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BASEL/ Münster: SINFONIEKONZERT SOB /Ivor Bolton (Bruckner, Gabrieli)

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Basel: Basler Münster – Sinfoniekonzert SOB: «Bruckner + Gabrieli» – Sinfonieorchester Basel (SOB), Ivor Bolton, Leitung

 – 22. 08. (besuchtes Konzert) und 23.08.19


Fulminant in die letzte «Wandersaison» gestartet: Das Sinfonieorchester Basel mit seinem Chefdirigenten Ivor Bolton
(Foto: Michael Hug)

Mit einer «grossen Kiste» eröffnen das Sinfonieorchester Basel (SOB) und sein Chefdirigent Ivor Bolton die neue Konzertsaison, welche die Wanderjahre des Orchesters durch das Münster, das Musical Theater und die grosse Bühne des Theater Basel beschliessen wird. Danach werden die Umbauarbeiten am Stadtcasino abgeschlossen sein, und das SOB kann «seinen» Konzertsaal in frischem Glanz wieder beziehen. Trotz vieler spannender Erlebnisse an den drei verschiedenen Spielstätten der vergangenen Jahre ist die Vorfreude auf die Heimkehr ins Stadtcasino bei den MusikerInnen und dem Publikum deutlich spürbar. Auch in der letzten Wandersaison bietet das SOB seinem Publikum ein attraktives Programm und setzt bereits im ersten Konzert die Messlatte enorm hoch.

Eröffnet wird der pausenlose Konzertabend mit «In ecclesiis» nach der Motette für Doppelchor, Orgel und Instrumente von Giovanni Gabrieli, welche 1965 von Bruno Aderna für grosses Orchester bearbeitet wurde. Eine interessante Kombination zwischen «alter» und «neuer» Musik entsteht.

Direkt im Anschluss daran erklingt Anton Bruckners zweite Fassung von 1892 seiner «Sinfonie Nr. 8 c-Moll, WAB 108». Brucknerspezialist Ivor Bolton setzt wie gewohnt auf grosse Klangbogen und fein differenziertes Musizieren. Gerade im ersten Satz fallen Holz und Blech durch besonders ausdrucksstarkes Spiel auf. Schwungvoll und dynamisch gelingt der zweite Satz, in welchem die filigran aufspielenden Violinen besonders beeindrucken. Schade, kommt es wegen der schwierigen akustischen Verhältnisse im Münster zu klanglichen Verwischungen bei den forti am Schluss des Satzes. Highlight der Aufführung ist der dritte Satz. Feierlich, ausdrucksstark und ohne Schleppen wird hier musiziert. Es ist dies der Moment der Streicher, welche dynamisch, kompakt und als geschlossene Einheit durch den Satz führen. Mit herrlichen Tiefen, viel Wärme und Strahlkraft agieren die Hörner. Auch der grosse finale vierte Satz lässt keine Wünsche offen.

Das Sinfonieorchester Basel und Ivor Bolton sind in Bestform aus der Sommerpause zurück und werden vom Publikum mit langem, jubelndem Applaus ausgiebig gefeiert – hoch verdient!

Michael Hug


Film: ANGEL HAS FALLEN

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Filmstart: 29. August 2019
ANGEL HAS FALLEN
USA / 2019
Regie: Ric Roman Waugh
Mit: Gerard Butler, Morgan Freeman, Nick Nolte, Jada Pinkett Smith, Danny Huston, Piper Perabo u.a.
Man muss nicht gleich an James Bond (in vielerlei Gestalt) oder an den „Mission Impossible“-Ethan Hunt denken, der als Tom Cruise immer wieder auf die Leinwand kommt, um zu wissen, dass Serienhelden in der Krimiwelt zwischen Buchdeckeln und auf der Leinwand funktionieren. Allerdings hat selten einer bei seinem dritten Anlauf so ausgelaugt ausgesehen wie Gerard Butler als Secret-Service-Präsidentenbeschützer Mike Banning. Waren schon die vorangegangenen Filme „Olympus Has Fallen“ und „London Has Fallen“ reine B-Klasse, so eiert nun der dritte Teil „Angel Has Fallen“ noch ein Stückchen darunter.

Mike Banning hat nun erstens einen anderen Präsidenten: Morgan Freeman, in den vorangegangenen Filmen der Vize, ist nun aufgestiegen. Und möchte Mike zum Chef des Secret Service machen. Der will aber eigentlich gar nicht, fühlt sich krank, und so sieht Gerald Butler auch aus. Während seine Kollegen, beispielsweise der besagte, geradezu gespenstisch jugendliche Tom Cruise, sich bemühen, ein wenig einem Action-Helden gleichzusehen, macht der bullige Schotte Butler mit seinem aufgequollenen Gesicht (so muss man mit 50 nicht aussehen) nicht viel her. (Na, es ist auch schon ein Dutzend Jahre her, dass er in „300“ als König Leonidas so gute Figur machte.) Aber man erklärt den schlechten Zustand des Mike Banning mit seelischer Erkrankung.

Trotzdem ist er dabei, als der Präsident an einem idyllischen See angeln geht. Es kommt, wie es kommen muss (es ist nie gut, wenn ein Kinobesucher die Handlung geradezu vor erzählen kann) – Überfall auf den Präsidenten, der ins Koma fällt, alle Sicherheitsleute tot außer Banning, der sich im Krankenhaus mit Handschellen ans Bett gefesselt findet. Auftritt einer harten FBI-Agentin – Jada Pinkett Smith darf auch wieder einmal auf die Leinwand, sonst sind dort immer nur Gatte Will und ihr Sohn zu sehen. Angesichts ihrer Begabung ist es schade, dass die Rolle kurz bleibt…

Banning wird beschuldigt, hinter dem Anschlag zu stehen, es ist Geld auf einem Offshore-Account, das angeblich ihm gehört, aber der Kinobesucher weiß zweierlei sicher: Natürlich ist unser Held total unschuldig und sauber, und außerdem bekommt man jetzt eine Variante der „Auf der Flucht“-Filme geboten (nie vernünftigerweise fragen, wie die Flucht möglich ist, die geistige Herausforderung von Filmen dieser Art ist beleidigend gering).

Auftritt eines weißhaarigen, unglaublich zotteligen alten Mannes – Nick Nolte in einer Knallcharge stellt sich als des Helden Vater vor, der irgendwo tief in der Wildnis lebt. Die echten Attentäter sind, wie Banning weiß, noch unterwegs, jetzt muss er den Präsidenten aus dem Spital holen und ihn noch einmal retten. Banning weiß übrigens bald, wer dahinter steckt, und wir wissen es fraglos auch…

Bis die Sache, die von Ric Roman Waugh routiniert inszeniert ist, bis zu einem üblichen (und wie üblich triefenden) Ende kommt, wird unendlich viel geballert, ohne dass man immer genau weiß, wer gegen wen und warum und wieso jetzt… aber darauf kommt es ja nicht an.

Gerald Butler hat offenbar erklärt, er wolle es mit der „Trilogie“ der Filme rund um seinen Helden bewenden lassen. Gut so. Das Bedürfnis nach einem Wiedersehen ist gering.

Renate Wagner

Film: DIE AGENTIN

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Filmstart: 30. August 2019
DIE AGENTIN
The Operative / Deutschland, Frankreich, Israel / 2019
Regie: Yuval Adler
Mit: Diane Kruger, Martin Freeman, Cas Anvar u.a.

Es ist ja nicht so, dass keine Fachleute am Werk gewesen wären. „Die Agentin“ ist die Verfilmung des Romans„ The English Teacher“ des israelischen Schriftstellers Yiftach Reicher Atir. Und der Mann war als General beim Einsatz von Entebbe beteiligt und in der Folge für den Mossad tätig. Wenn er einen „Spionage“-Krimi schreibt, kann er aus erster Hand berichten.

Und Regisseur Yuval Adler hat schon Probleme dieser Art behandelt, etwa in dem Film „Bethlehem“, wo er die Beziehung zwischen einem israelischen Geheimdienstoffizier und seinem jungen palästinensischen Informanten zeigte. Warum ist dann die Geschichte der „Agentin“ so wenig überzeugend ausgefallen?

Vielleicht, weil man über die Frau, die sich Rachel nennt (später erfährt man, dass sie anders heißt), nichts erfährt. Sie lügt, und man weiß nicht, warum. Eine Figur, deren Hintergrund man benötigen würde – und er existiert einfach nicht.

In der Rahmenhandlung, die in Deutschland spielt, macht sich ihr Agentenführer Thomas Sorge um sie. Martin Freeman (ist er berühmter als Hobbit oder als der Fernseh-Dr. Watson zu Cumberbatchs Sherlock Holmes?) wirkt im Grunde auch nicht sehr überzeugend, aber wer von uns weiß schon, wie Spione aussehen und sich benehmen? Er berichtet jedenfalls davon, dass Rachel verschwunden ist – und nun wird die Geschichte stückweise in Rückblenden erzählt.

Offenbar heuert der israelische Geheimdienst nicht nur „echte Juden“, sondern auch Sympathisanten an. Wer Rachel ist und warum sie sich dazu hergibt – man erfährt es nicht. Dass rund um sie gemordet wird, trägt sie mit erstaunlicher Fassung. Jedenfalls wird sie in Teheran eingesetzt, soll als Englischlehrerin fungieren und als „Honigfalle“ den Kontakt zu dem iranischen Geschäftsmann Farhad (Cas Anvar) herstellen, der mit dem Atomprogramm der Regierung befasst ist.

Wer Teheran kennt und weiß, dass ein teilweise israelischer Film die dortigen Straßenszenen mit Sicherheit nicht an Ort und Stelle gedreht hat, muss eingestehen, dass sie sehr überzeugend wirken. Auch die Beziehung zwischen der „Englischlehrerin“ und dem sehr westlich orientierten Geschäftsmann (der offenbar seine Freizeit in einer liberalen Parallelwelt verbringt, wo die iranischen Schergen keinen Zutritt haben) wird ganz überzeugend entwickelt. Bloß – es führt nirgends hin.

Plötzlich wird Rachel von den Israelis im doppelten Wortsinn – real und metaphorisch – „in die Wüste“ geschickt, ohne dass man genau erfährt, warum. Dort wird sie von den kurdischen (?) Männern attackiert, Schnitt, sie liegt im Krankenhaus, wieder weiß man nicht, wie sie hierher gekommen ist und was es bedeuten soll.

Klar wird nur, und das kristallisiert sich als das zentrale Problem heraus: Sie will nicht blind gehorsam tun, was man ihr sagt, wenn sie offenbar zu einem Menschen eine echte Bindung aufgebaut hat (also für eine Spionin total ungeeignet). Aber wie reagiert der Mossad auf eine Mitarbeiterin, die nicht funktioniert? Da muss nun ihr Agentenführer verzweifeln, denn solche Schäden werden gnadenlos (sprich: für den Störfaktor letal) beseitigt. Am Ende sollte dann die Spannung, ob sie davonkommt oder nicht, unerträglich sein. Sie ist es nicht.

Diane Kruger ist die Agentin. Als „schöne Helena“ ist die tatsächlich sehr schöne blonde Deutsche einst berühmt geworden, und sie hat ihre Reize in vielen Rollen ausspielen können. Hier schrumpft sie zu durchschnittlicher Unauffälligkeit zusammen, ohne an Intensität einzubüßen. Freilich, hinter ihre Stirn kann man nicht schauen – aber wenn ihr der Drehbuchautor nicht verraten hat, wer Rachel eigentlich ist, wie soll sie es vermitteln?

Abgesehen davon ist die Geschichte als Ganzes nicht sehr spannend. Und das ist der Kardinalfehler. Sorry, es gibt eine Regel: Auch wenn sich Spionagefilme noch so authentisch geben, sie müssen einfach spannend sein. Das vermisst man bei den Aktionen, die der „Agentin“ auferlegt werden, schmerzlich.

Renate Wagner

Film: LATE NIGHT – DIE SHOW IHRES LEBENS

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Filmstart: 30. August 2019
LATE NIGHT – DIE SHOW IHRES LEBENS
Late Night / USA / 2019
Regie: Nisha Ganatra
Mit: Emma Thompson, Mindy Kaling, John Lithgow, Denis O’Hare u.a.

Die „Politische Korrektheit“ als Hüterin menschlichen Verhaltens deckt ein breites Feld von Schützlingen ab: Juden, Farbige, Migranten, Roma und Sinti, Schwule, Lesben, Transgender, Übergewichtige, Behinderte – und natürlich, als wohl größte Gruppe, die misshandelte, ausgebeutete, chancenlos gehaltene Frau. Da bleibt ja nur ein Feindbild: der weiße, heterosexuelle Mann, oder, wenn sie sich wie ein Mann verhält, die weiße Karrierefrau. Das ist nur einer von vielen Aspekten unserer Zeit, die „Late Night“ aufzeigt, und dabei ist es letztendlich (bis auf einige allzu sentimentale und anbiedernde Ausrutscher) eine echt satirische Komödie geworden.

Beginnen wir mit „Late Night“ selbst: Emma Thompson spielt Katherine Newbury, eine Britin in Amerika, die schon seit Jahrzehnten ihre tägliche nächtliche Schwachsinns-Show präsentiert, deren „Witze“ ein Dutzend junger Männer täglich mit rauchenden Köpfen produziert. Diese Shows gibt es wirklich, und ernst zu nehmende Künstler – wie Emma Thompson – sind dort zu jedem Schwachsinn bereit. Man muss sich nur auf YouTube ansehen, wozu sie sich bei Ellen DeGeneres bereit findet: Eine der größten Schauspielerinnen der Welt als Tierstimmen-Imitatorin. Nun gut, genau darum geht es, um eine Show mit einer Galionsfigur, die aber nur durch Teamwork funktionieren kann. Unter welchem Druck man da steht, ununterbrochen etwas Neues zu finden, damit die Millionen Seher dieses Blödsinns nicht abbröckeln… das ist durchaus eines der Themen dieses Films.

Das zweite ist Katherine Newbury selbst, eingestandene 56 Jahre, mit blondem, zackigen Haarschnitt auf zeitgemäß machend, aber eben nicht mehr jung – sie weiß es, jeder weiß es. („Ich bin so alt wie Tom Cruise, er darf mit der Mumie kämpfen, ich bin die Mumie“, lautet ein sarkastischer Witz.) Unleugbar die Tatsache, dass das Alter an den Frauen, so gut sie sich auch halten, viel stärker kratzt als bei den Männern. Und selbst jemand, der so eisenhart, rücksichtslos und scheinbar unmenschlich ist wie Katherine, kann einen solchen Kampf letztlich wohl nicht gewinnen. Zumal sie die Menschen um sich wie Funktionen, nicht wie Menschen behandelt, und folglich auch keinen Rückhalt hat außer ihren älteren, kranken Gatten (John Lithgow), offenbar der einzige Mensch, an dem ihr etwas liegt. Übrigens: Schminken wir uns Frauenloyalität an. Die Chefin des Senders (Amy Ryan) scheint es geradezu zu genießen, sie rauszuwerfen… Also – altern und verdrängt werden als Thema Nr. 2. Dass Emma Thompson dergleichen spielt wie auf dem Virtuosen-Klavier, ist klar, sie wehrt sich grimmig, lernt aber dann ihre Lektion… Sie hat schon tiefere Leistungen gezeigt, aber das ist sicher eine ihrer brillantesten. Denn eine große Komödiantin ist sie natürlich auch.

