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AUGSBURG/ Stadttheater: ARIADNE AUF NAXOS . Premiere

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Augsburg – Staatstheater: „ARIADNE AUF NAXOS“ von Richard Strauss

Premiere am 29.09.2019

 Der Strauss-Experte Ernst Krause schrieb vor Jahren nicht von ungefähr: „Ariadne“ steht und fällt mit schönen Stimmen; und das ist schade bei so hohen musikalische Qualitäten. Beides vorausgesetzt, ist das Problem des Werkes damit allerdings noch nicht bewältigt, es gilt auch, die „schönen Stimmen“ in den Dienst der „hohen musikalischen Qualitäten“ zu stellen und dabei die szenischen Anforderungen nicht zu vernachlässigen; schnell wird das Werk unver-ständlich, dann zeigen sich Längen, die in Wahrheit keine sind (wegen der musikalischen Qualitäten) – mit einem Wort: es ist ein schweres, schwer zu interpretierendes Werk. Und im eigentlichen Sinne kein Werk für einen Behelfstheaterraum, mit dem Augsburg in einer Fabrikhalle des Martiniparks derzeit immernoch auskommen muss. Umso erfreulicher ist es, dass von einer erfolgreichen Premiere zur Spielzeiteröffnung zu berichten ist, bei der es nicht nur – wenn auch mit Differenzierungen – „schöne Stimmen“ gab, bei der die „hohen musikalischen Qualitäten“ weitgehend zum Tragen kamen und die im szenischen Gesamt-eindruck alles war – nur nie langweilig. Das, finde ich, ist doch eine ganze Menge!

Getragen wird der Abend natürlich von den sehr differenziert und homogen musizierenden Augsburger Philharmonikern unter der Leitung ihres GMD DomonkosHéja, die im Laufe der vergangenen beiden Spielzeiten nun schon über große Erfahrungen mit dem akustisch problematischen Saal verfügen und denen es gelungen ist, die besonderen Anforderungen, die Strauss nun einmal stellt (auch wenn es sich hier um ein vergleichsweise „kleines“ Orchester-aufgebot handelt) nicht nur zu erfüllen, sondern das besondere Klangidiom dieser Musik in eben diesem Raum geradezu aufblühen zu lassen, ohne jemals die Sänger in Schwierigkeiten zu bringen. Geradezu kammermusikalisch begleitet Héja diese, deckt nirgendwo zu, lässt die einzelnen Instrumente zur vollen Wirkung kommen und steigert diesen Klang dort, wo es geboten ist zu nahezu rauschhaftem Genuss. Eine sehr beachtliche Leistung, ein „Herd“, der dem Ganzen ein sicheres Fundament gibt. Bravo!

Dass Augsburg gute Sängerinnen und Sänger hat, durfte ich hier schon oft feststellen; wenn in diesem Falle dennoch Differenzierungen notwendig sind, hat es zunächst etwas mit den komplexen Anforderungen zu tun, die Richard Strauss, der „Stimmfetischist“, seinen Prota-gonisten zumutet und darüber hinaus mit Anmerkungen, die für einige – in diesem Falle besonders – Sängerinnen, vielleicht zum Besinnen Anlass sein könnten. Mal abgesehen von den Hauptpartien, auf die ich noch zu sprechen komme, bleibt der generelle Eindruck, dass zum Beispiel das Komödiantenquartettin Zerbinettas Umfeld: Torsten Hofmann a. G. als sehr deutlich artikulierender Brighella (der im Vorspiel ebenso einen einprägsamen Tanz-meister verkörpert), Wiard Withold als stimmschöner und hochmusikalischer Harlekin, mit überschäumender Spielfreude ausgestattet, Roman Poboinyi als auftrumpfender und stets mit Präzision und Schmelz singender Scaramuccio sowie Stanislav Sergeev als fundamentaler Bass mit dem Truffaldindas Ganze zuverlässig stützend, eine geradezu grandiose Truppe darstellt, die sich mit ihrer vorbildlich aufeinander abgestimmter Güte und dem harmonierenden Wohlklang ihrer Ensembles als kleines Kabinettstückchen erweist.

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(v. l. n. r.:) Torsten Hofmann (Brighella), Olena Sloia (Zerbinetta), Wiard Witholt (Harlekin), Stanislav Sergeev (Truffaldin) und Roman Poboinyi (Scaramuccio) – Foto: Jens Peter Fuhr

Gleiches kann ich den Damen in Ariadnes Umfeld – Lea-ann Dunbar a. G. (Najade), Jihyun Cecilia Lee (Echo) und Kate Allen (Dryade) – leider nicht bescheinigen: Hier wett-eiferten Stimmen miteinander, die wenig zusammen passten, wohl auch nicht ausreichend aufeinander Rücksicht nahmen und namentlich die berühmte – an Wagners RHEINGOLDerinnernde – Stelle „Wie der Wellen sanftes Gaukeln…“  hatte weder Homogenität noch Wohlklang. Mir schien, jede einzelne wollte beweisen, dass sie „unterbesetzt“ ist, das sie stimmlichen Höchststand anstreben müsste (übrigens auch in der Lautstärke– Strauss schreibt dieses Ensemble in pp bis ppp– davon konnte keine Rede sein!) was dem Ganzen leider rechtabträglich war.Möglicherweise hatten ihre Masken (als Made, Raupe und Tintenfisch) insofern schuld, als sie das aufeinander hören erschweren mochten (falls das so ist, müsste ein professionelles Theater Abhilfe schaffen!), dennoch bleibt die Unausgeglichenheit und speziell auch die Sprödigkeit in den hohen Lagen in unschöner Erinnerung. Ensemblesingen ist als „Gesangswettbewerb“ ungeeignet.

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Der Komponist des Vorspiels (der in der Oper eigentlich nichts mehr zu suchen hat!) mit Najade, Dryade und Echo  –  Foto: Jens Peter Fuhr

 

Die hohe Schule des Strauss-Gesanges vermittelte einmal mehr und alleinSally du Randt in der Titelpartie der Ariadne: so muss das klingen bei Richard Strauss – frei sich in allen Lagen entfaltend, mit Melos und Glanz, mit einem Höchstmaß an Artikulation und mit bewundernswerten Legatobögen, frei von „Drückern“, voll von menschlicher Wärme. Dazu eine stimmliche Differenzierung, eine Beachtung auch der kleinsten dynamischen Schattierungen – eine grandiose und vorbildliche Leistung. Bravo!

In Jacques le Roux hatte sieals Bacchus einen Tenor-Partner, der mit Kraft und Verve überraschte, allerdings eine Stimme, der es an Feinschliff noch etwas fehlt. Aber ein recht positiver Zugang im Augsburger Ensemble. Für die Zerbinetta hat Olena Sloia die richtige Figur und sehr gute stimmliche Voraussetzungen. Sie wird noch daran arbeiten müssen, die enormen Anforderungen der Partie besser zu dosieren – weniger ist da oft mehr. Sie hat die Höhe, allerdings wirkt es zu sehr aufgesetzt, leider neigt sie zum Sforzieren – was sie nicht nötig hat und nur zu Lasten der Intonation geht.

Die problematischste Besetzung war für mich Natalya Boevaals Komponist. Auch sie suchte unbedingt den „großen Ton“, der aber in diesem Falle nicht hilfreich ist und vor allem zu Lasten der Textverständlichkeit geht, gern hätte ich wenigstens fallweise verstanden, was sie singt. Auch kommt man den Höhenanforderungen dieser Sopran-Partie mit schlankem Tonansatz viel näher!  (Strauss schreibt sowohl in der Partitur als auch im Klavierauszug einen „Sopran“ vor und eine der besten Vertreterinnen der Rolle war die unvergessene Sopranistin Irmgard Seefried!)  Weshalb die Mezzosopranistinnen bzw. Altistinnen diese Partie für sich reklamieren, bleibt mir rätselhaft – nur die Nähe zu Mozarts Cherubino und Strauss‘ Octavian kann es doch nicht sein, abgesehen davon, dass auch diese beiden jungen Herren sich durchaus in einer Sopran-Kehle wohlfühlen!

Ein absoluter Aktivposten im Ensemble ist Alejandro Marco-Buhrmester, der den Musik-lehrer mit profunder Stimme und großer darstellerischen Kompetenz zum Aktivposten des Vorspiels macht. Erik Völknergab einen überzeugenden Haushofmeister und László Papp rundete als Lakai und Perückenmacher das spielfreudige Ensemble zuverlässig ab.

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Schlussszene mit Jacques le Roux als Bacchus und Sally du Randt als Ariadne – die Dame im Vordergrund ist der Komponist des Vorspiels, der an dieser Stelle der Oper eigentlich nichts zu suchen hat.  – Foto: Jens Peter Fuhr

Dirk Schmeding griff für seine Inszenierung (Bühne: Martina Segna, Kostüme: Valentin Köhler) die Gegebenheiten der Fabrikhalle auf und brachte das Stück ins Hier und Heute. Dabei ist es ihm gelungen, an vielen Stellen Turbulenz und szenische Abwechslung herzu-stellen, die in konventionellen Aufführungen oft in Langeweile versanden. Insofern möchte ich ihm bescheinigen, dass seine Entscheidung richtig war. Sie geriet leider immer dort an Grenzen, wo sie der Musik misstraute – und das bezieht sich vorwiegend auf die Rolle des Komponisten, die nun wirklich im zweiten Teil, also der Oper, nichts zu suchen hat. (Dass der GMD die vordergründige „Störung“ zu Beginn der Ouvertüre ebenso gelassen hinnahm, wie das Schnarren des Roll-Vorhangs vor Beginn des Vorspiels zeigt deutlich, wie weit und widerstandslos die Dirigenten den Regisseuren das Feld bereits geräumt haben…!) Dass sich die Optik eines Werkes im Laufe der Zeit ändert, ist nicht das Problem, im Gegenteil: dass der „reichste Mann von Wien“ Kunst als Ware sieht und diese Ware einschließlich der Protagonisten in Transportkisten anliefern lässt, verdeutlichte die Situation in durchaus gelungener Weise und nahm gleichzeitig das Drumherum des Martiniparks in gekonnter Weise auf.  Aber dass die Musik der Ästhetik des Äußeren diametral entgegen läuft, wenn der Komponist des Vorspiels den Bacchus in Flüchtlingsweste und mit einem hässlichen weißen Schlauchbot der Ariadne förmlich vor die Füße wirft, damit eine Flüchtlingssituation assoziiert, die nun wirklich mit diesem Werk nicht das Geringste zu tun hat, bleibt für mich ein existentielles Problem der Gattung.

Trotz – oder gerade weil es ein amüsanter Abend war.

Werner P. Seiferth

 

 


WIEN/ Staatsballett in der Staatsoper: „FORSYTHE / VAN MANEN / KYLIÁN“. Der Abschied ist eingeläutet 

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Denys Cherevychko. Foto: Ashley Taylor/ Staatsballett

Wiener Staatsoper, Ballettabend

„FORSYTHE / VAN MANEN / KYLIÁN“, 30.9.2019 – der Abschied ist eingeläutet 

Diese Saison 2019/2020 ist ein heikles Jahr, ein ungutes für nicht wenige der TänzerInnen des Wiener Staatsballetts. Sie haben durch Jahre perfekte Leistungen erbracht, waren voll mit dabei in einer an künstlerischen wie körperlichen Leistungen extrem forderndem Profession. Doch der Reihe nach müssen sie nun von der Staatsoper Abschied nehmen: Zahlreiche Kündigungen sind ausgesprochen worden, Verträge werden nicht verlängert. Rund einem Viertel der Kompanie ist dies bereits geschehen, und vielleicht könnten zum üblichen Kündigungsdatum im Jänner noch andere folgen. Im Juni wird der Schlussstrich unter der zehnjährigen Direktionszeit von Manuel Legris gezogen. Und mit dem Wechsel in der Ballettleitung geschieht auch hier wie etwa gerade im Burgtheater oder zuletzt und demnächst wieder im Wiener Volkstheater ein personeller Umbruch, wie er in früheren Jahren aus menschlicher wie sozialer Geisteshaltung nicht denkbar gewesen wäre.

Man kann einwenden, im Wiener Staatsballett sind nur mehr ganz, ganz wenige Österreicher engagiert. Dies ist generell die Entwicklung in der Staatsoper gewesen – wie aber auch insgesamt im österreichischen Kulturbetrieb mit dessen heutiger Ausrichtung auf erfolgreiches Marketing. Und in der Ära Legris sind ja auch keine nachhaltigen Kreationen entstanden, welche in die Ballettgeschichte eingegangen wären. Doch nur ganz, ganz selten ist eine Vorstellung zu sehen gewesen, die nicht ihre geforderten Qualitäten mustergültig erfüllt hätte.    


