA / 2019
Regie: Jon Favreau
Stimmen in der Originalfassung: Donald Glover, Seth Rogen, Beyoncé Knowles, James Earl Jones, Chiwetel Ejiofor u.a.

Eines sei vorausgeschickt: Da möge sich vor dem Zeitgeist verbiegen, wer will. Disney bleibt Disney, und das ist wahrscheinlich gut so. Da mag es schon die Vorwürfe prasseln, dass der neue „König der Löwen“ (sogar der falsche Titel bleibt, denn „The Lion King“ ist der Löwen-König, nicht nur über seine Löwen, sondern über die ganze afrikanische Tierwelt herrschend) „nichts Neues“ bringt. Sondern einfach nur den technischen Fortschritt eines Vierteljahrhunderts – so lange (1994) ist es auch schon wieder her, dass das „Zeichentrick“-Original (wie man damals sagte) die Welt eroberte.

Nun hat Jon Favreau (derzeit gerade als Freund von Spidermans Tante auf der Kinoleinwand) als Regisseur das gemacht, was man zuerst „Realverfilmung“ nannte, aber nie als solche gedacht war. Tatsächlich kommt der neue Film mit raffinierten Techniken total aus dem Computer – und so „lebensecht“ er im Vergleich zur gezeichneten Vorlage wirkt, so ist er doch noch einen Tick so „künstlich“, dass er auf Disney-Art richtig wirkt…

Vom Zeichentrick zum Computertrick also – die Unterschiede sind nicht so groß und doch da. Jedenfalls weht der alte Disney-Geist über Afrikas Steppe: die Tiere sind total menschlich, die großen Emotionen zwischen Menschen von Liebe bis Haß werden angesprochen, das Coming of Age eines jungen Geschöpfs wird gezeigt, dazu Weltweisheit in markig-pathetischen Sprüchen, Humor und überschwappende Musik. Nur an der Dosierung hat sich dies und das geändert.

Wenn man sich die Mühe gemacht hat (die keine Mühe war), sich die alte Version zum Vergleich anzusehen, wirkt der einstige gezeichnete Löwenkönig durch seine Stilisierung fast frischer und vor allem witziger als die scheinbaren „Echt-Tiere“. Manches, etwa die Zeichnung der im Original so ungeheuer bösen und gehässigen Hyäenen, wurde in der neuen Fassung sogar zurück genommen. Für kleine Kinder ist das Ganze immer noch Angst erregend genug (falls man heutige Kinder bei allem, was sie auf ihren Smartphones sehen, überhaupt noch schrecken kann). Was den neuen Film vom alten deutlich unterscheidet, ist der geringere Anteil an Humor, selbst „Hakuna Matata“ wirkt nicht so hinreißend wie einst.

Natürlich ist das das Ganze mit gekonnter Musik überschüttet (Hans Zimmer versteht sein Handwerk), wie man sie als Hilfsmittel braucht, wenn die Disney-Leute (in Handlung und großteils auch Text dem Original folgend) die Gefühlsskala auf und ab spielen und ganz genau wissen, welche Knöpfe sie beim Kinopublikum drücken müssen, um es zu entzücken (mit dem Löwenbaby), um es zu unterhalten (mit den „lustigen“ Tieren), um es zu Tränen zu rühren (wenn Löwenpapa stirbt), um es zu schrecken (wenn es vor den mörderischen Hyänen offenbar kein Entkommen gibt), um es dramatisch zu packen (wenn man den bösen Onkel Scar bekämpft, der hier wirklich wie ein hagerer, struppiger, elender Bösewicht-Löwe aussieht) – und am Ende so richtig glücklich zu machen, wenn aus Löwenbaby Simba der Löwenkönig geworden ist, mit seiner treuen Nala an der Seite, mit schon dem nächsten Baby, das man einer begeistert akklamierenden afrikanischen Tierwelt zeigt, die jubelt, als sei sie bei einem Pop-Konzert.

Was einst die Zeichner geleistet haben, schaffen nun die Männer an den Computern mit Meisterschaft, die Tiere zu sprechenden Menschen-Gleichnissen zu machen, poetisch-pathetische Landschaft und fast atemberaubende Action (eine alles niedergaloppierende Gnu-Herde) einzusetzen, Spaß zu machen – ja, die Tierwelt wird auch, wenn die Musik es vorgibt, im Rhythmus mit den Hüften wackeln. Immer wieder ist es die Meisterschaft des Handwerks, die es nebenbei zu bewundern gilt.

THE LION KING – Featuring the voices of JD McCrary as Young Simba, Disney’s “The Lion King” is directed by Jon Favreau. In theaters July 19, 2019. © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Natürlich ist man am glücklichsten, solange Löwen-Kronprinz Simba das „Löwenbaby“ ist, es geht ja einfach nichts über tapsige Jungtiere (auch im wirklichen Leben, wie man von kleinen Katzen weiß), erwachsen sind sie dann nicht mehr so possierlich. Aber das Warzenschwein Pumbaa und das schrille Erdmännchen Timon, die Komiker des Ganzen, der quirlige Nashornvogel Zazu, der weise Affe Rafiki, der als Schamane wirkt (es ist auch sehr viel Seelenvolles da drin), die bleiben, wie sie sind.

Und weil man bei Disney weiß, wo die Bösen sind – Scar, der böse Bruder von König Mufasa, der seinen Neffen Simba lange Zeit so unglücklich macht, und dessen Hyänenschar (die nur ein bisschen lustig und sehr bedrohlich ist), erfüllen ihre Aufgabe. Die Frauen, die brave Mutter Sarabi und die tapfere Geliebte Nala, bleiben im Hintergrund. Disney lässt weder die Gender-Debatte noch „metoo“ in sein nach wie vor märchenhaftes Afrika und das neu erstandene „König der Löwen“-Kinoglück.

Nein, nicht alles neu macht der Disney. Alles bleibt beim Alten. Auch das muss möglich sein im Pluralismus unserer Welt, ohne dass sich die Hyänen der sozialen Medien darüber stürzten.

Renate Wagner

ERL/ Tiroler Festspiele/ Festspielhaus: ALMTRIEB – zweiter Tag der Trilogie „MITTAG“

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Erich Polz und das Ensemble Modus 21. Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele

ERL/ Tiroler Festspiele/ Festspielhaus: ALMTRIEB – zweiter Teil „MITTAG“  am 15.7.2019

Der zweite Teil der Konzertreihe Alm-Trieb, „Mittag“, kontextualisierte im Festspielhaus in Erl durch Musik den Gipfel, was das Leben aus- und schön macht. Das Konzept (Valentin Lewisch) erklärt sich zwar durch Stücke und Text ziemlich klar, das Programmheft liefert aber zusätzlichen und interessanten Input.

Und an diesem Konzertabend passierte reichlich viel. Angefangen von der ästhetischen und spannenden Videoinstallation im Foyer (Auer-Grumbach, Lewisch), die mit einer GoPro vom Kopf einer Kuh aus den tierischen Alltag auf der Alm beobachtet.


Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.

Kamile Marjia Kubiliute, Irenen Kok und Christopher Devine brillierten spielerisch bei einem Klaviertrio Florian Bramböcks mit dem passenden Titel „Almmusik“. Pirchners „Mit Fagottes Hilfe“ pfiff Andreas Stockerer virtuos und begeisternd auf dem namensgebenden Instrument, Julia Kriechbaum und Freya Tuppy spielten sitzend ein charmantes Geigen/Bratschen Duo von Bruno Maderna zum Genießen.

Mit einem besonderen Text wartete die Chorakademie der Tiroler Festspiele auf: „Lorem Ipsum“ (ein Text ohne jede Bedeutung) absolut stilsicher von Patrick Hahn vertont und durchaus witzig in der Kombination von Sprache und Text, die Fallhöhe zwischen dem Text und seiner Ausgestaltung geriet auch in der Darbietung besonders überzeugend.

Dazwischen rezitierten Alina Hagenschulte (manchmal nicht ganz leicht zu verstehen) und Matti Melchinger sympathisch im Publikum allerlei Texte, in denen man sich über das Schöne an der menschlichen Existenz Gedanken macht: Liebe, Utopie und Friede, schön zusammengestellt. Alina Hagenschulte sprach zusätzlich mit Christopher Devine am Klavier wortdeutlich an verschiedenen Stellen im Konzert Teile aus Viktor Ullmanns „Die Weisen von Liebe und Tod des Cornet Christopher Rilke“.

Bildergebnis für andri joel harison
Andri Joël Harison. Foto: Youtube

Ein absolutes Highlight war jedenfalls die Uraufführung des Abends: Andri Joël Harison komponierte ein „Schlaflied“ nach Paul Celan, elegisch und sanft an Orchesterlieder von Richard Strauss gemahnend. Erich Polz am Pult beschwört mit dem elfköpfigen Ensemble großes Kino, der Tenor von Lorin Wey riss das Publikum zu hörbaren Begeisterungsbekundungen hin.

Ans Ende des ohnehin schon dichten Programms setzte man dann noch einen „Kracher“. Gerhard Schedls rund halbstündige Kammeroper „Pierre et Luce“ mit einer strahlenden, höhensicheren Martina Bortolotti (als Einspringerin!) als Luce und einem berührenden, emotionalen Pierre durch Lorin Wey.

Das durchaus komplexe Stück war bei Erich Polz und den Musikern des Ensembles Modus 21 in besten Händen, klar strukturiert, packend aber immer der Schönheit ihren Raum lassend.

In Szenen gesetzt hat dieses ausgezeichnete Stück Musiktheater Valentin Lewisch. Die Geschichte, erzählt er logisch und mit klarer Personenführung und in Teils wirklich poetischen Bildern, obwohl es faktisch kein Bühnenbild gibt. Gespielt wird im Bühnenportal und auf dem höhenverstellbaren Graben.

Pierre und Luce verweigern in dieser Lesart die Welt, schmücken sich in Kostümen flüchten in eine bessere Scheinwelt und tragen ihre Sonne selbst spazieren, denn die Welt selbst beginnt bereits am Mittag eine dunklere zu werden. Das alles passt auch zu der Vorlage Romain Rollands, die im 1. Weltkrieg spielt (so auch bei Schedl).

Das Stück bietet insofern einen einleuchtenden wie beindruckenden Schlusspunkt!

In Summe darf man von einem wirklich ausgezeichneten Abend berichten. Anmerken kann man einzig, dass der Flügel gefühlte hundert Male über die Bühne geschoben wurde und manche technischen Abläufe offensichtlich unterprobt waren. Das soll das ambitionierte Unternehmen aber in keinster Weise schmälern, vielmehr ist dem Team wie auch dem Haus zu ihrem Mut eine solche Konzertreihe durchzuführen zu gratulieren, die an Qualität und Inhalt so reich ist.

Großer Jubel trotz des eher spärlich besetzen Hauses.

 

Isolde Cupak

 

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper/Opernfestspiele: OTELLO

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München:“Otello”–Bayerische Staatsoper15.07. 2019–Opernfestspiele -Todorovich für Kaufmann

Wer an diesem Montag im Juli das Nationaltheater im München betritt, um eine starbesetzte Otello-Aufführung zu sehen, und nicht Abonnent des Umbesetzungs-Newsletters ist und nicht auf die roten Zettel an den Besetzungsaushängen achtet, der konnte schon enttäuscht werden. Jonas Kaufmann, vor kurzem in Mailand noch glänzend bei Stimme, hat abgesagt, ein Infekt, an seiner Stelle wurde am Sonntag Zoran Todorovich aus Mallorca eingeflogen. Ein Glück, dass dieser Sänger schon in der Premierenserie des Otello Ende 2018 als Cover für Kaufmann an den Proben teilgenommen hatte, so musste man wenigstens szenisch kaum Abstriche machen. Todorovich lieferte darstellerisch ein ebenso überzeugendes Rollenportrait wie Kaufmann. Er hat das Konzept von Regisseurin Amélie Niermeyer – Otello als alternder, traumatisierter, cholerischer Soldat – verinnerlicht und all die kleinen Gesten und Blicke, die gut beobachteten, ausgefeilten Interaktionen mit Desdemona und Jago, die diese Inszenierung so besonders machen, sind vorhanden.

Stimmlich muss man schon Abstriche machen. Das „Esultate“ verrutscht ihm etwas nach unten, beim dritten „Sangue“-Ruf bricht ihm die Stütze weg. Aber es überwiegt der positive Eindruck: ein angenehmes, helles Timbre, schöne Phrasierung und vor allem: er hatte die im zweiten Teil geforderten düsteren, leisen Töne. In Anbetracht der derzeitigen weltweiten Otello-Knappheit ist Todorovich sicher eine gute Lösung.


Der Einspringer-Otello Zoran Todorovich beim Schlussapplaus © Susanne Kittel-May

Der Rest der Besetzung ist identisch mit der der Premierenserie: Anja Harteros als Desdemona lässt im Lied an die Weide ihre berückenden, todtraurigen Piani hören. Diese lang ausgesungenen Phrasen liegen ihr besonders gut. Zu Beginn wirken manche Töne so, als hätten sie eigentlich leiser klingen sollen, aber im Laufe des Abends findet sie zu einer ausgewogenen gesanglichen Gestaltung, ihre Stimme schwebt so leicht über dem über den Ensembles wie eh und je.

Gerald Finley scheint im ersten Teil des Abends ab und zu mit einer leichten Heiserkeit zu kämpfen, die er aber intelligent überspielen kann. Er gibt wieder einen Jago der meist leisen Töne, gefährlich leise. Ein intriganter Strippenzieher mit wunderschönem, elegantem Bariton, der von Ironie über geheuchelte Freundschaft bis zu blanker Wut alles ausdrücken kann. Großartig in Gesang und Gestaltung das Credo.

Cassiovon Evan LeRoy Johnson ist ebenfalls wieder sehr hörenswert. Eine helle, noch lyrische Stimme, dieman gerne öfter hören würde.

Rachael Wilson überzeugte als Emilia sowohl mit schöner Phrasierung als auch mit dramatischer Gestaltung. Galeano Salas als Roderigo ein rollengerecht weinerlicher Feigling, Milan Siljanov ein distinguierter, schönstimmiger Montano, Bálint Szabo als Lodovico diesmal mit mehr Ausdruck und schönerem Gesang als in der Premierenserie. Und last but not least, Markus Suihkonen als Herold, der nur einen Satz zu singen hat, der aber Lust macht, mehr von diesem jungen Sänger zu hören.