Thema Nr. 3 ist wohl das Thema Nr. 1, wenn es sich auch hinter dem Glamour von Show und Star fast versteckt: Es geht um die „Quoten-Außenseiter“, die auf einmal Chancen bekommen, die sie früher nie erhalten hätten – aber nicht aus Überzeugung, sondern damit die Mächtigen endlich ihre Ruhe haben (früher hieß der Spruch: „Einige meiner besten Freunde sind Juden.“) Und weil Katherine Newbury, die auch mit Männern nicht „kann“, den Ruf hat, gegen Frauen geradezu feindselig zu sein – da stellt ihr geplagter, treuer Berater Brad (Denis O’Hare) einfach die junge Frau ein, die gerade mit ihrer Bewerbung vor ihm sitzt: eine Inderin.

Und damit sind wir bei Mindy Kaling as Molly Patel. Nein, absolut keine Bollywood-Schönheit, weit entfernt davon. So durchschnittlich wie nur möglich – eine Frau, die das Publikum nicht mit dem Aussehen, sondern mit ihrem Wesen gewinnt. Früher wäre sie vermutlich nicht in die Nähe einer Kamera gekommen. Heutzutage ist sie nicht nur zweite Hauptdarstellerin – sondern auch Drehbuchautorin. Ja, die 40jährige Amerikanerin mit indischen Wurzeln (sie sieht um einiges jünger aus) hat gewissermaßen, eingebettet ins Fernsehgeschäft und andere Probleme, ihre eigene Geschichte geschrieben. Sie weiß, wie ihresgleichen – eine farbige Frau ist automatisch ein Underdog in einer Männerwelt – behandelt wird, und sie weiß auch, wie man intelligent und mit einem Lächeln souverän damit umgeht. So kann sie in Katherines Team nicht nur den schnöseligen weißen jungen Männern, sondern auch der Chefin selbst was beibringen…

Mindy Kaling hat auch schon Erfahrung als Schauspielerin (allerdings sonst eher in Mini-Rollen, die man halt mit Farbigen besetzt) und als Autorin. Sie leistet sich nur diese und jene Dummheit – warum müssen Katherine und ihr Mann sich nach einer Entfremdung in einem leeren Theater (!) treffen, er auf der Bühne sitzend (!), sie an der Rampe kauernd, bevor sie ihm in die Arme stürzt? Das ist schlimm, während man das Ende in seiner Übertreibung eher als knüppeldick ironisch nehmen kann – denn als Molly Patel Katherine klar gemacht hat, wie die Welt heute aussieht (und ihr damit auch die Show gerettet hat), da sind die neuen Mitarbeiter von allen Rassen, Farben, Geschlechtern, auch ein Rollstuhl-Fahrer ist dabei…

Hollywood war immer fürs Träumen, und da geht es um den Traum, dass Menschen zur Einsicht kommen und man die Welt ändern (im Sinn von verbessern) könnte… Und da dieser Film sehr „indisch“ ist – Regie führt Nisha Ganatra, wie die Autorin Amerikanerin rein indischer Abstammung – , meint man auch ein wenig Bollywood-Schmäh zu spüren… der ja was Schönes ist.

Natürlich werden Kinobesucher, die sich von großen Schauspielern lenken lassen, das als „Emma Thompson-Film“ sehen und wahrlich nicht enttäuscht werden. Aber als Draufgabe erlebt man, wie eine US-Inderin die Welt sieht, und das ist – komödienverpackt und doch nicht billig – ein interessanter, erfrischender Aspekt.

Renate Wagner

SALZBURG/ Festspiele: LUISA MILLER – konzertant

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Stehende Ovationen beim Auftritt Domingos – eine „Watschen“ für MeToo? Foto: Klaus Billand

SALZBURG/Festspiele: LUISA MILLER und SALOME WA am 25. August 2019

LUISA MILLER

Die full-time Beschäftigung mit Salzburg, dem ganzen Drum-Herum hier, und die noch zu schreibenden Rezensionen zu Bayreuth für das Festspieldoppelheft im September erlauben mir heute nur einige Anmerkungen bzw. Eindrücke zu den vor wenigen Stunden erlebten Aufführungen für den online merker – aber diese müssen sein.

Die konzertante Aufführung von Verdis „Luisa Miller“ unter der musikalischen Leitung von James Conlon mit dem Mozarteumorchester Salzburg wurde zu einem Triumph für alle Solisten, den Chor und das Orchester. Als sich die acht Solisten vor Beginn der Aufführung dem Publikum vorstellten und Placido Domingo als Vorletzter die Bühne betrat, brach ein offenbar auch – zu einem gewissen Maß wohl überdimensioniert – demonstrativ begründeterApplaus im Publikum los, das sich zu großer Zahl spontan von den Sitzen erhob. Dieser Applaus klang eigentlich schon wie ein Schlussapplaus, der ebenfalls und völlig zu Recht wegen einer von allen Akteuren gezeigten erstklassigen Leistung höchste Intensität erreichte.

Conlon lehnte es in seinem exakten Dirigat auf die ganze Dramatik und Tragik des Stücks an, die hier, trotz der konzertanten Form, auch mimisch bestens zum Ausdruck kam, insbesondere bei Nino Machaidze und Placido Domingo. Man merkte ihm bei seinen Gesten geradezu an, wie sehr ihm die darstellerische Komponente in der Beziehung zur geliebten Tochter fehlte. Seine sängerdarstellerischen Qualitäten kann ein Domingo eben nicht einfach aus der Jacke schütteln – er war wohl einer der ersten von diesem Kaliber. Sein kraftvoller Bariton konnte immer wieder auch zu quasi-tenoralen Höhen aufleuchten, die dann den unverwechselbaren Kern dieser Jahrhundertstimme offenlegten. Die Georgierin Nino Machaidze harmonierte bestens in ihrer Gestaltung mit dem Vater Placido, legte mit ihrem wohlklingenden und perfekt geführten Sopran sehr viel Empathie an den Tag und meisterte auch die Spitzentöne, wenngleich diese ihre obere Grenze aufzeigten.

Weltklasse pur bot Piotr Beczala als Rodolfo, der eine makellose und in jeder Situation begeisternde gesangliche Leistung zeigte. Nach den vielen Jahren, den ich ihn nun kenne, seit 2016 auch als Lohengrin, ist Beczala wohl nun auf dem Zenit seiner Kunst angekommen und verfügt neben seinem strahlenden und absolut höhensicheren Tenor auch noch über eine gewisse Italianità, die zu Beginn seiner Sängerkarriere noch nicht zu hören war. Ich scheue mich nicht, obwohl ich Superlative nicht mag, Piotr Beczala nun als den besten Tenor der Gegenwart in seinem Fach zu bezeichnen, und dabei schließe ich Richard Wagner ganz bewusst ein. Ich hoffe, dass er bald den Parsifal einstudiert…

Einen ganz ausgezeichneten Eindruck hinterließ Roberto Tagliavini als Graf Walter mit seinem kraftvollen und ausdrucksstarken italienischen Bass und ebenfalls mit gutem darstellerischen Ausdruck. Er dürfte nun zu den besten seines Fachs gehören. Der US-Amerikaner John Relyea gab einen Angst machenden üblen Wurm, so sehr ging sein voluminöser und resonanzreicher Bass durch Mark und Bein. Er wird im neuen Pariser „Ring“ den Hunding singen – das passt! Die italienische Mezzosopranistin Cecilia Molinari sang eine sehr gute, und dem Stück entsprechend etwas zurückhaltende Laura mit viel Anmut und großer Wortdeutlichkeit. Yulia Matochkina, eine der derzeit eindrucksvollsten Mezzosopranistinnen Russlands, sang eine gute Federica, die ihr ja keine allzu großen Glanznummern erlaubt. Oleg Zalytskiy gab den Bauern als Mitglied der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor die unter der Einstudierung von Huw Rhys James auf Augenhöhe mit den Solisten sang. So wurde diese Aufführung – zumindest für mich – zu einem der Höhepunkte der Salzburger Festspiele 2019! Beim Schlussapplaus meinte ich eine starke Rührung in Placido Domingos Gesicht wahrgenommen zu haben…


Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

„Luisa Miller“ kommt noch einmal am 31. August.

Klaus Billand

SALZBURG/ Festspiele: SALOME (Wiederaufnahme-Premiere)

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SALZBURG/ Festspiele: SALOME (25.8.2019 abends)


Foto: Klaus Billand

Gestern Abend hatte ebenfalls Richard Strauss‘ „Salome“ des meiner Ansicht nach großartigen Regisseurs Romeo Castellucci Premiere, der mir schon mit seinem „Parsifal“ 2011 in Brüssel am Munt positiv aufgefallen war. Als einzige Oper hatte Markus Hinterhäuser diese „Salome“ aus dem Vorjahr übernommen. Das war nicht nur berechtigt, sondern zahlte sich auch aus, wenn man es am Publikumszuspruch gestern Abend bemessen möchte. Ungewöhnlich viel politische Prominenz hatte sich eingefunden, darunter Ursula von der Leyen, der ehem. deutsche Bundespräsident Host Köhler, Ursula Plassnik und Wolfgang Schüssel, was mich angesichts genau dieser Oper und der Art und Weise, wie Castellucci sie deutet – denn das war ja bekannt – etwas wunderte, zumal auch noch ohne Pause…

Als absoluter Star des Abends in der ebenso ausverkauften Felsenreitschule wie es bei „Luisa Miller“ das Große Festspielhaus zuvor war, strahlte wieder einmal die litauische Sopranistin Asmik Grigorian mit einer schier unermüdlichen und unverwüstlichen Stimme, die selbst noch in den letzten Momenten wie von Katapulten abgeschossen auf das Publikum niederging – mit all ihren Facetten von mädchenhafter Naivität, Ignoranz, Abenteurertum, Boshaftigkeit, Rachegefühlen und finalem Untergang – im wirklich letzten Bild, als ihr die ganze Dimension ihrer Handlungen klar zu werden schien. Also auch darstellerisch eine Leistung der Sonderklasse! Der Ungar Gábor Betz sang eindringlich und spielte vor allem auch wieder den Jochanaan mit seinen düsteren und maskulinen Abpercus wie einem dunklen Hengst und Pferdegeschirr, wozu noch mehr zu sagen sein wird. John Daszak gab wieder diesen eigenartigen, leicht verrückten und, bis es zur grausamen Realität kommt, stets von zwei Statisten geführten Herodes, der offenbar nicht Herr seines Reiches ist. Das macht auch Anna Maria Chiuri deutlich, die mit ausdrucksstarkem Mezzo bei jeder Gelegenheit hören ließ, was sie von ihm hält. Julian Prégardien sang einen wohlklingenden Narraboth mit hellem Tenor, immer unter Obhut des guten und besorgten Pagen von Christina Bock, bis es nicht mehr ging und er in sein Schicksal lief…

Die Inszenierung Castelluccis, der ja auch für Bühne, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, mit einer ebenso ungewohnten wie interessanten Choreografie von Cindy van Acker und dramaturgischer Unterstützung von Piersandra Di Matteo, besticht einmal mehr durch ihre ungeheure Bildersprache und die Art und Weise, wie sich die Figuren auf der Riesenbühne der Felsenreitschule bewegen, die ganz in Gold gefasst ist. Immer wieder verstört der Regisseur durch scheinbar überflüssige Nebenpersonen bzw. Nebenschauplätze, die aber offenbar zu seinem Duktus gehören, das wirklich Wesentliche noch stärker hervorzuheben. In anderen Momenten wiederum erleben wir Szenen, in denen außer den Protagonisten niemand auf der Bühne ist. So sehen wir Salomes Tanz, der eigentlich gar keiner ist, weil er m.E. schon viel früher stattgefunden hat, ohne eine andere Person auf der Bühne. Nur Salome allein ist wie ein Geschenk für Herodes nackt auf einem Stein mit der Inschrift „SAXA“ drapiert. Diese Inschrift wurde vom Neutor in der Domstadt übernommen und schmückt in voller Länge auch den Bühnenvorhang zu Beginn.

Bei immerhin schon einigen erlebten „Salome“-Produktionen erschien mir noch nie so schlüssig und nachhaltig klar, wie sehr die Abweisung Salomes durch Jochanaan das grausame Ende der Oper bestimmt. Das geht hier wie ein Pfeil durch das Geschehen, auch wenn Salome gar nicht agiert, sondern in einer Ecke kauert – und ganz unabhängig von all den Nebenpersonen und -schauplätzen. Castellucci hat dies auf der sexuellen Ebene noch damit akzentuiert, dass er Salome zur ja recht langen Abgangs-Musik des Propheten in die Zisterne einen völlig beinfreien erotischen „Tanz“ im Liegen vollführen lässt. Dieser endet ganz offensichtlich mit einem Orgasmus, aus dessen Erschöpfung sie erst erwacht, als Herodes mit seiner Bagage samt Stehlampen aus „Arsen und Spitzenhäubchen“ und Hausfotograf polternd auf die Bühne kommt. Das war für mich Salomes Tanz!


Schlussapplaus. Foto: Klaus Billand

Franz Welser-Möst zeigte am Pult der Wiener Philharmoniker seine und deren ganze Kompetenz beim Entziffern der genialen Partitur von Richard Strauss. Er verstand insbesondere die ruhigeren Phasen und kontemplativen Momente fein auszumusizieren und konnte dann bei den dramatischen Szenen noch stärker auftrumpfen. Nie aber wurde es pathetisch oder gar zu laut, oft klang es geradezu kammermusikalisch. Das genau das liegt ja auch in der Musik der „Salome“. Musikalisch also ebenfalls ein großer Abend. Wenn er auch nur eine Stunde und fünfzig Minuten dauerte, so kam er mir aufgrund seiner Spannung und Detailliertheit wie vier Stunden vor…

Weiere Aufführungen am 28. und 31. August.

(Detaillierte Rezension folgt hier und im Festspieldoppelheft des neuen Merker).

Klaus Billand aus Salzburg

 

Flensburg / Deutsches Haus: HILARY HAHN

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Die beliebte Urlaubsstadt am nördlichen Rand Deutschlands beheimatet nicht nur einige industrielle Weltmarktführer sondern liegt auch kulturell deutlich näher am Weltgeschehen als mancher südlich der Elbe glauben mag. Dieser Umstand ist nicht zuletzt dem Schleswig-Holstein Musik Festival zu verdanken, das in der Sommerzeit regelmäßig große Stars der Klassikszene in die Stadt an der Grenze zu Dänemark einlädt.