Foto: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor

Tänzerisch voll entsprochen hat auch dieser Abend mit dem nicht mit besonders glücklicher Hand zusammengestellten Mehrteiler „Forsythe / Van Manen / Kylián“. Premiere war heuer im April, dies nun die achte und letzte Aufführung von aufgefrischten vier Piecen aus früheren Avantgarde-Jahren von stilbildenden erfolgreichen Choreographen, welche der modernen Tanzästhetik sehr persönlich ihre Handschrift aufzudrücken vermochten.

Die Paare Nikisha Fogo und Jakob Feyferlik sowie Nina Poláková und Roman Lazik in William Forsythes „Artifact Suite “ (Musik: J.S.Bach altehrwürdig und Eva Crossma-Hecht modern – alle Wiedergaben des Abends als CD-Einspielungen): hochelegant und perfekt getanzt. Olga Esina und Jakob Feyferlik in Hans van Manens „Trois Gnossiennes“ (Erik Satie) und das quicklebendige Trio Denys CherevychkoRichard Szabó und Dumitru Taran in „Solo“ (Van Manen auf ein Bach-Violinsolo): mitreißend. Und schließlich in Igor Strawinskis „Psalmensymphonie“ in einer nicht gerade überzeugend schlüssigen  Chreorographie von Jiri Kylián: Ketevan Papava und Roman Lazik, Sveva Gargiulo und Dumitru Taran, Madison Young und Davide DatoIoanna Avraam und Masayu KimotoEszter Ledán und Trevor HaydenZsófia Lackó und Leonardo BasilioOxana Kiyanenko und Giovanni CusinAlaia Rogers-Maman und Tristan Ridel. Sie all sind sehr, sehr gute wie vielseitige Tänzer – und einige von ihnen werden demnächst sagen müssen: Ja, wir sind sehr gern Mitglieder des Wiener Staatsballetts gewesen.

Meinhard Rüdenauer

WIEN/ Kammeroper: FAUST. „Ein unerquicklicher Premierenabend“

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WIEN/ Kammeroper: „FAUST“ . „Ein unerquicklicher Premierenabend“ am 1.10.2019

An der Kammeroper strebt man wieder einmal nach „Höherem“. Letzte Saison hat man es mit der französischen Fassung des „Don Carlos“ versucht, diese Saison folgte Charles Gounods „Faust“. Der Premierenabend verlief wenig erfreulich – auch die Inszenierung von Nikolaus Habjan und seine „Breitmaul“-Puppen haben damit zu tun.


Foto: Herwig Prammer

http://www.operinwien.at/werkverz/gounod/afaust8.htm

Dominik Troger/ www.operinwien.at

WIEN / Kammeroper: FAUST

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Alle Fotos: Theater an der Wien / Herwig Prammer

WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
FAUST von Charles Gounod
Orchesterfassung von Leonard Eröd
Premiere: 1. Oktober 2019

Erster Einwand, der einem – bei aller Berechtigung – selbst schon langweilig wird. Warum verkennt die Kammeroper als „kleines Haus“ des Theaters an der Wien, wo man jungen Sängern die Möglichkeit gibt, sich zu erproben, so permanent seine Aufgabe? Warum holt man sich nicht aus dem unendlichen Reservoire dieser Kunstform die Raritäten, die Besonderheiten, die Moderne? Nein, man spielt „Grand Opéra“, zuletzt Verdis „Don Carlos“ (da musste man logischerweise auf das Autodafé verzichten, worauf die ganze Sache ohnedies dramaturgisch zusammenkrachte), jetzt Gounods „Faust“? In einer Orchesterfassung von Leonard Eröd zwar, die sich nicht so unterschiedlich vom Original anhört. Und die ganze Oper, samt Walpurgisnacht (die auch große Häuser manchmal weglassen), über dreieinviertel Stunden lang und sehr, sehr mühsam? Warum? Die Frage hat uns noch keiner beantwortet.

Zweiter Einwand: Schon wieder Nikolaus Habjan und seine so abstoßend hässlichen Klappmaulpuppen, die er so manchem Werk des Theaters und der Oper gewaltsam aufoktroyiert, ohne dass es noch jemals einen erkennbaren Sinn gemacht hätte? Dennoch begegnet man ihm immer wieder – da hat er zwischen Badora und Kusej, Bachler und Geyer offenbar starke Netzwerke gesponnen, die dafür sorgen, dass man sich periodisch mit dieser Habjan’schen Welt konfrontiert sieht, ob man will oder nicht.

„Faust“ von Gounod nach Goethe. Das „Puppenspiel vom Doctor Faust“ war zu seiner Zeit berühmt und Anregung für Goethe, aber dieses Spezialwissen, das meist nur Theaterwissenschaftler und Germanisten mit sich tragen, rechtfertig in keinem Fall, dass man die Oper nun mit Habjans Puppen auf die Bühne bringt – ganz abgesehen davon, dass es eine Zumutung für die Sänger ist, sich neben ihrer normalen Gesangsarbeit noch damit abzuplagen, dass die hässlichen Dinger ihr Maul auf- und zuklappen…

Die Puppen sind übrigens unterschiedlich: Mephisto ist lebensgroß (der Sänger braucht stets einen Helfer bei sich, die anderen haben ihn gelegentlich), Faust, Marguerite, Valentin, Siebel und Wagner sind halbgroß, nur Marthe hat – weiß der Himmel oder Habjan, warum – bloß einen Kopf, mit dem sie vor sich herwackelt: Das sieht so scheußlich aus, als wäre er gerade von der Guillotine gefallen…

Was geschieht nun damit? Auf einer Bühne von Jakob Brossmann und Denise Heschl (die auch die Kostüme besorgte) sieht man eine Art mittelalterlichen Rahmens mit Rundbogen, darin ließe sich ein „normaler“, anspruchsloser „Faust“ spielten, wenn man denn Platz dafür hätte. Aber die Sänger und Choristen (reduziert auf acht Herrschaften, aber doch eine Schar) müssen ohnedies immer aus dem Bühnenbild, teils in den Zuschauerraum, es gibt allerlei Gewimmel in der Kammeroper.

Gibt es auch eine Inszenierung, wenn die Sänger ihre Puppen herumschieben, – tragen, -werfen, -schlendern? Nikolaus Habjan spricht im Programmheft vom „inhaltlichen Mehrwert“ der Puppen, aber der stellt sich ganz selten ein. Wenn sie sich manchmal von ihren Protagonisten trennen – wenn die Gretchen-Puppe im Dom von den Menschen fast zerrissen wird; oder wenn Mephisto seine zynische Arie dem klappenden Maul von Faust in den Mund legt… das sind immerhin Ideen. In ganz wenigen Szenen dürfen sich die Menschen als solche bewegen, Marguerite bei ihrer Arie oder im Liebesduett mit Faust oder wenn der sterbende Valentin die Schwester würgt… und auf einmal ahnt man, wie die Geschichte, schlicht menschlich, aussehen würde. Besser jedenfalls als so.

Immerhin, geben wir zu, dass Habjan ein schöner Schluß gelungen ist: Wenn Marguerite ihren Tod quasi verkündet, indem sie die Puppe wegwirft, dreht sie sich um und steht vor ihrem toten Bruder Valentin (in Menschengestalt). Und wenn sie sich dann zum Publikum wendet und sich hinter ihr der goldene Eiserne Vorhang senkt – ja, schöner kann man Erlösung nicht andeuten. Und es ist, amen, ein Mensch, der da steht.

Sonst sind da die Puppen, und angesichts ihrer Einförmigkeit und der Langeweile, die sie verbreiten, überkommt einen immer wieder das Bedürfnis, die Augen zu schließen (ich habe einige Herren in meiner Umgebung schlafen gesehen), aber wenn man sich nur auf die Musik konzentrieren wollte, dann täten daheim ein paar hochwertig besetzte CD-Aufnahmen einen weit besseren Dienst…

Hier ist der musikalische Teil gewissermaßen mit der allergröbsten Masche gestrickt, nicht nur, dass Dirigent Giancarlo Rizzi das Wiener KammerOrchester zu höchster und meist undifferenzierter Lautstärke anfeuert, die Sänger brüllen auch, was das Zeug hält, als wären sie mindesten im echten Theater an der Wien und nicht in diesem intimen Raum. Dass Quentin Desgeorges eine gewaltige Tenorstimme hat (auch wenn sie manchmal ausbleibt), ist schon im Vorjahr bei seinem (partiellen) Hoffmann (im „Olympia“-Akt an diesem Haus) aufgefallen. Dass der Baß von Dumitru Mădăraşăn beeindruckend dröhnt, weil er die gewisse „Schwärze“ hat, die eher selten ist, weiß man auch. Die Amerikanerin Jenna Siladie ist die Marguerite – drei große Stimmen, technisch noch ausbaufähig, hier zu ziemlich einheitlichem Forte angehalten. Das akustische Vergnügen hält sich solcherart in Grenzen. Kristján Jóhannesson (Valentin) schließt sich dem vokalen Donnergewitter an, Ghazal Kazemi (Siebel), Juliette Mars (Marthe Schwertlein), Benjamin Chamandy (Wagner) versuchen es gleichfalls.

Dass „laut“ immer wirkt, stellt sich allerdings heraus. Der Beifallssturm am Ende war so jubelnd, dass man sich als Kritiker mit seinen Einwänden und seiner schlechten Laune angesichts des Gebotenen nur davonschleichen konnte.

Renate Wagner

WIEN/ MuTh/Konzertsaal der Wiener Sängerknaben: ZYKLUS „SCHORNY IN THE MuTh“, 1. Konzert

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Alle Formationen auf dem Podium: Von links: Die Strottern; Streichquartett des MUK; „Faltenradio“; „MoZuluArt“ – C: Andrea Masek

WIEN/MuTh: Konzertsaal der Wiener Sängerknaben: Zyklus „Schorny in the MuTh“, 1. Konzert

Eine Schubertiade als Crossover unter dem Schubert-Motto: „Wer die Musik liebt, kann nie ganz unglücklich werden“

1.10. 2019 – Karl Masek

Wer ist „Schorny“? Ganz einfach! Mit bürgerlichem Namen heißt er Matthias Schorn, wurde 1982 in Hallein geboren – und ist Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker. Und er hat besonders vielfältige musikalische Wurzeln, Talente und Interessen. Mit alpenländischerVolks- und Blasmusik begann es. Mit 11 Jahren Beginn des Klarinettenstudiums in Salzburg, ab 1999 Konzertfach Klarinette in Wien. Er spielte beim RSO Radiosinfonieorchester und den Münchner Philharmonikern, ehe er 2007 bei den Wiener Philharmonikern landete. Aber stete Neugier und kreative Unrast, die unbändige Freude an neuen künstlerischen Erfahrungen und Begegnungen haben vielfältige musikalische Grenzüberschreitungen zur Folge. Ethno Music, Jazz, das alles interessiert ihn ungemein. Mit den New York Gipsy All Stars und der Musikbanda Franui, mit der NDR Bigband, mit Konstantin Wecker, mit den Strottern arbeitete er zusammen. Auf der Suche nach Realisierung eines persönlichen Klangideals initiierte er das Festival „PalmKlang“ im salzburgischen Oberalm, gründete die Formation „Faltenradio“ (3 Klarinetten und Steirische Harmonika). Ein hochinteressanter, vielseitiger Musiker (und Musikant!).

Mit Schuberts berühmtem Satz: „Wer die Musik liebt, kann nie ganz unglücklich werden“ startete er seinen vierteiligen Konzertzyklus der Saison 2019/20 im „MuTh“ am Augartenspitz. Eine Schubertiade des 21. Jhts mit Schubert als Ausgangspunkt und mit multikulturellen Seitensträngen und stilistischen „Rösselsprüngen“. „Schornys“ Konzert wollte mit ausgewähltem musikalischem Freundeskreis die besondere Stimmung damaliger Schubertiaden wieder aufleben lassen. Im Falle des Quartettsatzes in c-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. posth. D 703 war es Schubert pur (die Studierenden der Musik & Kunst Privatuniversität der Stadt Wien – MUK – Yukari Ohno, Julia Turnovsky (Violine), Gabriel Iscuisatti (Viola) und Clemens Boigner (Violoncello) spielten das unorthodoxe, genialische  Werk aus einer Zeit von Schuberts „Schaffenskrise“ von etwa 1819 bis 1820mit jugendlicher Verve).