Unbedingt zu erwähnen ist der fantastisch disponierte Chor der Bayerischen Staatsoper. Die Textverständlichkeit und Präzision in den Chorszenen, allen voran die Gewitterszene zu Beginn, suchen ihresgleichen. Dazu ein fast bis zur Schmerzgrenze hochgedrehtes Orchester, aus dem immer noch deutlich hörbar die verschiedenen Instrumentengruppen hervortreten. Kirill Petrenkos berühmte Transparenz. Er gibt jeder Stimme, jedem Motiv im Orchester das richtige Gewicht. Holz und Blech Streicher oder Schlagwerk, nie verschwimmt das zu einem Klangbrei. Immer hört man die gemeinte Stimme deutlich heraus.

Ein schöner, bewegender Opernabend. Großer Applaus für alle Beteiligten.

Susanne Kittel-May

 

WIESBADEN/ Kurhaus: „DANIIL TRIFONOV-BAMBERGER SYMPHONIKER-JAKUB HRUSA“

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Wiesbaden / Kurhaus: „DANIIL TRIFONOV-BAMBERGER SYMPHONIKER-JAKUB HRUSA“  –  16.07.2019

Im Rahmen des „Rheingau-Musik-Festivals 2019“ gastierten Daniil Trifonov sowie die Bamberger Symphoniker unter der Stabführung ihres Chefdirigenten Jakub Hrusa.

Der inzwischen 28-jährige russische Pianist etablierte sich inzwischen im Kreise der Tastenlöwen-Weltelite, komponierte bereits auch  diverse Werke für Piano. Das 2014 entstandene „Klavierkonzert Es-Dur“ des Allround-Künstlers und diesjährigen „Artist in Residence“ erlebte in Luzern seine UA, danach folgte Wien und hatte nun im Kurhaus Wiesbaden seine deutsche EA.

Im es voraus zu nennen: das Klavierwerk des charismatischen Pianisten betörte zu herrlich fließendem  Melos, wirkte konspiriert im rhetorischen Aufbau und ließ eine Vielzahl altbekannter romantischer Themen russischer Komponisten mit einfließen. Konträr setzte der Tonsetzer Frequenzen impressionistischer Couleurs sowie Klänge von avantgardistischer Prägung dagegen, blieb stets im Bereich des Melodischen und seine Weisen ähnelten nie extremen Klangkontroversen des 21. Jahrhunderts.

Bereits zum einleitenden Allegro ma non troppo des dreisätzigen Werkes steigerte sich der Pianist Daniil Trifonov mit kräftigen Impulsen, vollgriffig, energisch in die kontinuierliche Dichte der ausufernden Thematik. Gleich einem farbsatten Ölgemälde offerierte Trifonov traumwandlerisch feinste tonale Details.

Es versteht sich von selbst, dass der versierte Pianist in seinem Andante-Agitato in spielerischer Perfektion eine Fülle technisch-brillanter Läufe zauberte. Prägnant in atemberaubender Rasanz servierte der Künstler die kurze Kadenz, verlieh seinem Spiel leidenschaftliche Tastenakrobatik zur unterhaltsamen Kurzweil des Finalsatzes.

Dazu intonierten die Bamberger Symphoniker unter kongenialer Leitung ihres jungen Chefs Jakub Hrusa die spektakulären Instrumental-Begleitungen. In Folge erklangen orchestral die feingegliederten musikalischen Konturen so manchem cineastischen oder Musical-Sound verwandt.

Das Publikum feierte Trifonov und das Orchester lautstark mit großer Begeisterung und erhielt trotz Kürze der Darbietung keine Zugabe.

Unter der Bezeichnung „Má vlast“ komponierte Bedrich Smetana einen symphonischen Zyklus von sechs Dichtungen als künstlerisches Glaubensbekenntnis zu seiner Heimat, davon präsentierten die Bamberger allerdings nur vier. Ganz in tschechischer Musiziertradition ließ der temperamentvolle Jakub Hrusa diese Tongemälde erklingen. Zu Beginn Vysehrad jene stolze ruhmreiche Burg erstand instrumental majestätisch im visionären Auge des Zuhörers zu motivischen Trompetensignalen, orchestral intonierten Kämpfen, lieblichen Gesängen und zur traurigen Harfen-Klage des Sängers Lumir.

Glitzernd schäumend, langsam strömend, wild durch Stromschnellen fließend kam Vltava daher, sehr inspiriert erklangen die Flöten zum murmelnden Wellenmotiv, die Klarinetten und Bratschen fingen die Strömungen in einem Triller auf zu den wogenden Streichern. Die Hörner schmetterten die Terzen, die Blechbläser intonierten die stolzen Türme Prags, die Moldau war angekommen.

Sárka war die Anführerin der legendären böhmischen Amazonen, welche in wildem Kampfe mit den Rittern lagen. Sie ließ sich an einen Baum binden, ein Ritter fand und nahm sie mit sich. Er fühlte sich im Siegesrausch mit seinen Gefährten, Sárka meuchelte alle mit Hilfe ihrer Amazonen im Schlaf. Entsprechend orgiastisch, rhythmisch ausufernd die musikalischen Nachgestaltungen welche das Orchester vortrefflich intensivierte.

Zum poetischen Vers: „Froh ist das Herz über die Schönheit Böhmens, dessen reiche Fluren sich weithin erstrecken…“ erklang Z ceských luhu a hájú in herrlichen instrumental-intonierten  Bögen voll Wärme, Beseeltheit im ausdrucksstarken Sound und Hrusa zog mit dem hervorragend musizierenden Klangkörper alle Register einer ungemein plastischen naturrealistischen Wiedergabe.

Ein Aufschrei der Begeisterung und prasselnder Applaus wurde von den Gästen mit zwei Zugaben belohnt: voll Esprit und unvergleichlichem Temperament erklangen aus „Die verkaufte Braut“ Furiant und Tanz.

Gerhard Hoffmann

 

STUTTGART/ Staatsoper: SALOME – szenische Kälte musikalisch teilweise erwärmt

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Spannende Kontroverse:  Simone Schneider (Salome) und Matthias Klink (Herodes). Foto: A.T.Schaefer

Stuttgart: „SALOME“ 15.7.2019 – szenische Kälte musikalisch teilweise erwärmt

Der Bühnenraum von Pierre Jorge Gonzalez zeigt, wie es in der Machtzentrale des Despoten Herodes zugeht: ein Ort der gnadenlosen Überwachung mit Kameras und Bildschirmen, mittels derer auch mitverfolgt werden kann, wie Jochanaans körperliches Double (der Schauspieler Luis Hergón) in seinem unterirdischen Gefängnis vom Wachpersonal gequält und umher gestoßen wird. In dieser von Gewalt dominierten Umgebung, zusätzlich unterstützt durch die von Streit geprägte Beziehung ihrer Eltern, kann Salome keine Liebe empfangen, ja nicht einmal erfahren, was sie bedeutet. Somit ist sie für die verzogene Prinzessin nachvollziehbar ein größeres Geheimnis als der Tod.

Dieses zentrale Text-Zitat hat Regisseur Kirill Serebrennikov in seiner 2015 entstandenen Inszenierung zum Ausgangspunkt für Salomes Verhalten gemacht. Die Begründung, warum das unbedingt in der hoch technisierten  Gegenwart mit unsinnig überflutenden und phasenweise ablenkenden Nachrichtenbildern aus aller Welt angesiedelt werden muss, bleibt er indes schuldig, zumal die so genial eingefangene schwüle Atmosphäre der Musik von Richard Strauss keine optische Entsprechung findet. Dieser Zwiespalt bleibt über die handwerklich klar konzipierte Personenregie hinweg bestehen.

Leider hat sich Premieren-Dirigent Roland Kluttig der szenischen Kälte ein Stück weit angepasst und mit dem brillant folgenden Staatsorchester Stuttgart  mehr auf Härte und Kanten als auf sinnlichen Fluss gesetzt. Im szenisch  ungelösten Tanz der Sieben Schleier lässt er dann doch all jene verführerischen instrumentalen Raffinessen entfalten, die dieses Stück auch zu einem lohnenden Konzert-Beitrag ohne Programm macht.

Simone Schneider spaltete in der Titelrolle auch jetzt wieder den Eindruck. Auf der einen Seite eine reife vokale Auffächerung mit allen dynamischen Reichweiten von der fast tonlosen Tiefe bis zum strahlenden Triumph über das Orchester, auf der anderen Seite eine dem Alter einer verzogenen Kindfrau entwachsene Erscheinung, was durch den ihr verpassten schwarzen Gammel-Look noch unterstrichen wird. Nichtsdestotrotz bietet die Sopranistin mit dem klar leuchtenden Timbre doch so viel Persönlichkeit,  um Salome zum faszinierenden Mittelpunkt zu machen. Auch dort wo sie auf des Stiefvaters wortreiche Kaskaden meist stumm oder mit nur knappen Kommentaren entgegnet. Diesen zeichnet Matthias Klink erneut als starke Figur zwischen Bedauern und Abscheu gegenüber seiner lüsternen Penetranz. Die Wandlungsfähigkeit seines biegsamen, alle Fächer umspannenden Tenors in Verbindung mit der psychologisch tiefen Rollen-Durchdringung erstaunt immer wieder.

Neu ist der auf die rein stimmliche Präsenz beschränkte Jochanaan von Josef Wagner. Der Österreicher gibt den Äußerungen des Propheten sowohl Kraft in der Fülle seines kernig-angerauhten Baß-Baritons als auch Intensität im Verkünden seiner Parolen.

Maria Riccarda Wesseling ist eine Herodias in den besten Jahren, die sich hier mit zwei Bodybuildern im gläsernen Schlafzimmer im Obergeschoß verlustiert. Mit überaus guter Figur und noch in voller Blüte stehendem Mezzosopran rückt sie die Rolle in ein ungewohntes Licht.

Elmar Gilbertsson  lässt als Narraboth mit leuchtend tenoralem Schmelz und klarer Höhe aufhorchen, Ida Ränzlövs heller Mezzo fehlt für den hier zur Sicherheits-Servicekraft mutierten Pagen etwas dunkle Fülle. Lauter markante Charakter-Tenöre (Torsten Hofmann, Heinz Göhrig, Kai und Daniel Kluge) und der schönstimmige Bariton Andrew Bogard  geben dem Juden-Quintett vielfältige Expressivität. Ausgezeichnet in Diktion und im vokalen Fundament David Steffens und Moritz Kallenberg als Nazzarener, etwas dahinter Pawel Konik und Michael Nagl als Soldaten. Jasper Leever fügt sich als Cappadocier gut ins Geschehen.

Viel junges Publikum, das sich vom Rausch des Werkes begeistern ließ.

 Udo Klebes

MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: PRISCILLA – KÖNIGIN DER WÜSTE. Das Musical

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Gärtnerplatztheater München – Spielzeitpremiere 15. Juli 2019:  Priscilla – Königin der Wüste

Das Musical

Einlassungen von Tim Theo Tinn

Perfekt, perfekter, genial – Wunderweben und Wirklichkeit im Drag-Queen Musical!!!!

Und trotzdem: Parabel zu Moral und ethischen Grundsätze im Umgang mit Minderheiten und deren Erleben!

Armin Kahl (Tick) © Marie-Laure Briane

Auch wenn es quantenenergetisch keinen Superlativ (s. Komparation) geben kann („Mikro, Makro sind unendlich“), überschreitet das eruptive Erleben der Inszenierung Gewohntes, bildet statt der mglw. unmöglichen 3. Steigerungsstufe sogar die 5. (Exzessiv).


Erwin Windegger (Bernadette), Terry Alfaro (Adam), Armin Kahl (Tick), Ensemble © Marie-Laure Briane

Es wurde „Handmade“ Musiktheater geboten – Könner (mit Handwerk) haben dramaturgisch gesichtet, Inszenierung in hervorragendem Timing konzipiert, Regie konziliant probiert, punktgenau detailliert einstudiert und nun brillant aufgeführt – so geht Theater mit Könnern relevanten Handwerks.

Meine Abgrenzung erfolgt zu immer noch vermehrt auftretendem aufgeblähten Gedankengedudel, bei dem offensichtlich nie über ein unkonzipiertes Probierstadium hinausgekommen wird. Dabei sehe ich oft wirres Gedankengut, dass in verwunderlich abstrusem Geschiss auf die Bühne gebracht wird, in der Hoffnung auf selbstdarstellungsorientierte Feuilletonisten, die den Irrtümern intellektuelle Bedeutung einhauchen sollen.

Wird dem Publikum so entsprochen, mit solch dilettantischem Nichtkönner – Gezeter? Das erinnert an meine Theater-Anfänge in den 80’er Jahren – als Bewegung im Nachgang der 68’er war „soziale Akzeptanz“ verpönt: bloß nicht den Publikums-Geschmack treffen war die Devise. Das war dann auch der Wegbereiter der eigentlich immer gestrigeren sogen. Regietheater-Verirrungen. (Gemeint sind Verirrungen!)

Den Ansprüchen des Publikums (pūblicus – öffentlich) wird die englische Übersetzung Audience (audire – zuhören) gerechter: in einer Audienz, vor einem Auditorium, vor einem hochgestellten Kollektiv widmet man sich den Verlautbarungen Anderer – ist also wichtiger Bestandteil und nicht bedeutungsreduzierter Konsument in häufigem Theateralltag.

Die „Priscilla“ im Gärtnerplatztheater zeigt Wertschätzung für ein Publikum, das mit seiner begeisternden Resonanz nach wenigen Minuten durchgehend in Beifall-Orgien und Mitklatsch – Begeisterung ausbrach. Offen gesagt, war der Rezensent anfangs so verblüfft, dass er sich an seinen Notizblock klammerte, bis … dann hab ich lieber mitgeklatscht statt zu notieren.


Titelfigur – Bus Priscilla – Armin Kahl (Tick), Terry Alfaro (Adam), Erwin Windegger (Bernadette), Ensemble  © Marie-Laure Briane

Infos, Trailer, Einführung , Inhalt, Besetzung, für weitere tolle Fotos und Filme (Hörprobe) runterscrollen : https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/priscilla-koenigin-der-wueste.html?ID_Vorstellung=1807

Fakten rund um Stück und Inszenierung finden Sie dort.