Das letzte dieser Flensburger Konzerte der aktuellen Saison fand vergangenem Samstag im so gut wie ausverkauften Deutschen Haus statt. Dirigent Omer Meir Wellber gastierte mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in der Fördestadt und wurde ebenso gefeiert wie Hilary Hahn als Solistin des Abends.

Maximilian Ottos Werk „Contrapunctus I“, welches auf der Orchestrierung des Contrapunctus I aus J.S. Bachs „Kunst der Fuge“ basiert, bildete den Auftakt des dem Meister aus Eisenach gewidmeten ersten Konzertteils. Der Funke zum Publikum sprang nicht sofort über, aber man wurde langsam warm miteinander. Im Anschluss begann eine ganze Reihe von Höhepunkten.

Hilary Hahn spielte den Solopart in Johann Sebastian Bachs Violinkonzert Nr. 1 a-Moll und das Violinkonzert Nr. 2 E-Dur. Mit Bach begann ihre Weltkarriere und Bach begleitet sie auch heute noch. Es scheint, als wären die beiden sehr vertraut miteinander, denn Hahn spielt unverkünstelt und schnörkellos und doch mit einer den ganzen Saal durchströmenden Energie.

Zwischen den beiden Violinkonzerten gab das Orchester Aziza Sadikovas „Mirroring Contrapunctus for orchestra“. Dieses erst 2019 uraufgeführte Werk basiert auf dem Contrapunctus XII aus J. S. Bachs „Kunst der Fuge“ und faszinierte an diesem Abend insbesondere durch den Kontrast zur Barockmusik. In Teilen erinnerte die Musik an Walgesänge. Das Publikum goutierte die Darbietung mit starkem Applaus.

Ebenso faszinierte auch Omer Meir Wellber unter anderem mit solistischen Einlagen. Bei Bachs 1. Violinkonzert trat er bereits als Begleiter am Cembalo auf. Für das Publikum viel überraschender war schließlich sein Griff zum roten Akkordeon bei der ersten Zugabe der Violinistin. Gemeinsam mit Hahn gab er „Oblivion“, bevor die Amerikanerin sich schließlich ganz in sich gekehrt mit einer Bach-Sonate solistisch vom begeisterten Publikum verabschiedete.

In der Pause war die Arbeit für die zweifache Grammy-Award Gewinnerin noch nicht getan, denn sie signierte unermüdlich Eintrittskarten und CDs und stand auch für Selfies mit den Gästen zur Verfügung.

Nach der Pause kam die Qualität der Deutschen Kammerphilharmonie bei der vielschichtigen Interpretation der 3. Sinfonie von Franz Schubert besonders gut zur Geltung. Die Zuschauer erklatschten sich eine Zugabe, die Weilber gerne wieder am Akkordeon persönlich übernahm.

Nach weiteren Applaus-Orgien warf er sich schließlich das Sakko über die Schulter und marschierte von der Bühne.

Marc Rohde

GOTHA: 19. Barockfest im Schloss Friedenstein vom 24. bis zum 25. August 2019

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Foto: Larissa Gawritschenko/ Thomas Janda

Gotha/ 19. Barockfest im Schloss Friedenstein vom 24. bis zum 25. August 2019

Glanz und Gloria in Gotha

Vom 24. bis zum 25. August 2019 verwandelte sich Schloss Friedenstein in Gotha wieder in die farbenprächtige Residenz Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg, er regierte von 1732-1772. Seine Hochfürstliche Durchlaucht und Gemahlin Luise Dorothee waren mit ihrem Hofstaat präsent und erfreuten sich mit allen Gästen an den vielfältigen Amüsements, davon gab es wieder unzählige.

Die Besucher konnten sich an allerlei Darbietungen für jung und alt prächtig erfreuen. Das Programm und die Kulinarik waren wie gewohnt „barock“ opulent. Über 600 Mitwirkende aus verschiedenen Vereinen, Künstler, Gastronomen und Händler erfreuten die zahlreichen Besucher.

Die edlen und festlich gewandeten Besucher tauchten in das traumhaft anmutende barocke Zeitalter mit prunkvoller Audienz des Fürsten Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg im großen Festsaal. Im Lande der Residenzen nahm Gotha immer einen besonderen Platz ein. Das zeigte sich auch während der Audienz, zu der aus allen deutschen Ländern Fürsten und Grafen, aber auch Christoph Willibald Ritter von Gluck aus der Oberpfalz angereist waren. Auch „Der Alte Fritz“ war gekommen und natürlich wurde Friedrich II. von Preußen gebührend auf der Haupttribüne empfangen. Später trat er natürlich immer im Gefolge Herzogs als Ehrengast auf. Der Friedrich-Darsteller verkörperte übrigens seine Rolle ganz ausgezeichnet. Nicht nur äußerlich entsprach er Friedrich II., auch in seinem Spiel und Auftreten lebte er seine Rolle authentisch. Viele Teilnehmer in Kostümen wirkten  exquisit in der Mode des Barock. Ganz hervorragend gewandet erschien das fürstliche Paar von Anhalt-Zerbst. Im schnöden bürgerlichen Leben müssen sie sich für ihren Broterwerb in der IT-Branche verdingen, doch sobald ein Barockfest lockt, schlüpfen sie in ihre prächtigen Kostüme und tauchen in die Welt barocker Präsentation ein. Das Barockfest auf Schloss Friedenstein steht in ihrem Jahreskalender ganz oben, weil hier die meisten Kostümierten auftreten und sie die Atmosphäre so herrlich finden, sagen beide huldvoll dem hier berichtenden „Chronisten-Bürgerreporter“.

Bereits am Freitagabend wurde das Fest eröffnet und am Samstag und Sonntag erwartete alle Gäste ein pralles Programm. Höfische Kultur mit Pomp und Luxus ließen niemals Langeweile aufkommen. Die Programmangebote im Festsaal waren:

Das Herzogspaar lädt zum Plausch mit den Besuchern; Preußens Gloria am Gothaer Hof;

Von Festen, Bällen und anderen Katastrophen am Preußischen Hof;

Hoftanzgesellschaft des Potsdamer Rokoko e. V.;

Der Hoftanzmeister bittet zur Lehrstunde.

Das Ekhof Theater lud ein zu: Johann Sebastian Bach: Musik zum Lobe Gottes – Musik zum Tanz? Mit dem Ensemble contretem(p)s Berlin;

Die schönsten Liebeslieder des englischen Barock – Solokantaten von Johann Christoph Pepusch mit dem Rosentaler Ensemble.

Ein Höhepunkt war auch „Les Caractères de la danse“ – Gelesen, gespielt und getanzt vom Potsdamer Rokoko e. V., Gastsolisten: Jana Voinowa und Nikita Avdejew aus St. Petersburg. Die barocken Stars üben sich schon viele Jahre im Barocktanz und geben brillante Vorstellung. Das Ambiente des Ekhof Theaters lässt dann auch noch vollkommen die herrliche Barock-Theater-Welt erblühen.

Im Spiegelsaal wurden angehende Prinzessinnen und Prinzen durch die erste Hofdame in der Sprache der Blumen unterrichtet. Flowery Love Messages – Die Blumensprache / Reiseabschnitt Holland mit Lady Mary Wortley Montagu.

„Wenn ich ein Vöglein wär“ – Lieder aus der galanten Zeit erklangen durch Angelina Kowalczyk.

Die Herzogin empfing Voltaire zum Gespräch und die erste Hofdame kleidete die Herzogin neu ein.

Auf der Hauptbühne erwartete die Zuschauer meisterhafte musikalische Unterhaltung mit La Fantare aus Gera.

Es gab Zaubervorführungen des Hofzauberers und „Songs from old English pubs“ mit dem Barockensemble Les Matelots aus Dresden/Leipzig, die auch „Johann Sebastian Bachs Gassenhauer“ spielten.


Foto: Larissa Gawritschenko/ Thomas Janda

Ein weiterer wichtiger Programmpunkt war das ausgewählte Handwerker und Händler sich dem Herzogspaar präsentierten und Privilegien erhielten.

Unterhaltsame Schauspielereien und köstliche Musik gab es auch in der Schlosskirche mit: „Harfenzauber und Flötenklang – Barockmusik mal anders“ und auch „Liebeslieder der Jahrhunderte“ kamen anmutig daher mit dem Ensemble Corda mobile.

Vorgestellt wurde die Orgel der Schlosskirche mit einem Blick auf das Amt des Organisten im 18. Jahrhundert durch das Rosentaler Ensemble und auch

Les Caractères de la danse – Werke von M. Marais und J.-F. Rebel wurden vom Barockensemble Les Matelots präsentiert.

Wen Hunger und Durst plagten, der konnte sich an mannigfaltigen kulinarischen Überraschungen laben und mit Bier und Wein nachspülen.

Auch das Museum konnte besucht werden. In der Ausstellung im Schlossmuseum Gotha „Die Ehe als Erfolgsmodell – deutsch-englische Heiraten“ konnte man sich über Albert und Victoria informieren. Die historischen Personen werden hier zum Leben erweckt. Das Lustwandeln durch die imposanten Fest- und Wohnräume im authentisch historischen Stil rundeten die barocken Einblicke auf Schloss Friedenstein ab.

Ein festliches Barockkonzert mit Werken von Mozart, Telemann und Benda gab es am Samstagabend mit der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach und ein atemberaubendes Barockfeuerwerk mit zauberhaften Illuminationen beendete den Tag.

Beschlossen wurde das Fest insgesamt am Sonntag mit einem letzten Defilee aller historischen Personen und seine Hochfürstliche Durchlaucht Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg und seine Gemahlin Luise Dorothee kehrten mit dem Organisator Marco Karthe offiziell ins 21. Jahrhundert zurück. Zum 20. Barockfest im kommenden Jahr werden sie wiederkehren. Das reisende Volk kann sich schon jetzt freuen!

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

 


VERONA/ Arena: AIDA von Giuseppe Verdi (Version 1913)

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Bildergebnis für verona aida version 1913
Foto: Arena di verona

VERONA: AIDA (Version 1913)
am 25.8. 2019 (Werner Häußner)

Ein privates Leben ohne politische Karriere kann sich Radamès nicht vorstellen: Den Sieg im Krieg setzt er in seiner Fantasie voraus, um mit Aida glücklich zu werden: Rückkehr mit Lorbeerkranz und dann einen Thron nahe an der Sonne. Das ist er, der ägyptische Ehrgeizling, der seine Flucht in die Wüste nicht durchzieht, der für sein politisches Versagen aber konsequent einsteht: Die Ehre ist gerettet um den Preis des Lebens. Dass beiden sich dann im Grab ein jenseitiger Himmel der Liebe erschließt, ist Aidas Verdienst. Die andere starke Frau dieser Geschichte, Amneris, bleibt einsam zurück, ist das eigentliche Opfer der verderblichen Konstellation. Ihr bleiben die Trauer und der Blick auf den Tod: Frieden erbittet sie – und ihr letztes Wort „pace“ schwebt über dem Pianissimo-Schluss der Oper.

Giuseppe Verdi hat in „Aida“ das Erbe Meyerbeers und seiner früheren Opern „I Vespri Siciliani“ und „Don Carlo“ weitergeführt: Der Kontrast intimer, kammerspielartiger privater Szenen und der gewaltigen Tableaus verschränkt das Politische und das Private szenisch und musikalisch. Für die Regie eine schwer zu lösende Aufgabe, die zu ungewöhnlichen Lösungen geführt hat, beginnend mit Hans Neuenfels‘ Aufsehen erregender Frankfurt Inszenierung in der Ära Michael Gielen vor fast 40 Jahren.

Für die Arena di Verona gehört Verdis Meisterwerk zum Gründungsmythos: 1913 war „Aida“ die erste dort inszenierte Oper mit inzwischen über 700 Vorstellungen. Ein Grund dafür ist der Schauwert vor allem des Tempel- und des Triumphbildes im ersten und zweiten Akts mit ihrer riesigen Chor- und Statistenparade. Seit 1980 gab es nur eine einzige Saison ohne dieses Zugpferd. In diesem Jahr zeigt man wieder die Rekonstruktion der ersten „Aida“ des Jahres 1913 – ein Höhepunkt des kulinarisch orientierten Historismus, eine ungebrochen der Bewunderung preisgegebene bunte Ägypten-Welt der Belle Èpoque.

Hier schreiten die Scharen des Pharaos über die riesige Bühne, flankiert von den monumentalen bemalten Säulen, die an Abu Simbel oder Luxor erinnern. Aida ist nicht die mit dem Putzeimer bewehrte Dienstbotin im vornehmen Großbürgerhaushalt wie weiland bei Neuenfels, sondern steckt im ägyptisierenden Modellkleid. Auf dem Höhepunkt ziehen weiße Pferde ein und Radamès, der Sieger, rollt auf einem voluminösen Thron heran. Selbst die äthiopischen Gefangenen sind sauber und ästhetisch gewandet; ihr unerkannter König Amonasro trägt ein farbenfrohes Kostüm, wie man es damals einem „Neger“-Fürsten für angemessen hielt. Nur als das Ballett im attraktiven Kontrast von Gold und Schokoladenfarbe über die Bühne hüpft, regt sich leichte Heiterkeit im Publikum, wiewohl Susanna Egri in ihrer Choreografie wohl nicht die Absicht hatte, die Naivität von 1913 ironisch zu brechen. Und als aufklärungswilliger Mitteleuropäer von heute fragt man sich, wann wohl die erste Dekolonialisierungsgruppe ein Verbot dieser fröhlich-unbekümmerten Reprise vergangener Zeiten fordert.

Da sich Gianfranco de Bosio in seiner Regie auf erhabenes Schreiten, Zeitlupenbewegungen der Körper und das – gekonnte – Arrangement der Chor- und Statistenmassen beschränkt, liegt es an den Sängern, die Szenen mit Spannung zu erfüllen. Punktuell gelingt das, etwa wenn sich im dritten Akt Aida und ihr Vater Amonasro treffen und der König seine Tochter zur Spionage einsetzen will. In diesem Moment bricht bei Saioa Hernández die seelische Erregung und der ausweglose innere Konflikt in der Interaktion durch, und der stimmlich hervorragend disponierte Badral Chuluunbaatar – ein vornehmlich in Italien wirkender Bariton, dessen Namen man sich merken sollte – weckt den ambivalenten Charakter seiner Rolle aus den Schemata der Arena-Gestik auf zu unmittelbarem, packenden Leben.


Soia Hernández (Aida) und Batral Chuluunbaatar (Amonasro) am 25. August in der Arena di Verona. Foto: Ennevi/Fondazione Arena di Verona.