Das „Ständchen“ aus Schuberts „Schwanengesang“ erklang in der Version der Formation Faltenradio (Alexander Maurer an der Steirischen Harmonika und den Klarinettisten (samt Gesang!) Alexander Neubauer, Stefan Promegger, Matthias Schorn) wie eine Uraufführung und nicht wie ein fast zu Tode gespieltes – weil von Wunschkonzert-Arrangements so schrecklich verunstaltetes –  Stück. Verblüffend! Anton Gmachl jun. (*1989) steuerte für „Faltenradio“ eine gleichnamige Polka bei – in Originalität, Erfindungsreichtum und idealtypischer Instrumentation Lichtjahre über 08/15-mäßiger Blasmusik-Meterware stehend.

Die Formation MoZuluArt, schon längere Zeit in Österreich heimisch (mit Wurzeln in Simbabwe) bewies u.a. mit einer witzigen „Forelle-Paraphrase“ Hang zu musikalischer Ironie, unterfüttert mit gewinnendem Humor. Roland Guggenbichler, der künstlerische Gefährte des Trios, das u.a. häufig mit Erika Pluhar zusammen aufgetreten ist, war der hochsensible Klangzauberer am Klavier.Vusa Mkhaya, Futurlove Sibanda und Blessings Nkoma erfreuten das Publikum mit Temperament und Bühnenpräsenz.

Das Duo Die Strottern , Klemens Lendl (der Sänger mit der Geige) und David Müller (der Sänger mit der Gitarre) gestalteten auf ihre Art (und im Fall von Klemens Lendl mit wienerischer Naturstimme) Schuberts „Wirtshaus“ aus der „Winterreise. Das war – wenn man hier „klassische“ Liedgiganten im Ohr hat, ohrenirritierend und gewöhnungsbedürftig, muss ich ehrlich sagen. Da kam später das Schubert-Lied „Frohsinn“ (D 520), couplethaft und mit Wortwitz vorgetragen, als hätte Nestroy Pate gestanden, schon sehr viel besser an. Und das Wiener „Akustik-Duo“ zeigte  mit Fortdauer des eineinhalbstündigen Abends nachdrücklich: Der Liederkomponist der Melancholie, des Weltschmerzes, der Weltflucht, hat in der zweiten Hälfte des 20.Jhts Interpreten (damals „Liedermacher“ genannt) gefunden, die hier plötzlich anzuknüpfen schienen: André Heller mit gekonntem bewusst brüchigem Stimmansatz in seinen Liedern,  Konstantin Wecker, der intensive Melodiker mit den subversiv-poetischen Texten, der immer entlang dieser Texte komponiert hat – oder Ludwig Hirsch mit dunkelgrauer bis schwarzer Melancholie. Klemens Lendl machte das mit bestürzender Intensität „ohrenfällig“.

Phillipp Laabmayr steuerte Texte von und über Franz Schubert bei. Darunter Marc Chagalls Einschätzung: „Bach, Mozart und Beethoven waren Genies – Schubert aber, der war ein Wunder“.

 Zwei kleine  kritische Anmerkungen noch zu diesem spannenden und „lehrreichen“ Konzert: Gelegentliche Anmoderation der Nummern (früher hätte man „altmodisch“ gesagt, verbindende Worte!) hätte nicht geschadet. Es muss ja nicht gleich ein Volkshochschul-Vortrag draus werden! Und: Das eine oder andere Beispiel zu Schuberts vielgestaltiger, populärer und fröhlicher  Tanzmusik (Ländler, Deutsche Tänze,…) sollte auch Platz an einem solchen Abend gehabt haben. Ob pur, ob paraphrasierend, ob mit improvisatorischer Schlagseite, interpretiert von „Faltenradio“:  alles recht!

Das Publikum war vom „Crossover“ sehr  angetan. „Schorny in the MuTh“ umfasst noch drei Konzerte, auf die gerne hingewiesen wird: 23.11., „Big Fat Clarinet Mob“. Jazziges mit einer Lesung von Frank Hoffmann (der legendäre „Trailer“-Präsentator); 15.2. 2020 „The Benny-Goodman-Story“ mit Studierenden des MUK und August Zirner; schließlich am 6.5. 2020 „Auf dem Wasser zu singen: Schumann und Schubert mit Annette Dasch

Karl Masek

 

ST. GALLEN/ Theater/ Grosses Haus: RUSALKA. Neuinszenierung

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TRAILER

Antonín Dvořák: Rusalka, Theater St. Gallen, Grosses Haus, Vorstellung: 02.10.2019

(3. Vorstellung seit der Premiere am 21.09.2019)

Glücksmomente eines Kritikers

Mit der «Rusalka» zur Saisoneröffnung hat das Theater einen grossen Wurf gelandet. Einen ganz grossen Wurf! Ganz selten sind Produktionen auf so durchgehend hohem, wenn nicht höchsten Niveau zu erleben. Das Leading Team, Vera Nemirova (Regie; Mitarbeit Regie: Sonja Nemirova) und Modestas Pitrenas (Musikalische Leitung) hat Dvoraks Spätwerk entschlackt ohne sich am Werk zu vergehen oder ihm auch nur zu schaden. Das nahezu ideal besetzte Sängerensemble folgt ihm dabei mit beeindruckendem Engagement.

Hebt sich der Vorhang, fühlt sich der aus Zürich angereiste Opernbesucher unvermittelt an das Entsetzen von Prof. Pahlen selig über Ruth Berghaus Zürcher Freischütz erinnert: Freischütz und kein Wald auf der Bühne! Hier gibt es eine «Rusalka» ganz ohne romantischen See, Wald und Mond. Denn: Wie im Programmheft zu lesen ist, kämpft Rusalka um «die verlorene Kraft ihrer Beine im Namen ihrer Leidenschaft». Dazu hat Youlian Tabakov das passende Bühnenbild geschaffen: einen unterirdischen Ballettsaal mit Garderobe für den ersten Akt. Einziges Zeichen von Natur ist ein Wohl durch Feuchtigkeit entstandener striemenförmiger Schimmelpilz. Nemirova exponiert damit nicht nur ihr Inszenierungskonzept sondern thematisiert gleichzeitig das vom Werk angesprochene Verhältnis Mensch-Natur und erzählt die Geschichte als Theater im Theater. Die höchst geschmackvollen, diskreten Kostüme von Marie-Thérèse Jossen, das Licht von Andreas Enzler und die choreografische Mitarbeit von Bärbel Stenzenberger unterstützen Nemirovas Konzept perfekt. Für Rusalkas Arie an den Mond öffnet sich der Raum etwas und eine grün beleuchtete Show-Treppe wird sichtbar. In dieser, von Rusalka als so trist empfundener Umgebung, kann es keinen romantischen oder realistischen Mond geben und so muss sie mit einer Discokugel (Spiegelkugel) vorlieb nehmen. Treffen Rusalka und der Prinz zusammen, hat sich die Bühne geöffnet und es dominieren die Showtreppe und ein Piano. Rusalka löst als Muse hier die Schreibblockade des Prinzen, der als Komponist gezeigt wird. Im zweiten Akt kommt dann die Bar «H2O» zum Piano hinzu. Die Festgesellschaft auf dem Schloss des Prinzen kommt gerade aus einer Vorstellung der Oper «Rusalka» im Theater St.Gallen. Der dritte Akt beginnt mit Rusalkas Einsamkeit (einsame Strassenlaterne) bis dann wieder die Showtreppe erscheint. Sie führt nun aber zu Sitzreihen des Theaters St.Gallen. Nemirova gelingt es so die Geschichte «Rusalkas» dem Libretto entsprechend und trotz «unromantischer» Umgebung verständlich zu erzählen.

Auf neue Höhenflüge begibt sich das Sinfonieorchester St.Gallen unter seinem Chefdirigenten Modestas Pitrenas. Pitrenas schlägt angemessen rasche Tempi an und vermag seinem Orchester gleichermassen lyrisches Schwärmen wie eruptive Leidenschaft zu entlocken. So saftig hört man Dvořák selten. Bravissimi!

Die Krone der Solistenschar gebührt zweifelsohne der Rusalka von Sofia Soloviy. Mit der Ausstrahlung der kühlen Blonden passt sie hervorragend in die Inszenierung. Die lyrischen Stellen gelingen ihr genauso perfekt wie die Dramatischen. Und wie sie spielt! Hat sie im ersten Akt ihre
Flosse ausgezogen, bewegt sie sich – wir befinden uns im Ballettsaal – erst einmal robbend fort, bevor sie sich an der Stange hochzieht, sich nur mühsam auf den Beinen halten und fortbewegen kann. Gerade in dieser Umgebung eindrückliche Bilder. Grossartig! Gewissheit, dass ihr nichts fehlt, erhält der Zuschauer erst nach ihrer Menschwerdung, wo sie sich dann normal fortbewegen kann. Hervorragend auch der Prinz von Kyungho Kim. Mit perfekt geschultem, metallisch-kräftigem Tenor setzt er Nemirovas Intentionen auch im schauspielerischen Bereich perfekt um. Den genialen Komponisten wie den Lebemann nimmt man ihm gleichermassen ab. Mit wunderbarem Bass überzeugt Marcell Bakonyi als Wassermann, der als eine Art Ballettmeister angelegt ist. Perfekt besetzt sind Alžběta Vomáčková als divenhafte Fremde Fürstin mit manchmal doch sehr dramatischen Tönen und Nora Sourouzian als Ježibaba, die gar nicht „hexisch“ sondern als Mensch unserer Zeit aus der ersten Reihe des Publikums auftritt. Das hochstehende Ensemble ergänzen Riccardo Botta als Heger, Jennifer Panara als Küchenjunge und Nik Kevin Koch als Jäger. Tatjana Schneider als Erste Waldelfe, Eva Zalenga als Zweite Waldelfe und Taisiya Labetskaya Dritte Waldelfe nehmen nicht nur mit ihren hellen, klaren Stimmen sondern auch mit ihren tänzerischen Fähigkeiten für sich ein.

Kaum etwas zu kritisieren, fast nur zu loben: Glücksmoment eines Kritikers.

Weitere Aufführungen jeweils im Grossen Haus: 6. Oktober 2019, 20. Oktober 2019, 29. Oktober 2019, 2. November 2019, 14. November 2019, 8. Dezember 2019, 13. Dezember 2019, 17. Dezember 2019 und 7. Februar 2020.

MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: DIE KLUGE. Die Kluge light in der Studiobühne

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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater – Die Kluge

von Carl Orff – Uraufführung einer reduzierten Fassung am 2. Okt. 2019

Erste Schlaglichter von Tim Theo Tinn

Die Kluge light in der Studiobühne


Holger Ohlmann, Stefan Bischoff, Gyula Rab (Strolche), Daniel Gutmann (der Mann mit dem Maulesel), Martin Hausberg (der Kerkermeister), Sophie Mitterhuber (des Bauern Tochter, genannt »die Kluge«), Matija Meić (der König), Juan Carlos Falcón (der Mann mit dem Esel). © Christian POGO Zach

Durch sparsame Orchestrierung wird orffsche opulente Klangfülle nicht erreicht.

Das Dirigat ist der Minusfaktor des Abends und bewegt sich zwischen viel zu schnell und sehr rasant. Sänger hecheln im Tempo oft nach Ausdruck -besonders 1. Arie Bauer „Oh hätt ich meiner Tochter nur geglaubt!“

Die Inszenierung ist ordentlich bis gut. Erzählt wird die Geschichte gem. Libretto. Das gem. Orff intendierte pralle Märchenspiel gerät zur aktionsreichen antiseptischen Betrachtung überdrehter Menschen.

Bühne und Kostüme bewegen sich zwischen Boutiquen-Stil und unbeholfenem Design-Theater. Es bleibt Geschmacksache, ob diese technokratische Treppen-Gerüst-Lösung in schwarz auf rotem Grund im Einheitsbühnenbild gefallen. Das erdige Märchen mit bairischen Volkstheater-Anklängen ist es nicht. Schwarze Kostüme mit synthetisierter weißen, silberhaarigen Klugen unterstreichen weder die Handlung noch das musikalische Erleben – sind allerweltstauglich – aber …. ja, kann man machen.