Dem Musical-Genre wird durchaus in „kitsch as kitsch can“ – Manier entsprochen – findet aber auch idealen Zugang zu Realität in Tragik, Hoffnung, Angst – kurz zum tatsächlichen Dasein gesellschaftlich ausgegrenzter Menschen. Auch wenn dem „Affen im Überschwang oft Zucker“ gegeben wird, wird nicht outriert – es bleibt immer eine Grundernsthaftigkeit. In rein dramatischen Szenen werden Konflikte deutlich, um dann in hervorragenden Überblendungen in revuehafte musikalische Ebenen zu gleiten – vielfältigste Spielorte werden ohne Umbaupause fließend, geradezu schwebend, gewechselt. Das ist typische Hollywood-Dramaturgie – ständiger Szenenwechsel nach wenigen Minuten – Perspektivwechsel – diesem Erfolgsmuster liegt übrigens Archetypisches aus Analysen der Strukturen antiker Erzählungen zugrunde – für Profis gehört so etwas zum Handwerk.

Es ist keine Schwulen – Drollerie, kein Tunten-Ball, sondern eine Geschichte, die nicht nur die Transgender – Debatte berührt, sondern grundsätzlich den Blick auf Minderheiten öffnet, keine Klischees wiederkäuert. Es menschelt im Großen und Kleinen mit Gänsehautmomenten und endet genretypisch im „Happy-End“ für alle. Halb Revue, Drag Queen Parade (s. Fotos) und stringentes Drama im assoziativen Discoglimmer der 80 er/90er – verdichtet und wieder in die nüchterne Geschichte zurückgeführt- Tragik wird angetippt, aber letztlich wird dem Musical immanenten Happy-End-Syndrom entsprochen – ohne die Ernsthaftigkeit der Konflikte zu verharmlosen.


 Armin Kahl (Tick), Erwin Windegger (Bernadette), Terry Alfaro (Adam), Ensemble  @  Marie-Laure Briane


Frank Berg (Bob), Armin Kahl (Tick), Terry Alfaro (Adam), Erwin Windegger (Bernadette) © Marie-Laure Briane

Wichtig sind 3 Menschen, Angehörige einer Minderheit, die beruflich als Drag Queens unterwegs und unterschiedlich sind. Da ist die ältere ehemals Transsexuelle Bernadett, die durch medizinischen Eingriff zur echten Frau geworden ist und Liebe ersehnt, der bisexuelle Tick, der voller Skrupel als Vater und ehemaliger Ehemann seinen Weg sucht und der normalschwule, junge, wilde, testosterongesteuerte Epikuräer Adam, der nach Erlebnissen giert.

Selten habe ich den Ankündigungen eines Inszenators so komplett zugestimmt: „…. soziale und menschliche Komponente stärker ist, als ich ursprünglich dachte. Das Musical ist eine Parabel auf Akzeptanz und Toleranz. Es geht um die Botschaft: Nimm den anderen, wie er ist! Glaube an das Individuum! Es geht nicht um eine Reise ins Innere Australiens, sondern ins Innere der Figuren.“

 Bernadette findet die Liebe zu einem normalen Mann, Adam wird sexuell misshandelt, fast vergewaltigt, von Bernadette gerettet und findet neue Erfüllung im ultimativen Sexerlebnis auf dem Ayers Rock („Mit Pimmel im Fummel im Himmel“! Da hat er sich wohl auf den Berg gestellt und onaniert – naja, wohl die einzige Schwachstelle im Plot.) Tick wird von seinem Sohn akzeptiert und findet bei seiner Frau Verständnis für seine Individualität. Die Welt bietet Erfüllung für Alle, auch wenn außerhalb tradierter sozialer Gefüge gelebt wird. Sicher grobgestrickt bleiben bewegende Momente, die mit unserer Wirklichkeit zu tun haben und Assoziationen zu vielfältig Unflätigem in ungleicher Menschheit zulassen.

Diese Form wird Jukebox-Musical genannt, als musiktheatrales Werk ist es ein Pasticcio, das musikalisch auf Bestehendes zurückgreift, keine neue Komposition. Hier ist der gesamte Soundtrack aus bekannten Disco-Klassikern der 70/80 Jahre entwickelt worden (s.o.  Gärtnerplatzlink: Hörprobe (Film 1- 29 Sek.) + Songliste (30) ganz unten).

Atmosphärisch „atmet“ auch optisch alles im Zeitalter der akustischen Disco-Pop-Ära- Ummantelung.

Die begeisternde Choreografie von Melissa King hat Fernsehballett – Anklänge. Das darf nicht anders sein, das ist zeitimmanent – und wie immer – es muss nur gut sein – es war nicht gut – es war fantastisch, fabelhafte, ununterbrochen Ovationen auslösende geniale Integration von tänzerischer Revue im Verweben mit Dramatischem und Gesang. 

Die Ausstattung, das Bühnenbild von Jens Kilian: es sind mehr als 10 opulente  Räume, Orte die sofort als Zitat der gewollten Wirkung aufgenommen werden und  doch mit so  einfachen Mitteln durch sekundenschnellen Übergang von einer Szene zur nächsten auf offener Bühne Staunen machen. Farbdramaturgie und Gestaltungen sind ideal – anders kann man es sich nicht wünschen (s. Fotos s.o. Gärtnerplatzlink).

Die Kostüme von Alfred Mayerhofer sind ein Geschenk. Mit untrüglichem Geschmack und Vermögen hat er den Zeitgeist und den dramatischen Impetus fast schon surreal überhöht verwoben – auch genial (s. Fotos). Da bilden sich Perücken zu Kugel-Pyramiden, Farbmuster die Glimmer, Schick und Dramatik vereinnahmen.

Inszenierung und Regie von Gil Mehmert: der Folkwang – Professor kann, was er tut. Die Figuren erhalten pralles natürliches Leben, es wird so musicalgerecht überzogen, dass immer eine Spur Wahrhaftigkeit bleibt und einem hohen Unterhaltungsanspruch genüge getan wird. Tatsächlich bleiben alle Protagonisten immer geerdet in der Handlung, niemand flüchtet sich in quietschendes Outrieren. Das erreicht ein Publikum im ständigen Auf und Ab von Revue- Brillanz und hohen dramatischem Anspruch. Und dann gibt es eine ideale Korrespondenz zum Tanz – auch hier werden die Ebenen vom Schauspiel, Gesang und Tanz ideal verwoben.                                

Musikalischer Leiter Jeff Frohner und seine Musiker: es wird der musikalische Kosmos des Disco-Pop Dramas geradezu wehmütig beschworen, Musik in jeder Hinsicht dem gewollten Zeitalter gewidmet, richtige und verinnerlichende Reminiszenz im Soundtrack der Disco – Klassiker. Mglw. hätte ich den Klang bei meiner Hifi-Anlage im Loudness – Bereich etwas reguliert, um das gedämpft klingende Schlagwerk etwas zu beleben, aufzufrischen.

Die Abstimmung mit der Tontechnik (es wurde über Micro-Ports verstärkt) soll in früheren Aufführungen problematisch gewesen sein. Aktuell kann es nur ein riesiges Kompliment für die absolut zielgerechte problemfreie Übertragung sämtlicher akustischer Momente der Aufführung geben. Dialoge und Gesang waren wortgetreu verständlich, jeder Klang wirkte organisch und verständniserweiternd für das  Publikum.                                                                                                                       

 Die Besetzung hat mal wieder erstaunt: woher kommt diese erstklassig durchgeformte Klasse (Tautologie ist beabsichtigt!!). Alle können großartig singen, tanzen, spielen, sind authentisch, wahrhaftig und zeigen überbordende Begeisterung. Das Geheimnis dieses Erfolges ist wohl auch die vollendete völlige Aufnahme der darzustellenden Charaktere in Gesang, Tanz, und Spiel – 3 Formen der Darstellung, die anderweitig auch nicht von einem Darsteller geschafft werden.

3 Diven Dorina Garuci, Jessica Kessler, Amber Schoop : ähnlich dem Chor im antiken griechischen Theater sind diese 3 ständig handlungsbegleitend dabei, übernehmen geradezu kommentierend große Teile der Disco – Gassenhauer in  imitatüberhöhender Qualität des Originalgesangs.

Armin Kahl ist Tick: (frappierende Ähnlichkeit zu Bastian Schweinsteiger und Günther Groissböck): in jeder positiven Hinsicht ein dominanter Sänger, Schauspieler Tänzer. Alles wirkt verinnerlicht aufgenommen, zu eigen gemacht. Mit leichter Selbstverständlichkeit wird bei ihm das Schwere zur Kunst, zum artifiziellen „leichten Gewand“. Der Gesang ist über alle Maßen hochwertigst, die Darstellung berührt, der Tanz wirkt verinnerlicht selbstverständlich gekonnt, nicht gemacht. Das erste Bild dieser Ausführungen zeigt ihn in beredter Körpersprache.

Die Bernadette des Erwin Windegger berührt. Diese Rolle erfordert die detaillierteste Charakterstudie. Mit Bravour ohne Attitüde (z. B. komische Alte) spielt, singt und tanzt er die vom Leben gebeutelte ehemals Transsexuelle, die leidgeprüft und lebenserfahren ihren Weg geht. Alle vorgenannten Attribute zur Qualität zeichnen auch ihn aus.

Adam wird von Terry Alfaro gewuchtet. Auch dieser Charakter ist ein darstellerisches „Schwergewicht“. Jung, wild, testosterongesteuert, Epikuräer: das überträgt er 1 zu 1 aus unserem Alltagserleben in seine Bühnenfigur, da ist nichts aufgesetzt, gemacht – nur mit dem Unterschied, das Musical-Darsteller halt Bühnensprache sprechen, Gesang singen und Choreografien tanzen müssen. Das macht der Jüngste aus dem Terzett großartig.

Die Lobeshymen lassen sich auch auf alle weiteren Protagonisten ausweiten. Es gab in keiner Hinsicht Ausfälle oder auch nur geringere Qualität.

Tim Theo Tinn 16. Juli 2019

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). Ist mit Begeisterung für singuläre Aufträge zu haben.

 

 

 

 

 

 

 

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FLENSBURG/ Circus Krone: MANDANA

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Das aktuelle Programm vom weltweit größten Circus, dem in München beheimateten Circus Krone, vereint traditionelle Darbietungen auf absolutem Spitzenniveau mit einem neuartigen Show-Konzept. Die Konzeption von Bence Vági basiert auf respektvollem Umgang mit der über 100-jährigen Geschichte des Unternehmens.  Löwen und Pferde stehen im Mittelpunkt der Rahmenhandlung, in der die Liebesgeschichte der Pferdeprinzessin Mandana und dem Löwen-Prinz thematisiert wird. Der dramaturgische Zusammenhang der einzelnen Nummern ist im Programmheft sehr schön beschrieben, erschließt sich dem Zuschauer beim bloßen Zusehen allerdings nicht vollumfänglich. Das macht aber überhaupt nichts, denn jede Darbietung ist ein Highlight für sich.

Opening (Foto: Circus-Krone.de)

Die beiden Direktoren des Circus Krone Jana Mandana Lacey-Krone und Martin Lacey jr. zeigen viel von sich selbst und machen die Show absolut authentisch. Überhaupt geben sich die beiden sehr offen, lassen Medienvertreter gerne die Backstage-Bereiche besuchen und suchen persönlich nach den Vorstellungen im Foyer die Nähe zum und das Gespräch mit den Besuchern. Tierliebe und verantwortungsvoller Umgang mit den etwa 200 Mitarbeitern scheinen in diesem Unternehmen keine Marketingfloskeln zu sein, sondern werden wie selbstverständlich gelebt.

Jana Mandana Lacey-Krone (Foto: Circus-Krone.de)

Es wäre unfair, einzelne Artisten in diesem Bericht hervorzuheben, denn der Abend beinhaltet eine große Bandbreite unterschiedlichster Nummern und verzaubert das Publikum vom Kleinkind bis hin zu Senioren. Der größte Star des Ensembles – gemessen an Auszeichnungen – ist Martin Lacey jr., der für seine Arbeit mit den Raubtieren mehrfach beim Circusfestival in Monte Carlo mit dem Goldenen Clown für seine Leistungen belohnt wurde. 2019 gab es sogar den Goldenen Clown mit „besonderer Auszeichnung“, den „Publikumspreis“ sowie den „Preis der Junior Jury“ für ihn – erstmalig in der Geschichte des Festivals. Dramaturgisch einzigartig ist der Coup, den weltweit nur Circus Krone bieten kann: dieser Programmpunkt kommt ganz am Schluss als krönender Abschluss des Programms. Normalerweise sind diese Art von Darbietungen wegen des enormen Umbauaufwands immer direkt nach der Pause zu sehen.

Martin Lacey jr. (Foto: Circus-Krone.de)

Sehr schön ist es, dass nach einigen Jahren, in denen auf Livemusik verzichtet wurde, bei der aktuellen Produktion wieder ein kleines Orchester aufspielt.

Bevor es im November wieder zurück nach München geht, gastiert Circus Krone in folgenden Städten: Husum, Heide, Rendsburg, Kiel, Bad Segeberg, Neumünster, Wismar, Uelzen, Bad Hersfeld, Fulda, Nürnberg, Ansbach, Würzburg.

Marc Rohde


MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper/ Opernfestspiele: TURANDOT

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Bildergebnis für Bayerische Staatsoper Turandot

München: Opernfestspiele der Bayerische Staatsoper: „TURANDOT, 16.07.2019

Obwohl die Münchner „Turandot“-Inszenierung von CarlusPadrissa – La Fura dels Baus schon acht Jahre alt ist, hat sie nichts von ihrer Attraktivität und ihrem spektakulären Charakter verloren. Die opulente, futuristische Optik, die filigranen Artisten, die phantasievollen Kostüme und natürlich die eindringlichen 3-D-Effekte passen sehr gut zum extravaganten, märchenhaften Sujet der Oper sowie zu der exotischen, teils bombastischen, teils innigen, eine große Sogwirkung entfaltenden Musik Giacomo Puccinis.

Bei sovielen unterschiedlichen optischen und motorischen Impulsen könnte man als Zuschauer manchmal Gefahr laufen, den Focus auf das Wesentliche, die Sänger und die Musik zu verlieren. Wenn allerdings so starke Persönlichkeiten auf der Bühne stehen wie in der Vorstellung am 16.07. ist dieses Risiko nur sehr klein. Stefano La Colla ist zwar kein Vollblutschauspieler, dennoch verfügt er über eine starke Bühnenpräsenz. Sein heller, strahlender, fast stählerner Tenor dringt auch noch durch die größten Klangwogen, so dass er die Aufmerksamkeit jederzeit auf sich ziehen kann. „Nessun dorma“ gestaltete er souverän und selbstbewusst mit strahlendem, wenn auch etwas gestemmten Spitzenton. Nina Stemme brachte als egoistische Prinzessin Turandot, der sich am Ende aber doch noch die Welt der altruistischen Liebe eröffnet, eine sowohl stimmlich wie darstellerisch beeindruckende Leistung. Ihr Sopran klang zu jeder Zeit frei und raumfüllend, auch in den schwierigsten Passagen niemals schrill oder gepresst. Publikumsliebling war allerdings –wie oft in Turandot-Vorstellungen- die Sängerin der Liù, die wunderbare Golda Schultz. Sie berührte das Publikum mit ihrer innigen Rollengestaltung und ihrem über allem schwebenden, mühelosen, in eine andere Welt führenden Gesang. Bei so einer wundervollen Interpretation erscheint es nur gerechtfertigt, dass die Oper mit dem Tod Liùs endet, so dass diese Figur den letzten und somit stärksten Eindruck beim Publikum hinterlässt.