Chuluunbaatar war auch der eindrucksvollste stimmliche Gestalter in der Solistentruppe dieses nur mäßig besuchten Arena-Abends: ein klarer, unverkrampft timbrierter Bariton, dramatisch ohne tour der force oder heftiges Vibrato, fähig zu dynamisch beweglichem Agieren und zu sorgfältig abschattierten Farben. Einen günstigen Eindruck hinterließ auch Carlo Ventre als Radamès, der noch in seiner Einstandsarie schwerfällig artikulierte und das fette Forte kaum verließ: Hauptsache, das b am Schluss sitzt und strahlt. Im Lauf des Abends jedoch sang er zunehmend flexibel und glänzte im Finale mit einem leuchtenden Mezzoforte, das die visionäre Entrückung der Musik im Klang der Stimme einholt. Seine Partnerin Saioa Hernández tat es ihm gleich und brillierte mit schimmernd lasiertem Sopran, nachdem sie sich in „Ritorna vincitor“ noch allein auf eine sicher positionierte, bisweilen stark vibratogesättigte und somit intonationsunscharfe Stimme gestützt hatte. Auch in „Qui Radamès verrà … O patria mia …“ vermisste man einen locker geführten Ton; die Höhe erreicht Hernández jedoch ohne spürbare Mühe.

Judit Kutasi, die viel an der Deutschen Oper in Berlin singt, hatte als Amneris nach unerfreulichem Beginn ihren Höhepunkt im vierten Akt, als die verwöhnte Pharaonentochter erkennen muss, dass sie dem Entschluss von Radamès, den sicheren Tod in Kauf zu nehmen, aber auch der finster starren Macht der Priester ohnmächtig gegenübersteht. In diesen Momenten explosiver Wut und glühender Verzweiflung überwindet die Sängerin den eindimensional auf Größe und Wucht getrimmten, heftig vibrierenden, psychologisch kaum gestaltungsfähigen Ton ihrer ersten Auftritte und drückt den Seelenzustand ihrer Figur in frischen, flammenden Farben aus.

Bemerkenswert markant und sicher ist Carlo Bosi in den wenigen Sätzen des Boten. Gianluca Breda setzt als Ramfis auf einen bronzen dröhnenden Klang, Krzysztof Bączyk gibt einen noblen König. Der Chor Vito Lombardis bewältigt die Probleme, die sich aus den Distanzen der Bühne ergeben, mit gewohnter Selbstsicherheit; in der zweiten Szene des ersten Akts, im Tempel, gelingen dem Herrenchor leuchtende Pianissimi, berückender als alle Chorgewalt der Tableaus. Francesco Ivan Ciampa will das Orchester davor bewahren, vordergründig und plakativ zu spielen, was an den meisten Stellen gelingt, an denen statt des Geschmetters des Triumphbildes die Finessen in der Balance und der Bildung des Klangs entscheidend sind. Hin und wieder setzt die schiere Größe der Arena solchem Streben Grenzen: Die Einleitung zum Nilakt mit ihren zarten Streichern verweht, die tiefen Streicher haben im Duett Aida-Amonasro zu wenig Gewicht; auch die Holzbläser haben es bisweilen schwer, sich durchzusetzen. Ciampa sollte auf einen „sonoren“ Ton auch im Piano achten.

Nach Mitternacht spendeten die Zuschauer nur noch knappen Schlussbeifall. Das 98. Festival beginnt am 13. Juni 2020 und bringt nach 14 Jahren wieder einmal die beiden unverwüstlichen Zwillinge „Cavalleria rusticana“ und „I Pagliacci“ auf die Arena-Bühne, dazu Puccinis „Turandot“ und die Verdi-Klassiker „Aida“, „Nabucco“ und „La Traviata“.

Werner Häußner

 

 

Esbjerg / Den Ny Opera: DAS RHEINGOLD

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Die dänische Hafenstadt an der Nordsee gilt nicht unbedingt als Hotspot der Opernszene. Insbesondere Wagnerianer sollten sich diesen Ort aber unbedingt mal genauer ansehen. Was 2017 mit der WALKÜRE startete, wurde in diesem Jahr mit dem RHEINGOLD fortgesetzt. SIEGFRIED folgt 2021, GÖTTERDÄMMERUNG 2023. Ein weiteres Jahr später soll es dann den kompletten Ring-Zyklus geben.

Im 1997 fertiggestellten Musikhuset mit seinen 850 Sitzplätzen spielte sich großartiges ab. Wer auf Chemie-Labore, Ratten, NS-Propaganda und Maschinengewehre in der szenischen Darstellung klassischer Opern verzichten kann, kam hier voll auf seine Kosten. Die stehenden Ovationen am Ende der Vorstellung bewiesen, dass der Geschmack des Publikums getroffen wurde und nicht zuletzt die Tatsache, dass bei herrlichstem Strandwetter jeder der Plätze besetzt war, zeugt vom ungeheuren Zuspruch.

Die Rheintöchter (Hanna Husáhr, Johanne Højlund, Trine Bastrup Møller)

Schon beim Vorspiel tauchte man mitten in die Klang-Wogen des dynamisch und konzentriert aufspielenden aus Sonderburg ausgeliehenen Sønderjyllands Symfonieorkester ein. Eine selten erlebte akustische Transparenz machte Lust auf mehr. Im ersten Moment fürchtete ich, dass die Sänger es eventuell schwer haben könnten, gegen das Orchester anzukommen. Dies war mitnichten der Fall. Beim rein skandinavischen Ensemble gab es keinen Ausfall zu beklagen sondern vielmehr eine formidable und ausgewogene Ensembleleistung zu erleben. Der Orchestergraben wurde vor Beginn dieses Ring-Projekts grundlegend umgestaltet und dem im Bayreuther Festspielhaus nachempfunden. Ein Kunstgriff, der offenbar gelungen ist!

Jens Søndergaard als formidabler Wotan und Randi Stene (Fricka)

Allen voran bot Jens Søndergaard eine hervorragende Interpretation des Wotan. Kraftvoll strömte sein für dieses Haus mächtiger Bariton bei sehr guter Textverständlichkeit und sehr guten schauspielerischen Leistungen. Seine Interpretation allein wäre schon die Reise wert gewesen. Luxuriös besetzt war Lars Møller als Donner und vor allem Magnus Vigilius als Froh, der hier schon Siegmund sang, andernorts als Lohengrin gefeiert wurde und 2020 bei den Bayreuther Festspielen debütieren wird, machte neugierig auf weitere Begegnungen. Als Rheintöchter-Terzett gefielen Hanna Husáhr (Woglinde), Trine Bastrup Møller (Wellgunde) und Johanne Højlund (Flosshilde und ebenfalls Erda). Loge wurde rollendeckend von Niklas Björling Rygert gegeben. Jesper Buhl meisterte die Partie des Alberich stimmlich gut und ist rein optisch eine Idealbesetzung. Die beiden Riesen Fasolt und Fafner wurden von Morten Staugaard und Jesper Brun-Jensen interpretiert und insbesondere Staugaard beindruckte durch seinen profunden Bass und die schauspielerische Leistung. Randi Stene als Fricka und Elsebeth Dreisig als Freija, sowie Jakob Næslund Madsen als Mime komplettierten ohne Abstriche das Ensemble.

Jesper Buhl (Alberich) mit Hanna Husahr, Trine Bastrup Møller, Johanne Højlund (Rheintöchter)

Der Regisseur Kasper Wilton verstand es, mit Hilfe des klassischen Theaterbaukastens faszinierende Szenen zu gestalten. Dazu sind bei ihm Gestik und Mimik der Sängerdarsteller gefragt. Nie steht ein Solist wie bestellt und nicht abgeholt an der Rampe, sondern jede Handlung wird den Zuschauern wie im natürlichen Fluss serviert. Bühnenbild und Kostüme von Marie ì Dali setzen ganz auf naturalistischen Fantasy-Zauber und könnten auch für einen erfolgreichen Hollywood-Film dienen. Pyrotechnische Elemente, Nebel und faszinierende Lichteffekte (z.B. als gegen Ende ein sich ausbreitender regenbogenfarbener Lichtstrahl die Bühne umhüllt) von Michael Breiner machen Lust auf mehr. Das Regieteam setzte Wagners Werk mit heutigen technischen Mitteln optimal in Szene. Man hatte sogar den Mut, einen Drachen als Bewacher des Rheingolds auf die Bühne zu stellen und vermied es wie selbstverständlich in auch nur einer einzigen Szene peinlich oder unzeitgemäß zu wirken.

Zum Abschluss ganz großes Lob an Lars Ole Mathiasen, der die musikalische Leitung dieses Ereignisses übernommen hatte und nicht zuletzt dank der hervorragenden Akustik des Hauses einen persönlichen Triumph feiern durfte.

Marc Rohde

INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: „LA DORI“ von Pietro Antonio Cesti

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Alberto Allegrezza als alte Amme mit Francesca Lombardi Mazzulli in der Rolle der Arsinoe (Foto: Rupert Larl) 

Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2019: „La Dori“ von Pietro Antonio Cesti (Vorstellung: 26. 8. 2019)

Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2019 warteten im Tiroler Landestheater mit einer weiteren Opernrarität auf: „La Dori“ von Pietro Antonio Cesti. Die Uraufführung dieses Werks, das als eine der erfolgreichsten Opern des 17. Jahrhunderts galt, fand im Jahr 1657 am Innsbrucker Hoftheater statt und wurde 1980 in einem Pasticcio im Rahmen der Innsbrucker Festwochen gezeigt. Im heurigen Jahr, dem 350. Todesjahr Cestis, erfolgte die erste vollständige Wiederaufführung der turbulenten Tragikomödie (in italienischer Sprache mit gut lesbaren deutschen Übertiteln).

Pietro Antonio Cesti (1623 – 1669), der dem Franziskaner-Orden angehörte, zählte zu den berühmtesten Musikern seiner Zeit. Er war Domkapellmeister in Volterra und wurde 1652 Kapellmeister in Innsbruck, ehe er zehn Jahre später Vizekapellmeister am Hof in Wien wurde. Seine erste Oper L’ Orontea, die 1649 in Venedig herauskam, wurde vor zwei Jahren in Innsbruck mit großem Erfolg wiederaufgeführt. Dass die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik mit dem Komponisten Cesti besonders verbunden sind, zeigt sich auch an dem nach ihm benannten Gesangs-Wettbewerb – er wurde 2010 von Alessandro De Marchi ins Leben gerufen – , an dem in diesem Jahr mehr als 200 Sängerinnen und Sänger teilnahmen.

Die verwirrende Handlung der Oper „La Dori“, deren humorvolles Libretto Giovanni Filippo Apolloni schrieb, spielt in den beiden Königreichen Nikäa und Persien. Deren Herrscher haben kurz nach der Geburt der Prinzessin Dori in Nikäa und des Prinzen Oronte in Persien beschlossen, die beiden als Erwachsene miteinander zu verheiraten, um die Freundschaft zwischen den beiden Reichen zu sichern. Da Dori aber als kleines Kind Piraten in die Hände gefallen und seitdem verschollen war, sollte Oronte später Doris jüngere Schwester Arsinoe heiraten. Dori war mittlerweile an den Hof von Ägypten gelangt, wo eine ägyptische Prinzessin mit dem gleichen Namen als kleines Kind auf tragische Weise gestorben war und Arsete, der sich für den Tod des Kindes verantwortlich fühlte, Dori als ägyptische Prinzessin ausgab. Oronte kam als junger Mann nach Ägypten und verliebte sich in Dori, was dazu führte, dass er Arsinoe nicht wie vertraglich vereinbart heiraten wollte. Dori folgte ihm aus Liebe nach Persien, tarnte sich allerdings als Mann, fiel erneut Seeräubern in die Hände und landete in Nikäa, wo sie von Arsinoe gerettet wurde. Fortan begleitete Dori sie als Sklave Alì. Gemeinsam mit Arsinoe gelangte sie nun nach Babylon, um die Einhaltung des Ehevertrags zwischen Oronte und Arsinoe einzufordern. Der ägyptische Prinz Tolomeo begab sich auf der Suche nach seiner vermeintlichen Schwester Dori ebenfalls nach Persien, verliebte sich in Arsinoe und verkleidete sich als Dienerin Celinda, um Arsinoe nahe sein zu können. Danach erst beginnt die Opernhandlung.

Die folgenden drei Akte sind ein munteres Verwirrspiel, bei dem das Regie-Team um Stefano Vizioli auf die Komik der Vorlage und die Kraft der Musik vertraut und auf Modernisierung verzichtet. Die opulenten Kostüme von Anna Maria Heinrich weisen mehr auf die Entstehungszeit der Oper als auf den Zeitpunkt der Handlung hin. Das Bühnenbild von Emanuele Sinisi zeigt auf den beiden Bühnenseiten zwei hohe antik anmutende Stadtmauern, hinter denen man das tosende Meer sieht, was vielleicht die innere Unruhe der einzelnen Figuren widerspiegelt. Einige Felsen im Hintergrund und auf der linken Seite deuten eine leicht unwirtliche Gegend an. Szenenwechsel werden mit vereinzelten Requisiten und einem Zwischenvorhang angedeutet. Der Übergang zwischen den einzelnen Akten ist fließend wie auch die musikalischen Nummern, die von bewegten Rezitativen in ariose Strukturen und Ensembles übergehen. Damit ist Cesti der durchkomponierten Form der Opern des 19. Jahrhunderts musikalisch beinahe näher als der Barockoper des 18. Jahrhunderts mit ihren Da-capo-Arien. Auch sind die Affekte der Figuren nicht auf die Arien beschränkt, sondern entfalten sich ebenso in den Rezitativen, was sich vor allem in deren musikalischen Ausarbeitung zeigt.

Während bei der Uraufführung 1657 in Innsbruck wahrscheinlich auch die weiblichen Rollen von Kastraten gesungen wurden, treibt die Inszenierung bei den Festwochen das Spiel mit den Geschlechtern noch weiter. So werden nicht nur die beiden Prinzessinnen Dori und Arsinoe von zwei Frauen gesungen, sondern auch die Rolle des Tolomeo, der sich als Frau verkleidet und in den sich dann auch noch Orontes Hauptmann, der Bass Erasto, verliebt. Der Prinz Oronte wird von einem Countertenor interpretiert, dessen Stimme höher als die der von ihm geliebten Dori ist, so dass auch hier in gewisser Weise ein Rollentausch vorliegt und man Dori durchaus als den aktiveren Part in der Liebesbeziehung deuten kann, selbst wenn sie sich im Laufe des Stücks aus Liebeskummer permanent das Leben nehmen will und daran stets von anderen gehindert werden muss. Dass die alte Amme Dirce von einem Tenor dargestellt wird, ist für die Oper des 17. Jahrhunderts eigentlich keine Besonderheit. Frauen, die ihren weiblichen Reiz verloren haben, wurden häufig in komischen Rollen mit Männerstimmen besetzt. Hier ist Dirce aber nicht nur eine lüsterne Alte, die erfolglos Orontes Diener und Hofnarr Golo nachstellt und sich wunderbar mit dem Eunuchen Bagoa streitet, sondern auch noch Doris Retterin ist, da sie deren Gifttrank gegen ein Schlafmittel austauscht. So klärt sich nach zahlreichen Verwirrungen alles auf, und Oronte darf schließlich doch noch seine geliebte Dori heiraten, während Arsinoe mit dem ägyptischen Prinzen Tolomeo vermählt wird.