Das große Pfund, das allergrößte Pfund dieser Aufführung sind die faszinierenden Sänger. Natürlich verleiht der Resonanzraum einer kleinen Studiobühne Stimmen größere Tragfähigkeit – zeigt aber auch individuelle Qualitäten erbarmungslos – und das war überbordende Tugend klassischen Gesangs: ein Faszinosum von jungem durchgehend begeisterndem tirilierendem Konzedieren eines gesanglichen Kosmos‘ im Ensemble, das man andernorts erst einmal finden muss.

  1. Okt. 2019 Tim Theo Tinn

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). Ist mit Begeisterung für singuläre Aufträge zu haben, nicht für Festengagements.

 

WIEN/ Staatsoper: A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM – Premiere

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Lawrence Zazzo, Erin Morley. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/Staatsoper: A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM – Premiere Staatsoper am 2.10.2019

(Heinrich Schramm-Schiessl)

In den Jahren 1957 bis 1964 hatte die zeitgenössische Oper einen bedeutenden Platz im Repertoire der Wr. Staatsoper. Zugegeben, es gab keine Uraufführungen, aber viele Werke wurden bald nach ihrer Uraufführung in den Spielplan aufgenommen. So auch Benjamin Brittens Shakespeare-Vertonung. DIe Produktion, die erste einer Brittenoper im Haus am Ring überhaupt, hatte am 18. Oktober 1962 Premiere. In der Regie von Werner Dueggelin und unter der musikalischen Leitung von Heinrich Hollreiser sang u.a. der unvergessene Gerhard Stolze die zentrale Partie des Oberon. Gesungen wurde in deutscher Sprache, da die Originalsprache damals auf das italienische und französische Repertoire beschränkt war.

Im Gegensatz zu den meisten Opern Brittens – vielleicht mit Ausnahme der Historie „Gloriana“ – in denen immer wieder Aussenseiter der Gesellschaft oder zumindest in ihrer Persönlichkeitsstruktur eigenwillige Charaktere im Mittelpiunkt stehen, handelt es sich hier um eine romantische Komödie nach dem gleichnamigen Stück von William Shakespeare, wobei die Handlung auf drei Akte verknappt wurde und sich mit Ausnahme des zweiten Teiles des dritten Aktes – dieser spielt am Hof des Theseus –  ausschließlich auf die Wald-Szenen beschränkt. Ansonsten hält sich das Libretto von Britten selbst und Peter Pears weitestgehend an die Vorlage Shakespeares.

Der Orchesterpart ist von grossem Melodienreichtum gekennzeichnet, wobei die drei Handlungsebenen durch verschiedene Klangkonstruktionen gekennzeichnet sind. In der Elfenwelt domninieren die hohen Streicher, die Harfen und Rythmusinstrumente, wobei Puck im Gegensatz dazu primär durch Blechbläser charakterisiert wird. Den beiden Liebespaaren sind, vor allen Dingen von den Streichern bestimmte Melodien zugedacht und die Szenen der Handwerker werden von Marsch- und Tanzmusik beherrscht. Besonders köstlich das als Parodie auf die italienische Oper gestaltete Rüpelspiel im dritten Akt. Auch stimmlich unterscheiden sich die einzelnen Handlungsstränge. Entsprechen die Liebespaare den herkömmlichen Stimmzuordnungen Sopran-Mezzo-Tenor und Bariton, so wird Oberon von einem Countertenor und Titania von einem Koloratursopran gesungen, während Puck eine Sprechrolle ist.. Den  Handwerkern sind durchwegs Charakterstimmen zugedacht, wobei höchstens Bottom (Zettel) auch melodiöse Passagen hat.

Nun kehrt das Werk wieder auf den Spielplan der Wiener Staatsoper zurück und diesmal in der englischen Originalsprache. Im Gesamten gesehen war es eine ordentliche Aufführung. Mit der Inszenierung von Irina Brook kann man jedenfalls leben, denn im Gegensatz zur Katastrophenproduktion im Theater an der Wien im vorigen Jahr, wo Damiano Michieletto eine komplett andere Geschichte über das Werk gestülpt hat, wird hier das Libretto realisiert. Zwar spielt das Stück hier nicht direkt im Wald sondsern in einer Burg- oder Schlossruine, die sich in einem Wald oder Park befindet (Bühne: Noelle Ginefri-Corbel). Einziger Wermutstropfen ist der Umstand, dass die Kostüme (Magali Castellan) nur für die Elfenwelt phantasievoll sind, währen die Menschen Alltagskleidung tragen. Es ist zwar nicht alles logisch, was da auf der Bühne abläuft – der Sinn der in den ersten beiden Akten immer wieder auftauchenden Schlange hat sich mir z.B. nicht erschlossen – aber man wurde durch nichts wirklich verstört.

Auch musikalisch konnte man zufrieden sein, auch wenn es natürlich einiges kritisch anzumerken gibt. So hatte ich den Eindruck, dass Valentina Nafornita die Rolle der Helena eine Spur zu dramatisch ist, denn sie klang stellenweise ziemlich scharf. Darstellerisch war sie wie immer engagiert. Josh Lovell (Lysander)lässt eine hübsche frische Tenorstimme hören und auchmit der Gestaltung her konnte man mit ihm zufrieden sein. Rachel Frenkel sang und spielte die Hermia wie immer verlässlich, ohne jedoch größere Akzente zu setzen. Sehr gut Rafael Fingerlos als Demetrius. Sein Bariton strömt sehr schön und auch darstellerisch macht er seine Sache gut. Lawrence Zazzo als Oberon sang zwar tadellos und spielt auch rollendeckend,  aber er ließ mich kalt. Aber vielleicht liegt das daran, dass ich ein grundsätzliches Problem mit Countertenören habe. Erin Morley sang die nicht einfache Partie der Titania sehr gekonnt, konnte aber ebenfalls keine Gefühle vermitteln. Ein Fall für sich ist der Puck des Théo Touvet. Dieser Schauspieler und Artist stellte ein Feuerwerk der wildesten Bewegungen auf die Bühne, allerdings konnte man mit seiner Umsetzung des Sprechtextes überhaupt nicht zufrieden sein. Da blieb vieles undeutlich und unartikuliert. Die wahrscheinlich beste Leistung bot Peter Rose als Bottom. Er hatte eine grosse Bühnenpräsenz, sang mit schöner Stimme und wirkte durchaus komisch. Benjamin Hulett bemühte sich als Flute ebenfalls komisch zu sein und sang ordenlich. Wolfgang Bankl sang den Quince mit auftrumpfender Stimme und agierte seiner Rolle entsprechend. Als übrige Handwerker ergänzten Thomas Ebenstein (Snout), William Thomas (Snug) und Clemens Unterreiner (Starveling). Peter Kellner sang den Theseus zufriedenstellend und Szilvia Vörös ließ wieder einmal ihren schönen Mezzo hören, ist aber in jedem Fall für die Hippolyta eine Überbesetzung.

Das Staatsopernorchester spielte unter der Leitung von Simone Young ausgezeichnet. Alles klang sehr kammermusikalisch, ohne zu vergessen, an den Stellen wo es notwendig ist, auch Kraft zu zeigen. Gut der Chor der Opernschule und in einer kurzen Passage das Wr. Staatsballett.

Am Ende gab es Jubel für alle. Ob die Produktion nachhaltig sein wird ist jedoch mehr als fraglich, denn schon zu Beginn waren zahlreiche Plätze leer und das steigerte sich nach der Pause.

Heinrich Schramm-Schiessl

 


WIEN/ Staatsoper: A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM. Premiere

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WIEN/ Staatsoper: A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM. Premiere am 2.10.2019

Ein Janus-Erlebnis: Lege ich die üblichen Maßstäbe an diesen Abend: Es wäre musikalisch ein verlorener. Erfreue ich mich am Spiel, an Bühne und Ausstattung, an den von Irina Brook inszenierten Anspielungen und Shakespeares Text: ein gewonnener…

»A Midsummer Night’s Dream«, 2. Akt: die in Bottom (Peter Rose) verliebte Tytania (Erin Morley) mit Coweb (Emil Lang), Peaseblossom (Niklas Rudner), Mustardseed (Mihail Savenkov) und Moth (Fabio Ringer) © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn
»A Midsummer Night’s Dream«, 2. Akt: die in Bottom (Peter Rose) verliebte Tytania (Erin Morley) mit Coweb (Emil Lang), Peaseblossom (Niklas Rudner), Mustardseed (Mihail Savenkov) und Moth (Fabio Ringer). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

http://www.dermerker.com/index.cfm?objectid=4741D8D0-E5C0-11E9-B969005056A64872

Thomas Prochazka/ www.dermerker.com

BIETIGHEIM/ BISSINGEN/ Kronen Zentrum. STUTTGARTER PHILHARMONIKER (Haydn, Bruckner). Dan Ettinger, Maximilian Schairer (Klavier)

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Stuttgarter Philharmoniker unter Dan Ettinger am 2. Oktober 2019 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

Mit markanten Akzenten

Mit seinem spritzigen ungarischen Finale erinnert das Klavierkonzert D-Dur Hob. XVIII:11 von Joseph Haydn an dessen ungarische Dienstzeit beim Fürsten Esterhazy. Der junge, begabte Pianist Maximilian Schairer betonte die virtuosen und arabeskenhaften Momente dieser Komposition sehr gut, wobei ihn die Stuttgarter Philharmoniker unter der facettenreichen Leitung von Dan Ettinger einfühlsam begleiteten. Das Hauptthema mit seinem ausdrucksvollen Quartensprung wurde jedenfalls genau getroffen – und auch die kontrastierenden Passagen wurden hier nicht vernachlässigt. Auffallend war der Klangfarbenreichtum bei dieser Interpretation, wobei dynamische Kontraste und Dissonanzen oftmals hervorblitzten. Melodische Ausdruckskraft stand bei dieser Wiedergabe jedenfalls immer wieder deutlich im Zentrum. Rasante Läufe und chromatische Spitzfindigkeiten wechselten sich in reizvoller Weise ab.

Eine ganz hervorragende Interpretation bot der Dirigent Dan Ettinger dann zusammen mit den kompakt musizierenden Stuttgarter Philharmonikern bei der Sinfonie Nr. 4 in Es-Dur „Romantische“ von Anton Bruckner. Dabei wurden vor allem die zahlreichen dynamischen Spannungsmomente in ausgezeichneter Weise herausgearbeitet. Dass diese „Romantische“ aber in erster Linie eine „Natursymphonie“ ist, wurde an diesem besonderen Konzertabend einmal mehr deutlich. Die zarten Echo-Rufe der Waldstimmung wurden hier genau getroffen. Das geheimnisvolle Quint-Intervall des Hornthemas besaß markante Klarheit. Die ruhige Fortspinnung mit Umkehrung erhielt eine präzise Struktur, die dank Dan Ettingers konzentrierter Wiedergabe nirgends nachließ. Im Bass schwoll die harmonische Bewegung zu wilder Urgewalt an. Das zweite Thema in den Bratschen besaß eine bemerkenswerte Ausdruckstiefe. Es mündete in eine neue Steigerung mit dem Schlussmotiv des ersten Themas. Stimmungsvoll leitete der erste Hornruf dann in die vielgliedrige Durchführung über. Der feierliche Choral der Blechbläser führte zu einem imposanten Coda-Triumph. Das Vorbild Schuberts wurde dann im zweiten Satz Andante quasi Allegretto bemerkbar. Unter stockender Streicherbegleitung stimmten die Celli den dunklen Gesang an. Das Quint-Intervall besaß eine wichtige Klarheit. Die in sich gekehrte Bratschenmelodie wurde bei dieser Wiedergabe jetzt zusammen mit der Streicherbegleitung zum intensiven Doppelthema verschmolzen. Der energische Aufschwung erfolgte in immer weiteren Intervallen. Trotz Intonationsschwankungen in den Bläsern machte Dan Ettinger zusammen mit den Stuttgarter Philharmonikern die mystische Ausdruckstiefe dieses Satzes deutlich. Im bewegten Scherzo des dritten Satzes konnte sich die enorme dynamische Crescendo-Steigerung bestens entfalten. Gefühlvoll-besinnliche Töne ließen die Bratschenmelodie regelrecht aufblühen. Das Trio stach mit einer bewegenden Harmonierückung hervor. Unheimlich und geheimnisvoll begann das Finale, das Dan Ettinger mit den Stuttgarter Philharmonikern in grandioser Weise aufbaute. Ferne Hornrufe drohten hier in die Nacht hinein – das Grauen der „Wolfsschlucht“ war unüberhörbar. Die Wucht des gesamten Orchesters schleuderte schließlich das gewaltige Hauptthema hinaus. Die Intervalle und der Fünfer-Rhythmus mit der Triole erinnerten deutlich an den ersten Satz. Das zweite Thema führte zwar zur Beruhigung der Elemente, aber das dröhnende Posaunenthema meldete sich gebieterisch. Immer neue Themenprägungen führten letztendlich zur überwältigend gestalteten Coda. Es war eine Wiedergabe, die neue Sichtweisen und Aspekte eröffnete. 