In die Reihe der großartigen Sängerdarsteller dieses Abends gehört in jedem Fall auch Alexander Tsymbalyuk als Timur. Er gestaltete den alten, schwachen, aber dennoch würdigen König, der sowohl Liù als auch seinen Sohn so innig liebt, musikalisch und darstellerisch so überzeugend, dass man als Zuschauer tiefes Mitleid mit dieser Figur empfand. Mattia Olivieri als Ping, Kevin Conners als Pang und Galeano Salas als Pong sangen ebenfalls auf sehr hohem Niveau und komplettierten so die ausgezeichnete Solistenriege. Dirigent Thomas Søndergård scheint vor allem die bombastischen Teile der Partitur sehr zu lieben. Darin ließ er das Bayerische Staatsorchester so richtig aufdrehen, so dass es teilweise schon nah an die Grenze des Zumutbaren ging. Auf der anderen Seite gelangen dem Orchester aber auch wunderbar durchsichtige und melodiös innige Passagen. Ein Extralob verdiente sich wieder einmal der Chor der Bayerischen Staatsoper, der mit seinem differenzierten Gesang jederzeit die richtige Atmosphäre für die Solisten schuf. Am Ende durften sich alle Protagonisten über begeisterten Applaus freuen.

Gisela Schmöger

BREGENZ/Festspiele /Spiel auf dem See: RIGOLETTO. Premiere

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Foto: Dietmar Stipovsek/ Festspiele

 

BREGENZER FESTSPIELE: Verdis „RIGOLETTO“, als Spiel auf dem See:

Ein Bühnenbild mit beweglichem Bühnenzauber

17.7.2019 – Karl Masek

Kaum zu glauben, Giuseppe Verdis melodienseliger Reißer war noch nie auf der Bregenzer Festspiel-Seebühne zu sehen! Intendantin Elisabeth Sobotka entschied sich für eine „Bodensee- Erstaufführung 2019“. Soviel sei vorweg genommen: eine goldrichtige Entscheidung. Der Kartenvorverkauf lief glänzend an. Gut 95% der Tickets sind bereits verkauft, und eine Auslastung von 100% erscheint im Bereich des Möglichen zu sein …

Mit der Inszenierung auf dem See wurde der Film-, Theater- und Opernregisseur mit künstlerischen Wurzeln als Bühnenbildner, Philipp Stölzl, beauftragt. Vielleicht waren da so manche skeptisch, ob der vielseitige Performance-Künstler „geeignet“ für diese besondere Herausforderung sei. Ist „Rigoletto“ schließlich auch ein psychologisches Kammerspiel mit oft nur 2 Personen auf der Bühne. Das erfordert, wie der anfänglich zögernde Stölzl zugestand, eine „besondere metaphorische Bühnenwelt“. Im Gegensatz zu Videoclips für Rock- und Popstars wie Rammstein, Madonna, Gianna Nannini oder Mick Jagger „…ist das Inszenieren von Opern eine Sekundärkunst, es gibt schon ein Kunstwerk, so toll, so stark komponiert, dass es sich schon weit mehr als 100 Jahre hält, … , die Frage ist, schaffe ich es, eine Bildwelt und Erzählweise zu erzeugen, die die Oper für diesen Abend toll in Szene setzt?, so Stölzl in der Bregenzer Festspielzeitung.

Beim „Spiel auf dem See“ hat eine stilbildende  Bühnenbildlösung besondere Bedeutung. Im speziellen Falle sind die Blickfänge ein 14 Meter hoher Kopf, der übrigens inklusive Unterkonstruktion und Befestigung auf der Seebühne ca. 140 (!) Tonnen wiegt. Dazu zwei Riesenhände, die sich als vielfältig beweglich erweisen. Dieser Teil des Bühnenbilds (erstellt von Philipp Stölzl und Heike Vollmer) ist eigentlich ein „Industriebau“, wie bei einer eindrucksvollen Bühnenführung betont wurde. Der mit Helium gefüllte Ballon ist tatsächlich flugtauglich und zusätzlich eindrückliche, bewegende Bildmächtigkeit, auf die ich noch zu sprechen komme. Die Schädeldecke, die Augen, der Mund dieses Monumentalkopfes ist einerseits Spiel- und Singfläche. Projektionsfläche der Gedanken- und Gefühlswelt des Hofnarren und seiner Täter/ Opferrolle. Einzigartig dabei, dass man keine Skulptur zu sehen bekommt, sondern bewegliche Bühnenmagie. Die Augen (Rigolettos) bewegen sich (nach Art des „Seitenblicke“Vorspanns der gleichnamigen TV-Sendung), die Gesichtszüge verändern sich. Schließlich verliert die Figur nach und nach die Zähne, mutiert schließlich zum Totenkopf. Leere Augen- und Nasenhöhlen.

Die Inszenierung, angereichert durch Stunts, verlangt den Mitwirkenden alles ab. Spektakulär Wired Aerial Theatre  (16 Stuntmen, perfekt einstudiert von Wendy Hesketh-Oglivie) und die fabelhafte Statisterie! Höchste Körperbeherrschung sowie absolute Schwindelfreiheit wird auch „Gilda“ und dem „Herzog von Mantua“ abverlangt. Aber sie werden auch in bester Bergsteiger- und Kletterermanier gesichert!

Auf der vielfältigen Bühnenschräge ein wuseliges Bewegungstheater, welches das Auge ebenfalls permanent beschäftigt. Dass sich Stölzl eines kundigen und profunden musikalisch-  szenischen Assistenten versichert hat (Philipp M. Krenn, er mit Sängerknabenvergangenheit, nunmehr mit erfolgreichen Arbeiten u.a. an der Neuen Oper Wien), zeigt großen Respekt vor der musikalischen Vorlage. Mitunter wird der regieliche Holzhammer ausgepackt und ziemlich dick aufgetragen, wenn der Herzog ausgerechnet bei „La donna e mobile“ die vielbrüstigen Puppen zappeln lässt und peitschenknallend schon das instrumentale Vorspiel unnötig mit einer Geräuschpartiturzeile anreichert“. Starke, berührende Szenen gelingen dafür, wenn psychologisches Kammerspiel in den Szenen Rigolettos mit der geliebten Tochter Gilda, stattfindet. „Caro nome“ zeigt Gilda im emporschwebenden Ballon, himmlisches Liebesgefühl wird mit himmlischen Schwebetönen beglaubigt. Die Seele der sterbenden Gilda (sie selbst noch mit überirdischem gehauchten pianissimo noch auf der Bühne) entschwebt mit dem Ballon. Hier war die Metapher mit dem Double sinnfällig, und man verschwendete keinen Gedanken, das könnte kitschig sein. So geht Oper! Und die gruselige Szene davor, Mitternacht, Gewittermusik ( da schauten etliche ängstlich zum Himmel, ob sie nicht doch noch die Pelerinen auspacken sollen – perfekte Theatermagie!): Da zeigte Stölzl Theaterpranke. Georg Veit war der grandiose Lichtmeister.

Verdientermaßen besonders gefeiert wurde die „Gilda“ der blutjungen französischen Sopranistin Mélisa Petit. Für viele d i e. Neuentdeckung des Abends! Man braucht keine prophetischen Gaben, um ihr eine große Karriere vorauszusagen. Wunderbar lyrisch und von weich getönter Färbung ist diese urgesunde Stimme, gerundet von der gehaltvollen Mittellage bis zu stratosphärisch klaren , auch stimmlich mühelos erkletterten (!) Höhen, ganz ohne jegliche Schärfe. Darstellerisches Potential inbegriffen. Man wünscht dem „Newcomer“ die nötigen, behutsamen Schritte der Weiterentwicklung ohne Raubbau an der kostbaren Stimme.

Der 38-jährige, in Philadelphia geborene Tenor Stephen Costello war ein macht- und selbstbewusster, draufgängerischer Herzog mit der nötigen Portion „Italianitá“ und unerschrockenen, sicheren Spitzentönen. Ein glaubhafter Frauenjäger und früher ≠metoo-Auslöser. Da passte auch der etwas monochrome Stimmeinsatz im oberen Mezzoforte-Bereich.

Der bulgarische Bariton Vladimir Stoyanov war in der Titelrolle mit weichem, schön timbriertem, aber kräftemäßig mitunter an Grenzen stoßendem Organ ein perfekter Täter/ Opfertyp. Mitleid war ihm sicher. Machtvolle Steigerung jedenfalls bei „Cortigiani…“ und der immer unwiderstehlichen Stretta. Da spielte dann auch der See mit, wenn der Hofnarr im Furor des Zorns einige Höflingsstatisten, die eben noch eifrig gespottet hatten, ins Wasser schmiss.


Ins Wasser mussten natürlich einige Statisten, der Bodensee will beschäftigt sein. Foto: Youtube

Zufrieden konnte man auch mit den anderen Sänger/innen sein. Miklós Sebestyen war der bassschwarze Sparafucile, optisch wie der Tod aus dem Jedermann. Seine Bühnenschwester Maddalena wurde von Katrin Wundsam verführerisch georgelt. Mächtig tönte der Fluch des Monterone des griechischen Basses Kostas Smoriginas. Pauschallob für die Höflinge (Wolfgang Stefan Schwaiger, Paul Schweinester, der Tiroler Beitrag bei den Bregenzer Festspielen), für die Gräfin Crepano, das erste Herzog-Opfer (Leonie Renaud) und den Pagen (Hyunduk Kim).

Das Orchester, zugespielt aus dem Festspielhaus, tönte, so schien es jedenfalls ganz am Anfang, unnatürlich verzerrt und etwas bass-lastig. Das wird der Tonanlage geschuldet sein. Bei den Sängern fiel dieser Umstand weniger auf, die standen wohl immer perfekt „im Raum“.

Die Wiener Symphoniker boten, temperamentvoll geführt vom Dirigenten, Enrique Mazzola, besten Arena-Verdi-Sound. Rasante Tempi, schöne Soli, v.a. Flöte und Cello! Langjährig bewährt der Prager Philharmonische Chor und der Bregenzer Festspielchor, einstudiert  von Lukáš Vasilek, Benjamin Lack.  Die Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium, das die einsatzfreudige Bühnenmusik stellte, erfuhr auch eine Fortsetzung,

Von einem vollen Erfolg ist zu berichten. Und von einer gelungenen Mischung aus Opernarena und musiktheatralischem Anspruch. Das Publikum goutierte dies mit großer, uneingeschränkter Zustimmung und ausdauerndem Jubel. Während der Vorstellung blieb der Szenenbeifall noch relativ zurückhaltend.

Karl Masek

WIEN/ ImPulsTanz im Burgtheater: MASURCA FOGO – Pina Bauschs Tanztheater im Wandel der Jahre

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WIEN/ Burgtheater/ImpulsTanz (17. 7.2019): Pina Bauschs Tanztheater im Wandel der Jahre


Copyright: Karolina Miernik

Deutschlands Tanztheaterikone Pina Bausch (1940 bis 2009) hat im eigenen Haus keinen Ebenmaß-Nachfolger gefunden. Doch ihr 1973 gegründetes Tanztheater Wuppertal Pina Bausch mit über dreißig TänzerInnen lebt weiter, und ihre sublimen Bewegungsspiele sind nun bereits längst zu Standards geworden, können nach wie vor beeindrucken. Pina Bauschs Sensibilität bleibt unübertroffen. Mit „Masurca Fogo“ aus dem Jahr 1998 wurde das Tanztheater Wuppertal von ImpulsTanz ins Burgtheater eingeladen. Das Stück mit seinen Verschmelzungen von feinnervigen Beschreibungen von Seelenzuständen, netten überraschenden Gags, sich zu oft wiederholenden Verrenkungstänzen, kleinen Wahnsinnszenen im ständigen Hin und Her und aparten Musik- und Projektionscollagen weist alle Ingredienzien ihres Stiles auf, zählt aber nicht zu den wesentlichen Werken der Kompanie.


Pina Bausch (DE) – © Pina Bausch Foundation

Während eines Gastspiels in Lissabon vor zwei Jahrzehnten vom Kollektiv als Reflexion auf Portugals Flair erarbeitet, wirkt „Masurca Fogo“ nun als Stückwerk ohne zwingenden Bogen. Große darstellerische Intensität und auch genügend Ideen, doch mit den vielen geläufigen stilistischen Spiegelungen bleibt es eine lose Folge von  unterschiedlich wirkungsvollen Episoden auf deutsch-portugiesisch. 