Mit einer beeindruckenden Leistung wartete das Sängerensemble auf. Oronte, der Prinz von Persien, wurde vom britischen Countertenor Rupert Enticknap stimmlich und darstellerisch sehr ausdrucksstark gespielt. Ihm nicht ganz ebenbürtig zeigte sich die italienische Altistin Francesca Ascioti in der Titelrolle. Als Sklave Ali sang sie oftmals zu zurückhaltend, möglicherweise trugen daran die vielen Lamento-Arien die Hauptschuld.


Emöke Baráth als Prinz von Ägypten und Konstantin Derri als Eunuch Bagoa (Foto: Rupert Larl)

Exzellent hingegen die ungarische Sopranistin Emöke Baráth als ägyptischer Prinz Tolomeo, die sowohl stimmlich wie schauspielerisch in der Hosenrolle, aber auch als junge Celinda brillierte. Ebenso eindrucksvoll agierte die italienische Sopranistin Francesca Lombardi Mazzulli als Doris Schwester Arsinoe. Sie punktete durch ihren expressiven Gesang wie auch durch ihre starke Bühnenpräsenz. Den persischen Regenten Artaxerse stattete der italienische Bass Federico Sacchi mit wohlklingend-tiefer Stimme und autoritärem Gehabe aus.

Mit komischem Talent agierten der italienische Tenor Alberto Allegrezza als Orontes alte Amme und der italienische Bass Rocco Cavalluzzi als Orontes Diener und Hofnarr Golo. Sie brachten in vielen Szenen das Publikum zum Lachen, ohne in Klamauk zu verfallen. Mit angenehmer Stimme spielte der italienische Bassbariton Pietro Di Bianco die Rolle von Orontes Hauptmann Erasto, der sich in Celinda verliebt.

Zum Erfolg der Vorstellung trugen in zwei kleineren Partien noch der britische Tenor Bradley Smith als Doris alter Lehrer Arsete und der ukrainische Countertenor Konstantin Derri als Eunuch Bagoa, Hüter des Serails in Babylon, bei.


Schlussszene der Oper – alle sind glücklich (Foto: Rupert Larl)

Dem Orchester  Accademia Bizantina gelang es unter der einfühlsamen Leitung von Ottavio Dantone, die zart klingende Partitur von Cesti sehr nuancenreich zum Erklingen zu bringen. Das begeisterte Publikum, das auch mit Szenenbeifall nicht geizte, dankte am Schluss allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus und vielen Bravo-Rufen.

Udo Pacolt

SALZBURG/ Großes Festspielhaus: SIMON BOCCANEGRA

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Charles Castronovo, Marina Rebeka. Foto: Salzburger Festspiele/ Ruth Walz

27.08.2019   Sbg/GH   „Simon Boccanegra“

Endlich ist auch Verdis Dogen-Oper im Hier und Jetzt angelangt. Was hätten wir versäumt, wenn Andreas Kriegenburgs Inszenierung im norwegischen Trondheim aufgeführt worden wäre… Aber leider musste der Rezensent, verwöhnt durch 26 klassische Aufführungen in den sauren Apfel beißen und sich banale Ideen, mäßig originell umgesetzt, ansehen. Wenn man eine goldene Himbeere für schlechte Personenführung vergeben könnte, Kriegenburg wäre erster Kandidat.

Nur zwei Beispiele: Das Liebesduett Amelia/Adorno, die beiden in etwa 50 Metern Entfernung ins Publikum singend. Bei der Wiedererkennung Vater/Tochter dasselbe. Die handelnden Personen mussten in fahrigen Bewegungen auf der Bühne herumirren, selbst der Doge wurde von der allgemeinen Nervosität angesteckt. Einzig Fiesco, verkörpert von dem fabelhaften Rene Pape, durfte agieren, wie es im Buche steht. Mit seinem sonoren, prächtig disponierten Bass war er der Herr der Bühne. Marina Rebeka zeigte als Amelia sehr viel Stimme, sie beherrschte wohl auch leise Töne, ließ diese aber viel zu oft vermissen. Da wäre weniger viel mehr gewesen. Auch darstellerisch musste man sich fragen, ob sie das junge Mädchen verkörpert, das von Adorno geliebt wird und das sich freut, den Vater wiedergefunden zu haben. Gabriele Adorno wurde vom US-amerikanischen Tenor Charles Castronovo gesungen. Seine kräftige Stimme entfaltete vor allem in der Höhe einiges an Glanz und Strahlkraft, die Mittellage ist nicht seine Stärke, da „knödelte“ er zu sehr.

In der Titelrolle war Luca Salsi zu hören. Ihm fiel es schwer, die richtige Gestaltung der Rolle des zuerst verwegenen Korsaren und des gütigen Dogen zu finden. Darunter litt auch seine Gesangsleistung, denn sein kräftiger Bariton klang in den lyrischen Szenen etwas stumpf und farblos.

Valery Gergiev versuchte nicht ganz mit Erfolg, das Geschehen auf der Bühne nicht mit den Wogen des – hervorragend spielenden Orchesters der Wiener Philharmoniker – zuzudecken. Mitunter kamen mit Ausnahme von Marina Rebeka manche Sänger in Schwierigkeiten, sich durchzusetzen.

Dass man dieser tollen Oper mit einer nicht ganz gelungenen Inszenierung einen Bärendienst in puncto Popularitätssteigerung erwiesen hat, ist evident.  

Johannes Marksteiner

SALZBURG/Festspiele:Abschlusskonzert Young Singers Project (YSP)

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Alle beim Schlussapplaus. Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele

SALZBURG/Festspiele:Abschlusskonzert Young Singers Project (YSP) –24.8.2019

„So schön war’s noch nie!“

Das war der Ausruf der Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler nach „Tutto nel mondo è burla“ aus dem „Falstaff“ von Giuseppe Verdi, von den 13 Teilnehmern des YSP im restlos ausverkauften Großen Saal der Stiftung Mozarteum zum Abschluss eines wirklich begeisternden Gesangskonzerts mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung vom Adrian Kelly. Und sie hatte Recht damit. So gut habe auch ich diese talentierten und offenbar für die Lust am Singen und Darstellen nur so brennenden (und das ist nach Krassimira Stoyanova eine Bedingung für Erfolg im Sängerberuf) jungen Sängerinnen und Sänger aus diesmal 11 Ländern bisher beim Salzburger YSP nicht gehört. Die weltweiten castings waren offenbar äußerst erfolgreich. Man merkte allen an, dass diese Wochen in Salzburg für sie etwas ganz Großes waren, für manche ja auch mit einer Beteiligung in kleinen Rollen bei den Festspielen verbunden.

Alljährlich findet im Rahmen der Salzburger Festspiele das sog. Young Singers Project (YSP) statt. Sein Ziel ist es, jungen Talenten neben einer musikalischen sowie repertoiremäßigen Weiterbildung und szenischem Unterricht auch die Möglichkeit zu geben, Proben zu besuchen und mit den Künstlern der Salzburger Festspiele zu arbeiten, auch in Opernproduktionen in Nebenrollen. Zudem konnten sie an Meisterklassen von KS Christa Ludwig, Anne Sofie von Otter und Helmut Deutsch teilnehmen, sowie technisch, körperlich und darstellungsbildend mit Michelle Wegwart, Catharina Lühr und Martina Gredler arbeiten. Darüber hinaus besuchten sie zahlreiche Proben, begegneten renommierten Festspielkünstlern und sammelten somit viele wertvolle Erfahrungen. Eine besondere Stimme, Bühneninstinkt, solide technische Kenntnisse und Leidenschaft sind für die Teilnahme am YSP Voraussetzung. Auch 2019 gab es wieder eine Eigenproduktion, und zwar zum ersten Mal in der Geschichte des YSP eine Uraufführung: „Der Gesang der Zauberinsel oder: wie der rasende Roland wieder zu Verstand kam“. Libretto und Musik stammen von Marius Felix Lange, Dirigent war Ben Glassberg, und für Regie und Ausstattung waren Andreas Weirich und Katja Rotrekl verantwortlich. Lange hatte die Partien in Kenntnis der Stimmen der sieben mitwirkenden Sänger des YSP genau auf sie abgestellt…

Dieses Jahr wie schon zuvor hatte der britische DirigentAdrian Kelly die musikalische Leitung des YSP inne. In der Saison 2019/20 kehrt er als erster ständiger Gastdirigent zum Salzburger Landestheater zurück, wo er von 2010 bis 2017 schon Erster Kapellmeister war. Ferner ist Kelly eng mit dem Buxton Festival verbunden.

Das Abschlusskonzert beginnt mit einer beschwingt vorgetragenen Ouvertüre aus „La Cenerentola“ von G. Rossini. Sodann singt die polnische Sopranistin Joanna Kedzior die Arie der Ewa aus „Hrabina“ (Die Gräfin) von St. Moniuszko, „Per que´ belli labbri“. Kedzior verfügt über einen hell timbrierten, leuchtenden Koloratursopran mit gutem Tiefenregister und liefert einen einnehmenden emotionalen Vortrag. Die spanische Mezzosopranistin Carmen Artaza singt danach gemeinsammit dem kanadischen Tenor Josh Lowell Szene und Duett der Angelina (Cenerentola) und des Don Ramiro aus „La Cenerentola“, „Tutto è deserto – Un soave non so che“ und besticht mit einem auf lyrischer Basis auch zu gewisser Dramatik fähigen Sopran und guter Farbgebung. Lowell lässt einen lyrischen Tenor hören, bestens geeignet für das italienische und französische Fach.Sodann singt der britische Bass Thomas Bennett die Arie des Osmin aus „Die Entführung aus dem Serail“ von W.A. Mozart, „Oh, wie will ich triumphieren“ mit einem eher hellen Timbre bei relativ wenig Volumen in der Tiefe. Die Stimme hat m.E. auch keine allzu große Resonanz.

Ein Terzettschließt sich an, mit Joanna Kedzior als Alcina, dem russischen Countertenor Iurii Iushkevich als Ruggiero und der ukrainischen Mezzosopranistin Valentina Pluzhnikova als Bradamante mit „Non è amor, ne gelosia“ aus „Alcina“ von G. F. Händel. Der noch sehr junge Iushkevich lässt einen klangvollen und geschmeidigen Countertenor hören. Pluzhnikova beeindruckt mit einem leicht abgedunkelten farbigen Mezzo bei sehr guter Tiefe und Kedzior – wie schon gesagt bei ihrem Solo – mit ihrem leuchtenden hellen Sopran. Der neuseeländische Bariton Benson Wilson singt sodann die Kavatine des Belcore „Come Paride vezzoso“ aus „L’elisir d’amore“ von G. Donizetti. Bei einem schönen Timbre und kraftvollem Gesang wirkt die Stimme jedoch etwas verschlossen und einfarbig.

Der kanadische Bassbariton Joel Allison intoniert sodann Rezitativ und Arie des Figaro, „Tutto è disposto – Aprite un po´quegli occhi“ aus „Le nozze di Figaro“ von W. A. Mozart. Er präsentiert einen variationsreichen Bassbariton mit sowohl guter Tiefe als auch Höhe. Hinzu kommen eine nahezu perfekte Diktion und Phasierung. Exzellent! Die irische Sopranistin Sarah Shine folgt mit „Se i padre perdei“, Arie der Ilia aus „Idomeneo“ von W. A. Mozart. Sie hat eine sehr lyrische und flexible Stimme mit guter Höhe und für die lyrischen Qualitäten auch eine gutes Volumen. Allerdings stellt diese Arie keine allzu großen Herausforderungen. Nun kommt die Mezzosopranistin Valentina Pluzhnikova mit ihrem Soloauftritt und singt „Ah scotasti! – Smanie implacabili“, Rezitativ und Arie der Dorabella aus „Così fan tutte“ von W. A. Mozart. Zwar ist ihr Mezzo klangvoll und hat auch starken Aplomb, aber es fehlt etwas an Technik in der Stimmführung.

Vor der Pause kommt gibt es noch ein starkes, gut artikuliertes Sextett, und zwar von Donna Anna, Donna Elvira, Zerlina, Don Ottavio, Leporello und Masetto aus „Don Giovanni“ von W. A. Mozart. Mit Tamara Bounazou (Donna Anna), Marie-Andrée Bouchard-Lesieur (Donna Elvira), Sarah Shine (Zerlina), James Ley (Don Ottavio), Ricardo Bojórquez (Leporello) und Thomas Bennett (Masetto) mit „Sola, sola in buio loco“. Das wurde der erste große Höhepunkt des Abschlusskonzerts!

Nach der Pause geht es mit Josh Lowell weiter, der Rezitativ und Arie des Ernesto „Povero Ernesto – Cercherò lontana terra“ aus „DonPasquale“ von G. Donizetti singt. Lowell hat sehr gute lyrische Höhen, fast vibratofrei, und auch eine gute Attacke. Ein exzellenterVortrag! Man denkt an Juan Diego Florez… Es folgt die französische Mezzosopranistin Marie-Andrée Bouchard-Lesieur mit „Me voilà seule, enfin – Plus grand, dans son obscurité“,Rezitativ und Kavatine der Balkis aus „La Reine de Saba“ von Ch. Gounod. (Das hatte ich noch nie gehört, für mich gab es die nur von Goldmark…!). Satte Tongebung, ausdrucksvoller Gesang und viel Farbe stellt sie unter Beweis, zu denenauch noch eine sehr gute Höhe und Attacke kommen. Ebenfalls vom Feinsten!

Der Mexikaner Ricardo Bojórquez singt sodann die Arie des Rodolfo aus „La Sonambula“ von V. Bellini, „Vi ravviso -o luoghi ameni“. Er begeistert mit einem satten und sehr kantablen Bass mit viel Ausdruck bei hoher Musikalität. Sein Vortrag hat auch viel Charakter. Ebenfalls einer der besten an diesem Abend! Die Französin Tamara Bounazou singt nun den schon recht anspruchsvollen Valse-ariette der Juliette aus „Roméo et Juliette“ von Ch. Gounod, „Je veux vivre“. Sie verfügt über einen sehr farbigen Mezzo mit glanzvollen Höhen und sehr viel Ausdruck. Bei großer Emotionalität sind auch ihre Koloraturen gut, und sie schließt mit einer tollen Höhe ab. Brava! Iurii Iushkevich kommt sodann mit dem Lied des Lehl aus „Snegurocka“ (Schneeflöckchen) von N. Rimski-Korsakow, „Zu dem Donner eineWolke sprach“. Mit einemhell-timbrierten Countertenor und einem sympathischen Vortrag bei viel Ausdruck und großer vokaler Flexibilität gewinnt er zu Recht umgehend die Herzen des Publikums. Super!