Alexander Walther

WIEN / Staatsoper: A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM

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Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper:
A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM von Benjamin Britten
Premiere: 2. Oktober 2019  

In seiner letzten Saison als Direktor der Wiener Staatsoper (niemand konnte ahnen, dass sie für ihn verkürzt sein würde) wollte Dominque Meyer weniger volle Kassen, als das Lob, ein Opernhaus von heute auch heutig zu führen. Es gibt, wie bekannt, die Uraufführungen österreichischer Komponisten (Olga Neuwirth, Albin Fries), „Orest“ von Trojahn, die „Tri Sestri“ von Eötvos und „Die Weiden“ von Staud tauchen wieder im Spielplan auf. Und letztendlich gilt Benjamin Britten auch noch so halb und halb als Moderner.

Wenn auch die erste Premiere der Wiener Staatsoper in dieser Saison mit „A Midsummer Night’s Dream“ gewissermaßen in die Kategorie „Moderne light“ fällt. In keinem anderen Werk war der Komponist so gefällig, so locker, und wenn sie mit ihren drei Stunden Spielzeit nicht manche Länge aufwiese, man könnte nur Gutes über die Oper sagen, die (Uraufführung 1960, von der Wiener Staatsoper damals schon zwei Jahre danach, Direktion Karajan, nachgespielt!!!) nun auch schon fast ihre sechs Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Aber Märchen werden ja nicht alt…

Genau gesagt sind es vier Damen, die das „Gefälligkeitsstück“, das sich Britten und Peter Pears nach der Vorlage etwas verkürzt als Operntext eingerichtet haben, auch als solches auf die Bühne gebracht haben, was man nicht übel nehmen soll. Man kann zwar auf DVD sehen, dass etwa Robert Carsen diesen „Sommernachtstraum“ (2005 in Barcelona) interessanter und ein wenig hintergründiger gestaltet hat, aber wenn man an dergleichen herumexperimentiert, läuft man zu schnell Gefahr, es zu ruinieren. Also ist es gut, was Regisseurin Irina Brook zusammen mit der Bühnenbildnerin Noëlle Ginefri-Corbel und Magali Castellan auf die Bühne stellte.

Man ließ – wie Britten selbst – Shakespeare Shakespeare sein, und wenn man den Zauberwald auch wegironisierte (die schwer beschäftigten Kinder der Opernschule schwenkten einmal Transparente mit „Rettet die Natur“ und dergleichen), so gab es in dem Einheitsbühnenbild – ein mehr oder minder verfallener Palast – doch viel hereinwucherndes Grün. Dass immer genug Kinderlein herumwieselten, half bei geringen Verwandlungen, und wenn immer wieder eine Riesenschlange herum getragen wurde, dann kann man es als ironischen Hinweis nehmen, dass es in dieser Welt bei Feenkönig Oberon auch gefährlich zugeht. Aber, keine Angst, alles bleibt immer harmlos genug.

Oberon und Titania sind elegante Zauberwesen, deren Streit nicht eben heftig ausfällt. Die vier jungen Liebenden tragen Schuluniformen, die Mädchen mit Faltenröckchen in Schottenmuster (das wirkt so niedlich wie möglich), und auch sie bleiben ziemlich brav, auch wenn sie sich in ihrem Liebes-Hin-und-Her gelegentlich erhitzen. Die Handwerker sind gezähmte Tölpel. Kurz, es geht recht gesittet zu.

Nur Puck ist eine wirkliche Überraschung. Der Franzose Théo Touvet wird als Schauspieler, Musiker, Tänzer, Akrobat und Zirkuskünstler geführt, und bis auf Ersteres glaubt man ihm alles: So, wie er seine Saltos schlägt und im Affentempo von einer Seite der Bühne zur anderen fegt, wie er sich auf Seilen durch die Lüfte schwingt wie in den Abenteuerfilmen der fünfziger Jahre und nicht zu stoppen ist, bringt er die Hauptlast an Bewegung ins Geschehen. Nur den Schauspieler glaubt man ihm nicht ganz – Puck hat ja doch einiges zu sprechen, und sowohl seine Sprechtechnik wie sein Englisch sind verheerend. Das „schmeißt“ auch fast den Schluß, den er vom Zuschauerraum ins Publikum spricht – verstehen konnte man es nicht. Dankbar geklatscht wurde trotzdem.

Die Sänger exekutierten die brave, stellenweise etwas behäbige Inszenierung, die immer wieder choreographische Elemente zeigte (Martin Buczko) mit Geschmack und Können. Als Oberon lernte man den Amerikaner Lawrence Zazzo kennen, der sehr elegant auf der Bühne steht und der seltene Fall eines durch und durch wohlklingenden (nie schrillen!) Countertenors ist. Als seine reizvolle, rothaarige  Titania lässt Erin Morley ihre absolute Spezialität hören, eine extrem helle, zu extremen Höhen fähige Stimme.

 

Das Quartett der Liebhaber bringt die hauseigenen Damen Valentina Naforniţa und Rachel Frenkel mit dem baritonal kräftigen Rafael Fingerlos und dem neuen, hier debutierenden Ensemblemitglied Josh Lovell zusammen, ein sympathischer, schönstimmiger Tenor aus Kanada.

Spät und kurz bekommen Peter Kellner und Szilvia Vörös ihre leider nur spärlichen Möglichkeiten als Theseus und Hippolyta, während das Sextett der Handwerker schon mehr aufdrehen darf.

Man hat Peter Rose oft und mit ehrlicher Bewunderung als exzellenten Ochs gesehen, dennoch ist er kein komödiantisches Naturtalent, aber er weiß als Zettel ja doch immer, was er tut, und er tut es mit Animo. Wolfgang Bankl als Quince ist ein komischer Spielleiter (könnte sich ruhig mehr aufplustern), Thomas Ebenstein (Snout), der die Mauer sein darf, und Clemens Unterreiner (Starveling) haben nicht die stärksten Rollen. Mehr fällt der junge Bassist William Thomas (Snug) auf, ebenso debutierend wie der englische Tenor Benjamin Hulett, der als Flaut / Thisbe den Vogel abschießt. Er ist stellenweise brüllend komisch, was in der allgemeinen Moderiertheit des Gebotenen auffällt.

Simone Young wurde schon vor der Vorstellung mit höchsten Vorschußlorbeeren begrüßt – und hat jede einzelne davon eingelöst. Das war subtiles, kammermusikalisches Musizieren mit liebevollem Herausarbeiten von instrumentalen „Schmankerln“ ebenso wie atmosphärischen Feinheiten. Die Oper wird ja selten laut oder echt temperamentvoll, doch wie immer, die Dirigentin hat es perfekt austariert.

Ein schöner Abend. Ein braver Abend. Nur gelegentlich ein bisserl fad. Er hat seinen Beifall verdient und bekommen.

Renate Wagner

WIEN/ Metropol: DIE FLEDERMAUS – reloaded

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„Die Fledermaus – reloaded“ im Wiener Metropol, 2.10.2019: Alte tolle Operette, toll wienerisch neu aufgemascherlt

Johann Strauß hält dies aus! Sein Superhit „Die Fledermaus“ von Metropol-Chef Peter Hofbauer und dessen Team ganz hemdsärmelig auf urig wienerisch umgemodelt. Zwar im Vorjahr für das sommerliche NÖ-Theaterfest bereits in Schloss Weitra ausprobiert, nun ins Metropol übernommen und zum unverfrorenen Hausgebrauch eingerichtet. Funktioniert perfekt. Die Musik: Zwar nur mit Pianino und ein bisschen Dosensound dazu, doch genial bleibt genial. Gesungen? Auch so manch schrilleres Tönchen kann seine Reize haben. Und Regisseur Andy Hallwaxx stellte seine Typen schon sehr, sehr gut auf alt- wie neuwienerisches Vorstadtniveau ein. Neun Personen trumpfen spielerisch mit saloppem Charme auf, und die guten vielen neuen Pointen sitzen. Ronny Kuste ist ein toller, ungemein redseliger Frosch, Tanja Golden eine so richtig oligarchische Orlowskaya, Conny Mooswalder und Eric Lingens tragen als die Eisensteins ihren Ehekonflikt ziemlich heutig vor, und Juliette Khalil turnt als Adele munter in dieser bsoffenen G´schicht kreuz und quer herum. Der Wiener Schmäh rennt, und somit – ja, der Strauß-Schani hilft ihnen allen zum berauschenden Fledermaus-Glück.

Meinhard Rüdenauer 

DARMSTADT/ Staatstheater: KISS ME, KATE. Musical von Cole Porter

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Katharina Rebekka Reister mit den Ganoven David Pichlmaier und Michael Pegher). Copyright: Staatstheater Darmstadt

Darmstadt, Staatstheater:  Porter: Kiss me, Kate am 2. Oktober 2019

In der neuen jazzig-aufgefrischten Orchestrierung  bietet man in Darmstadt Cole Porters KISS ME, KATE. Das Orchester, mit Reed-Spielern und Jazztrompeten zu einem Hollywoodorchester plus Bigband aufgestockt, kann sich voll entfalten und der leichte Staub der 50er Jahre fällt musikalisch locker ab.

Auch die Inszenierung von ERIK PETERSEN  ist witzig, schnell und klug. Zwar kommt es 10 Minuten nach Beginn zu einem Gau, denn die Drehbühne versagt den Dienst, aber bestens improvisierend wie die Theatertruppe im Stück spielt man mit Verve zu Ende, und der Zuschauer vermißt nichts. Geschickte Überblendungen in den Gesangs-Nummern zwischen den Solisten bieten ihren Reiz, und die Dialogregie ist äußerst präzise und gelungen. Ein sehr gutes Gespür für Humor beweist der Regisseur speziell im Wechsel zwischen Shakespearscher Sprache und den Alltagsszenen, die noch einmal durch ganz private Kommentare gebrochen werden. Einzig könnte man anmerken, dass die ein oder andere Nummer zu schnell im großen Forte ankommt und dann zu lange gerät.

Überhaupt dreht die an sich gute Verstärkungsanlage auch beim Orchester (Leitung: MICHAEL NÜNDEL) sehr auf. Manchmal wünscht man sich intimere musikalische Momente.

Lilli Vanessi/ Katharina  wird von REBEKKA REISTER  hinreißend mondän gespielt und dabei mit leichter Sopranstimme klar gesungen. JÖRG SABROWSKI füllt die zentrale Figur des Fred Graham/Petrucchio herrlich aus und bietet baritonalen Schmelz für die großen Szenen. Bombig ist BEATRICE REECE als Louis Lane /Bianca, die mit jedem Auftritt ins Zentrum rückt: quirlig, beweglichst, und mit souliger Stimme begabt. Eine herrliche Charakterstudie bietet ANDREAS WELLANO als zahnwehgeplagter Baptista, während unter den Freiern Biancas sich besonders OEDO KUIPERS mit strahlendem Tenor profilieren kann. ARVID ASSARSON bleibt da etwas matter als Lucentio und ROY GOLDMANN als Gremio fällt ab. DANIEL DODD ELLIS hat als Garderobier die coole „Es is viel zu heiß“ Nummer und bietet sie souverän dar, während die Hattie von ELLEN WAWRZYNIAK im Opening stimmlich ein wenig kämpfen muss.

Sehr gut in Stimme und Spiel ist GEORG FESTL als Harrison Howell. Und besser kann man Dialoge nicht gestalten als die beiden Ganoven das machen: DAVID PICHLMAIER und MICHAEL PEGHER.

Chor, Tanzgruppe und die übrigen kleinen Rollen bewegen sich lebendig und tragen so zu einer gelungen Aufführung bei. Bei dieser Wiederaufnahme möchte man den Darstellern ein noch volleres Haus wünschen. Die Aufführung hat es verdient.