Meinhard Rüdenauer

BREGENZ / Seebühne: Festspieleröffnung mit Giuseppe Verdis RIGOLETTO

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Fotoprobe mit Gildas Höhenflug im Fesselballon. Foto: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler

BREGENZ / Seebühne: Festspieleröffnung mit Giuseppe Verdis RIGOLETTO

17. Juli 2019 (Premiere)

Das Spektakel am See – spektakulärer denn je

Von Manfred A. Schmid

Viel wurde im Vorfeld der Premiere von Verdis Rigoletto vom Wunderding des die Bühne dominierenden Clown-Kopfs berichtet. Tatsächlich hat man es hier mit einem technisch imponierenden und erstaunlich manövrierbaren Charakterkopf zu tun, der dem Betrachter die zunehmende Desintegration von Persönlichkeit sowie gesellschaftlicher Stellung der Titelfigur in all ihren Phasen drastisch vor Augen führt. Beweglich ist dieser Kopf und in die Handlung als vielfältiger und wandlungsfähiger Schauplatz zentral miteinbezogen. So dient seine Mundhöhle als bevorzugter Ort der Verführungsszenen am Hofe des Herzogs von Mantua, doch auch auf seinem kahlen Kopf wird in Parallelaktionen ständig herumgetanzt und gehüpft. Und wenn er gerade nicht selbst als Bühne genützt wird, dann reckt er neugierig seinen Hals in die Höhe und nach allen Seiten, rollt die Augen und verdreht seinen Kopf, damit er das jeweilige Geschehen stets genau im Visier behält. Weitere Spielorte sind seine Halskrause, die sich, je nach Bedarf, in bespielbare Flächen aufteilt, die dann nur noch durch Stege miteinander verbunden sind (ein weiterer Hinweis auf den fortschreitenden Prozess persönlicher und sozialer Desintegration), sowie seine Hände, die seitlich aus dem Wasser hervorragen. Argwöhnisch ist er ja, der Hofnarr Rigoletto, besorgt um das Wohlergehen und die Ehre seiner Tochter, vor allem aber immer und überall dabei, wenn es darum geht, den Herzog mit neuen Gespielinnen zu versorgen. Der monumentale Schädel, der Rigolettos jeweilige Laune und Stimmung widerspiegelt, wechselt daher auch ständig seine Gesichtsfarbe: Er wird gelb vor Eifersucht, rot vor Wut und blau vor Ärger. Doch als seine Tochter zuerst von seinen boshaften Kollegen entführt und dann vom Herzog verführt wird, verliert Rigoletto jegliche Übersicht – und damit auch seine Fassung: Zuerst kullern seine Augäpfel ins Wasser, dann fällt ihm seine Nase, die er überall hineingesteckt hat, ab und liegt am Boden: Einem bleichen Totenkopf gleich wird der Narr/Clown zum besinnungslosen Rächer, dem dann selbst übelst mitgespielt wird. Desintegration in ihrer fatalen Endphase.

Der Einfall, dass das Bühnenbild (Philipp Stölzl und Heike Vollmer) mit dem Schicksal Rigolettos so eng verknüpft wird, dass es sich mit ihm stetig wandelt und verwandelt, ist effektvoll umgesetzt. Einem Seismographen ähnlich begleitet das Bühnenbild auf den Verlauf der Handlung und dokumentiert jede Veränderung und Gefühlsschwankung in der Verfassung der Hauptfigur. Bis zum Schluss, wenn in der schaurigen Gewitterszene aus der linken Augenhöhle der Regen auf die Bühne niederprasselt, zieht es das Publikum auch in seinen unheimlichen Bann. Der zweite zentrale Einfall des Regisseurs Philip Stölzl in seiner weitgehend fein ausgearbeiteten und konsequent durchgeführten Inszenierung ist die Verlegung der Handlung in das Zirkusmilieu. Die Halskrause des monumentalen Rigoletto-Schädels bildet die Zirkusarena, die Personen im herzoglichen Gefolge sind allesamt Artisten, Feuerschlucker, Jongleure, Trapezkünstler und dergleichen. Damit wird unterstrichen, dass jeder am Hof des Herzogs einzig und allein der Unterhaltung und Lust des Herrn zu dienen hat. Dieses Konzept ermöglicht ein buntes, akrobatisch gut durchchoreographiertes Durcheinander (in der Stunt- und Bewegungsregie von Wendy Hesketh-Ogilvie) in ebenso bunten, an die commedia dell´arte angelehnten Kostümen von Kathi Maurer. Die Massenszenen wirken zwar sehr bewegt, sind aber auf die Dauer-  in ihrer Dichte und mit immer demselben Personal – doch ziemlich ermüdend. Besonders das unablässige Getümmel oben auf dem Clownskopf nimmt man nach einiger Zeit kaum mehr zu Kenntnis, weil es nur noch ablenkend wirkt, die Aufmerksamkeit belastet und als Dauereinrichtung ohnehin redundant erscheint. Ziemlich auf der Strecke bleiben in dieser Inszenierung damit leider auch die intimen Szenen. Stölzl gelingt es kaum, auf der großen, in drei Inseln zerfallenden Bühne (Kopf und Hände bzw. Finger) so etwas wie eine Kammerspielatmosphäre zu zaubern. Die Protagonisten – Rigoletto und Herzog, Rigoletto und Sparafucile, Rigoletto und Gilda – stehen sich in den entscheidenden Begegnungen zu oft zu weit entfernt auf den einzelnen, durch Wasser getrennten Inseln gegenüber und nähern sich zu spät einander an. Außerdem wird die Privatheit dieser Szenen durch das Auftreten eines allgegenwärtigen Schimpansen-Quartetts empfindlich gestört. Darauf hätte man gerne verzichten können. Regiemäßig triumphiert hier somit das Spektakel, während der Feinarbeit der Personenführung zu wenig Augenmerk zuteilwird. Der Gag, dass bei der Arie „La donna e mobile“ vier Frauen wie ein lebensgroßes Mobile durch die Luft schwirren, ist überraschend und recht komisch, wenn aber gleich darauf Gilda trotz des abscheulichen Betrugs den ungeheuerlichen Entschluss fasst, aus Liebe zum Herzog statt seiner in den Tod zu gehen, wird diese Wendung in keiner Weise auch nur annähernd reflektiert. Kann man heutzutage solche Opferrollen einfach völlig unkommentiert durchgehen lassen? Stölzls Regie versucht es gar nicht, sondern huscht darüber hinweg.

Musikalisch – vor allem sängerisch – kann diese Neuproduktion weitgehend überzeugen. Dass mit Verstärkern gearbeitet werden muss, ist angesichts der Größe der Seebühne und der räumlichen Entfernung zum Publikum selbstverständlich. Die Tontechnik funktioniert, vor allem was die Singstimmen betrifft – bis auf ein paar Störgeräusche infolge Übersteuerung im letzten Akt –, gut. Immer lässt sich – nicht nur mittels Lichtregie (Georg Veith und der offenbar allgegenwärtige Bühnenzampano Philipp Stölzl) – problemlos orten, aus welcher Ecke der Gesang kommt. Der Gesamtklang des Orchesters hingegen ist weiterhin nicht zufriedenstellend gelöst. Die jeweils führenden Instrumentalgruppen drängen in den Vordergrund, die orchestrale „Unterfütterung“ ist nur rudimentär vernehmbar. So erinnert das, was aus dem Orchesterraum kommt – von einem „Orchestergraben“ kann hier ja keine Rede sein, der müsste ja in einem Unterseeboot angelegt sein -, an den Orchesterklang auf alten Schellackplatten. Da gibt es jedenfalls noch Platz für tontechnische Tüfteleien zur Verbesserung der Klangqualität. An der musikalischen Leitung von Maestro Enrique Mazzola liegt es jedenfalls nicht, an der ist nichts auszusetzen. Die Wiener Symphoniker und der Chor, bestehend aus dem Prager Philharmonischem Chor und dem Bregenzer Festspielchor, spielen und singen, wie es sich bei Verdi gehört. Und hier findet man auch die feinen psychologischen Zwischentöne zumindest angedeutet, die man im Spiel auf der Bühne zuweilen vermisst.

Mag die Personenführung von Regisseur Stölzl auf der weitläufigen Bühne – vor allem was die Interaktion anbelangt – zu bemängeln sein, die Charakterisierung der Hauptcharaktere ist ihm gelungen. Er fügt fast jeder Figur neue und plausibel erscheinende Facetten hinzu. Vladimir Stoyanov ist ein starker, eigensinniger, in sich gespaltener Rigoletto. Einerseits der eifersüchtige Wächter der Ehre seiner Tochter, andererseits der brutale, im Umgang mit seinen Zirkuskollegen auch zu Tätlichkeiten fähige Handlanger des erotisch unersättlichen Herzogs. Kein Wunder also, dass er bei seiner Kollegenschaft alles andere als beliebt ist. Der fatalen Konsequenz des eindringlichen Fluchs, des wie Mozarts Komtur in Don Giovanni imponierend auftretenden Monterone (Kostas Smoriginas) kann der stimmlich vor allem in der Mittellage sattelfeste Bariton jedenfalls nicht entkommen.

Komplex angelegt ist auch seine Tochter Gilda. Am Anfang ist sie nichts anderes als ein Aufziehpüppchen (wie Offenbachs Olympia) in einem blauen, kindliche Unschuld insinuierendem Kleid. Erst in der Liebe zu dem unbekannten, armen Studenten (in Wahrheit der Herzog auf einem seiner Verführungsabenteuer) reift sie zur Frau und will sich der Bevormundung durch ihren Vater entziehen. Ausdruck dieses allerdings nur kurzen Emanzipationsversuchs ist die Szene, wenn sie in einem Fesselballon hoch in den Himmel entschwebt, alsbald aber von den Schergen des Herzogs gewaltsam heruntergeholt wird, um ihm als Beute seiner Lust vorgelegt zu werden. Für ihren in dieser Inszenierung problematisch bleibenden Opfertod ergäben sich daraus einige Deutungsmöglichkeiten, z.B. Trotz oder Verzweiflung. Stölzl aber scheut offensichtlich, hier weiter nachzuforschen, und zieht es vor, lieber nichts zu hinterfragen. Mélissa Petit zeigt in ihrer Gestaltung dieser Rolle ihr darstellerisches Können und einen wandlungsfähigen, innigen Sopran. Und sie beweist, dass sie keine Höhenangst hat. Tollkühn versucht sie in der Luft ihrem Nachsteller zu entwischen.

Nicht ganz so pointiert, sondern eher im Rahmen des Üblichen ist die Rolle des Herzogs von Mantua angelegt. Der offenkundige Widerspruch in seinem Charakter – die so wahrhaft klingenden Liebesschwüre und die unmittelbar darauffolgende, kaltschnäuzige Untreue – wird nicht weiter thematisiert. Immerhin aber ist Stephen Costello ein höhensicherer, etwas eindimensionaler Tenor mit Strahlkraft und Durchsetzungsvermögen. Der Berufskiller Sparafucile, der sich einer an die Mafia erinnernden „Berufsehre“ verpflichtet fühlt, wird von Miklós Sebestyén verkörpert. Der stimmlich kraftvolle ungarische Bassbariton ist darstellerisch ein nicht sehr gefährlich, sondern vielmehr routiniert wirkender Bösewicht, der emotionslos seinem Neben-Gewerbe nachgeht. Hauptberuflich ist er in Stölzls Zirkuskonzeption ja als Messerwerfer im Einsatz. Katrin Wundsam als seine Schwester dient ihm in beiden Betätigungsfeldern als Erfüllungsgehilfin, indem sie die Opfer, respektive das Publikum, mit ihrer erotischen Ausstrahlung verwirren und kirre machen soll. Das nimmt man ihr weder persönlich noch stimmmäßig so richtig ab. Zu brav wirkt ihr Auftreten, und ihrem Mezzosopran fehlt diesmal die geheimnisvolle, dunkle, erotisierende Qualität.

Gespielt wird ohne Pause. In zwei Stunden ist der Zirkus vorbei. Nicht ohne dass von Beginn an immer wieder – manchmal auch ziemlich unmotiviert – der eine oder andere per Kopfsprung in den Bodensee abtaucht. Der See ist ja da, folglich muss er auch genützt werden. Das Spektakel ist gelungen, viel Platz für Feinarbeit war dabei nicht vorgesehen. Das Publikum zeigt sich zufrieden bis begeistert. Und wenn schon die ganze Aufführung ein einziges Feuerwerk ist, besteht auch kein Bedarf, nach dem Ende der Vorstellung noch eigens eines abzubrennen.

Manfred A. Schmid

(Online Merker)

BADEN-BADEN/Weinbrennersaal: CARL FLESCH PREISTRÄGER- UND SOLISTENKONZERT

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BADEN-BADEN: Carl-Flesch-Preisträgerkonzert und Solistenkonzert am 12. und 17. Juli 2019 im Weinbrennersaal/

Voll Esprit und Feuer

Zwei Raritäten wurden beim Preisträgerkonzert der Carl-Flesch-Akademie im Weinbrennersaal vorgestellt. Katharina Uhde (Violine) interpretierte zusammen mit der Philharmonie Baden-Baden unter der inspirierenden Leitung von Pavel Baleff zwei Werke des Brahms-Freundes Joseph Joachim, die zur Zeit ihrer Aufführungen großen Zuspruch erlebten. So bezeichnete die Weimarische Zeitung die Irische Fantasie für Geige und Orchester in d-Moll als „trefflich gearbeitet“ und kennzeichnete Joachims Bearbeitung als Beispiel von „Kraft, Tiefe, Innigkeit und Frische“. Seit 1853 sind beide Werke nicht mehr zur Aufführung gelangt. Katharina Uhde präsentierte die Irische Fantasie in d-Moll  und die Ungarische Fantasie für Geige und Orchester in a-Moll mit viel Sinn für harmonische Ausdruckstiefe und geradezu gesangliche Kantilenen. Mit ihrem energischen Bogenstrich erfüllte sie auch die Ungarische Fantasie für Geige und Orchester in a-Moll von Joseph Joachim mit bemerkenswerter Energie, innerem Elan und wildem Feuer, das sich dann auf das gesamte Orchester übertrug. Kontrapunktischer Zauber strahlte hier auf alle Orchesterstimmen aus. Katharina Uhde zeichnete bei ihrer Wiedergabe auch die Nähe zu den Werken von Johannes Brahms nach, was sich in der Betonung der schicksalhaften Größe des thematischen Gedankens offenbarte. Auch lyrische Momente gewannen immer mehr Intensität. Katharina Uhde hat übrigens ein bemerkenswertes Buch über Joseph Joachim geschrieben. Die Carl-Flesch-Preisträgerin der Lions Clubs 2018 Simone Drescher interpretierte das Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85 von Edward Elgar mit viel Sinn für reife Gestaltungskraft, romantischen Überschwang und bewegende Abschiedsstimmung. Zu dieser Zeit war Elgars Frau Alice schwer erkrankt. Der Moderato-Satz mit dem ausschweifenden Thema und den großen Melodiebögen beeindruckte die Zuhörer bei dieser ausdrucksvollen Interpretation ganz unmittelbar. Das Lento fesselte das Publikum mit intensiven Tremolo-Passagen. Langgezogene melodische Linien wechselten sich mit straffen rhythmischen Akzentuierungen ab. Beeindruckend wirkte vor allem das aufwühlende Zusammenspiel der Cellistin Simone Drescher  mit der Philharmonie Baden-Baden. Man begriff hier durchaus, dass Edward Elgar sich intensiv mit dem Werk Richard Wagners und den sinfonischen Dichtungen von Franz Liszt auseinandersetzte.