Carmen Artaza. Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele

Carmen Artaza singt daraufhin das Chanson des Stéphano aus „Roméo et Juliette“ von Ch. Gounod, „Depuis hier jecheche en vainmonmaitre-Quefais-tu, blanche tourterelle”. Auch sie kann mit einem vollen und ausdrucksstarken Mezzo glänzen, zeigt unglaublich viel Charakter im VortragbeientsprechenderMimik. Auf jedem Ton ist voller Klang mit guter Resonanz zu hören. Das wird wohl ein Bühnentier… Dann kommen Benson Wilson und Joel Allison mit dem Duett des Sir Giorgio Valton und Sir Riccardo Forth aus „I puritani“ von V. Bellini. Allison ist wieder ausgezeichnet, Wilson etwas einfarbig, aber sehr energisch im Vortrag bei guter Resonanz und Höhe. Allison erscheint mir als blendender Bassbariton für das italienische und französische Fach. Ein Höhepunkt! Als letzter Solist tritt James Ley an mit der Arie des Lyonel aus „Martha“ von F. von Flotow. Er geht das Stück allzu zu vorsichtig an, fast depressiv, bei einer schönen lyrischen Mittellage. Dass die Höhe nicht gelingt,mag auch an einer gewissen Nervosität gelegen haben.

Zum Abschluss gab es dann eben die Fuga finale aus „Falstaff“, das berühmte und wohl immer wieder stimmende „Tutto nel mondo è burla“ von G. Verdi. Natürlich waren hier alle 13 Sänger beteiligt. Riesenapplaus, ja stehende Ovationen für alle Beteiligten!

Man kann der Festspielpräsidentin in diesem Falle nur zustimmen, wenn sie ausrief „So schön war’s noch nie!“ Das sind ganz ausgezeichnete junge Sänger mit wohl großen Karrierechancen, wenn sie alles richtig machen. Zum Schluss stellte man auch noch das Ehepaar Kühne vor, dessen Kühne-Stiftung das YSP seit Jahren signifikant fördert. Festspielintendant Markus Hinterhäuser und einige Agenten, für die sich der Weg gelohnt haben könnte, waren auch im Publikum.

Klaus Billand

VILLACH / Congress Center: Carinthischer Sommer Abschlusskonzert mit Mahlers Vierter

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Christiane Karg und Mirga Grazinyte-Tyla. Foto: Carinthischer Sommer

VILLACH / Congress Center: Carinthischer Sommer – Abschlusskonzert mit Mahlers Vierter und frühen Liedern von Benjamin Britten

28. August 2019

Von Manfred A. Schmid

Für den fulminanten Abschluss des diesjährigen sommerlich-bunten Festivalprogramms hat Festivalchef Holger Bleck das City of Birmingham Symphony Orchestra aufgeboten. Das CBSO, wie es von seinen Fans genannt wird, zählt spätestens seit den 90ern Jahren – vor allem dank des charismatischen Wirkens seines damaligen Chefdirigenten Simon Rattle – zu den renommiertesten Klangkörpern Europas. Sir Simon wurde für seine Verdienste bekanntlich von der Queen geadelt und landete alsbald bei den Berliner Philharmonikern. Seit Beginn der Saison 2016/2017 ist – als unmittelbare Nachfolgerin von Andris Nelsons – die junge, aus Litauen stammende und in Graz ausgebildete Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla Musikdirektorin des Orchesters. Erwartungsvolle Spannung also im nicht voll besetzten Villacher Congress Center. Nicht nur wegen der Dirigentin, sondern auch wegen des ganz und gar nicht alltäglichen Programms. Und natürlich nicht zuletzt auch wegen der Gesangssolistin des Abends, steht mit Christiane Karg doch eine lyrische Sopranistin auf der Bühne, die neben der Oper vor allem auch als Konzert- und Liedsängerin hochgeschätzt ist.

Begonnen wird mit einem zeitgenössischen britischen Komponisten, von dem hierzulande wohl noch kaum jemand gehört hat. Oliver Knudsen, im Vorjahr 66-jährig verstorben, ist in seiner Heimat durch zwei von ihm geschriebenen Kinderopern bekannt geworden. Eine davon, Higglety Pigglety Pop!, handelt von einer kleinen Hündin namens Jennie, die in einer Art abenteuerlichen coming of age-story ein paar unheimliche Erfahrungen durchmachen muss, bis sie schließlich als Mitglied einer Theatergruppe zum Bühnenstar avanciert. Knudsen hat daraus ein dreisätziges „Orchesterpotpourri“ gemacht, voll von trockenem bis schwarzem Humor. Ziemlich schräg und britisch, könnte man wohl sagen. Unter der leichten, nichtsdestoweniger zupackenden Hand von Grazinyte-Tyla wird vom Orchester ein farbenreicher, geheimnisvoller Zauber entfacht, beklemmend und surreal, bis sich alles in Wohlgefallen auflöst. Eine verspielte, charmante Nettigkeit, die schmeckt wie ein Zuckerl Marke „Fisherman´s Friend“: ein bisschen scharf, aber doch irgendwie süß. Etwas, das man in England wohl „an acquired taste“ zu nennen pflegt.

Auch das zweite Stück punktet mit dem Überraschungseffekt. Benjamin Britten hat seine teils duftigen, teils schwermütigen Quatre Chansons Francaises nach Texten von Victor Hugo und Paul Verlaine im – unglaublichen – Alter von 14 Jahren geschrieben. Er steht hier musikalisch ganz im Bann der Melodien und impressionistisch angehauchten Klänge der französischen Spätromantik und lässt sich hörbar auch von den exotischen, berauschenden Tönen der französischen Sprache verführen. Christiane Karg, die diese frühen Kompositionen Brittens auch schon auf ihrer jüngsten CD Parfum eingesungen hat, taucht ein in diese Klangwelt und lässt das Publikum miterleben, wie sich der junge Komponist auf den Spuren von Debussy und Ravel dem mittelmeerischen Esprit annähert. Im zweiten Stück „Sagesse“ (Gedicht von Paul Verlaine) setzt Grazinyte-Tyla auf den von Streichern und Harfe geformten, idyllischen Pianissimo-Klang, als Abbild eines stillen blauen Himmels, dann gesellt sich die Oboe als Vogelstimme hinzu, und ein trauriges Lied hebt an. Sinnesfreude und Vergänglichkeit, Blühen und Verwelken durchziehen thematisch alle vier Lieder. Deren tiefschürfende Auslotung durch den jungen Britten zeugt von einem großen literarischen Verständnis und einer erstaunlichen kompositorischen Erfindungsgabe und Orchestrierfähigkeit

Nach der Pause gilt es dann, einen wahrlich „schweren Brocken“ zu stemmen. Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 4 G-Dur. Durchaus Widersprüchliches hat der Komponist dazu geäußert und damit die Verunsicherung mehr gesteigert als zu einer Klärung beigetragen. Ursprünglich habe er nur eine „symphonische Humoreske“ schreiben wollen, unter der Hand sei dann doch noch „das normale Maß einer Symphonie“ daraus geworden. Die Partitur ist voll von heiteren, ländlichen Klängen und Melodien, Weisen, die zum Mittanzen und Mitsummen anregen, und dann klingt es, an manchen Stellen, „wie wenn der Tod aufspielt“. Totentanz und krachlederner Hopser – wie geht das zusammen? Wird die vorgespielte romantische Idylle, wie beim großen Heinrich Heine, letztlich nicht doch immer unterhöhlt von der feinen Ironie? Dagegen spricht wiederum seine eindeutige und klare Anweisung an die Sopranistin, sie habe das im 4. Satz eingeschobene Wunderhorn-Lied „Das himmlische Leben“ „mit kindlich heiterem Ausdruck; durchaus ohne Parodie!“ zu singen (und die Solistin Christiane Karg befolgt das auch!). Und wie ist das mit der umgestimmten Solovioline im zweiten Satz gemeint, mit der Mahler den Tod aufspielen lässt, und zwar, wie er verlangt, „sehr zufahrend (Wie eine Fidel)“?

All diese Fragen und mehr hat sich gewissenhaft auch die Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla beim Vorbereiten und Erarbeiten der Partitur mit ihrem Orchester gestellt. Wie sie das viersätzige Werk erklingen lässt, zeigt, dass es eine endgültige Klärung nicht gibt. Es bleibt alles in wundersamer Schwebe, und das macht den bezwingenden Reiz dieser rätselhaften, nur gute eine Stunde dauernde Sinfonie auch aus. Vortragsbezeichnungen wie „recht gemächlich“ oder „sehr behaglich“ insinuieren, dass es hier gewiss nicht darum geht, emotionalen Überdruck zu erzeugen. Daher bietet auch das Finale – mit dem von Christiane Karg schlicht und innig vorgetragene Lied – keine monumentale Übersteigerung, wie sonst bei Mahler üblich, sondern verspricht Geborgenheit. Aber – wie so oft bei diesem Meister der Stimm- und Stimmungsschwankungen  –  man sollte sich ja nicht in Sicherheit wiegen: Auch seine Vierte hat  einen doppelten Boden. Stimmungen kippen, und man nimmt es kaum wahr, Erwartungen werden enttäuscht, und man wähnt sich weiterhin in trügerischer Sicherheit. Im scheinbar naiven Idyll von Flötenklängen und im Schellengeläute lauern immer schon die Abgründe. – All dies angedeutet zu haben, ohne dadurch das Publikum allzu sehr zu verstören, ist eine Leistung, die nicht hoch genug geschätzt werden kannt. Und gerade das ist an diesem Abend dem fein musizierenden City of Birmingham Symphony Orchestra, der herrlich „naiv“ singenden Christane Karg und der musikalischen Leiterin Mirga Grazinyte-Tyla, die Mahlers Ambiguitäten ernst nimmt, hervorragend gelungen.

Für den herzlichen Applaus bedankt sich das Orchester mit einer kurzen Mahler-Zugabe. Die Dirigentin aber retourniert dann den Dank an die Zuhörerschaft und lädt alle nächstes Jahr nach Birmingham, wo das im Jahr 1920 mit einem von Edward Elgar geleíteten Konzert begründete Orchester sein 100-Jahr-Jubiläum feiern wird.

Manfred A. Schmid

28.8.2019

 

SALZBURG/ Festspiele: SALOME

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Asmik Grigorian (Salome), Gabor Breetz (Jochanaan). Foto: Ruth Walz/ Salzburger Festspiele

SALZBURG/Festspiele: SALOME WA am 25. August 2019

Festspielintendant Markus Hinterhäuser hatte die blendende Idee, Richard Strauss‘ „Salome“ des meiner Ansicht nach großartigen Regisseurs Romeo Castellucci, der mir schon mit seinem „Parsifal“ 2011 in Brüssel am Munt positiv aufgefallen war, nach ihrer Premiere 2018 noch einmal mit drei Vorstellungen anzusetzen. Als einzige Oper hatte er sie damit aus dem Vorjahr übernommen. Das war nicht nur berechtigt, sondern zahlte sich auch aus, wenn man es am Publikumszuspruch an diesem Premieren-Abend bemessen möchte sowie an der Tatsache, dass alle drei Aufführungen wieder ausverkauft waren. Ungewöhnlich viel politische Prominenz hatte sich eingefunden, darunter Ursula von der Leyen, der ehem. deutsche Bundespräsident Horst Köhler, Ursula Plassnik und Wolfgang Schüssel, was mich angesichts genau dieser Oper und der ganz speziellen Art und Weise, wie Castellucci sie deutet – denn das war ja bekannt – etwas wunderte, zumal auch noch ohne Pause…

Als absoluter Star des Abends in der Felsenreitschule strahlte wieder einmal die litauische Sopranistin Asmik Grigorian mit einer schier unermüdlichen und unverwüstlichen Stimme, die selbst noch in den letzten Momenten wie von Katapulten abgeschossen auf das Publikum niederging – mit all ihren Facetten von mädchenhafter Naivität, Ignoranz, Abenteurertum, Boshaftigkeit, Rachegefühlen und finalem Untergang – im wirklich letzten Bild, als ihr die ganze Dimension ihrer Handlungen klar zu werden schien – da weinte sie sogar! Also auch darstellerisch eine Leistung der Sonderklasse! Der Ungar Gábor Betz singt eindringlich mit exzellenter Phrasierung sowie Diktion und spielt vor allem auch wieder den Jochanaan mit seinen düsteren und maskulinen Apercus, wie schon zu Beginn an der Wand hängendem Pferdegeschirr, später einem dunklen Hengst. Ein solcher ist sicher als Metapher männlicher Potenz aufzufassen, zumindest in dieser Inszenierung, und wie Salome darauf reagiert…

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Asmik Grigorian. Foto: Ruth Walz/ Salzburger Festspiele

John Daszak gibt wieder diesen eigenartigen, leicht verrückten und, bis es zur grausamen Realität kommt, stets von zwei Statisten geführten Herodes, der offensichtlich nicht Herr seines (Viertel-)Reiches ist und permanent Führung benötigt – eben ein Schwächling, für den Herodias ihn ohnehin hält. Das macht Anna Maria Chiuri auch vokal eindrucksvoll deutlich, die mit ausdrucksstarkem Mezzo bei jeder Gelegenheit hören und sehen lässt, was sie von ihrem zweiten Ehemann, dem Bruder ihres ersten, hält. Julian Prégardien sang einen wohlklingenden Narraboth mit hellem Tenor, immer unter Obhut des guten und besorgten Pagen von Christina Bock, bis es nicht mehr geht und er in sein Schicksal läuft… Man lässt ihn lange achtlos liegen. Die Befehle dieses Herodes‘ wie „Fort mit ihm!“ haben offenbar schon lange keine Wirkung mehr…

In den Nebenrollen sind durchwegs gute gesangliche Leistungen bei von der Regie ganz bewusst reduzierter schauspielerischer Aktivität zu konstatieren. Tilman Rönnebeck ist ein klangvoller Erster Nazarener, sein Kollege Pawel Trojak steht ihm als Zweiter kaum nach, singt aber auch fast nichts. Sowohl Peter Kellner als auch Dashon Burton lassen gute Stimmen für den Ersten und Zweiten Soldaten hören. Burton gewann beim 61. Internationalen Musikwettbewerb der ARD München 2012 übrigens den 2. Preis. Matthäus Schmidlechner, Mathias Frey, Kristofer Lundin, Joshua Whitener und David Steffens streiten sich als Juden wirr und vokal ansprechend über ihre Religion. Thomas Bennett singt die wenigen Zeilen des Kappadoziers als Teilnehmer des YSP (Bericht in diesem Heft).