Christian Konz

ZÜRICH/ Tonhalle: KULLERVO – SINFONISCHE KANTATE von Jean Sibelius. Saison-Eröffnung

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Paavo Järvi. Foto: Alberto Venzago

Zürich: KULLERVO (Jean Sibelius) – Saison-Eröffnung mit Paavo Järvi – 2.10.2019  – „Großes Getöse“

Nach der Uraufführung im Festsaal der Helsinki-Universität am 28. April 1892 dirigierte der Komponist Jean Sibelius, der die symphonische Kantate „Kullervo“ als Opus 8 und als junger Mann von 27 Jahren geschrieben hatte, nur noch vier Mal und wollte dann nichts mehr von seiner „Jugendsünde“ wissen. Paavo Järvi, der neue Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich, wählte dieses hier noch nie augeführte Werk zum Saisonbeginn. So konnte man sich ein Bild dieser Komposition machen, die auf Tonträger wohl aufgrund der klanglichen Begrenzung in den heimischen Stuben nicht diese Dynamik in der Lautstärke entwickeln  kann wie in der Akustik eines guten Konzertsaales.

Und es war wirklich eine klangliche Wucht, die da auf einen eindrang. Das gross besetzte Tonhalle-Orchester war bestens disponiert und folgte den knappen dirigentischen Anweisungen seines neuen Maestro Paavo Järvi auf das Genaueste. Die Schlagtechnik von Järvi ist klar und völlig unprätentiös: keine Geste zu viel, keine Kontrolle zu wenig. Das etwas über 70 Minuten dauernde Werk in fünf Sätzen hat diese Disziplin notwendig, sonst würde manches Forte noch lauter und weiter ausholend sein. Die ersten drei Sätze sind rein symphonisch und da hört man schon, wo Sibelius noch seine Wurzeln hat (in der Spätromantik eines Bruckner, eines Grieg etc.), aber auch originelle Instrumentation deutet auf den späteren Sinfoniker voraus. Da Sibelius ja in seinen Sinfonien in der Aussage immer knapper wurde und in seiner letzten, der Siebenten quasi nur noch ein Stenogramm seines sinfonischen Schaffens wiedergibt, war es aufschlussreich zu hören, wie Sibelius beispielsweise beim Kullervo noch um diese Verknappung der sinfonischen Mittel ringen musste. Vieles wirkt langatmig, umständlich und kommt nicht eigentlich zum Punkt. Anderes wieder drängt vorwärts und nimmt gefangen.

So ist es der gross aufgebotene Männerchor, – der Estnische Nationale Männerchor RAM (Einstuierung: Mikk Üleoja) und verstärkt durch die Herren der Zürcher Sing-Akademie (Einstudierung: Florian Helgath) – der hier das Hauptinteresse auf sich zieht. Die Sage von Kullervo, einem Helden von altem Schrot und Korn, der unwissentlich seine eigene Schwester vergewaltigt und sich nach dieser Erkenntnis selbst richtet, wird durch den kommentiernden Chor aufgerollt. Da tritt der Chor aus der rein kommentierenden Funktion und zwingt quasi Kullervo, als Held durch das eigene Schwert zu sterben und die Tat so zu sühnen. Nach dem rein sinfonischen, marschartigen bringt der 4. Satz bringt dann der 5. Stz diese Kulmination  der dramatischen Ereignisse.

Bildergebnis für johanna rusanen
Johanna Rusanen. Foto: Heikki Tuuli

Für die beiden Solopartien von Bruder und Schwester hatte man das finnische Sänger-Geschwisterpaar Johanna Rusanen (Sopran) und Ville Rusanen (Bariton) verpflichtet. Während der Bariton vor allem durch seine wortdramatische Gestaltung überzeugte, hatte Johanna Rusanen – übringens eine Schülerin der finnischen Sopranistin Anita Välkki, die in den sechziger Jahren in Bayreuth die Brünnhilde gesungen hat – in ihrer Gesangspartie die Möglichkeit zu mehr Differenzierungen. So konnte sie die spöttischen Zurückweisungen stimmlich ebenso zum Ausdruck bringen wie die Verletztheit nach der blutschänderischen Tat, wo sie sich als Tote bereits mit der Natur verbunden fühlt. Johanna Rusanen verfügt über eine echte hochdramatische Stimme, die in der Höhe aufblüht und in der Mittellage diese Wärme und Durchsetzungskraft gegenüber dem Orchester aufweist. Dem Vernehmen nach wird die Sängerin an der Finnischen Nationaloper demnächst ihr Debüt als Brünnhilde geben.

Als Auftakt hörten wir von Arvo Pärt das sechsminütige, in neuer Überarbeitung vorgelegte Werk „Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte…“ (für Klavier, Bläserquintett, Streicher und Schlagzeug), das gegenüber dem gewaltigen Kullervo wie ein nettes Aperçu wirken mochte.

Die Begegnung mit dem Frühwerk Kullervo von Jean Sibelius war sicher eine interessante Bereicherung im Kanon einer immer enger werdenden Abo-Kultur. Ein vielversprechender Saisonbeginn mit dem neuen Chef Paavo Järvi!

John H. Mueller  

WIEN / Kammerspiele: DER VORNAME

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Foto: Josefstadt

WIEN / Kammerspiele der Josefstadt:
DER VORNAME von Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte
Premiere: 4. Oktober 2019

Es ist amüsant, wie man an einer relativ schlichten Komödie nationale Unterschiede festmachen kann. Das französische Autorenduo Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte hat schon einige erfolgreiche Komödien geschrieben, in denen das bürgerliche Wohlbefinden unterwandert wird. Ihr Stück „Der Vorname“ habe sie 2012 auch verfilmt.

Der ominöse Vorname, der hier ins Spiel gebracht wird, lautet „Adolf“, und da spitzten die Deutschen sofort die Ohren. Während es im Original – Film und Stück – nur darum geht, dass ein lebenslang mutwilliger, nicht mehr ganz junger Mann seine Verwandtschaft mit der Mitteilung schocken will, seinen ungeborenen Sohn so nennen, das Thema aber bald (und versöhnlich) abgehandelt ist („war ja nicht so gemeint“), hat sich die deutsche Neuverfilmung von Sönke Wortmann aus dem Jahre 2018 zwar lachend, aber eigentlich bitterernst auf das Thema gesetzt: „Adolf“, der verfemte Name, wie kann man nur? Die politische Argumentation uferte humorlos aus, bis zur Befragung von „Mein Kampf“ (das Buch kommt im französischen Original gar nicht vor), bis zur hochnotpeinlichen Diskussion, die den politisch korrekten Linken so aufregt, dass er überall nur Wiederbetätigung sieht und ins unerbitterlich-deutsche Dozieren gerät… Der Name „Adolf“ sei verbannt, verboten, verfemt für alle Zeit!

Nun, die Josefstadt spielt in den Kammerspielen „Der Vorname“ nun in der wesentlich harmloseren französischen Originalfassung, die keinesfalls grundsätzlich weltanschaulich und intellektuell fordernd sein will. Das Reizwort „Adolf“ dient hier vor allem dazu, die Familienmitglieder bei einem Abendessen dermaßen aufzubringen, dass sie schließlich über einander herfallen.

Da muss sich Hausherr Pierre (Marcus Bluhm mit der letztlich am wenigsten ergiebigen Rolle) sagen lassen, dass er ein Geizhals ist, ohne dass das ausgeführt wird. Sein Schwager Vincent (Michael Dangl schupft den Abend auch als Erzähler mit hinreißender Suada) wird beschuldigt, sich immer in den Vordergrund zu drängen, was man gerne glaubt, weil man es einen (kurzen, eineinhalbstündigen) Theaterabend auch vorgeführt bekommt. Und Hausfreund Claude (sympathisch: Oliver Rosskopf) erfährt zu seinem baffen Erstaunen, dass alle ihn für schwul halten, aber dennoch lieb haben. Da hat er dann noch eine Überraschung für sie alle bereit, die wirklich wie eine Bombe einschlägt.

Dazu kommt noch Vincents schwangere, kluge, selbstbewusste Freundin, als welche Michaela Klamminger eine höchst überzeugende Visitenkarte abgibt und sich als „Josefstädterin“ und für große Rollen empfiehlt. Ja, und Elisabeth, die Hausfrau, die den ganzen Abend ein marokkanisches Buffet aufträgt, zwischendurch zur Tür und ans Telefon geht und die weinenden Kinder (die man Gott sei Dank nicht sieht) tröstet? Ja, der platzt angesichts der Nichtbeachtung ihrer Person und ihrer Leistung letztendlich höchst vergnüglich der Kragen: Hat sie nicht alles aufgegeben und auch noch die Dissertation des Gatten geschrieben? Hält nicht sie allein den ganz Laden am Laufen? Und käme irgendjemand je auf die Idee, das zu bemerken – geschweige denn, Danke zu sagen? Susa Meyer kann so was. Nicht, dass man sie bis dahin übersehen hätte (wenn man auch vordringlich hungrig auf die Platten mit kulinarischen Köstlichkeiten gelugt hat, die sie aufträgt) – aber ihre Explosion wird zum Höhepunkt des kurzen und kurzweiligen Abends, den Regisseur Folke Braband in einem gemütlichen Wohnzimmer-Bühnenbild (Tom Presting) schön am Laufen hält.

Ein Teil des Publikums verlässt die Vorstellung wohl mit dem zufriedenen Gefühl dass auch andere Familien auf einander los gehen… Die Sache mit dem „Adolf“ hat man da schon längst vergessen.

Renate Wagner


WIESBADEN/ Staatstheater: DIE ZAUBERFLÖTE

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Bildergebnis für wiesbaden die zauberflöte
Thomas de Vries, Ralf Rachbauer (oben), Gustavo Quaresma, Benjamin Russell (unten)
Foto: Andreas J. Etter

Wiesbaden, Staatstheater: Mozart: DIE ZAUBERFLÖTE.   Vorstellung am 3. Oktober 2019

CARSTEN KOCHAN´s Inszenierung der Zauberflöte darf man bieder nennen: sie tut nicht weh, eckt nicht an und erzählt die Geschichte geradeaus. Alles ist gleichschenklig und im Lot. Videoprojektionen ersetzen weitgehend das Bühnenbild (MICHAEL SCHALLER), ein Trend der zunehmend auf deutschen Bühnen zu erleben ist, und der fatal ist. Video ist der Feind des Theaters, da die bewegten Bilder zumeist des reale Bühnengeschehen dominieren. Hier in Wiesbaden dominieren sie nicht, aber sie kommentieren und bebildern eine kahle Bühne, die ein wirkliches  Bühnenbild eigentlich verweigert. So senkt man sicher die Produktionskosten.

Die Besetzung hingegen ist ein Wurf. Fast ausnahmslos sind sehr gute Sänger, mit speziell- timbrierten Stimmen und guter Bühnenpräsenz, am Start.

MARTIN PISKORSKI gibt einen virilen, markant- dunkelgefärbten Tamino, der sich aktiv gegen die Widerstände der Welten stemmt und kein traniger Herumsteher ist. ANNA EL-KHASHEM ist eine entzückend anmutige, blutjunge Pamina, die mit edelstem Sopran ihre Rolle lebendig und in der g-moll Arie anrührend gestaltet. Als Papageno ist im besten Sinn ein Meister auf der Bühne: JOHANNES MARTIN KRÄNZLE verleiht seiner unverwechselbar- warmen Baritonstimme einen vibrierend- leichten Mozart-Ton, singt dabei in großer Direktheit und Wahrheit im Ausdruck und spielt umwerfend natürlich. Mit sehr noblem und samtenen Bass wartet YOUNG DOO PARK auf, der nur in den (zu langen) Dialogen seine Herkunft verrät.

Eine Sensation ist die Königin von ALEKSANDRA OLCZYK. Ihre Arie „Der Hölle Flammen“ ist sicher selten so locker und blitzsauber, dabei mit Attacke und großem Klang live über eine Bühne gegangen. Die Papagena wird von SHIRA PATCHORNIK theatralisch lebhaft und stimmlich frisch  verkörpert. ERIK BIEGELs Monostatos kann da nur darstellerisch mithalten, – da ist einfach zumindest in dieser tieferen Tenorlage zu wenig Material vorhanden. Die beiden Geharnischten übernehmen auch die Priester, wovon der tiefere auch den Sprecher im ersten Akt singt: THOMAS DE VRIES beherrscht klug seinen Bariton und gestaltet die Dialoge exemplarisch, während RALF RACHBAUERs Tenor etwas unstet wirkt. Die drei Knaben werden von Mitgliedern der Chorakademie Dortmund gesungen und gespielt. Eine großartige Wahl, denn alle drei singen klangschön und spielen so selbstverständlich wie die „alten Hasen“.