Das Intermezzo aus der Oper „L’amico Fritz“ von Pietro Mascagni war bei diesem besonderen, beglückenden Preisträgerkonzert dem verstorbenen langjährigen Präsidenten der Patronatsgesellschaft für Theater und Philharmonie Baden-Baden Walter Fritz Schickinger gewidmet. In diesem Werk geht es um einen recht komplizierten Junggesellenabschied mit anschließender Hochzeit. Gustav Mahler hatte dieses Werk übrigens 1892 in Hamburg dirigiert. Die naturalistischen Elemente triumphierten auch hier, da Pavel Baleff die Philharmonie Baden-Baden zu einer emotionalen Höchstleistung anspornte, die wirklich unter die Haut ging. Gewisse Anklänge an die sizilianische Volksmusik waren auch bei dieser Interpretation auszumachen. Absolut hochkarätig war außerdem das Solistenkonzert 1 mit der Philharmonie Baden-Baden unter der energischen Leitung von Pavel Baleff. Die beiden hochbegabten Kontrabassisten Tomas Karpisek (Tschechien) und Akseli Porkkala (Finnland) begeisterten gleich zu Beginn beim Konzert für Kontrabass und Orchester in D-Dur von Johann Baptist Vanhal, da die Intensität der thematischen Zusammenhänge offen zutage trat. Hervorragend musizierte die Philharmonie Baden-Baden dann das Konzert nach alten Volksliedern „Der Schwanendreher“ von Paul Hindemith, wo gleich die Einleitung von Hörnern und Posaunen sehr prägnant erfasst wurde. Kyuhyun Kim (Südkorea, Viola) interpretierte das charaktervolle Solothema der Viola in seiner kunstvollen Verarbeitung mit großem Einfühlungsvermögen – besonders schön gelang dies bei der Stelle mit Posaune und Harfe. Das Fagott erinnerte keck an den „Gutzgauch auf dem Zaune“, die Weise fügte sich in ein scherzhaftes Fugato. Vier Variationen über dieses Lied fielen dem munter fiedelnden Spielmann ein. Ein großartiges Talent ist auch Lisa Strauss (Frankreich), die als begnadete Cellistin die beiden Sätze Adagio und Lento aus dem Cellokonzert von Edward Elgar zum Leben erweckte. Der spätromantisch-klassizistische Stil dieses Spätwerks feierte dabei Triumphe. Anna Im (Violine) stellte sich als weiteres großes Talent aus Südkorea vor. Sie interpretierte den ersten Satz Allegro moderato aus dem Konzert für Violine und Orchester in d-Moll op. 47 von Jean Sibelius. Dass sich der thematische Reichtum dieser Komposition ganz auf das Soloinstrument konzentriert, machte die hochbegabte junge Solistin deutlich. Angesichts des rhapsodischen Kadenzenreichtums und des präzis herausgearbeiteten charakteristischen Hauptthemas erreichte diese Wiedergabe ein besonders hohes Niveau. Lukas Rudolph (Deutschland) imponierte als Kontrabassist bei den beiden Sätzen Allegro moderato und Andante des Konzerts für Kontrabass Nr. 2 in h-Moll von Giovanni Bottesini. Chromatische Finessen traten dabei offen zutage. Von Bela Bartok erklang der erste Moderato-Satz aus dem Konzert für Viola und Orchester op. posth. mit dem Südkoreaner Hyelim Yoo (Viola), der die abgeklärte Harmonik dieses Werkes zusammen mit der Philharmonie Baden-Baden unter Pavel Baleff ausgezeichnet betonte. Das zweite Thema wirkte hier energischer als das erste, aber auch die ruhigen Seitengedanken kamen nicht zu kurz. Die Reprise begann in Flöten und Hörnern mit dem schärfer gefassten Kopfmotiv. Die immer leiser niedersinkende Coda blieb stark im Gedächtnis. Zum Abschluss spielte der exzellente Geiger Albrecht Menzel (Deutschland) den ersten Satz aus dem Violinkonzert in D-Dur op. 35 von Peter Tschaikowski. Die virtuos-brillante Einkleidung dieses Konzerts kam überzeugend zum Vorschein. Mitreissende dynamische Steigerungen und einprägsame Seitenthemen rissen das Publikum unmittelbar mit.

Alexander Walther       

 

WIEN/ ImPulsTanz – im Burgtheater: MASURCA FOGO von Pina Bausch

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Wien/ ImPulsTanz/ Burgtheater: „Masurca Fogo“ von Pina Bausch


Pina Bausch (DE) – © Pina Bausch Foundation

Das Tanztheater Wuppertal, dessen Gründerin und langjährige Choreografin Pina Bausch vor zehn Jahren starb, gastiert mit vier Vorstellungen ihres 1998 uraufgeführten und in Lissabon entstandenen Stückes „Masurca Fogo“ im Wiener Burgtheater. Auf karger Bühne, wie ein erkalteter Lavastrom ragt ein Berg in eine weiße Box, reihen sich vornehmlich in Lissabon und auf den Kapverden beobachtete Begebnisse des so alltäglichen Lebens zu sinnlichen, absurden und humorvollen Episoden.

Mit einem feurigen Solo zu einem auf die ganze, von Peter Papst gestaltete Bühne projizierten Video Akkordeon spielender Dunkelkhäutiger beginnt die atemlose Reise durch die Emotionen. Selten benutzen Bausch und ihre TänzerInnen Sprache, hier wird viel erzählt. Eine in Luftballons gekleidete Frau berichtet aus ihrer Kindheit, wie eine eitle und selbstzentrierte Lehrerin die Schüler verbal und physisch zwang, ihre Schönheit zu preisen. Und die Ballons platzen.

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Tanztheater Wuppertal Pina Bausch (DE) – Masurca Fogo (Julie Shanahan + Rainer Behr) © Oliver Look

Ein Mann berichtet von den drei Arten des Orgasmus: Positiv („Oh yeah!“), negativ („Oh no!“) und metaphysisch („Oh my god!“). Ein Brüller! Eine Frau kippt sich nach vergeblichem Rufen des Kellners ein ganzes Kilo mitgebrachten Zuckers über ihre Espresso-Tasse. Und eine freundliche Frau fragt vorn Sitzende: „Good by! Where are you from?“ Sie planschen im Plastikplanen-Schwimmbecken wie Kinder, während ein Walross grunzend über die Bühne kriecht. Eine Frau windet sich mit ihren Einkäufen auf dem Boden und wird angehupt.


Tanztheater Wuppertal Pina Bausch (DE) – Masurca Fogo (Ophelia Young + Michael Strecker) © Klaus Dilger

Liebe, Lust und Leidenschaft, Hoffnung und Verlangen, Einsamkeit und Sehnsucht, Macht und Ohnmacht zeigt „Masurca Fogo“. Höchst sensibel und doch distanziert beobachtet, entstehen expressive Soli und dynamische Gruppenszenen, von gefühlvoller, auch swingender Musik, Tango und vielen portugiesischsprachigen Liedern begleitet.

Zum Ende hin tanzt eine Frau ein sehnsuchtsvolles Solo in der auf die Bühne projizierten Brandung, deren Rauschen lauter und lauter wird, mit überwältigender Emotionalität. Das Abschlussbild, viele auf dem Boden liegende Paare und ein Video mit im Zeitraffer aufblühenden Blumen, dazu der Hollies-Song „Sometimes all I need is the air that I breathe and to love you“, ist eine vieldeutige Liebeserklärung.

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Tanztheater Wuppertal Pina Bausch (DE) – Masurca Fogo © Milan Nowoitnick Kampfer

Mit „Masurca Fogo“ als einem von mehreren Werken mit regionalen Wurzeln und Bezügen, auch dieses Stück entstand in enger Zusammenarbeit mit ihren TänzerInnen, erweist sich Pina Bausch einmal mehr als eine Ausnahme-Künstlerin von herausragender internationaler Bedeutung. Die scheinbare Leichtigkeit, mit der das Stück daherkommt, ist niemals flach. Mit tiefer Menschlichkeit, Empathie, Respekt und Vertrauen in ihre TänzerInnen als Leitlinien ihrer Arbeit formuliert sie den Ausdruck von Gefühlen als wichtigstes Ziel. „Mich interessiert nicht so sehr, wie sich Menschen bewegen, als was sie bewegt.“ Mit sicherer Intuition entwickelt sie eine formenreiche Körpersprache, die auf einer tiefen, jenseits der sprachlichen Möglichkeiten liegenden Ebene anspricht. Ihr Ringen um größtmögliche Wahrhaftigkeit und Authentizität bleibt auch durch viele ironische Überzeichnungen hindurch immer spürbar.

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Tanztheater Wuppertal Pina Bausch (DE) – Masurca Fogo (Ruth Amarante) © Laszlo Szito

Das tänzerische Niveau und die schauspielerischen Leistungen beeindrucken. Bemerkenswert ist das Alters- und und das physische Spektrum der 21 TänzerInnen des Tanztheaters Wuppertal. Urgesteine der Kompanie und erst in den letzten zehn Jahren Hinzugekommene agieren wie aus einem Guss. Beredtes Zeichen für die aktive Pflege des Erbes der Pina Bausch und den unverzichtbaren Wert der älteren Generation für ihre Arbeiten und den Tanz im Allgemeinen.

Die ungeheure Zärtlichkeit und Liebe, die Sinnlichkeit und Poesie, die auch vorhandene Brutalität und die implizite Erotik in „Masurca Fogo“ machen dieses Werk, auch wenn ImPulsTanz erst an seinem Beginn steht, sicher zu einem der Highlights des Festivals.

Vorstellungen am 16., 17., 18. und 19. Juli im Burgtheater Wien.

Rando Hannemann

BREGENZ/ Festspiele: „DON QUICHOTTE“ von Jules Massenet in verschiedenen Zeitebenen. Premiere

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Copyright: Dietmar Stiplovsek/ Bregenzer Festspiele

Bregenzer Festspiele: „DON QUICHOTTE“ von Jules Massenet in verschiedenen Zeitebenen / Premiere im Festspielhaus

18.7. 2019 – Karl Masek

Miguel de Cervantes‘ 2000–Seiten-Roman vom „Ritter aus La Mancha“ war immer schon eine Art „Literarisches Weltkulturerbe“.  Aber, ehrlich: Wer hat ihn wirklich von Anfang bis Ende gelesen?

Mariame Clément, die Regisseurin, betonte in Interviews mehrfach, dieses Monumentalwerk in Vorbereitung auf diese Inszenierung mit Begeisterung gelesen zu haben. Zugleich war sie anfangs „…deprimiert wegen der Verkümmerung, die der Roman in der Adaption des Librettos (Henri Cain / Jaques Le Lorrains) erleiden musste…“, so Clément im Programmbuch. Mit dieser Adaption muss man also zurechtkommen, wenn man das Spätwerk des Jules Massenet, mit Uraufführung 1910 in Monte Carlo, in Szene setzen will.

Es muss also was dran sein an der „Veroperung“ des  Stoffes, bedenkt man, dass kein Geringerer als der legendäre Fjodor Schaljapin bei eben dieser Aufführung den Ritter von der traurigen Gestalt kreiert hat. Dennoch blieb das Werk wenig gespielt – gleichzeitig von Meinungsmachern in der Fachwelt immer wieder mit Nachdruck urgiert. Besonders in Erinnerung ist mir dabei, dass einer der Wiener „Kritikerpäpste“, Karl Löbl, Wiener Operndirektoren in den 70er Jahren vergeblich einredete, die Massenet-Oper doch endlich auf den Spielplan zu setzen, wo man doch mit Nicolai Ghiaurov für den Titel“helden“ und den damals aufstrebenden Alfred Šramek für Sancho Pansa eine Idealbesetzung hätte …

In Wien kam es – jedenfalls an der Staatsoper – nie dazu. In Bregenz war es nun soweit. Mariame Clément blieb bei ihrem Entschluss, das Werk zu inszenieren. Sie wollte das Stück in verschiedenen Zeitebenen auf die Bretter stellen. So beginnt es im Ersten Akt ganz naturalistisch. Ein mittelspanischer Platz wie aus einem Fremdenverkehrsprospekt. Don Quichotte, alt, klapprig auf dem Pferd’Rosinante’, Sancho Pansa mit einem ‚Esel’, der von Statisten imaginiert wird. So wird es nicht bleiben, weiß man nach den (heutzutage unvermeidlichen) Kommentar- Einsprengseln. Eine Leinwand mit einer Werbung für „richtige Männer“ und dazu passendem Rasierschaum. Eine Wutrede aus dem „Publikum“, die aus dem norddeutschen Sprachraum stammte, völlig unverständlich blieb. Es hörte sich ungefähr so an, wo sind sie noch, die richtigen Männer, oder so. Solche Stilmittel werden derzeit (bis zum Abwinken) abgekupfert …

Dann erst startete Massenet. Es ging der Regisseurin nach eigenen Angaben nicht darum, „linear“ zu erzählen, sondern eine Erzählstruktur zu finden, die in Episoden gegenwartsbezogen  zeigt, „wer Don Quichotte ist“. Eine archetypische Figur? Die Frage ist vor allem, wie Helden in unserer Zeit definiert werden. „Die Idee, vergangenen Ruhm von Männlichkeit wieder zurückzubringen, scheint sich durch die Geschichte zu ziehen“, so Clément weiter. Folgerichtig geht es ihr um Rollen- und Heldenbilder. Dieses Konzept wird ab dem 2. Akt durchgezogen.

Punktuell mit komischer Bildersprache. Aber mit gnadenlosem Ernst in der Komik. Der Kampf mit den Windmühlen wird zum Kampf mit einem monströsen Badezimmerventilator. Der 4. Akt spielt in einem trostlosen Büro mit Teeküche. Dulcinée ist weder Bäuerin (wie bei Cervantes), noch angebetete Schönheit ((wie bei Henri Cain), sondern strenge, ja was denn, Chefsekretärin, um die zwei spätpubertäre Mitarbeiter buhlen. Don Quichotte kommt da eher als verklemmte Loriot-Parodie daher. Man sehe sich zur Überprüfung auf youtube die einschlägigen Sketche an …

Also, für mich geht dieses Konzept der „Selbstbespiegelung“ (mit Publikumsreihen auch auf der Bühne) nicht auf. Da bleibt manches krampfig originell, wie die Szene im 3. Akt mit den Straßengangbanditen. Auf der Haben-Seite der Inszenierung der Schlussakt. Hier zeigt Clément Bildmächtigkeit mit vergleichsweise einfachen Mitteln. Bühne & Kostüme: Julia Hansen, Lichtdesign: Ulrik Gad.