John Daszak (Herodes). Foto: Ruth Walz/ Salzburger Festspiele

Die Inszenierung Castelluccis, der ja auch für Bühne, Kostüme und Licht verantwortlich zeichnet, mit einer ebenso ungewohnten wie interessanten Choreografie von Cindy van Acker und dramaturgischer Unterstützung von Piersandra Di Matteo, besticht einmal mehr durch ihre ungeheure Bildersprache und die Art und Weise, wie sich die Figuren auf der Riesenbühne der Felsenreitschule bewegen, die wie der Thron und andere Herrscher-Apercus ganz in Gold gefasst ist, um die allerdings nur vordergründige und oberflächliche Macht des Herodischen Viertel-Reiches mit dem kostbarsten und begehrtesten Metall zu versinnbildlichen. Man denkt unwillkürlich an den Trump-Tower… Die so charakteristischen Galerien der Felsenreitschule sind zudem total verschlossen, sodass sich eine einzige riesige Steinfläche ergibt, die den Akteuren die Luft abzuschneiden scheint und aus dem es kein Entrinnen gibt, es sei denn der Tod – ganz dem Drama entsprechend. „TE SAXA LOQUUNTUR“ schreibt Castellucci auf den Bühnenvorhang, was so viel heißt wie „Von dir sprechen die Steine.“ Diese Inschrift wurde vom Salzburger Neutor übernommen.


Erotischer Tanz. Asmik Grigorian (Salome). Foto: Ruth Walz/ Salzburger Festspiele

 

Dass Blut fließen wird, zeigen schon von Beginn an die Gesichter der Akteure – bis auf jenes von Herodias, das grün ist – denn sie sind zur unteren Hälfte blutrot bemalt. Auch bei Salome ist Blut zu sehen, als roter Fleck auf der Hinterseite ihres weißen Prinzessinnengewandes. Genau dort also, wo eine unbemerkte – weil noch unbekannte – Menstruation sich optisch ihren Weg bahnt. Das ist sicher ein Ergebnis ihrer just zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens mit Jochanaan – und wohl genau deswegen – beginnenden Sexualität… Denn das Erlebnis des finsteren, schwarz angemalten Propheten mit schwarzem Bärenfell aus einem furchteinflößenden dunklen Loch im Goldboden des Tempelgartens und seiner archetypischen Bewegungen, von zwei Statisten hinter ihm sonderbar entfremdet, müssen einen unglaublichen Eindruck auf das Mädchen machen, als das Asmik Grigorian hier erscheint. Bedrohlich auch der dunkle kreisrunde Schatten, der mit seinem Ausstieg aus der Zisterne auf der Felswand erscheint und immer größer und bedrohlicher wird – bis die ganze Wand verdunkelt ist – wie bei einer Sonnenfinsternis. Noch nie habe ich den Ausstieg des Jochanaan aus der Zisterne so intensiv, spannend und bedrohlich erlebt. Ein Meisterstück der Regie!!

Immer wieder verstört Castellucci durch scheinbar überflüssige Nebenpersonen bzw. Nebenschauplätze, die offenbar zu seinem Duktus gehören, das wirklich Wesentliche noch stärker hervorzuheben bzw. die absolute Sinnleere solchen Handelns am hedonistischen Hof des Herodes aufzuzeigen – ganz auf Linie mit dem irren Verhalten des Tetrarchen. So wird bereits der Boden gereinigt, obwohl noch gar kein Blut darauf geflossen ist, zumal die sicher gewaltsam ins Jenseits Beförderten sorgsam verpackt in Plastiksäcken entsorgt werden. Oder eine Gruppe von Vermessern der Felsenreitschule, also des Tempelgartens, tritt ein und macht ihre Sache kaum halb, wobei man ohnehin nicht weiß, warum. Zwei Boxer stellen sich auf, kämpfen aber gar nicht und gehen unverrichteter Dinge wieder ab. Die Musiker einer kleinen Kapelle rühren keinen Finger (Gott sei Dank!) und verschwinden wieder, zusammen mit den nicht genutzten Stehlampen, die aus dem Film „Arsen und Spitzenhäubchen“ aus dem Jahre 1944 stammen könnten…

In anderen Momenten wiederum sehen wir Szenen, in denen außer den Protagonisten niemand auf der Bühne ist. So erleben wir Salomes Tanz, der gar keiner ist, weil er m.E. schon viel früher stattgefunden hat, ohne jede Person auf der Bühne. Die Prinzessin ist in einem embryonalen Zustand der Nacktheit auf dem goldenen Thron wie ein Geschenk für den ohnehin wohl impotenten Herodes auf einem Quader mit der Inschrift „SAXA“ (Felsen) drapiert. Kaum schaut er während der wunderbaren Tanzmusik hin, die man so einmal in ihrer vollen Pracht und einzigartigen Facettenreichtum erleben kann, ohne von Schleierwürfen abgelenkt zu werden. Gegen Ende dieser Musik kommt vom Schnürboden ein quadratischer Stein herunter, in dem Salome schließlich verschwindet – sie wird (für Herodes) zu Stein.

Bei immerhin schon einigen erlebten „Salome“-Inszenierungen erschien mir noch nie so schlüssig und nachhaltig klar, wie sehr ihre Abweisung durch Jochanaan das grausame Ende der Oper bestimmt. Das geht hier wie ein Pfeil durch das Geschehen, auch wenn Salome gar nicht agiert, sondern in einer Ecke kauert – und das ganz unabhängig von all den Nebenpersonen und -schauplätzen. Castellucci hat dies auf der sexuellen Ebene meines Erachtens noch damit akzentuiert, dass er Salome zur ja recht langen Abgangs-Musik des Propheten in die Zisterne einen völlig beinfreien erotischen „Tanz“ im Liegen vollführen lässt. Dieser endet ganz offensichtlich mit einem Orgasmus, aus dessen Erschöpfung sie erst erwacht, als Herodes mit seiner Entourage samt Hoffotograf polternd auf die Bühne kommt. DAS war für mich Salomes Tanz! Ein Tanz für Jochanaan! Zuvor hat sie sich den Pferdesattel übergezogen, der ihr von einem der Helfer des Jochanan entgegen geworfen wurde und unter dem sie nun relativ eindeutige Bewegungen vollführt – auch das wohl eine Form ihres sexuellen Angebots an Jochanaan. Denn vorher sind sie sich einen kurzen Moment ganz nahe gekommen, in dem er sie sogar leicht umarmte, um sie dann sofort wieder von sich zu stoßen – eine nachdenkenswerte und völlig offene Szene, mit der uns der Regisseur in gewisse Zweifel bringt.

Über diese „Salome“ lässt sich unendlich lange und interessant diskutieren. Ist es nicht genau das, was das Musiktheater leisten kann und soll, wenn es nur GUT gemacht ist?! Und was es wiederum interessant macht? Ich warte auf den „Ring des Nibelungen“ von Romeo Castellucci, eigentlich schon seit 2011…

Franz Welser-Möst zeigte am Pult der Wiener Philharmoniker seine und deren ganze Kompetenz beim Entziffern der genialen Partitur von Richard Strauss. Er verstand insbesondere die ruhigeren Phasen und kontemplativen Momente fein ausmusizieren zu lassen und konnte dann bei den dramatischen Szenen noch stärker auftrumpfen. Nie aber wurde es pathetisch oder gar zu laut – oft klang es geradezu kammermusikalisch. Das genau liegt ja auch in der Musik der „Salome“, die mitten im Verismo eine ganz neue Stilrichtung vorgab. Musikalisch war es also ebenfalls ein großer Abend! Wenn er auch nur eine Stunde und fünfzig Minuten dauerte, so kam er mir aufgrund seiner Spannung und Detailliertheit wie vier Stunden vor… Musiktheater at its best!                                                  

Klaus Billand                                                                             

 

 

 


SALZBURG/ Festspiele: WIENER PHILHARMONIKER MIT BERNARD HAITINK

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Foto: Neumayr/Salzburger Festspiele

SALZBURG/Festspiele: Wiener Philharmoniker mit Bernard Haitink am 30. August 2019

Ein ganz Großer tritt ab

Gestern Abend hielt die Salzburger Festspielwelt für einen langen Moment den Atem an. Der niederländische Maestro Bernard Haitink, mittlerweile 90 Jahre alt, tritt endgültig von der Salzburger Bühne ab mit einem Konzertabend mit den Wiener Philharmonikern, die ihn soeben zu ihrem Ehrendirigenten ernannt haben. Schon das Konzert für Klavier undOrchester Nr. 4 G-Dur op. 58 von Ludwig van Beethoven mit Emmanuel Ax am Flügel, der für den erkrankten Murray Perahia eingesprungen war, ließ eine ganz bestimmte auratische Stimmung im Saal entstehen, der sich offenbar der Bedeutung des Abends bewusst war. Mit einer nahezu göttlichen Ruhe erklang dieser Beethoven mit einer exzellenten Harmonie zwischen dem Dirigenten und dem großartigen Pianisten Ax, wobei Haitink ihn gar nicht im Blick hatte. Eine Zusammenarbeit wie im Traum…

Nach der Pause dann die mit großer Spannung erwartete Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 von Anton Bruckner! Ein Riesenorchster saß auf der Bühne mit 50 Streichern, darunter 10 Celli, 8 Kontrabässe und einem enormen Blechbläsersatz mit 5 Hörnern und 4 Wagner-Tuben etc., insgesamt zählte ich 88 Musiker, darunter aber nur 5 Frauen. Mit moderaten Schlägen konnte Haitink das Orchester zu einer Spitzenleistung motivieren. Bruckners Siebte erklang mit all ihren Facetten, die man sich wünschen kann, von sublimen Zwischentönen, kaum hörbaren Piani bis zu den gewaltigen Crescendo und Ausbrüchen im Tutti, die für den österreichischen Komponisten so charakteristisch sind. Es wurde ein Manifest für Bernard Haitinks letzten Auftritt in Salzburg! Er wird nur noch wenige Konzerte an anderer Stelle leiten und sich dann ganz zurückziehen. Wir wünschen ihm das Allerbeste und vor allen noch lange gute Gesundheit!

Klaus Billand aus Salzburg

BERN/ Konzert Theater: CARMEN. Wiederaufnahme

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Georges Bizet: Carmen, Konzert Theater Bern, Wiederaufnahme: 30.08.2019

 

Die Blume ist ein Handschuh

 «Carmen» gehört zu den populärsten Opern überhaupt und so wird Bizets Opus ultimum als Erfolgsproduktion der Saison 2017/2018 nun von Konzert Theater Bern zur Eröffnung der neuen Saison wiederaufgenommen.

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In der Wiederaufnahme ist nun praktisch zu erleben, warum das so ist. Mario Venzago dirigiert ein hervorragend disponiertes Berner Symphonieorchester: im Graben glühen die Leidenschaften und auch wenn mit der grossen Kelle angerichtet wird, ist der Klang nie breiig. Mit klug gewählten Tempi gelingt es Venzago die Spannung vom Anfang bis zum Ende aufrechtzuerhalten und die Farben der Partitur zum Leuchten zu bringen.

Claude Eichenberger als Carmen ist massgeblich mitverantwortlich für den Erfolg der Produktion und kann, trotz einer Indisposition nach einer überstandenen Bronchitis, auch an diesem Abend voll und ganz überzeugen. Mit grosser Bühnenpräsenz und dem Farbenreichtum ihrer nicht wirklich eingeschränkt scheinenden Stimme macht sie Carmen zur wirklichen Femme fatale. Xavier Moreno als Don José ist ihren Reizen sofort und vollumfänglich mit seinem strahlenden Tenor erlegen. Jordan Shanahan singt den Escamillo mit kraftvollem Bariton und virilen Farben, so dass man ihm den Toreador glaubhaft abnimmt.  Todd Boyce ist ein herrlicher Moralès und Young Kwon gibt Zuniga. Nazariy Sadivskyy und Andris Cloete führen als Dancairo und Remendado die Geschäfte der Schmuggler. Oriane Pons als Micaela erledigt ihre Aufgabe tadellos, ist aber leider keine wirklich ideale Besetzung: die Stimme ist viel zu dramatisch. Orsolya Nyakas und Eleonora Vacchi sind Carmens Freundinnen Frasquita und Mercedes und können gerade in der Karten-Szene des dritten Aktes überzeugen.

Mit sommerlicher Frische überzeugen bestens verständlich die Chöre: Chor und Extrachor Konzert Theater Bern (einstudiert von Zsolt Czetener)sowie der Kinderchor Singschule Köniz. Mit grosser Spielfreude im Einsatz ist die Statisterie Konzert Theater Bern.

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Philipp Fürhofer (Bühne und Kostüme) hat für die von Alexander Kreuselberg wiedereinstudierte Inszenierung von Stephan Märki einen bildmächtigen Rahmen geschaffen. Dabei unterstützen ihn die Videos von Fabian Chiquet und die Lichtgestaltung von Bernd Purkrabek. Zu Beginn und zum Schluss spiegelt eine portalfüllende Spiegelwand den Zuschauerraum und das Publikum. Im Verlauf der Oper bekommt diese Spiegelwand Risse oder einzelne Segmente werden zur Seite geschoben und geben den Blick auf eine leere Werbetafel, wie sie neben einer Autobahn stehen könnte, frei.

Bereits in der Ouvertüre wird These des Stücks exponiert: Carmen als von Anfang an gefährdete Frau. Nach durchgemachter Nacht steht sie, die in ihrem kurzen Leben alles erlebt hat, auf der Brücke, verweigert dem (vom Regieteam hinzuerfundenen) Todesjoker (Vittorio Bertolli, Tänzer) den Kuss. Im Schnelldurchlauf führt er Carmen, bevor sie am Schluss, praktisch gleiche Situation wie während der Ouvertüre, den Kuss dann doch gibt, die Stationen ihres Lebens nocheinmal vor Augen. So auch den Moment, als sie Jose statt einer Blume einen roten Handschuh vor die Füsse wirft.

Die Zuschauer sind nicht nur durch die Spiegelwand ins Geschehen miteinbezogen, sondern auch durch den im Zuschauerraum befindlichen Chor, die Auftritte der männlichen Figuren aus dem Zuschauerraum und den Steg, der um den Graben herumführt.

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Von der Praxisseite her gesehen, ein absolut überzeugender Abend!

Leider weit weniger überzeugend ist die theoretische Seite. Bei Carmen stellt sich mit jeder Produktion die Frage nach der Fassung: Wählt man die noch zu Lebzeiten des Komponisten entstandene Dialog-Fassung der Premiere oder die von Bizets Studienkollegen ergänzte Rezitativ-Fassung der Wiener Erstaufführung?

Das Leading Team hat sich entschlossen für die Berner Produktion eine eigene Fassung zu erstellen. Der Entscheid, die Wahl der Rezitativfassung mit der „Wahrung des hohen Operntons“ und dann die Streichung der Rezitative dann mit gesteigerter psychologischer Stringenz zu rechtfertigen, zeugt dann doch von im positiven Falle willentlicher Ausblendung der Erkenntnisse der Musikgeschichte. Ebenso die Integration „bisher nicht veröffentlichter Stücke“.