Der Chor (ALBERT HORNE) wird szenisch überhaupt nicht geführt, singt aber solide. Das Hessische Staatsorchester hat nicht seinen besten Tag. Ungewohnte Fehler und Ungenauigkeiten, die manch eigenwlliger musikalischer Auffassung des Dirigenten KONRAD JUNGHÄNEL geschuldet sein mögen,  überschatten eine an sich frische und beherzte Lesart.

Das volle Theater spendet herzlichen Applaus, den das überaus homogene Ensemble verdient ernten darf.

Damian Kern

MANNHEIM/ Nationaltheater: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – Wiederaufnahme

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Mannheim: „DIE FRAU OHNE SCHATTEN“ – 03.10.2019. Glanzvolle Wiederaufnahme – Premiere


Catherine Foster (Färberin), Miriam Clark (Kaiserin), Julia Faylenbogen (Amme). Foto: Hans-Jörg Michel.

Am 10. Oktober 1919 erlebte „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss in Wien ihre UA, genau eine Woche davor feierte nun das grandiose expressive Werk zur WA am Nationaltheater seinen 100. Geburtstag.

Zur szenischen Realisierung bedachte man am 17.03.2007 Gregor Horres, dessen Auslegung der Textur beim Publikum starke Kontroversen hervorrief. Gewiss fällt diese Produktion schon aus dem Rahmen, jedoch angesichts der davor und danach besuchten diversen Inszenierungen  ordne ich sie bei gegenwärtiger Sichtweise geradezu als genial ein. Natürlich sind die skurrilen farbenfrohen Kostüme sowie die ewig rotierende Bühne (Sandra Meurer) nicht nach Jedermanns Geschmack (hoffentlich hält die Maschinerie noch bis zur Sanierung durch?), jedoch muten die Auf- und Ab-Konstruktionen als Teil einer Bewegungs-Dramaturgie an. Die Kaiserin im Barbie-Look, der Kaiser geht im Pyjama zur Jagd, Barak ein Schriftsteller mit Double, sein Weib als Parodie – das Färber-Paar ein ironisches Pedant zu Hofmannsthal –  dem Komponisten sowie dessen resoluter Angetrauten Pauline ? Wie denn auch sei, ich sah (wie auch viele Opernfreunde) das Panoptikum heute mit anderen Augen, wirkte keineswegs mehr störend, man empfand das Euvre bar der illustren Lichtspiele  (Bernhard Häusermann)  zum perfekten Timing der Technik als optimales Kunstwerk aus Farbe und Licht und erlebte die Performance als Fest fürs Auge sowie als Sternstunde  musikalischer Perfektion.

Es versteht sich von selbst, dass nach 12 Jahren alle Rollen (bis auf Barak) neu besetzt wurden, alle Sänger gaben ihr Rollendebüt und formierten sich zum Vokalensemble der Spitzenklasse. Um es vorweg salopp zu formulieren: es gab was auf die Ohren, man wohnte einem prädikativen „Festlichen Opernabend“ bei.

Die Kaiserin und Titelträgerin der Oper Miriam Clark berührte tief, denn sie war getragen von großer stimmlicher Wärme, klar mädchenhaft leicht kam ihr herrlich timbrierter Sopran daher. Clark begeisterte mit gleichwohl fokussierten Tönen, silberhellem Höhenstrahl, vorzüglicher Legato- und Phrasierungskunst, unglaublich vokaler Flexibilität, lyrischem Schmelz gleichermaßen prächtig vereint mit substanziellem dramatischem Kern. Großartig ihre Traumerzählung sowie die Szenen Am Wasser des Lebens im dritten Aufzugs mit den sonst gestrichenen rezitativischen Erweiterungen.

Die für mich weltweit beste Elektra Catherine Foster und international gefeierte Wagner-Interpretin gab nun ihr Debüt als Färberin am NTM. Von Akt zu Akt steigerte die grandiose Sängerin ihren in allen Lagen stets präsenten modulationsreichen Sopran in stratosphärische Höhen, vereinte weiche Farbgebung mit ausdauernd kraftvollen, jedoch stets runden vokalen Attacken. Spektakulär anmutend ihre phänomenale Fähigkeit mit ungebrochener Intensität große dramatische Bögen zu spannen, ohne jegliche technische Einbußen in gleichbleibendem Fokus des Wohlklang ihres ausdrucksstarken Sopran-Timbres.

Als weiblicher Mephisto hüftschwingend, sexy und mit komischen Aspekten versehen präsentierte Julia Faylenbogen die Amme und verlieh dieser verbindlichen Schlüsselfigur dämonische aber auch warmherzige Züge. Nach ihrer sensationellen Azucena begeisterte die Mezzosopranistin mit perfekt positioniertem Stimmsitz die ausufernden Stimmlagen dieser anspruchsvollen Partie. In souveräner Manier präsentierte Fayenbogen gleichwohl schönstimmig ihre dunklen wie obertonreichen Vokal-Attribute und die sympathische Künstlerin konnte mit dieser gelungenen Rollengestaltung  einen ganz persönlichen Erfolg verbuchen.

Soviel Frauenpower Paroli zu bieten oblag nun den Sängern der tragenden männlichen Partien, die Herren nahmen die Herausforderungen an und bewältigten sie auf vorzügliche Weise. Nach seinem erfolgreichen, jungen, agilen Herodes während der letzten Spielzeit beeindruckte nun Andreas Hermann mit gelungenem Rollenportrait. Viril, tenoral glanzvoll, lyrisch und dramatischen Farben, herb männlich in der Mittellage, strahlend leuchtend im Höhenbereich interpretierte Hermann den von Jagd-Leidenschaft besessenen Kaiser. Vortrefflich differenzierte der Tenor, ließ das schöne Timbre bestens phrasiert fließen und absolvierte zweifellos seine bisher beste Leistung am Hause.

Ausdrucksstark setzte Ks. Thomas Jesatko seinen kernigen und dennoch warm strömenden Bariton ein und schenkte dem Barak die weiche, einfühlsame und ausdrucksstarke Charakteristik in gewohnter Souveränität bis zu den finalen Jubeltönen.

Schönstimmig präsentierten sich Ilya Lapich, Marcel Brunner, Benedikt Nawrath als Baraks Brüder-Trio. In kräftiger Bass-Dominanz umriss Joachim Goltz den bedrohlichen Geisterboten. Sopranhell zwitscherte Natalija Cantrak den Falken,  mit Nachdruck sang Estelle Kruger die Aufforderungen vom Hüter der Schwelle. Die drei Damen vereinten sich ebenso als Dienerinnen. Seinen hellen Tenor schenkte Juraj Holly dem Jüngling, mit sonorem Alt bat Susanne Scheffel nach oben. Ausgezeichnet fügten sich der Kinderchor (Anke-Christine Kober) sowie der Chor des NTM (Dani Juris) in die Turbulenzen des Geschehens.

Unter der umsichtigen Stabführung von GMD Alexander Soddy musizierte das Orchester des NTM geradezu umwerfend. Gleichwohl im Strukturieren der Analyse dieser monströsen Partitur oder im Auffächern der klanglichen Retrospektive  lyrischer Magnetismen, Soddy hielt stets die Balance im Auge, war seinen Solisten  ein zuverlässiger Partner.  Elegisch traumhaft erklangen die Celli- und Violin-Soli im Kosmos der zu Herzen gehenden Melodik, in elementarer Wucht präsentierte der Maestro die spektakulären Orchesterausbrüche des vorzüglich disponierten Klangkörpers zu den „Übermächten“.  In Ausgewogenheit demonstrierte das Instrumentarium überzeugend  musikalisches Profil selbst während heftigster Eruptionen. Apart abgetönt präsentierten sich die Holzbläser neben verzüglichem Seidenglanz der Streicher und das profunde Blech (abgesehen von kleinen nervösen Wacklern)  verband sich zum leuchtenden, idiomatischen Strauss-Ton, dass es einem schier den Atem verschlug. Eindringlich erklangen die zeitentrückten Soli der Celli zur Szene am Falknerhaus oder das Violin-Gebet im dritten Aufzug, das waren musikalisch himmlische Momente von emphatischer Eindringlichkeit und gingen unter die Haut. Bravo Maestro!

Das aufmerksame Publikum im leider nicht vollen Haus feierte alle Beteiligten in lautstarker Begeisterung und huldigte ganz besonders Clark, Foster und Soddy mit zehn Minuten  Ovationen.

Opernfreunde welche eine der nächsten Aufführungen am 13.10./01.+17.11./01.12. sowie 12.01.2020 versäumen, bestraft das Leben.

Gerhard Hoffmann

 

BERLIN/ Staatsoper: DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR von Otto Nicolai

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Pavol Breslik, Anna Prohaska. Foto: Monika Rittershaus.

Berlin/ Staatsoper:DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR“ von Otto Nicolai, eine lohnende Wiederentdeckung, 03.10.2019

Ausgerechnet René Pape als Sir John Falstaff, das kann doch nicht funktionieren, so die Bedenken vorab. Doch das klappt, hier nicht bei Verdis „Falstaff“, aber beim Dreiakter, den der Berliner Otto Nicolai nach selbigem Shakespeare-Stoff (Ein Sommernachtstraum) komponierte und sein Werk als komisch-phantastische Oper bezeichnete.

Schon sehr lange hat sich das Publikum in der Staatsoper Unter den Linden, die eher das Ernste und Erhabene pflegt, nicht so amüsiert, die Autorin inklusive. Das Staunen und Gekichere beginnen, als René Pape im Fatsuit und Sandalen auf die Bühne schlurft. Als reichlich vergammelter alter Kerl mit fettigen Haarstränen. Das befleckte weiße T-Shirt ist zu kurz und lässt einen ständig vorgestülpten Bauchnabel über der hängenden Dreiviertelhose sehen (Kostüme: Falko Herold).  


Rene Pape und Coor. Foto: Monika Rittershaus.

Der junge Regisseur David Bösch, der nach erfolgreichen Inszenierungen an anderen großen Häusern erstmals an der Staatsoper Berlin tätig ist (und auch das Libretto von Salomon Hermann Mosenthal etwas modernisierte), bringt Pape, der in seinen Wagner- und anderen Edel-Partien oft etwas steif wirkt, nun zum Spielen.  Aber wie!

Der Star hat offensichtlich Spaß an diesem Rollenwechsel und wirft bzw. schlurft sich komplett ins Geschehen. Der Kontrast zwischen diesen schäbigen Klamotten und seinem edlen Bass könnte größer kaum sein. Dieser Falstaff wirkt nicht wie ein Ritter, sondern eher wie ein schon länger Obdachloser. In der Tat ist der gealterte, einsame Falstaff eine tragische Figur, den nur noch der Suff – am liebsten zusammen mit anderen – über Wasser hält.

Später singt Pape auch mal schmunzelnd Grönemeyers: „Männer sind so verletzlich. Männer sind einfach unersetzlich.“ So scheint er sich immer noch zu fühlen, vertraut auch auf sein Ritter-Renommee aus längst vergangenen Zeiten und sendet bekanntlich an zwei verheiratete Frauen einen identischen Liebesbrief.

Die beiden „Weiber“, Frau Fluth und Frau Reich, sitzen in Morgenmänteln und Pantöffelchen Sekt trinkend auf der Terrasse ihrer benachbarten Schlicht-Bungalows im Look der 1970’er Jahre, ausgestattet mit Pool, Grill, Grünzeug und Wäschespinne. Eigentlich alles da, was damals einen bürgerlichen Haushalt ausmachte, doch die Langeweile der beiden scheint groß zu sein.

Daher regen sie sich – Mandy Fredrich als Frau Fluth mit Glitzersopran, und Michaela Schuster mit saftigem Mezzo als Frau Reich – gerne über diese identische Anmache von Sir John auf. So etwas schafft Beschäftigung, sogleich sinnen sie auf Rache und spielen das mit Humor und manch gewollter Übertreibung.

Auch die beiden Ehemänner sollen ihr Fett abkriegen, vor allem der dauereifersüchtige Herr Fluth, eine Partie, die dem stets spielfreudigen Michael Volle auf den Leib geschneidert zu sein scheint und durch seinen klangvollen, variantenfähigen Bariton wesentlich bereichert wird. Der traut seiner aparten Frau Seitensprünge mit allen zu, selbst – mit Blick Richtung Daniel Barenboim am Pult – dem Generalmusikdirektor.

Selbst wenn er später voller Wut über den in der Wohnung nicht entdeckten Sir John die Möbel zertrümmert und beim zweiten Versuch vergeblich im nicht mehr als Versteck dienendem Wäschekorb mit der Motor-Gartenschere herumstochert, entgleist ihm bei allem Furor dennoch kein Ton.