Aber auch manch Leerlauf, manch szenische Fermate, enervierend lange Umbaupausen. Da wird es bald mal langweilig. Eine Todsünde am Theater! Und dabei ist die Musik des späten, damals bereits kranken Massenet keine Hilfe. Sie schleppt sich über weite Strecken mühsam, allzu „sklerotisch“ dahin. Selbst das spanische Kolorit zündet nicht wirklich. Der Sinn für Klangfarben blitzt dann und wann durch. Den oft tradierten Vorwurf, Massenets Musik sei parfümiert oder ist „weiblich“ komponiert, teile ich aber auch nach der Begegnung mit diesem Werk nicht! Aber Werther oder Manon, Cendrillon oder Herodiade, sind einfach die besseren Werke!

Die Wiener Symphoniker und der Dirigent Daniel Cohen bemühten sich nach Kräften, dem musikalischen Geschehen rote Blutkörperchen zu verpassen. Der Prager Philharmonische Chor, Einstudierung: Lukaš Vasilek, sang kompakt, markant, sorgte durch Spielfreude für dramatische Impulse.

Gábor Bretz war als Titelheld im Ritt durch die Zeitebenen angemessen sonderbar, schrullig, anbetungsfreudig, realitätsfremd. Angenehmer Bassbariton, gutes Zusammenspiel mit Sancho, machte er in allen Kostümmetamorphosen von Ritterrüstung bis Bademantel gute Figur. Aber das Loriot-Spießer-Outfit …

Favorit des Publikums war aber David Stout als angemessen pfiffiger Sancho Pansa, der aber auch berührend den Tod seines Herrn betrauert. Ganz anders als Diener Leporello aus einer ganz anderen Oper! Stimmlich hervorragend (das Solo vor dem Vorhang!).

Anna Goryachova zog sich als vielbegehrte Dulcinée achtbar aus der Affäre, führte eine profunde Altstimme vor.

In der Büroszene lieferten Léonie Renaud, Vera Maria Bitter, Patrik Reiter und Paul Schweinester mit Totaleinsatz gute szenische Pointen.

Das Premierenpublikum spendete am Schluss ausdauernden Applaus, samt Bravi für die Sänger/innen. Kein Widerspruch gegen das Leading-Team. Also ein Premierenerfolg. Von „Volkesstimme“ in der S-Bahn war aber auch zu vernehmen „Naja, ein bissl fad war‘s schon“ …

Karl Masek


BREGENZ / Festspielhaus: DON QUICHOTTE von Jules Massenet

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David Stout (Sancho Pansa), Gábor Bretz (Don Quichotte) und (sitzend) Anna Goryachova (Dulcinea). Foto: Bregenzer Festspele / Dietmar Mathis

BREGENZ / Festspielhaus: DON QUICHOTTE von Jules Massenet
18. Juli 2019 (Premiere)

Sternstunden schauen anders aus

Von Manfred A. Schmid

Was hat Massenets Don Quichotte mit Don Quixote von Miguel Cervantes de Saavedra zu tun? -Herzlich wenig. Die Handlung seiner 1910 uraufgeführten Oper (nach einem Libretto von Henri Cain) reduziert die zu einem Stück Weltliteratur und so unsterblich gewordene Geschichte des „Ritters von der traurigen Gestalt“ auf eine banale Liebesgeschichte. Don Quichotte verliebt sich in Dulcinea, bei Massenet eine edle Dame, im Cervantes-Original eine arme Hure mit Herz. Als er ihr ein Ständchen darbringt, wird er von einem ihrer Verehrer gestört und zum Duell gefordert. Dulcinea greift ein, lobt seine Dicht- und Fechtkunst und meint: Wenn er die ihr gestohlene Halskette zurückbringe, werde er sie glücklich machen. Er verspricht, sich unter Einsatz seines Lebens dafür einzusetzen, was ihm dann auch gelingt – überraschenderweise, denn Don Quichotte ist im Original eigentlich kein Siegertyp, sondern zeigt seine menschliche Größe und Würde eher im konstanten Scheitern und niemals-aufgeben-Wollen. Doch seine Hoffnung, mit dieser Heldentat ihre Gunst und ihr Herz zu erringen, erfüllt sich nicht. Er stirbt und beschwört in an Dulcinea gerichteten Abschiedsworten seinen steten Einsatz für die Verwirklichung seiner Ideale und verspricht seinem treuen Diener Sancho Pansa die von ihm erhoffte „Insel der Träume“.
Dass sich aus dieser trivialen Geschichte trotz ihrer Dürftigkeit etwas machen lässt, hat Götz Friedrich 1974 an der Komischen Oper in – damals noch – Ost-Berlin gezeigt. In einer kühnen politischen Interpretation des Stoffes, in der er die Handlung ins Erscheinungsjahr der Oper verlegt, ist sein „Mann von La Mancha“ kein – wie bei Cervantes – zu spät gekommener Ritter, sondern ein zu früh gekommener Sozialrevolutionär. Die Sancho Pansa versprochene Trauminsel ist bei ihm also die prophezeite Verwirklichung einer Sozialutopie. Tatsächlich gibt es für so eine Deutung mehrere Belege im Libretto, wenn etwa Don Quichotte im 3. Akt in einer großen Rede der Räuberbande von seinen öko-sozialen Ideen vorschwärmt und den Räuberhauptmann und dessen Kumpanen damit so in Rührung versetzt, dass ihm schließlich sogar Dulcineas gestohlene Kette reumütig ausgehändigt wird. Da stimmen sozialistische Gesellschaftsmodelle mit urchristlich-kommunistischen Lebensformen und – aus heutiger Sicht – „grünem“ Gedankengut in einer diffusen Sozialutopie überein.

Auch die Bregenzer Inszenierung von Mariame Clément beginnt vielversprechend. Bevor sich der Vorhang öffnet, wird – wie bei einer Kinovorführung – zuerst einmal ein Werbespot für Gillette gezeigt. Das Publikum reagiert irritiert: Muss das sein? Sind wir jetzt so weit, dass auch schon Hochkulturevents nicht mehr ohne explizite Werbung für einen Großkonzern möglich sind? Ein (vermeintlicher, wie sich alsbald herausstellt) Zuschauer springt prompt auf und stellt lautstark die Frage, was denn Gillette mit der Oper und mit den Festspielen überhaupt zu tun haben soll. Erregt echauffiert er sich über die hier stattfindende Manipulation durch Reklame. Allmählich dämmert einem und man beginnt zu begreifen: Hier wird vorgeführt, dass es sich lohnt, Missstände aufzuzeigen und dagegen vorzugehen, auch wenn man es mit mächtigen Konzernmultis zu tun hat und das beherzte Engagement von Vornherein eher einem Kampf gegen Windmühlen gleicht und – donquichottesk – nicht gerade erfolgversprechend zu werden scheint.

Leider werden die hohen Erwartungen nicht eingelöst. Zwar geht auch hier die Regie von der Überzeugung aus, dass Don Quichotte in jeder Epoche aktuell ist. Der erste Akt spielt im historischen Rahmen zur Lebzeit seines Schöpfers Cervantes, in den folgenden Akten findet sich der Anti-Held im ausgehenden 20. Jahrhundert und in die unmittelbaren Gegenwart wieder, bis dann am Schluss die Sterbeszene erneut in die Entstehungszeit der Romanvorlage verlegt wird.

Das ist legitim und unterstreicht die wirkungsgeschichtliche Bedeutung der Figur, die – wie sonst nur noch Goethes Faust oder der Fischer in Hemingways Der alte Mann das Meer – die Möglichkeit menschlicher Existenz aufzeigt: „Man can be destroyed but not defeated“ (Der Mensch kann vernichtet, aber nicht besiegt werden.) Scheitern und immer wieder Aufstehen und für seine Ideale Weiterkämpfen: eine lebenslange Herausforderung.

Gerade das aber funktioniert hier nicht. Denn wir haben es in allen Akten mit grundverschiedenen Don-Quichotte-Abarten zu tun, die allesamt mit dem cervantischen Caballero nur wenig Berührungspunkte aufzuweisen haben. Im ersten Akt tritt er als angesehener, von der Bevölkerung hochgeschätzter und verehrter Edelmann auf, der angeblich bravourös mit dem Degen umzugehen versteht und obendrein ein großer Dichter sein soll. Im Original gilt er freilich als unverbesserlicher Schwärmer und schrulliger Phantast, dem mehr Spott entgegengebracht wird als Hochachtung. Völlig lächerlich macht er sich dann im zweiten Akt, wo er in einem Badezimmer beim Rasieren neue Verse auf die angebetete Dulcinea rezitiert, während sein Diener frauenfeindliche Äußerungen von sich gibt und dabei unentwegt auf seinen Laptop starrt. Bis sein Herr in den rotierenden Ventilatorblättern böse Ritter zu erkennen glaubt und gegen sie – mit untauglichen Mitteln (Handtücher) – zu Felde zieht. Es handle sich dabei in Wahrheit um Windmühlen, klärt ihn der ansonsten für seinen bauernschlauen Realitätssinn bekannte Sancho Pansa auf. Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass sich das Badezimmer in einer Nervenheilanstalt befindet und der Herr und sein Knecht dort als Patienten eingewiesen worden sind.

Im dritten Akt trifft man auf einen Don Quichotte, der mit einer Art Spiderman-Kostüm bekleidet vor einer mit Graffiti beschmierten Wand mit der Aufschrift „WE COULD BE HEROES“ steht. Dort wird er von einer Gang jugendlicher Rowdies attackiert und niedergeschlagen. Als er sich – blutverschmiert, aber unverdrossen – wieder aufrichtet und den Jugendlichen eine Predigt hält, wird er von ihrem Anführer mit Jesus verglichen, erhält Dulcineas Schmuckstück zurück und wird als Heiliger verehrt. Im folgenden Akt überreicht er seiner Angebeteten, nun eine Karrierefrau in einem topmodernen Büroumfeld, die Halskette und macht ihr einen Heiratsantrag. Dieser wird abgelehnt. Mit Begründung, dass er viel zu gut für sie sei. Im Schlussakt kommt es dann zu seiner – überspitzt formuliert – pseudoreligiös verbrämten Heiligsprechung und Himmelfahrt.

Die Basis dieser verschmockten, unerträglich kitschigen Inszenierung liefert ohne Zweifel Massenets Libretto-Vorlage. Dass aber hier nicht einmal der Versuch unternommen wird, diesen Schmarren zu hinterfragen oder wenigstens zu ironisieren, ist dem leading team anzulasten. Nur eine Zeitverschiebung vorzunehmen (Bühne & Kostüme Julia Hansen) genügt nicht, sondern ist nicht mehr als das billige Abfüllen längst ungenießbar gewordenen alten Weins in auf modern getrimmte, neue Schläuche.

Leider ist auch die musikalische Umsetzung nicht dazu angetan, Massenets Veroperung dieses die Intentionen seines ursprünglichen Schöpfers eher nur verhunzenden Librettos auch nur ansatzweise zu rehabilitieren. Die paar spanischen Anklänge im ersten und vierten Akt reichen nicht, dieser Musik nachhaltige Wirkung zu verleihen. Tschaikowskys nüchterner Befund über Massenets Manon – „die Musik ist sehr anmutig, klug und voller Sorgfalt komponiert, doch es fehlt jeder Funke an echter Inspiration“ – mag angesichts der Erfolgsgeschichte der von ihm so vernichtend kritisierten Oper etwas überzogen sein, auf seinen Don Quichotte trifft sie haargenau zu. Da können sich die Wiener Symphoniker unter der Leitung von Daniel Cohen noch so bemühen, da ist nichts zu machen. Das ist gekonnter, verstaubt anmutender Akademismus, mehr nicht.

Gesungen wird brav. Anna Goryachovas Belcanto erprobter Mezzosopran verleiht der Dulcinea die Aura einer unnahbaren, kapriziösen Dame aus der high society. Was ihren Reiz für Don Quichotte ausmacht, erschließt sich aber kaum. Der Bass Gabor Bretz beweist genug Anpassungsfähigkeit, um der Titelpartie auf den unterschiedlichen Zeitebenen das jeweils geforderte Profil zu verleihen. David Stout sorgt als treuherziger und wachsamer Diener seines Herrn für die dankbar registrierten komischen Momente in einer über weite Strecken hinweg eher tragisch verlaufenden Geschichte. Zudem weiß er mit seinem warm timbrierten Bariton die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. Einsatzfreudig agiert und singt der Prager Philharmonische Chor.

Der Schlussbeifall fällt freundlich aus, rund ein Drittel des Publikums im Parterre verhält sich dabei aber eher passiv. Kein Wunder: Sternstunden schauen anders aus.

Manfred A. Schmid (Merker Online)
19.7.2019

WEIMAR/ Lyric Opera Studio/Kulturzentrum „mon Ami“: DIE ZAUBERFLÖTE

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Gabrielle Haigh als Pamina und Milann Babic als Papageno. Foto: Thomas Janda

Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart/ Lyric Opera Studios Weimar 13.8.-18.8. 2019 im Jugend- und Kulturzentrum „mon ami“ Weimar

Mit stimmlicher Farbigkeit und Präzision

 Vor einem gespannten Publikum präsentierten sich die Teilnehmer des Lyric Opera Studios Weimar. Zusammengesetzt in vier Besetzungen spielten und sangen die jungen Sänger aus 18 Nationen.

Wieder einmal war die Nachfrage nach dem Sommerkurs riesig und Damon Nestor Ploumis fiel es schwer, nicht allen Bewerbungen gerecht werden zu können.

 Damon Nestor Ploumis: „Es tut mir immer leid, wenn wir schon vollzählig sind. Gerade für die „Zauberflöte“ sind die Nachfragen enorm. Viele junge Sänger wollen einmal mitspielen. Ich muss dann immer auf das kommende Jahr vertrösten.“

 Nicht vertröstet werden mussten die Zuschauer, kamen ein paar mehr, dann wurden für sie einfach noch ein paar Stühle gestellt. Ein Zuschauer raunte: „Ich wusste gar nicht, dass es hier so eine tolle Truppe gibt.“

Die gibt es ja auch nur temporär. Es war schon erstaunlich, mit wie viel Leidenschaft, Spielwitz, aber auch gesanglichem Können diese Nachwuchstalente auftraten.

 Nicht nur die Solisten waren ihren Partien durchweg gewachsen, auch der Chor sang mehr als passabel. Dabei wirkte auch besonders eindrucksvoll, dass Regisseur Ploumis den Chor von der Empore des Saales singen ließ. Das Wechselspiel zwischen Solisten und Chor veranlasste das Publikum jedes Mal zu Szenenapplaus. Aber auch einzelne Arien waren von einer stimmlichen Farbigkeit und Präzision, dass viele im Publikum ganz aus dem „Häuschen“ waren.