Im Falle der „Carmen“ läge es nahe, sich für die Dialogfassung der Uraufführung zu entscheiden, denn diese Fassung ist die vom Komponisten autorisierte und vollendete. Die Dialogfassung „Carmen“ steht ohne Frage in der Tradition der französischen Opéra. Wenn das Programmheft behauptet, das Werk stehe sicher weniger in der Tradition der französischen Opéra comique im Stil von Offenbach mit seinen Verwechslungen und Verballhornungen, als eher in der Nachfolge von Mozarts Dramma giocoso, stimmt dies einerseits, zeugt die Verkürzung der Opéra comique auf Offenbach andererseits von einem erschreckend geringen Wissen um die Geschichte der französischen Oper.

 

Weitere Aufführungen: So, 01. September 2019, 18:00, Stadttheater; Fr, 06. September 2019, 19:30, Stadttheater; Mi, 11. September 2019, 19:30, Stadttheater; Sa, 14. September 2019, 19:30, Stadttheater; Di, 17. September 2019, 19:30, Stadttheater.

 

07.09.2019, Jan Krobot/Zürich

SALZBURG/ Festspiele/ Großes Festspielhaus_ LUISA MILLER – konzertant. Abschluss der diesjährigen Festspiele

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Jubel nach „Luisa Miller“. Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele: 31.08.2019 Sbg/GH „Luisa Miller“

Ende gut, alles gut. Ein passendes Sprichwort, sowohl für die Salzburger Festspiele, als auch für das Auftreten Placido Domingos. Das Festival hatte seinen prächtigen musikalischen Abschluss, Domingo wurde wie bei der ersten Aufführung mit Standing Ovations begrüßt.

Eine konzertant aufgeführte Oper hat ihre Tücken, die Sänger bemühen sich, nicht kerzengrade und ohne Emotionen auf der Bühne zu stehen, die Auftritte sollen so unauffällig wie möglich ablaufen, kein Sänger sollte zu lange auf seinen Einsatz warten müssen, aber auch nicht auf die Bühne sprinten. Luisa Miller ist eine Oper, die die Interaktion braucht, weshalb sie szenisch wohl besser zur Geltung kommt als konzertant.


Nino Machaidze (Luisa). Foto: Marco Borrelli/ Salzburger Festspiele

Bei dem Staraufgebot war aber ein Misserfolg von Vorneherein auszuschließen, jeder Einwand wäre Haarspalterei. Nino Machaidze sang die Titelrolle mit sehr viel Kraft, vielleicht eine Spur zu dramatisch, aber mit sicherer Höhe und klarer Diktion. Als Federica war Yulia Matochkina zu hören, ihr samtweicher Mezzo war in der kleinen Rolle der verschmähten Braut ein Luxus. Roberto Tagliavini sang den Conte di Walter, sein kraftvoller Bass, sowohl in der Höhe als auch in tiefen Lagen ein Ohrenschmaus. John Relyea war der furchtbare Wurm. Auch er setzte seine mächtige Stimme bestens ein. In der Rolle der Laura (und als Verstärkung für die prächtig singende Konzertvereinigung Wiener Staatsoper) konnte Cecilia Molinari sehr gut gefallen. Piotr Beczala bewies in der dankbaren Rolle des Rodolfo, dass er wohl derzeit der beste Tenor des italienischen Faches ist. Strahlende Höhe, wohlklingende Mittellage und ein traumhaft schönes Timbre – was will man mehr?

James Conlon war ein umsichtiger Leiter des Mozarteumorchesters, das weit mehr als ein routinierter Klangkörper für symphonische Werke ist.

Bleibt zum Schluss der Held vieler Opernabende, Placido Domingo. Wie schon im Vorjahr an der MET, sang er die Rolle des alten Miller. Zu Beginn vielleicht ein wenig verhalten, kam seine immer noch und immer wieder begeisternde Stimme zur vollen Entfaltung. Seine Technik erlaubt es auch in seinem Alter, auch schwierige Rollen bestens zu interpretieren. Wenn gelegentlich der eine oder andere Ton etwas kürzer angesungen wird, so muss man dennoch die große Klasse, die er immer noch besitzt, bewundern. Das Publikum war zurecht begeistert, nicht ganz selbstverständlich bei der Aufführung eines im Repertoirebetrieb eher stiefmütterlich behandelten Werkes.

Johannes Marksteiner

HOMBRECHTIKON/ Schweiz/ Operettenbühne: DER BETTELSTUDENT von Carl Millöcker

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Carl Millöcker: Der Bettelstudent, Operette Hombrechtikon, Premiere: 31.08.2019

«Kasimir, wie der Reis»?

Wie schon in den vergangenen Jahren vermag die Operette Hombrechtikon (https://www.operettehombrechtikon.ch/) auch dieses Jahr wieder mit Spielfreude, Leidenschaft und Qualität zu überzeugen.


Foto: Thomas Entzeroth

Nach 2006 wird erneut Carl Millöckers «Der Bettelstudent» aufgeführt und überzeugt durch die frische und farbenfrohe, qualitativ hochstehende Umsetzung. Dave Leuthold (Bühnenbild) hat für die Inszenierung von Bettina Dieterle (Regie/Bühne/Choreographie) ein schlichtes, zeitgemässes Bühnenbild geschaffen. Mit einer Drehung der Kulissenteile wird aus der Gefängnislandschaft des ersten Bildes im Nu ein Innenraum, der, bis zum Aufstand, der wieder im Gefängnis spielt, alle Szenen abdeckt. Mit wenigen, charakteristischen Versatzstücken wird dann die entsprechende Atmosphäre geschaffen. Die Kostüme (Isabel Schumacher) wurden mit besonderer Sorgfalt umgesetzt: die Gräfin Nowalska tritt als Mischung zwischen Birgit Steinegger und Tina Turner auf, Oberst Ollendorf erinnert an habsburgische Herrscher und General Jaruzelski stand (warum auch immer) Pate für die Kostüme von Ollendorfs Entourage.


Foto: Thomas Entzeroth

Unter Caspar Dechmann (Musikalische Gesamtleitung) überzeugt das Orchester der Operettenbühne Hombrechtikon mit leidenschaftlichem Spiel und Schmiss und sauberem, immer durchhörbarem Klang. Arrangiert von Robbert van Steijn (Arrangement und Korrepetition) wird die Aufführung so zum grossen Vergnügen. (So zum Beispiel die für den Titel verwendete Frage Jans, als er von Ollendorf zu Fürst Adam vernommen wird). Daniel Zihlmann überzeugt als Bettelstudent Symon Rymanowicz mit heldischem Tenor und harmoniert bestens mit seinem Sekretär Jan Janicki (eher lyrisch Max von Lütgendorff). Genauso leidenschaftlich und hervoragend komödiantisch die drei Damen der Familie Nowalska: Catherine Frey als Gräfin Palmatica Nowalska, Rebekka Maeder als Laura, ihre ältere Tochter und Jacqueline Oesch als Bronislawa, die jüngere Tochter. Erich Bieri ist Gouverneur Oberst Ollendorf. O.O.O.: Oberst Otto Ollendorf. Dem Libretto entsprechend legt er die Partie grandios im Sinne von (Agent) 0 0 0 an. Jürg Peter als Leutnant von Schweidnitz, Mario S. Misteli (Chorsolist) als Rittmeister von Henrici, Andreas Schiller (Chorsolist) als Kornett von Richthofen und Dieter Werner (Chorsolist) als Major von Wangenheim stehen ihm dabei in nichts nach. Sie brillieren in ihrer grossen Nummer („Schwamm drüber“) herrlich mit satirischen Versen auf das Zeitgeschehen. Jürg Peter gibt auch den Gefängniswärter Enterich, untersützt von Felix Bühler (Chorsolist) als Piffke und Riccardo Lozza (Chorsolist) als Puffke. Der Chor der der Operettenbühne Hombrechtikon und die Kinder der Operettenbühne Hombrechtikon verleihen dem Geschehen bestens verständlich die entsprechende Stimmung.

NICHT VERPASSEN: Beste Unterhaltung in wunderbar familiärem Rahmen!

Weitere Aufführungen: FR 06. SEPT 19:30 UHR , SA 07. SEPT 19:30 UHR , SO 08. SEPT 15:00 UHR , FR 13. SEPT 19:30 UHR , SA 14. SEPT 19:30 UHR, SO 15. SEPT 15:00 UHR, FR 20. S EPT 19:30 UHR, SA
21. SEPT 19:30 UHR, SO 22. SEPT 15:00 UHR, FR 27. SEPT 19:30 UHR, SA 28. SEPT 19:30 UHR, SO 29. SEPT 15:00 UHR , FR 04. OKT 19:30 UHR, SA 05. OKT 19:00 UHR.

01.09.2019, Jan Krobot/Zürich

BADEN/ Sommerarena: ZIGEUNERLIEBE von Franz Lehár. Derniere

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Star des Abends war der in China geborene Vincent Schirrmacher in der Rolle des „Zigeunergeigers“ (Foto: Christian Husar)

Operetten-Rarität in der Sommerarena Baden: „Zigeunerliebe“ von Franz Lehár (Derniere: 31. 8. 2019)

Mit einer musikalischen Rarität wartete die Bühne Baden in der ausverkauften Sommerarena auf: „Zigeunerliebe“ von Franz Lehár. Sie wurde damit neuerlich ihrem Ruf als führende Operettenstadt gerecht. Diese romantische Operette in drei Akten, deren Uraufführung im Wiener Carl-Theater am 8. Jänner 1910 Lehár selbst dirigierte, wurde noch im selben Jahr in Berlin und Hamburg gespielt und etablierte sich als „sentimentale Ungarn-Operette“. Sie wurde unter anderem in Kalkutta, Sydney, New York, San Francisco und sogar in Darjeeling am Fuße des Himalaja aufgeführt.

Unerklärbar, warum die Operette Zigeunerliebe danach nur noch selten zur Aufführung gelangte, galt die Partitur des Komponisten doch „melodisch so erfinderisch, harmonisch so verwegen, klanglich so farbenreich“, wie der deutsche Musikwissenschaftler Norbert Linke im  informativen Programmheft schreibt. „Kaum eine zweite entwirft so vielfältige unermüdliche Rhythmen, kaum eine zweite auch mobilisiert ungarische und zigeunerische Volksmusik derart triftig, aber auch mit derart unverwechselbarem persönlichem Stil.“

 Im Juni 2011 wurde Lehárs Operette übrigens in Leipzig in der Musikalischen Komödie, einer Dependance der Oper Leipzig, halbszenisch aufgeführt. Der Online-Merker veröffentlichte damals meinen Bericht.

Die Handlung von Zigeunerliebe, deren Libretto Robert Bodanzky und Alfred Maria Willner verfassten, wechselt zwischen Traum und Wirklichkeit und sorgt für phantasie- und geheimnisvolle Situationen. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Rumänien und Ungarn angesiedelte Geschichte führt ins wilde, düstere Tal des Flusses Czerna, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Die Bojaren-Tochter Zorika steht vor ihrer Verlobung mit dem jungen Bojaren Jonel, ist sich aber ihrer Liebe nicht sicher. Um Klarheit zu gewinnen, geht sie ans Flussufer, wo ihr Józsi, der wilde Zigeuner mit der Zaubergeige begegnet, der auf sie sofort eine große Faszination ausübt. Ratlos, wie sie sich entscheiden soll, erinnert sie sich an einen alten Volksglauben, nach dem ein Mädchen, das in der Verlobungsnacht Wasser aus der Czerna trinkt, ihre Zukunft voraussehen könne. Zorika trinkt davon, sinkt in den Schlaf und sieht im Traum ihr Leben an der Seite von Józsi. Doch nach einiger Zeit des gemeinsamen Lebens beginnt ihre Liebe abzukühlen. Zorikas Träume halten der Realität nicht stand, denn Józsis Neigung zur Ungebundenheit und seine Anfälligkeit für die Avancen anderer Frauen kann sie nur schwer ertragen. Als sie erwacht, fällt ihr die Entscheidung leicht: sie wählt den sicheren Weg an der Seite Jonels.


Das Szenenbild spiegelt die bunte Ausstattung in der Sommerarena wider – in der Mitte Miriam Portmann als Gutsbesitzerin Ilona (Foto: Christian Husar)

Isabella Fritdum gelang eine packende und humorvolle Inszenierung, die recht geschickt zwischen Wirklichkeit und Traum pendelt. Für die bunte, farbenprächtige Ausstattung sorgte Susanne Thomasberger, für die kreative Choreographie der Tanzszenen Guido Markowitz.

Star des Abends war der in China geborene Tenor Vincent Schirrmacher in der Rolle des Spielmanns Jószi. Mit seiner großen Bühnenpräsenz und seiner ausdrucksstarken Stimme begeisterte er das Publikum in jeder Szene. Hinreißend seine Arie „Ich bin ein Zigeunerkind“, mit der er seinen Lebensstil als Abenteurer eindrucksvoll interpretierte. Man konnte verstehen, dass sich Zorika, von der Wiener Sopranistin Cornelia Horak adäquat dargestellt, in den „Zigeunergeiger“ verliebte. Und sich nach ihrem Traum doch für ihren Jugendfreund Jonel entschied. Diesen Jonel Bolescu spielte der rumänische Tenor Iurie Ciobanu anfangs sehr zurückhaltend. Am Schluss überzeugte er jedoch vor allem stimmlich. 

Ebenfalls überzeugend – sowohl stimmlich wie schauspielerisch –  die Wiener Sopranistin Miriam Portmann als Gutsbesitzerin Ilona von Köröshaza. Das begeisterte Publikum belohnte ihre Auftritte jedesmal mit Szenenapplaus. Eine exzellente Leistung bot Christoph Wagner-Trenkwitz in der Rolle als Peter Dragotin, Zorikas Vater. Er spielte seinen Part mit subtiler Komik und starker Bühnenwirksamkeit. 

Humorvoll agierte auch das Buffo-Paar: der Bonner Tenor Dominik Am Zehnhoff-Söns als Sohn des Bürgermeisters Dimetreanu und die Salzburger Sopranistin Elisabeth Schwarz als Dragotins Nichte Jolán.  Ebenso der Wiener Bassbariton Niklas-Sven Kerck in der Rolle von Dragotins Kammerdiener. Zorikas Vertraute Julcsa wurde von der Koloratursopranistin Kerstin Grotrian dargestellt.    

Gut wie immer das Ballett der Bühne Baden (Leitung: András Virág) und der Chor der Bühne Baden (Leitung: Christoph Huber). Das Orchester der Bühne Baden brachte unter der Leitung von Michael Zehetner die vielschichtige Partitur der romantischen Operette, die neben den ungarisch gefärbten Melodien auch eine starke slawische Färbung aufweist, wunderbar zur Geltung.

Das begeisterte Publikum belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall und vielen Bravorufen. Besonders für Vincent Schirrmacher, Miriam Portmann, Christoph Wagner-Trenkwitz und den Dirigenten Michael Zehetner.  

Udo Pacolt

 

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