Als weitere Luxusbesetzung in der Männerriege ist unbedingt Pavol Breslik als Fenton zu nennen. Wie jung sieht er als mittelloser Student in seinem grünlichen Anorak aus, und wie jung und überzeugend klingt auch sein weltweit zu Recht gefeierter Tenor. Doch kein Wunder, wenn solch ein „Supergirl“ wie die Sopranistin Anna Prohaska in allerkürzesten Hotpants als Partnerin singt und agiert. Mal lyrisch-melancholisch, mal mit perlenden Koloraturen. Da wird – trotz „Me-too“ – von beiden Seiten gestreichelt und geknutscht, wie das zwei Liebende halt tun.

Vater Reich (Wilhelm Schwinghammer mit profundem Bass) will seine Anna jedoch keinesfalls dem armen Fenton zur Frau geben, sondern dem Junker Spärlich – Linard Vrielink, der stets klimagerecht mit dem Radl daherkommt und immer wieder mit hörenswertem jugendlichem Tenor die Begehrte mit „Du schöne Anna“ anschmachtet. Ein weiterer Konkurrent für Fenton ist der hoch gewachsene Anzugträger David Oṧtrek als Dr. Cajus mit seinem kräftigen Bariton. Auch die beiden beweisen ihr Schauspieltalent.   

Eine Pool-Party mit Falstaff  und dem munteren Chor, einstudiert von Martin Wright, bleibt auch nicht aus. Noch trinkt Sir John die Mitfeiernden unter den Tisch, hockt zuletzt aber allein am Beckenrand.

Im Schlussakt wird die durchaus gewagte Rache der beiden Frauen perfekt. Die als der spukende Ritter Herne und sein Gefolge verkleideten Nachbarn bedrängen Falstaff. Der fürchtet um sein Leben, rutscht verzweifelt auf den Knien den gesamten Beckenrand entlang. Welch eine Demütigung!

Doch beim Ende gut – alles gut streichelt Herr Fluth reuig und liebevoll den Bauch seiner offensichtlich schwangeren Frau. Ob das Baby wohl von ihm ist oder vielleicht vom schicken Dr. Cajus? Dem aber springt nun der zierliche Junker Spärlich in die Arme. Anstelle von Anna haben sich die zwei Männer – beide nun im Ballett-Kostüm und auf High Heels – als Partner gefunden, und das Publikum lacht. 

Die meisten Anwesenden verlassen mit einem Lächeln im Gesicht den ausverkauften Saal. Sie freuen sich, dass Daniel Barenboim in diesem Jahr zum Tag der Deutschen Einheit – zusammen mit der mal duftig, mal energisch aufspielenden Staatskapelle Berlin – etwas Lustiges mit Hintersinn gewählt hat.

Mit dieser Wahl erinnert er auch daran, dass „Die Lustigen Weiber von Windsor“ am Hause im Jahr 1849, also vor 170 Jahren, uraufgeführt wurden. Ihre Wiederbelebung ist gelungen. Der mehrfache Zwischenbeifall – u.a. für Pape, Volle und Breslik sowie der kräftige Schlussapplaus auch fürs Regieteam sprechen eine deutliche Sprache.  

Ursula Wiegand

Weitere Termine: am 05., 10., 11., 13. und 19. Oktober   

 

STUTTGART/ Staatsoper: NORMA – Ergreifendes Belcanto-Drama

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Von Rivalinnen zu Freundinnen:  Yolanda Auyanet (Norma) und Diana Haller (Adalgisa). Copyright: Martin Sigmund

Stuttgart: „NORMA“ 3.10. 2019– Ergreifendes Belcanto-Drama

Die Tragik der Oberpriesterin Norma zwischen Glaubens-Gelübde, verbotener Liebe zu einem römischen Besatzer und mütterlicher Bindung in Kombination mit Vincenzo Bellinis ebenso himmlischer wie mitreißender Melodik gehört ohne Zweifel zu den herausragenden Errungenschaften der Operngeschichte und dürfte wohl nur besonders hartgesottene Gefühlsverweigerer kalt lassen. Auch in dieser vorläufig letzten, 71. Vorstellung der vor der Sommerpause erfreulicherweise noch einmal wieder aufgenommenen Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito im Bühnenraum und Kostümen von Anna Viebrock war die große Anteilnahme des Publikums während der Aufführung zu spüren. Die Solisten sowie Chor und Orchester machten aber auch allesamt spürbar, wie sie selbst von der Emotionalität und Ästhetik des Stückes mitgenommen und zu lebendiger Gestaltung verführt werden.

Bereits bei der erwähnten Neueinstudierung im Juli hatte die aus Gran Canaria stammende Yolanda Auyanet mit einer musikalisch und szenisch verinnerlichten Präsentation der Titelrolle aufhorchen lassen. Die damals noch erhoffte Zunahme an interpretatorischer Intensität hat sich nun eingestellt, die Zerrissenheit von Normas Konflikt im Zusammenspiel von wissender Phrasierung und spontaner Reaktion an fesselnder Spannung gewonnen. Hie und da ein nicht ganz schlackenfreier Ton oder eine etwas verwischte Fioritur bedeutet sogar eine Erweiterung des farblichen Spektrums. Subtilität und Kraft ihres auch in der größten Emphase noch wohl lautenden Soprans sind gut austariert. Eine zu Recht rauschend akklamierte Leistung, die in der Intensität von Diana Haller nur deshalb noch übertroffen wird, weil die kroatische Mezzosopranistin den Heimvorteil einer inzwischen immer größer gewordenen Fan-Gemeinde hat. Gesamtkünstlerisch betrachtet befindet sie sich mit ihrer wieder im gesamten Register wie aus einem Guss beherrschten und temperamentvollen Zeichnung der Novizin Adalgisa auf Augenhöhe mit ihrer Rivalin und dann Freundin.

Beider Duette waren auch diesmal wieder ein Fest vokaler Harmonie.

Mit Norman Reinhardt als Pollione komplettierte diesmal endlich auch ein stilistisch adäquater Tenor das Hauptrollen-Trio. Mag sein Kräftepotential auch am unteren Ende des heldisch angelegten Parts sein – der sich in einige extreme Höhen hoch schraubenden Rolle bleibt er mit kultiviert ausbalancierten und abgestuften Wechseln vom Lyrischen ins Dramatische und zurück nichts schuldig und konterkarierte so sein eher einförmig, aber konsequent selbstbewusst aufmüpfiges und damit rollenkonformes Spiel. Ein tragfähiger lyrisch geprägter Tenor mit ausreichend Fülle und sicher ausgebildetem Höhenflug, wie ihn Bellinis Belcanto verlangt.

Als Normas Vater Oroveso wirkte David Steffens auch mit Brille etwas zu jung, sein heller Bass verfügt allerdings über enormes Gewicht, weniger über einen bei aller auszudrückenden Strenge erwünschten weicheren und wärmeren Klang. Jie Zhang aus dem Staatsopernchor verfügt für die Vertraute Clotilde über erfreulich schönes Material incl. rührender Darstellung, Moritz Kallenbergs Tenor ließ auch in der kurzen Partie von Polliones Gefährte Flavio eine gute Substanz und Ausdrucksfähigkeit vernehmen, Die beiden Leid tragenden Kinder hatten in Marlene Schwind und Fred Löthe recht souverän agierende Darsteller.

Die beständig höchste Leistungsfähigkeit des Staatsopernchores Stuttgart (Einstudierung: Bernhard Mancado)  als Sänger und Schauspieler bestimmte auch diesmal seinen engagierten Einsatz als zwischen Krieg und Frieden gebeutelte Glaubensschar.

Nicht ganz so forsch stürzte sich diesmal Giacomo Sagripanti in die Ouvertüre, brachte insgesamt mehr Ausgewogenheit in den Gesamtablauf und realisierte mit dem Staatsorchester Stuttgart ein zwischen schwebender Tonschönheit und unterschwelliger Dramatik gut abgemischtes Belcanto-Erlebnis unter klarer Führung der Gesangsstimmen.

Udo Klebes   

WIEN / Staatsoper: SALOME

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Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

WIEN / Staatsoper:
SALOME von Richard Strauss
241.
Aufführung in dieser Inszenierung
4.
Oktober 2019

Die Salome von Richard Strauss ist eine der gesanglich und darstellerisch anspruchsvollsten Partien der Opernliteratur. Jede neue Besetzung wird also den Opernfreund mühelos zu einem Besuch des Werks überreden. Diesmal ist Ausrine Stundyte aus Litauen zu Gast, die schon mit ziemlicher Reputation aus Berlin und München, Paris und Zürich, Amsterdam und Florenz hierher kommt. Im Theater an der Wien wird sie 2020 die Renata im „Feurigen Engel“ verkörpern.

Als Salome ist sie erst einmal eine Augenweide. Wenn von „Body-Shaming“ die Rede ist, muss es auch „Body-Praising“ geben, wenn eine Sängerin so schlank und zierlich ist, eine echte dunkelhaarige Prinzessin aus dem Morgenland, die von Anfang an weiß, dass sie ihre Rolle als überdrehte Borderline-Persönlichkeit anlegt: Das ist durchaus glaubwürdig, wenn man sich die Irrationalität ihres Handelns wirklich vor Augen führt. Allein das Spiel ihrer Hände und Arme, das sie konsequent und extrem durchführt, setzt immer wieder besondere Akzente. Abgesehen davon, dass sie etwa Jochanaan (als er noch lebt) körperlich so erregt nahe kommt, wie man es selten sieht – und dass sie eine Tänzerin von besonderen Talenten und besonderer Berechnung ist: Eigentlich interessiert sie nur, ob Jochanaan in seinem Loch möglicherweise etwas von ihrer Verlockung mitbekommt, während sie gleichzeitig immer wieder dafür sorgt, die Schleier Herodes zuzuwerfen (worauf Herodias sie ihm wegschnappt…). Beim Schlußmonolog, wo der Wahnsinn flackert, leidet sie wie alle Salome-Darstellerinnen in Wien daran, dass die Szene einfach nicht ausreichend beleuchtet, sprich: in Düsterkeit getaucht ist.

Stimmlich fühlt sich Ausrine Stundyte vor allem in der hohen Mittellage und in der reichlich beanspruchten Höhe wohl, während Mittellage und Tiefe manchmal sogar bis zu Parlando-Sprechgesang hinunter gefahren werden und auch Gefahr laufen, in den Orchesterfluten zu versinken. Von diesen gab es an diesem Abend reichlich.

Zwei hauseigene Rollendebutanten gab es in dieser „Salome“-Serie: Linda Watson als mächtige, prächtige, zynische Herodias beweist, dass die ehemaligen Hochdramatischen die besten Sängerinnen dieser Rolle sind. Jörg Schneider ist ein geradezu freundlich wirkender Herodes, zwischen starken Frauen zerrieben, fast kindlich verliebt in die Stieftochter, immer wieder ängstlich, nervös. Dazu lässt er seinen schönen Tenor erschallen.

Alan Held gibt (hörbar) alle Kraft, um dem Jochanaan stimmliche Macht und Würde zu verleihen, wenn die Stimme auch schon vor dem Rollenende angestrengt klingt…

Zwei Darsteller der Nebenrollen seien heraus gehoben: Lukhanyo Moyake, der voll ausnützte, dass Narraboth gleich zu Beginn stark präsent ist, wobei er seinen Tenor regelrecht leuchten lässt. Und Thomas Ebenstein, als Erster Jude für den ursprünglich angesetzten Michael Laurenz eingesprungen, der manchem Kollegen vormachte, wie deutlich man bei Strauss artikulieren kann, ja eigentlich muss, um seiner Figur Deutlichkeit und Kontur zu verschaffen. (Drollig übrigens, wie die Juden „erschüttert“ bei Salomes Tanz die Gesichter bedecken, aber immer wieder durch die Finger lugen, um da zuzuschauen…)

Dennis Russell Davies am Dirigentenpult ließ die Wiener Philharmoniker klingen wie ein um ein paar Dezibel zu laut aufgedrehtes Radio. Nun ist die „Salome“ verdammt dramatisch, und wer ihre Aufschwünge hoch peitscht, macht nichts falsch. Aber permanente Lautstärke lässt viel von der berühmten Raffinesse der Partitur unter den Tisch fallen. Aber, wie schon oft festgestellt, „laut“ wirkt, und das ausverkaufte Haus spendete seinerseits lauten, wenn auch nicht allzu langen Beifall.

Renate Wagner

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