 Diese Nahbarkeit und die Intensität des Spiels, ließen die Zuschauer Mozarts Oper hautnah miterleben. Eine Zuschauerin meinte: „So direkt und unmittelbar habe ich noch keine Oper erlebt!“

 Die musikalische Leitung lag in den Händen von Olaf Storbeck, der seit Jahren präzis, dynamisch und aufmunternd viele LOSW-Inszenierungen dirigierte. Auch die Klavierbegleitungen von Ceuky Chan, Jooyean Shin und Chihiro Suzuki verliehen jeder Aufführung Spannung und musikalischen Fluss.

Das Publikum erlebte ausgezeichnete Gesangs- und Spiel-Leistungen. Eine Aufführung gibt es noch am 21. Juli 2019 (So) 19.30 Uhr im Comödienhaus Bad Liebenstein, dann ist der erfolgreiche Kurs abgeschlossen und bald beginnen die Vorbereitungen für „Le Nozze di Figaro 2019“.

 Die Aufführungen werden vom 22. August 2019 bis zum 28. August 2019 im Jugend- und Kulturzentrum „mon ami“ stattfinden und am 27.8. wird eine Aufführung im Rahmen „Offene Lutherkirche 2019“ in Apolda stattfinden.

„Auch für den Figaro haben sich schon wieder viele vielversprechende Talente angemeldet“, sagt Regisseur Ploumis schmunzelnd: „Die Zuschauerinnen und Zuschauer können sich schon jetzt freuen.“

 Einer amüsanten und prickelnden Sommergestaltung steht also nichts im Weg und das Publikum kann zum gemeinschaftlichen Talent-Scout werden.

 Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

 

GARS / Oper Burg Gars: FIDELIO von Ludwig van Beethoven

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Magdalena RENWART und Herbert LIPPERT   (Foto Copyright Claudia Pieler)

GARS / Oper Burg Gars 2019

FIDELIO von Ludwig van Beethoven
Premiere  Donnerstag 18.Juli 2019
Von P.Skorepa-OnlineMerker

 

Wer erinnert sich denn noch an die Zeiten, als in Wien ein Sommerloch an Opernaufführungen im Freien herrschte und diese „Ödnis“ mit mehr oder weniger „billig“ wirkenden, aber vom Publikum durch ihre musikalischen Qualitäten durchaus anerkannten und manchmal sogar regelrecht gestürmten Vorstellungen zum Erfolg getragen wurden. Dazu zählte im direkten Raum Wien die sogenannte „Opernwerkstatt“ und im Umland der Bundeshauptstadt der Steinbruch von St. Margarethen und ab Beginn der Neunzigerjahre die später als sogenannte „Opernair“ in Erscheinung tretende Burg Gars.

Die „Opernwerkstatt“ des Dr. Schlösser musste aber letztlich ohne richtigen, fixen Sitz und vor allem Aufführungsort zu haben 2011 aufgeben, St.Margarethen erodierte am Größenwahn seines Intendanten, musste mit finanziellen Infusionen wieder zum Leben erweckt werden, werkt aber jetzt mit entsprechend wattierter Grundlage großtönend weiter. Dafür sind aber auch inzwischen viele Events an Sommeropern in Schlössern, Heustadeln und Parkanlagen herangewachsen.

Und so bleibt bescheiden und fast ein wenig von christlicher Armut im Auftreten gekennzeichnet diese Bühne im Waldviertel übrig und ein wenig zu sehr an den Rand geschoben. Wo andere teure Events abfeiern, mit Feuerwerken Talmiglanz in die Augen der Sektschlürfer streuen, Riesenköpfe aus Seen wachsen lassen um den Leuten Aug und Ohr zu verstopfen, mit den Landesförderungen oder mit Förderern oder Sponsoren protzen, da wird in Gars wie vor dreißig Jahren zu Zeiten des fast schon vergessenen Intendanten Karel Drgac Oper mit geringen Mitteln gemacht.

Warum also, lieber Regisseur Stephan Bruckmeier, an jene dort oben in Gars, zwischen dunklen Wäldern und Tälern vom Publikum ja gar nicht erwartete Zugeständnisse an den Zeitgeist und an das Regietheater machen, warum Textänderungen die man eh nicht versteht und zeitgeistige Nebenhandlungen wie die Goldene Hochzeit von Leonore und Florestan einbauen. Dafür fehlt es dann an Zeit für die guten Einfälle bei der Personenführung. Da kommt es dann etwa zu so einer verpatzten Situierung Florestans während seiner großen Arie. Wenn er singt „Öd ist es um mich her“! warum muss er dann seitlich zwischen Orchester und Publikum optisch eingezwängt kauern? Nein, die Szenerie rutscht zu oft ab ins Laienspieltheaterhafte, anstatt stringente Führung zu zeigen. Gute Ideen sind nicht allein Sache des Geldes sondern auch der künstlerischen Phantasie.

Natürlich darf es an guten Parolen nicht fehlen – ich vermeide das Wort Indoktrinierung – da stellen aus den Gefängnisstäben die Gefangenen und deren Frauen einzelne Worte zusammen, die Menschenrechte betreffend. Das wäre vielleicht eine schöne Szene geworden mit diesen Stäben: Aber so ungeprobt und ungeschickt vorgeführt, hat es eher nur Lacher provoziert.

Ich nehme die Marzelline der Caroline Wenborne bei dem singenden Ensemble vor. Sie zeigte, wie man engagiert und beherzt in dieser Burgarena singen muss um stimmlich zur Geltung zu kommen. Bei der Partnerwahl lässt sie nichts anbrennen und nimmt den jeweiligen Wechsel mit Nachdruck wahr. Ihr Bühnenvater Paul Gay war in Gars bereits Spanischer König, mit dem gleichen Selbstbewusstsein verhaftete er höchstpersönlich und handgreiflich Don Pizarro, stimmlich war er mit baritonaler Milde eines Vaters ausgestattet. Wilfried Zelinka war als Gouverneur des Gefängnisses mit viel wohltönendem aber weniger mit furchterregendem Timbre unterwegs. Edel muss er sein und das war er in Erscheinung und Stimme: Jasushi Hirano als Don Fernando.

Dass er sich die Arena der Burg erst erobern muss, war zu hören: schönstimmig aber hörbar noch vorsichtig phrasierend Herbert Lippert. Und für Magdalena Renwart gilt dasselbe: Sie vermeidet es, zu forcieren, natürlich auf Kosten jenes dramatischen Abplombs, der bei den aufwühlenden und wirkungsvollen Teilen der Partie ganz einfach dazugehören muss.

Ian Spinetti, der junge Brasilianer als Operndebutant in der Rolle des Jaquino und Duje Stanisic als Erster Gefangener ergänzten gut.

Ein Sonderlob für Johannes Wildner, er hat die sicherlich mühevolle Arbeit der Einstudierung vollbracht, mühevoll vor allem wegen des stark jung durchsetzten Orchesters und des Chores, die volle Pracht sollte sich mit der fortschreitenden Routine einstellen.

 

Peter Skorepa
OnlineMerker

 

WIEN/ ImPulsTanz im Akademietheater: 7 PLEASURES – der sprachlose Mensch in seiner Nacktheit

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ImpulsTanz im Akademietheater, 19.7.2019: „7 Pleasures“ – der sprachlose Mensch in seiner Nacktheit

Macht sie ihre Sache intelligent und gut, die Mette Ingvartsen? Diese dänischer Kämpferin für Events mit total entblößten Körpern, die mit Aufarbeitung pornographischer oder ähnlicher, auch partnerschaftlicher Themen ihr Glück versucht. Nummer zwei ihrer Körperschau-Serie für ImpulsTanz, lange 90 Minuten „7 Pleasures“ (2015 beim Steirischen Herbst uraufgeführt) für acht weibliche und vier männliche Nackerpatzerln. Unscheinbar sitzende zuerst im Publikum. Dann rauf mit ihnen auf die Bühne, runter mit den Fetzen. Eine menschliche Pyramide wird geformt, ein Fleischberg, Körper auf Körper. Ein Leichenhaufen wie im Krieg. Die völlig verschlungenen Körper wälzen sich langsam, ganz, ganz langsam nach und nach über eine Couch, lösen sich etwas auf, durchmessen, erobern mit Bodenhaftung den Raum. Einzeln zwar, doch stets irgendwie einander mit Körperberührungen verbunden. Alles in wahrlich extremstem Schneckentempo. Totale Ruhe dabei, endloses Verharren in den verschiedensten Posen, immer wieder mit Blickrichtung auf den Po als menschliches Markenzeichen. Abschließend allgemeines Gekeuche, banales rhythmisiertes Lustgestöhne. 

Diese „7 Pleasures“ sind bezogen auf Sexualität, Nacktheit, den Konflikt zwischen Öffentlichkeit und deren Meinungsdiktate gegenüber privater Intimsphäre und der Bezug zum eigenen Körper. Ingvartsen möchte ungelöste Fragen zu Sexualität und diesbezügliche aktuelle Praktiken bewusst machen. Plausibel klingen ihre Kommentare: „Wir wussten von Anfang an, dass diese Choreographie als eines dieser sinnlichen Projekte angesehen werden kann, die Vergnügung, Erregung oder Frustration erzeugen. Mein Ziel war es, genau diese Beziehung zu problematisieren“. Doch stimmige Antworten werden eineinerhalb Stunden lang keine gegeben. Die Körperparade wirkt nicht wie prickelndes Porno, kaum erotisch, auch nicht ästhetisch, ist für manchem im Publikum vielleicht aber anregend anzusehen. Dafür mag sich solch eine Performance als ein Trend im aktuellen Bühnengeschehen einprägen, in dem im Theater wohl viel Geplapper wie in der Tanzszene ausgetüftelte Körpergymnastik angeboten wird, es aber an großen neuen Stücken fehlt: Hier zeigt sich jetzt noch der sprachlose Mensch in seiner Nacktheit – und darauf folgt der Roboter.

Meinhard Rüdenauer

STUTTGART/ Liederhalle: SWR Symphonieorchester (Kent Nagano, Mari Kodema/Klavier) mit Bruckner und Schönberg im Beethovensaal/

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SWR Symphonieorchester am 19. Juli 2019 mit Bruckner und Schönberg im Beethovensaal/STUTTGART

Leidenschaftliche Ausbrüche

 Die versierte Pianistin Mari Kodama präsentierte zusammen mit dem Dirigenten Kent Nagano Arnold Schönbergs Klavierkonzert op. 42, wobei das achttaktige Thema des Eröffnungssatzes in reizvoller Weise hervorstach. Über weichen Akkordpassagen entfaltete sich ein freundlicher Ländler. Im Krebs der Umkehrung erfolgte die konsequent musizierte Weiterentwicklung. Mit rascher Konsequenz kam es dann zur Durchführung, wobei sich leidenschaftliche Ausbrüche und spielerische Passagen immer mehr behaupteten. Mari Kodama interpretierte dieses komplizierte Netzwerk spielerischer Passagen mit elektrisierender Klarheit und innerer Leuchtkraft. In immer machtvolleren Steigerungen ballte sich hier der Klang, dann stürzte alles in sich zusammen. Beim Scherzo kamen die Umbildungen des thematischen Stoffes ebenfalls in bemerkenswerter Weise zum Vorschein. Eine unruhig-schwelende Leidenschaft trieb das Geschehen voran. Die gesangvolle Orchestermelodie zeigte facettenreich eine weitere Umbildung des ersten Reihenmotivs. Mari Kodama machte magisch deutlich, wie sich das Klavier in seinem geheimnisvoll-pathetischen Selbstgespräch verlor und in wilde Bezirke des Grauens hinabtauchte. Wie in Trance wiederholte das Orchester dann das Adagio-Thema. Sehr schön interpretierte sie außerdem die schattenhaft leise Kadenz des Schlussrondos. Einzelphasen dieser Reihe wurden stilvoll zusammengezogen – und Kent Nagano erreichte mit seiner konzentrierten und durchdachten Interpretation zusammen mit Mari Kodama eine enorme klangliche Dichte. Die rhythmischen Antriebskräfte entzündeten sich in der machtvollen Coda. Mari Kodama spielte als Zugabe eine zündende Polka von Smetana. In raschen Tempi und manchmal zu schnellen Übergängen musizierte das SWR Symphonieorchester unter der Leitung von Kent Nanago die Sinfonie Nr. 6 in A-Dur von Anton Bruckner, die der Meister selbst leider nie gehört hat. Gustav Mahler dirigerte das Werk erst drei Jahre nach Bruckners Tod in einer stark gekürzten Fassung mit den Wiener Philharmonikern. Der leise und hartnäckige Klopfrhythmus der Violinen ließ die Bässe anstimmen, strahlte in seiner versonnenen Ruhe bei dieser Wiedergabe erhabenen Glanz aus. Das innige zweite Thema schwang sich aus lastender Enge empor. Den markanten Hörnern folgten markige Trompetenklänge, die das machtvoll aufrauschende dritte Thema ankündigten. Die Coda stieg dann in sphärenhafter Weise empor. Da ließ Kent Nagano das SWR Symphonieorchester in erhabener Weise musizieren. Eine dunkel-satte Streichermelodie schmückte das weihevoll gespielte Adagio. Die Intensität des zweiten Streichergesanges erreichte einen hohen Ausdrucksgrad. Und auch die schmerzlich-ergebene Trauermarschweise in den Streichern zeigte bei dieser Interpretation ausdrucksvolle Farben. „Sommernachtstraum“-Spuk beherrschte das kunstvoll gespielte Scherzo, wobei die Elemente immer wieder mit Urkraft losbrachen. Hörnerfanfaren beschworen das Naturtreiben ausdrucksstark. Das Hauptthema der fünften Sinfonie erklang ganz entfernt wie ein Signal. Nach diesem bewegenden Traumspuk überraschte das Finale mit einem weit ausholenden Geigenthema. Fanfaren antworteten hier kühn, in Oboen und Klarinetten wurden Erinnerungen an das dritte Thema geweckt. In der Coda erfolgten in choralhaften Fanfaren feurige Lichtkaskaden. In Posaunenpracht zeigte sich das Hauptthema des ersten Satzes.

Herzlicher Schlussapplaus, „Bravo“-Rufe. Dieser oft kritisierte Finalsatz erreichte mit seinen Wagner-Anklängen hier eine bemerkenswerte formale Präzision. 

Alexander Walther

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